Auszeitjournal Sonntag, 23. September 2012 – Irrwanderung
Montag, 24. September 2012 um 8:32Wozu drängt es eine frisch genesene Migränikerin am Sonntagmorgen? Selbstverständlich zum Kuchenbacken.
Ricottakuchen. Brauchte wie bei so mancher Kommentatorin auch bei mir deutlich länger im Ofen, ist unten eingesackt – vielleicht das nächste Mal doch in einer größeren Form? Und mit einem Backpulver, das nicht so vorschmeckt.
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Mittags hatte der Himmel aufgerissen, mich zog es nach draußen. Aus meinem Bücherl Wandern mit dem MVV suchte ich eine kleine Wanderung mit kurzer Anreise heraus: Von Harthaus durch die Aubinger Lohe nach Lochhausen, besonders verlockend war die Aussicht auf einen Naturlehrpfad.
Doch schon nach 15 Minuten begann die Verwirrung: Statt wie beschrieben über eine verifizierte Hartstraße “schurgerade durch freies Feld zum Gut Freiham” zu kommen, standen wir vor der brausenden Autobahn. Von da an verbrachten wir eine Stunde damit, irgendwie zu den beschriebenen Ortsmarken zu kommen, vergeblich: Selbst die Landkarte passte vorne und hinten nicht zu dem, was wir sahen. Anscheinend war die Wanderung nach dem Autobahnausbau um die Jahrtausenwende nicht überarbeitet worden, obwohl es im Buch “Aktualisierte Neuauflage 2011” heißt.
Auch Online steht der Text dieser Tour – hier sieht man, dass er nicht zur dort zumindest aktuellen Karte passt. Vor Aubing gaben wir auf und gingen in den Ort zum S-Bahnhof.
Dennoch hatten wir Eindrücke eingesammelt: Ein wunderschöner Quittenbaum voller Früchte, ein Starenschwarm auf einem Hochspannungsmast, von dem immer wieder Abordnungen in nahegelegene Büsche flogen, die sich unter der Last bogen. Und der Trupp Wuppertaler und Wuppertalerinnen in Bayernverkleidung am Aubinger Bahnhof voll Vorfreude aufs Oktoberfest.
Zur Entschädigung lud mich der Mitbewohner auf ein Eis ins Sarcletti ein (der liebe Mitbewohner, der sich eigens mit seiner Wochenendarbeit beeilt hatte, um Zeit für die Wanderung zu machen).
Ich aß “Verzauberte Zwetschge”, einen saisonalen Eisbecher – köstlich.
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Abends verarbeitete ich die Reste der Ökokiste, Karotten und Zucchini, zu Zucchini-Möhren-Safran-Nudeln – nur statt mit Safran (keiner im Haus) mit Curcuma – schmeckt auch.
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Zum Abschluss des Sonntag noch einem Kommentar aus der Zeit hinterher gelesen:
Respekt vor religiösen Gefühlen? Warum nochmal?
Denn schließlich sind es wir Ungläubigen, denen in den Heiligen Schriften dieser Gläubigen am wenigsten Respekt gezollt wird.
10 Kommentare zu „Auszeitjournal Sonntag, 23. September 2012 – Irrwanderung“
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24. September 2012 um 9:33
Denjenigen, denen nichts heilig ist, denen ist auch nichts tabu.
24. September 2012 um 11:02
Das Interview mit Frau Ates sollte man lesen!
24. September 2012 um 11:06
Von Harthaus nach Freiham geht es unter den S-Bahn-Gleisen durch, am Parkplatz entlang, dann in der Kurve links aufs Feld (dort ist ein unbeschrankter Bahnübergang). Feldweg geradeaus, bis es nicht mehr weitergeht, mithilfe der Brücke über die Autobahn, links halten, weiter links halten, dann kommt man zum Gut Freiham…
25. September 2012 um 17:34
aller achtung – im ricottakuchen ist mehr zucker als mehl: und ich dachte, wir HFCS-geschädigten amis sind desensibilisiert!
bei aller mehl/zucker meditation lass ich statt “respekt vor…etc.” “rezept für religiösen glühwein”.
