Archiv für Oktober 2012

Auszeitjournal Freitag, 5. Oktober 2012 – Unsa oide Kath

Samstag, 6. Oktober 2012

Gestern war Weltlehrertag. Sie wissen ja vielleicht, dass ich mit einem Lehrer zusammenlebe. Für mich ist also jeder Tag Lehrertag. Doch eigenartigerweise hat das dazu geführt, dass ich den Berufsstand nicht nur differenziert sehe, sondern auch sehr respektiere.

Die alte Nummer “What Teachers Make” von Taylor Mali habe ich schon vor einigen Jahren verlinkt (hier eine aktuelle Version, via @HilliKnixibix). Gestern entdeckte ich sein “The The Impotence of Proofreading”.

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Vormittags Lieblingsstunde Stepaerobics, mittags Radeln zu einem Termin, nachmittags Backen von Chocolate Chip Cookies.

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Und dann ging ich Zwiefachen lernen, mit dem Mitbewohner.
Denn während der diesjährige Bayernfasching, vulgo Oktoberfest, München weiter im Würgegriff hat, kümmert sich das Münchner Kulturreferat unverdrossen um die heimische Volkskultur.

Vor einigen Wochen informierte mich eine E-Mail über einen Tanzkurs für Zwiefachen, an drei Abenden in der Tanzschule Richter am Stachus. Der Zwiefache ist der eine Tanz auf den Münchner Tanzböden, für den es keine Einführung der Tanzmeister gibt: Die einzelnen Lieder unterscheiden sich zu stark voneinander, hier kämpft jedes Paar für sich. Entsprechend scheiterte jeder meiner Versuche, die Abfolge von Dreivierteltakten (Walzerschritte) und Zweivierteltakten (Dreher) zu entschlüsseln. Gleichzeitig hatte ich immer meine Mutter im Ohr, die von meiner Taufpatin Irmi, gebürtig aus dem Bayrischen Wald, bewundernd erzählte, die könne so richtig Zwiefachen tanzen.

Wissen’S: Zwiefacher ist in Bayern sowas wie der Tango in Argentinien, bloß ganz anders. Vielleicht sogar das Gegenteil. (Jetza geh weida – irgendein Feuilletonist würde aus dem Vergleich locker 90 Zeilen herausholen). Zwiefache sind alles Lieder: Sie haben Texte, mit denen man sich die Abfolge der Dreiviertel- und Zweivierteltakte merken kann. Diese Texte sind gerne mal derb, oft einfach sinnleerer Blödsinn, Hauptsache sie passen auf den Rhythmus (gestern variierte die Kapelle auch mal mit “Toyota Mitsubishi”).

Als wir gestern Abend in die Tanzschule kamen, deren Raum exakt so aussieht, wie Tanzschulen seit Jahrzehnten aussehen, waren die Paare der vorhergehenden Veranstaltung noch mit Foxtrott, Chacha und Tango beschäftigt. Aus einer Sitzecke lugte allerdings schon der Kontrabass für unseren Unterricht: Der Zwiefachenkurs wurde mit Naturmusik beschallt, gespielt von den Schreinergeigern. Der Vollständigkeit halber: Die Verbayerung der Kleidung der knapp 30 Tanzpaare lag bei unter 20 Prozent, die der Musikanten bei Null. (Ich finde ja, dass mein Dialekt genug Beitrag zur bayrischen Atmosphäre ist. Wer kein Bayrisch spricht, muss das halt durch Verdirndlung wettmachen.)

Wir bekamen vom sehr kundigen Tanzmeister eine kleine theoretische Einführung, die Grundschritte wurden geklärt, dann mussten wir singen – eben den Text des ersten zu lernenden Zwiefachen (“Sechs Löffel”).1 Von da an wurde es immer lustiger und durchaus komplizierter. Doch es gibt auch beim Zwiefachen eine Tanzhaltung, die vieles erleichtert, und einige Tricks. Und eben die Texte von “Teifi, dürrer” bis “Schaufestiel” (hier kam der Einsatz für japanische Automarken). Hier können Sie in einige der bekanntesten Zwiefachen reinhören.

