Alan Moore, David Lloyd, V For Vendetta
Dienstag, 27. November 2012 um 15:57Als Dystopie, so sprach der Mitbewohner, auf Höhe mit 1984 und Brave New World, deshalb dringend zur Lektüre empfohlen. Und da Graphic Novels ohnehin eine schmerzliche Lücke in meiner Bildung sind, ließ ich mir das Buch geben.
Die Atmosphäre des Romans (erschienen in zehn Folgen zwischen 1982 und 1985) ist eine Mischung aus hard boiled USA der 30er und apokalyptisch düsteren 80ern: Die bewohnbare Erde besteht nur noch aus Großbritannien, der Rest wurde durch einen Atomkrieg ausgelöscht. Jetzt, im Jahr 1997, herrscht dort eine totalitäre faschistische Regierung. In dieser Düsternis taucht eine Rächerfigur in schwarzem Umhang und Guy-Fawkes-Maske auf, die zu Beginn ein junges Mädchen vor einer Vergewaltigung rettet und wenige Minuten später das Parlamentsgebäude sprengt.
Im Lauf der Handlung erfahren wir, dass dieser Rächer, der sich bald V nennen lässt, Überlebender der Konzentrationslager ist, in denen die Faschisten nach dem Krieg Missliebige misshandelten und töteten. V bringt nach und nach alle Folterer dieses Konzentrationslagers um.
Sehr schön fand ich die Vielfalt und Tiefe der Figuren. Neben dem jungen Mädchen aus der Eingangsszene (Evey) gibt es einige Polizisten, die meisten davon hinter V her, aber auch interessante Gestalten aus der Unterwelt. Etwas ratlos haben mich die Foltersequenz in der zweiten Hälfte und der Ausgang des Romans gelassen; er zündet zwar einen Funken Hoffnung, lässt aber offen, ob er brennt. Gerade darin sehe ich die Handschrift der 80er, in der ich ja erwachsen wurde: Wir sahen uns damals tatsächlich sehr real von der ultimativen Katastrophe bedroht, ob durch Atomkrieg, Naturkatastrophen oder Gewaltherrschaft.
Einfach zu lesen ist V For Vendetta nicht. Ich brauchte pro Seite fast so lang, wie ich für reinen Text gebraucht hätte. Da ich keine erfahrene Comicleserin bin, begriff ich erst durch das Nachwort von Autor Alan Moore den Grund dafür: Zeichner David Lloyd hatte darauf bestanden, ohne Bildtexte (captions), Gedankenblasen und Geräuschwörter zu arbeiten (laut dem Comicfachmann an meiner Seite ist das inzwischen Standard). Das lässt sehr viel in der Erzählung offen und ging so weit, dass ich einige Panels lang nicht wusste, ob der Revolver, der mir in Großaufnahme gezeigt worden war, nun geschossen und gar getötet hatte oder nicht.
Sehr spannend, dieses Lese-/Schau-Erlebnis – und tatsächlich so vielschichtig wie die Dystopie-Klassiker, die der Mitbewohner als Vergleich angeführt hatte.
die Kaltmamsell2 Kommentare zu „Alan Moore, David Lloyd, V For Vendetta“
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27. November 2012 um 18:29
Den Comic habe ich nicht gelesen, aber den Film fand ich sehr gelungen. Haben Sie den vielleicht auch gesehen, oder fällt der flach wegen der Schisserin-Problematik?
Falls Sie den wegen eben genannter Problematik (oder aus anderen Gründen) nicht gesehen haben, löse ich jetzt vermutlich einen inneren Konflikt aus: Stephen Fry spielt (in einer Nebenrolle) mit :)
27. November 2012 um 18:32
Habe ich sogar zu größten Teilen gesehen, Usul, und mich an Stephen Fry gefreut.