25. September 2012 um 21:05
eine gelungene mvv-wanderung: mit der s4 nach schöngeising oder fürstenfeldbruck, und dann durch den herbstlichen wald zum bauernhofmuseum “jexhof”. wunderschönes altes bauernhaus, freundliche führung, ausschank mit tollem kuchen – wir waren geradezu beseelt. zurück entweder nach schöngeising (wenn aus ffb kommend) oder nach ffb (wenn aus schöngeising kommend).
26. September 2012 um 8:43
Echt jetzt, Frau Kaltmamsell? Den Zeit-Artikel finde ich ausgesprochen dürftig. Sich einfach die intoleranten Rosinen aus alten Schriften zu picken, sie aneinanderzureihen und daraus einen vermeintlichen Beweis zu basteln, dass Religionen ganz schön böse und intolerant seien und deshalb für uns aufgeklärte Freigeister nicht satisfaktionsfähig, das hat mit fundierter Kritik überhaupt nichts zu tun. Der Herr Schmidt-Salomon verkauft sich als Philosoph? Diese Philosophie ist mir zu schrill und schielt zu sehr nach dem Publikumsbeifall. Ist denn noch niemand aufgefallen, dass skeptische Distanz zu Religionen inzwischen die absolute Mehrheitsmeinung zumindest in den tonangebenden Kreisen in Deutschland ist und das man mit Hinweisen auf Scheiterhaufen, Kreuzzüge und sonstige religiöse Missetaten immer wieder die gleichen offenen Türen einrennt?
Sich von randalierenden, unterbeschäftigten Jugendlichen, die sich immerhin geschickt vor Kameras aufstellen können, die eigene Pressefreiheit diktieren lassen – dass das nicht geht, geschenkt. Ist aber auch keine besonders große Erkenntnis. Ob zB die Charlie-Hebdo-Cartoons, die ich bei meiner donnerstäglichen Lektüre der taz bewundern durfte, einen höheren Reifegrad als das Verbrennen ausländischer Fahnen beweisen, glaube ich aber nicht. Der Impetus ist doch derselbe, mit cleverer Satire hat das nichts zu tun.
Mir persönlich macht es viel mehr Angst, welche unverhohlenen Ressentiments unter dem Deckmantel der Religionskritik hervorgucken, die in einem anderen Kontext vielleicht doch noch verpönt wären.
26. September 2012 um 21:25
Das höre ich auch immer, dass die skeptische Distanz zur Religion zunimmt. Ich befinde mich allerdings selber in einer Umgebung, in der in jedem Zimmer ein Kreuz hängt und nicht nur Weihnachten, sondern auch Ostern, und Saisonanfang, und Saisonende, Gottestdienst für alle die Regel ist. Skeptische Distanz finde ich auch nicht so bedenklich; unreligiös oder atheistisch sind ja trotzdem ganz, ganz wenige.
Ich fand in der Zeit den Gedanken immerhin originell, dass nicht nur berichtet wird darüber, wie Kirchen angegriffen oder beleidigt werden, sondern auch mal zusammengestellt ist, was die Kirche über Leute wie mich sagt. So bewusst war mir das nicht. Im Endeffekt gelten die Aussagen ja immer noch.
27. September 2012 um 6:45
Liebe unheilige Schriftgelehrte,
wieso kennt’s Ihr die Bibel in solchen Situation immer besser als wir? Oder kennt’s Ihr am Ende nur diese Stellen? Ok, wenn ich die als gestrig abhake und mich stattdessen auch mal am Hohelied der Liebe freue?
Ok, auch gestrig. Vielleicht ist’s auch einfach blöd, die Welt mit dem Alten Testament und Religiösität mit der Bibel zu erklären. Was aber nicht ich mache, sondern Ihr so gerne. Naja, zumindest der da in der Zeit. Aber von dem fühle ich mich ja auch gar nicht angesprochen. Ja schon, ich bin religiös und auch gläubig (ich mag diese Wort grad wegen seiner Verdruckstheit), aber er spricht ja von religiösen Gefühlen. Na so blöd sind selbst wir nicht, da nur so ein Gefühl zu haben, mein liebes Schlitzohr.