Gerade als ich mich einigermaßen sicher in den Grundlagen fühlte, kam, was beim Volkstanz immer kommt: Wilder Partnerwechsel mittels eigens dafür vorgesehenen Tanzspielchen. Tanzen mit fremden! Menschen! Zunächst verspannte ich natürlich völlig, merkte aber mit der Zeit, wie viel ich vom Tanzen mit verschiedenen Herren lernte. Zum Beispiel, dass es den Drall beim Dreher tatsächlich erleichterte, wenn ich meine Schulter in die Hand des Herrn presste, mich hineinfallen ließ. (Bietet schon jemand Managertrainings durch Volkstanz an? Bringt sicher mindestens so viel wie Erlebnisse mit Pferden. Andererseits bräuchte man dafür gleich viele Managerinnen wie Manager, hahaha.)

Nach zwei Stunden Zwiefachen war ich so durchgeschwitzt wie nach einer Stunde leichten Aerobics – und freute mich auf die nächsten beiden Einheiten. Ich sehe schon kommen, dass in dem Wohnzimmer, in dem ich gerade tippe, in absehbarer Zeit Gesang und Volkstanz ausbrechen. Für mindestens fünf Paare wäre Platz. (Die Musik müssten wir halt auf den Balkon setzen.)

Den wohl bekanntesten Zwiefachen, “Oide Kath”, sehen Sie hier:

Ich mag diese Aufnahme, weil sie den Zwiefachen auf einem edlen Schwarz-Weiß-Ball zeigt. Das erinnert mich an meine jugendlichen Erfahrungen in spanischen Dorfdiskos, wo im Morgengrauen als Rausschmeißer Jotas gespielt wurden – und alle hüpften mit.

Falls Sie auch über Volkstanzveranstaltungen des Münchner Kulturreferats informiert werden wollen, lassen Sie sich doch auf deren Mailingliste eintragen: volkskultur@muenchen.de

  1. Im Wikipedia-Eintrag gefällt mir besonders der Hinweis: “In alten Zeiten haben die Tänzer einen Zwiefachen bestellt, indem sie ihn der Musik vorsangen. Konnte die Musik dies nicht nachspielen, wurde sie verspottet. Auch dazu waren die Texte notwendig.” []

Auszeitjournal Donnerstag, 4. Oktober 2012 – eigenes Fahrrad

Freitag, 5. Oktober 2012

Das Wetter am Tag der deutschen Einheit war ja sensationell gewesen, gestern blieb die Milde, doch der Himmel war grau.

Nach einem medizinischen Termin in Giesing spazierte ich zu meinem Radlschrauber: Dieses Jahr will ich auch im Winter das Fahrrad nutzen, deswegen hatte ich das 15 Jahre alte Gefährt zum Check gebracht. Der ganz reizende Herr hatte zudem auf meinen Wunsch den zerbrochenen Kettenschutz erneuert. Nach den vergangenen Tagen mit deutlich kleinerem Leihrad genoss ich es sehr, wieder auf meinem zu sitzen. Wegen mancher Unpässlichkeiten hatte ich es lange nicht respektiert, doch zum einen hatte mir der Schrauber immer wieder versichert, dass es sich um ein gutes Fahrrad handelt, zum anderen, wie Harald Welzer im SZ-Magazin letzte Woche schrieb: “”Ein Produkt, das nicht ersetzt wird, erfordert keinen Herstellungsaufwand.”


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Wie der Wind nach Schwabing, dort eine Runde in der Muckibude und endlich Katharina Seisers zweites Kochbuch abgeholt.

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Nach dem Frühstück (kalte, missglückte Cacio e Pepe vom Vorabend) Einkäufe auf dem Viktualienmarkt (Schweinenierchen) und beim Basitsch (Sonstiges). Nachmittag mit Zeitung, Internet, Flickzeug und Strickzeug, abends die Nierchen gebraten.

