Roh, vegan und ALLES SUPER!
Freitag, 18. Januar 2013Raw Food auf Speisekarten von Restaurants lernte ich vor drei Jahren in Brighton kennen: Rein pflanzliche Speisen, die bei Temperaturen unter 42 Grad zubereitet waren, meist völlig unerhitzt serviert wurden. So ähnlich wie Rohkost, doch, wie ich aus zahlreichen Foodblogs weiß, mit raffinierten getrockneten Speisen ergänzt, zum Beispiel Crackern. Bislang hatte ich aber nie Gelegenheit, mir solche Gerichte servieren zu lassen.
Bis gestern. Da wurde ich nämlich mitgenommen auf die Presseveranstaltung des im Dezember eröffneten Lokals Gratitude in der Münchner Türkenstraße, das sich als “erste Münchner Raw & Vegan Eatery” bezeichnet.
Die vier Herren dahinter, die sich das Gratitude als Hobby zugelegt haben, zeigten sich (drei davon, der vierte lag krank im Bett) ganz beseelt von ihren Selbsterfahrungen mit veganem Essen, mit Rohkost, dem daraus resultierenden Gewichtsverlust, der positiven Energie, dem Vorbild-Konzept des Café Gratitude in Kalifornien. Klugerweise hatte ihre PR-Frau allerdings eine Rede für die Presseveranstaltung geschrieben, die die Ideologiefreiheit des Lokals betonte: Es solle einfach schmecken, jeden Typ Esser ansprechen, mit positiver Energie erfüllen, leistungsstark machen. Die Gerichte heißen zum Beispiel “I am healthy”, “I am beautiful”, “I am coraguous” (Nachtrag: sic!). Die offizielle Erklärung in der Presse-Info:
Für uns haben diese positiven Selbstbestärkungen einen tiefer gehenden Sinn: Im Gratitude kann sich jeder selbst und ganz bewusst ein Kompliment machen. Und wir alle kennen die Kraft von Worten …
An dieser Stelle fiel uns auf, dass wir vergeblich nach Angeboten suchten, die “I am lazy” hießen oder auch nur “Mellow”.
Leistungsorientiert, energiegeladen, positive thinking – ein neues Stück USA für München. Denn amerikanische Wissenschaftler haben ja herausgefunden, dass das life bei genügend Konsequenz früher oder später der positiven fiction schon folgen wird. Wie propagierte vor gar nicht langer Zeit Über-Fiktionator kid37? ALLES SUPER!
Dahinter steckt eine Ernährungsphilosophie, die (meine Interpretation) perfekt in den Teil Münchens passt, in dem allmählich wie in Manhattan oder London der regelmäßige Besuch beim nutritionist und monatliches detox zum Lebensstil gehören wie Yoga und Pilates. Kompliment an die vier Gründer: Das war wirklich eine Lücke in der hiesigen Gastro-Landschaft.
(Die Alternative ist anderen Experten zufolge der Food-Trend “Einfach locker bleiben”, aber das mag sich jede selbst aussuchen.)
Aber nun zum wichtigsten: Wie das Essen schmeckte, das uns serviert wurde. Und das war richtig, richtig gut.
Wir bekamen zwei Sorten Smoothies, eins in Grün eins in Creme, die noch eher auf der sehr milden Geschmacksseite waren. Doch dann gab es Häppchen aus getrocknetem Brot, die schon mal sehr schmackhaft waren, dazu Grünkohl-Chips, die vor zwei Jahren als Kale Chips durch die Foodblogs diesseits und jenseits des Atlantiks gingen.
Hauptteller war dieser:
Links Zucchini-Pasta mit zwei Sößchen, von denen mir besonders die helle mit Pilzen schmeckte.
Im Schälchen oben Karottenpüree mit sehr würzigem Quinoa, den ich eh sehr mag.
Rechts ein zu Recht angepriesenes rohes Sandwich.
Insgesamt Gemüseküche vom Wohlschmeckendsten, und nach dem Max Pett für mich das zweite Lokal in München, das mit den vegetarischen Restaurants mithalten kann, die ich in Südengland so liebe.
Da ich aufbrechen musste, wurde mir das Dessert mitgegeben: Ein Stück Mango- und ein Stück Schokoladentart, die ebenfalls sehr gut schmeckten, aber typisch für vegane Tarts heftige Schwergewichte waren.
Heimweg zu Fuß.