Er spricht auch noch von Kultur und von Kritik und Satire, mit der man die Hardcore-Religiösen so lange versorgen soll, bis sie deswegen nicht mehr andere in die Luft zu sprengen. Ok, wird nicht gleich klappen, wird halt erst mal noch ein paar Tote mehr da unten geben, aber versuchen kann man es ja mal. Aber ich würde schon gerne mal wissen, wie die Zeit-Korrespondenten im Nahen Osten so einen Feldversuch finden, bei dem sie Kanonenfutter werden könnten.
Oder was Salman Rushdie darüber denkt, dass seiner Arbeit grad sehr gerne mit diesem Film gleichgesetzt wird. Aber ich glaub, das ist nur der Nachrufreflex hier: Wenn jemand Bekanntes stirbt, holt der Nachrufredakteur sein schon vor Jahren verfasstes Stück raus, setzt noch ein paar aktuelle Daten rein und ins Blatt damit. War hier vielleicht auch so. Nur dass Kultur, Kritik, Satire da gar nicht betroffen sind.
Ansonsten möchte ich noch von Sabine angeregt sagen: Ich glaube, das Problem von zu viel Respekt haben wir eigentlich grad nicht so. Ich würde mir jedenfalls mehr davon wünschen und hab es selbst vor allem, das anderen nix tun will. Was selbst religiöse Gefühle eher nicht tun. Finde ich.
27. September 2012 um 7:20
Also hau ich mich doch noch rein: Was aus den Heiligen Schriften wörtlich zu gelten hat oder eben doch gar nicht so gemeint war, wechselt bei den Religiösen ja je nach Wetter und Marktlage. Den Repräsentanten der Weltreligionen gelten sie als definitorische Grundlage für alles, diese Heiligen Schriften, deswegen gehört deren Kenntnis zur Grundbildung auch für Ungläubige. Wenn dann Religionsanhänger individuell der Meinung sind, diese definitorischen Schriften hätten nichts mit ihnen zu tun, kommen wir lediglich zur völligen Beliebigkeit religiöser Gefühle, deren Respekt eingefordert wird.
Aber sicher gibt es eine große Menge Religionsanhänger, deren religiöse Gefühle gefestigt genug sind, dass sie nicht empfindlich auf jeden Angriff reagieren, Sebastian, und Religionsskeptiker, Sabine, – doch um Euch geht es ja nicht.
Und als solchen Feldversuch im Nahen Osten könnte man den Staat Israel bezeichnen, das haben sich also durchaus ein paar Millionen Menschen angetan.
28. September 2012 um 10:40
Und wer soll jetzt festlegen, was bei Alten Schriften zu gelten hat? Ich kann nicht für den Islam sprechen, der genau so wie das Christentum ein unglaublich breites Spektrum von Glaubensrichtungen und vermutlich auch Exegesen aufweist, aber bei uns im Christentum hat sich seit 200 Jahren doch im Großen und Ganzen die historisch-kritische Methode durchgesetzt, bei der die Bibel nicht einfach als vom Himmel gefallenes Buch, sondern auch als Text behandelt wird, denn es zu hinterfragen und zu betrachten gibt. Und wenn verschiedene Auslegungen verschiedener Meinung sind, was größere oder kleinere Aspekte betrifft, dann liegt das nicht etwa an der von Ihnen beklagten “Beliebigkeit religiöser Gefühle”, sondern daran, dass sich viele sehr ernsthafte Leute seit vielen Jahren Gedanken machen, welche Bedeutung die Schriften für die theologische Lehre und das Leben halten. So einfach ist es halt nicht.
Die allergrößte Mehrheit der Christenheit ist sich zum Beispiel über die grundlegenden Glaubensinhalte recht einig. Und erstaunlich viele können mit den Differenzen ganz gut leben.
Die von dem Zeit-Mann vorgeschlagene Vorgehensweise, die verstockten Fundis so lange zu ärgern und zu provozieren, bis sie es einsehen (?), ist, wenn man es recht bedenkt, keine, die man an einer Schule 13-jährigen Schülern vorschlagen würde.