The Sound of Heimat

Donnerstag, 4. Oktober 2012

“Dieselben Menschen, die feuchte Augen bekommen, wenn ein alter Indio in den Anden zum tausendsten Mal ‘El Condor pasa’ in seine Panflöte bläst, kriegen Pickel, wenn man sie auf die Melodien ihrer Heimat anspricht.” Regisseur Arne Birkenstock schickte den jungen neuseeländischen Musiker Hayden Chisholm mit dieser Erfahrung durch Deutschland auf die Suche nach lebendigen Volksliedern. Daraus wurde der sehr schöne Film The Sound of Heimat.

Jeder und jede Deutsche mit ein bisschen Interesse an Menschen und Musik hat im Ausland vermutlich Ähnliches erlebt, wie es im Film Rainer Prüß von Liederjan erzählt: Sie spielten in einer irischen Kneipe irische Lieder – und dann baten die Iren nachvollziehbarerweise: “But now give us a German song”. Liederjan kam über die erste Strophe von „Der Mond ist aufgegangen“ nicht hinaus.

Wir sitzen um Lagerfeuer und singen mit internationalen Pfadfindern “Blowing in the wind” bis “Country roads”, die Spanier und Engländer packen spanische und englische Sauf- und Trinklieder aus, die Italiener singen italienische Schlager aus den 50ern, die Russen springen zu einem Tänzchen mit selbst gesungener Musik auf. Doch wir Deutschen ziehen peinlich berührte Gesichter. Das hat Gründe, ist aber ein bisschen schade.

Der Film zeigt Beispiele für die ungeheure Vielfalt an Volksliedern Deutschlands, an Liedern, die vor allem zum Singen gedacht sind, nicht zum Zuhören. Gleich am Anfang in Köln wird klar, dass die nicht Jahrhunderte alt sein müssen. Im Kölner Weißen Holunder wird jeden Sonntag gesungen, und auf die Frage, welches Lied sie als das am verbindendste, typischste ansehen, sind sich die Leute einig: „En unserem Veedel“ aus den 1970ern (und sind sich durchaus bewusst, dass es “schon recht sozialromantisch” sei).

Wir hören und sehen danach unter anderem gerappte Kölsche Lieder, Jodler und Wanderinnen im Allgäu (ich musste sehr an Ilse denken), den Gewandhauschor Leipzig (der beim ersten Versuch, Hayden mit “Morgen muss ich fort von hier” zu verabschieden, an einem chortypischen Hindernis scheitert), den Antistadl im Bamberg mit Volxmusik, die Wellküren daheim und mit ihren Brüdern beim Tanz (Hayden muss Zwiefachen lernen), die Rockmusikerin Bobo, die bezaubernde Dinge mit Volksliedern anstellt.

Ganz Neues bescherte mir die Begegnung mit Rudi Vodel, einem der letzten Musiker, der noch die alten Lieder des Erzgebirges kennt und spielt, und mit seinem Bandoneon. Dass ich keine der schönen Lieder dieser Gegend kannte, ist kein Zufall: Die SED verbot in der DDR alle als unpassend angesehenen Texte – in denen Aufrührerisches oder Könige vorkamen. Volksmusikgruppen mussten jedes Jahr zur Überprüfung antreten.

Auch nach weiteren Gründen für das schwierige Verhältnis der Deutschen zur Musik ihrer Heimat wird gesucht, auf sehr berührende Weise.

Wenn ich dem Film etwas ankreide, dann die Unehrlichkeit mancher gestellten Szene; ich reagiere bei Dokumentarfilmen zum Beispiel empfindlich darauf, dass so getan wird, als begegneten sich zwei Menschen vor der Kamera eben gerade, wo doch offensichtlich ist, dass sie nach vorheriger Besprechung so tun sollen, als begegneten sie sich eben. Unnötig.

Doch der Film machte mir sehr Lust Volkslieder zu singen, zumal ich früher im Chor viele kennengelernt habe. “Die Gedanken sind frei” ist gar nicht so schwer, dieses alte Revoluzzerlied kann man doch auch für den Einsatz in internationaler Runde parat haben.
Volkstanz habe ich ja schon vor einigen Jahren mit dem Mitbewohner aufgenommen, und sei es nur ein-, zweimal im Jahr. Jetzt suche ich mal schöne Volkslieder heraus und stelle Booklets mit Texten zusammen – die ich in gemütlicher Runde herausziehen kann.

Schaun Sie sich The Sound of Heimat an, hier stehen die aktuellen Vorführorte.

Und vielleicht mögen Sie gleich mal mit mir das ganz zauberhafte und bockige “Es saß ein klein wild Vögelein” singen? Hier wird es vorgesungen. (Es stimmt halt doch: Volkslieder halten für jede Lebenssituation etwas bereit.)

Klettern

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Ist es die Konzentration auf den halben Quadratmeter vor der Nase, kombiniert mit dem Blick für die ganze Tour? Die Bewegung nach oben mit eigener Körperkraft, doch gleichzeitig in der Sicherheit eines Gurtes und im Halt am Seil, das wiederum in den Händen eines Menschen liegt, der im Geist mitklettert? Das Spielgerät-artige der Kletterwand, das Spielplatz-artige der Kletterhalle mit schier unendlichen Möglichkeiten? So oder so: Dieses Kletter-Dings hat mich überdurchschnittlich begeistert.

Als die Freunde im Berner Oberland fragten, ob ich an meinem Oktoberfestflucht-Wochenende mitkommen wolle zum Klettern, sagte ich sofort zu – vor allem, weil ich praktisch keine Vorstellung von “Klettern” hatte. In meinem Kopf gab es lediglich vage Bilder von Kletterwänden in Hallen, an denen schmale, nur aus Sehnen und Muskeln bestehende Menschen in ärmelfreien Shirts hingen. Da ich zum einen ein komplett anderer Körpertypus bin (ich sehe mich als phänotypische Schwimmerin), zum anderen im schulischen Sportunterricht an jeder Reck- oder sonstigen Turnstange wie ein Mehlsack gehangen war, würde ich mich beim Klettern ganz sicher total zum Hirschen machen. Egal, ein Erlebnis würde es auf jeden Fall.

Vorher ließ ich mir von der Schweizer Freundin, die vor ein paar Jahren das Klettern für sich entdeckt hat, einige praktische und organisatorische Details erklären: Dass ich mir in der Halle einen Gurt leihen würde, an dem man beim Klettern gesichert wird. Dass ich mir dort auch spezielle Kletterschuhe ausleihen würde, die sich deutlich zu klein anfühlen würden, dadurch aber Zehen und Füßen das Greifen ermöglichten. Dass diese Schuhe allerdings so unbequem seien, dass man sie abseits der Kletterwände immer sofort abstreife, ich deshalb irgendwelche Schlappen für die Fußwege dazwischen mitnehmen solle. Auch das Notensystem für die Schwierigkeitsgrade der “Touren” erkärte mir die Freundin, verbunden mit Erlebnissen und Anekdoten.

Das alles ergab allerdings erst Sinn, als ich in der Kletterhalle selbst ankam, nach mehreren Ankleidungsanläufen in meinem alpinen Keuschheitsgürtel stand, meine Füße in einen Kletterschuh gequetscht hatte, und meinen Freunden bei der ersten Tour zusah: Der ganz bestimmte Knoten, mit dem das Sicherungsseil am Gurt befestigt wurde (das selbständige Knoten desselben war mein erklärtes Lernziel dieses Tages – das ich nur ganz knapp erreichte), die Vorrichtung, mit der der sichernde Kletterpartner das Seil hielt und regelte, wie die Kletterin sich ruhig und sicher Stück für Stück nach oben schob, dabei das Sicherungsseil in die Karabiner am Weg hängte, und wie sie sich elegant abließ, gehalten vom Sicherungsseil. Bei ihr sah das alles total einfach aus.

An der ersten Wand zum Eingewöhnen war ich noch so hektisch und aufgeregt, dass ich kaum etwas mitbekam – außer, dass es sich beim Klettern eindeutig um Kraftsport handelt. Doch bei jeder weiteren Tour, die die erfahrene Kletterin für uns aussuchte und beseilte (das heißt “vorsteigen”, lernte ich), machte ich neue und weitere Erfahrungen: Es pressiert nicht, auch wenn mit jedem Anhalten und Nachdenken der Sicherer unten länger warten und angestrengt nach oben sehen muss / es geht irgendwie weiter, auch wenn es erst mal nicht so aussieht (die Freundin feuerte mich nicht nur an, sondern gab auch Tipps, mit welchen Bewegungen ich aus der scheinbaren Klemme herausfinden könnte) / in dem Gurt kann ich mich auch mal kurz ausruhen / eine Tour kann in den wenigen Minuten ihrer Dauer bis zur Erschöpfung anstrengen / wenn ich nicht mehr kann oder auch mit Tipps nicht weiterkomme, kann ich einfach abbrechen / ich bin nicht allein mit der Aufgabe, sondern gehalten nicht nur von Gurt und Seil, sondern auch von der Zuwendung und Aufmerksamkeit des Kletterpartners. Letzteres zu akzeptieren und anzunehmen, könnte für mich der größte Gewinn der Kletterei sein; in der einen sonntäglichen Runde kam ich noch nicht soweit, in der Kletterpartnerschaft Ruhe zu finden, sondern fühlte mich immer ein wenig als Belastung – zumal ich mich bei meinem ersten Mal noch nicht mit Sichern revanchieren konnte.

Am meisten Spaß machten mir die Wände mit strukturierter Oberfläche, die neben den angeschraubten Knubbeln (wie heißen die eigentlich offiziell?) felsenähnliche Möglichkeiten zum Greifen und Vorangehen boten. Und bereits ein erster Blick auf die Nutzer der großzügigen Kletterhalle lehrte mich, dass es Kletterer in fast allen Formen und Körpertypen gibt (nicht allerdings in ganz dick – die hinterhältige Schwerkraft sorgt dafür, dass man jedes Kilo Körpergewicht in der Wand mitheben muss).

Jetzt will ich mehr davon. In München, so stellte ich bei einer ersten oberflächlichen Recherche fest, gibt es überraschend viele Kletterhallen, die durchwegs gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind. Rein auf der Basis der Websites gefallen mir am besten die Kletterhalle High-east und das Kletterzentrum Gilching. Nächste Schritte: Kletterpartner oder -partnerin suchen, Einführungskurse belegen. Stay tuned.

Wochenende im Berner Oberland

Dienstag, 2. Oktober 2012

Was ein Glück, dass ich Freunde im befreundeten Ausland habe, in das eine visumlose Flucht vor dem Oktoberfest möglich ist. Diesen Umstand nutzte ich für ein verlängertes Wochenende im Berner Oberland.

Darin unter anderem:

Ich wurde zu hervorragendem Essen ins Metzgerstübli in Bern eingeladen,

(Herbstsalat mit Waldpilzen und einer Safrancreme)

(Entenschenkel mit Lavendeljus und Mozzarellapolenta – gegenüber ein Kürbisrisotto)

besuchte eine Weinprobe im schönen Vennerhus, ließ mir Äpfel und Birnen aus dem Garten der Gastgeber anreichen, wurde mit einem superaromatischen Chili con Carne inklusive Bohnen aus Eigenanbau verköstigt, davor mit Champignons, gefüllt mit umwerfendem selbst gemachtem Tomatenpesto, trank sehr schöne Schweizer Weine, aß das beste Käsefondue meines Lebens inklusive Kirschgeist aus den Kirschen der Gastgeber. Sollte der Eindruck entstehen, ich hätte diesem arglosen Paar die Haare vom Kopf gegessen und getrunken, so trifft er zu.

Daneben durfte ich Katze streicheln und wurde in eine Kletterhalle zu meinem ersten Klettererlebnis mitgenommen – das so begeisternd und großartig war, dass ich eigens darüber bloggen werde.
(Davon trug ich übrigens tatsächlich einen Muskelkater davon, von meinem Versuch in Hot Iron letzte Woche nicht.)

Hintergrundgeschichte: Wie aus einem Arbeitskollegen ein Freund wurde

Den Freund, dessen Einladung ich gefolgt war, kenne ich nun tatsächlich schon zehn Jahre. Und weil ich sonst immer nur nostalgisch von ehemaligen Freundschaften erzähle, will ich mal die Geschichte einer bestehenden notieren. Dieser Freund M., etwas jünger als ich, arbeitete damals seit wenigen Monaten in der Firma, in der ich gerade meinen Job antrat. Er war aus der Schweiz angeworben worden, hatte seine Partnerin dort vorerst zurück gelassen, und verbrachte hin und wieder Freizeit mit meinem damals ähnlich verstrohwitweten Chef. In der Firma fiel er unter anderem dadurch auf, dass er unter all den Anzugträgern der einzige war, der sartorialism erkennen ließ.

Eines Tages nahm mein Chef M. auf einen Kundenevent mit, zu dem uns ein Dienstleister eingeladen hatte. Der Event bestand hauptsächlich aus Kanufahren mit Kanadiern auf der jungen Isar. M., damals für mich noch Herr M., und ich teilten uns ein Boot, er paddelte vorne. Und so verbrachten wir einige Stunden nicht nur in koordinierter Bewegung (es stellte sich heraus, dass wir wie ein altes Tanzpaar zusammenpassten). Sondern unterhielten uns auch aufs Angeregteste, M. über seine Schulter, ich in seinen hübschen Nacken. Dieser M. stellte sich als kluger, gebildeter, interessierter und aufmerksamer Mensch heraus, war witzig und freundlich, sprach mit reizendem Schweizer Akzent, schien zudem beim Verteilen von Profilierungssucht geschwänzt zu haben – kurz: Ich wollte ihn unbedingt näher kennenlernen. Doch wie macht man sowas? Zu Studienzeiten war ein “Lass uns doch mal auf ein Bier gehen” komplett unverfänglich, im privaten Umfeld ergibt sich leicht die Gelegenheit des regelmäßigen Kontakts in einer Gruppe, bevor eine Zweier-Verabredung nicht mehr automatisch den Ruch eines Rendezvous (heute “Date”) hat. Doch am Arbeitsplatz?

Mir fiel ein Trick ein, für den ich die Hilfe des Mitbewohners brauchte. Ich erzählte dem Mitbewohner von meiner faszinierenden neuen Bekanntschaft und von meinem Kennenlernproblem, und ich bat ihn für einen Abend in die Arbeitsstadt (damals nicht die Stadt, in der ich mit dem Mitbewohner zusammenlebte), um M. nach einer Verabredung zu dritt fragen zu können. M. gegenüber behauptete ich, der Mitbewohner sei regelmäßig in der Arbeitsstadt, zum Beispiel am fraglichen Abend, und ob er Lust habe, mit uns beiden etwas Trinken zu gehen. Das klappte. An diesem Abend bekam nach meiner Erinnerung der Mitbewohner höchstens zwei Sätze im Gespräch unter, weil M. und ich einander so viel zu erzählen hatten. Egal: Damit war der Unverfänglichkeit meiner Ansicht nach Genüge getan, fortan verabredete ich mich mit M. auch zu zweit. M. zog bald zurück in die Schweiz, und seither besuchen er, seine ebenfalls sehr kennenlernenswerte Partnerin, der Mitbewohner und ich einander immer wieder.

(Möglicherweise habe ich M. nie erzählt, dass das damals nur ein Trick war.)