Archiv für März 2013

Der neue Pulli und zwei Filmchen

Mittwoch, 20. März 2013

Die Strickanleitung wurde nicht besser: Mal zählten die Randmaschen mit, mal wieder nicht. Doch da Kommentatorin Inge mit der Anleitung zurecht kam: Strickschrift und Legende muss ich völlig missverstanden haben, vielleicht sollte ich meine Auffassung von vorne und hinten überdenken.

Ich hatte die Einzelteile absichtlich in knappen Abmessungen gestrickt: Bei Strickstücken mit vielen Zöpfen habe ich mich irgendwann darauf verlegt, sie nach dem Stricken größer zu dämpfen, um ein leichteres Endergebnis zu erhalten. Zum In-Form-Stecken mit Stecknadeln erwies sich ein alter, geknüpfter Perserteppich als ideal: Er bot dem Zug genügend Widerstand, die Stecknadeln hielten gut. Hier die Raglanärmel, über die ich mit ordentlich Dampf aus dem Bügeleisen gegangen war und die nun 24 Stunden trockneten:

130311_Strick_Dämpfen

Eine rechte Knobelei war für mich das Zusammennähen – jahaha, wenn man’s mal raushat, ist es einfach.

130313_Pulli_Zusammen

Auch die Materialangabe der Strickanleitung erwies sich als unzuverlässig: Obwohl ich vorsichtshalber ohnehin ein Knäuel mehr besorgt hatte als angegeben, reichte die Wolle nicht für den angestrebten doppelten Rollkragen; musste er halt einfach werden.

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Tanzen ist wundervoll – ich wünschte ich beherrschte Quickstep so großartig wie
Mathilda (94).

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/8LOdmka4_90

via Mail von meinem Papa

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Ja, es ist Werbung. Nein, ich konnte noch nie verstehen, was so toll an Oreo-Keksen sein soll. Aber das ist lustig.

via Facebook-Kommentar von Kai Schreiber

Frische Lieblingstweets

Sonntag, 17. März 2013

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Leanne Shapton, Swimming Studies

Freitag, 15. März 2013

Mich würde wirklich, wirklich interessieren, ob jemand mit diesem Buch etwas anfangen kann, der sich überhaupt nicht fürs Schwimmen interessiert. Ich war von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, aber mir hat Schwimmen schon immer viel Freude bereitet, auch wenn ich nie Schwimmsport betrieben habe. Während der Woche der Lektüre lebte ich so im Chlordunst von Leanne Shaptons Swimming Studies, dass ich es unbedingt eine Weile im tatsächlichen Chlordunst lesen wollte.

Also radelte ich an einem klirrend kalten Märztag hinaus ins Olympiabad. Nach meiner Schwimmrunde duschte ich mich und zog mich um, dann setzte ich mich auf die Zuschauerbänke über dem Becken, machte mit einem mitgebrachten Käsebrot Brotzeit und las ein paar Kapitel.

Leanne Shapton, geboren in Toronto, ist heute Grafikerin in New York und hat ihre Jugend als Leistungsschwimmerin in Kanada verbracht. Schwimmen ist das zentrale Element in ihrem Leben, und so erzählt sie ihr Leben anhand des Schwimmens. Zwei Zeitlinien sind dabei verwoben: Zum einen ihre Schwimmkarriere, die sie mit elf Jahren begann. Zum anderen ihr Leben, nachdem sie diese Karriere aufgab, nicht aber das Schwimmen. Sie erzählt nicht nur in Wörtern: Wichtige Elemente sind auch Zeichnungen und Fotografien.

Vieles an Shaptons Schilderungen überraschte mich. Mir war unter anderem nicht klar, dass auch Wettkampfschwimmerinnen unterhalb internationaler Wettkämpfe (Shapton schaffte es nicht in den olympischen Kader Kanadas) ein knochenhartes Training absolvieren: Täglich zwei Einheiten, eine davon vor der Schule (Wecker klingelt um 4.45 Uhr), Blocktraining zwischen Weihnachten und Silvester, in dem sie praktisch nur zum Schlafen aus dem Wasser kommen. Dass man als Wettkampfschwimmerin ununterbrochen Schmerzen hat.

Shapton schildert das in einer wundervollen Mischung aus Sachlichkeit (Trainingsstruktur, Tagesablauf) und Poesie (in immer neuen Bildern der Gegensatz zwischen dem Dampf und der Wärme im Hallenbad und der Kälte des Winters vor den Hallentüren). Wir lernen sie und ihren Ehrgeiz kennen, ihren Bruder, ihre Eltern, ihre Kindheit, ihr Größerwerden, ihre Trainer. Und es geht darum, wie es ist, etwas (ungebeten) sehr gut zu können.

Es tauchen so viele Aspekte dieser Schwimmleidenschaft auf, dass sie wie eine Wasseroberfläche schillern. Zum Beispiel wie sehr sie sich über das Schwimmen definiert, wie attraktiv, weiblich und elegant sie sich dabei fühlt (Schwimmen gehört für mich zu den wenigen Momenten, in denen ich mich nicht wie ein Trampel fühle):

I believed, for a while, in the aphrodisiacal qualities of my swimming. Sometimes, doing laps somewhere, I’d think: If only he could see me swim, he’d fall in love.

Und doch hatte sie davor geschildert, dass im Schwimmverein ihrer Jugend körperliche Blöße so alltäglich war, dass die jungen Männer aus dem Verein immer erst in Straßenkleidung interessant für sie wurden.

Shapton geht auf Schwimmbrillen ein, auf ihre persönliche Schwimmbrillengeschichte. Wie sich das Schwimmen für eine Schwimmerin anhört. Auf die zwischenmenschliche Dynamik in Sportlergruppen. Sie schildert das Unbehagen, das die meisten Sportschwimmer im freien Wasser empfinden. (Hier erst wurde mir bewusst, dass ich im Meer oder in den vergangenen Jahren einem See immer ein wenig ratlos bin: Schwimmen geht hier schon auch, fühlt sich aber kraft- und ziellos an.)

Und dazwischen immer wieder Zeichnungen und Aquarelle: Shapton malt verschiedene Gerüche des Schwimmtrainings. Sie malt Schwimmer und Schwimmerinnen, zeigt seitenweise konkrete Schwimmbäder als dunkle Flächen. Zu ihren Geschichten der zweiten Erzähllinie gehört das Schwimmen in Frei- und Hallenbäder auf der halben Welt, die Beschreibung der Orte und der Menschen, die sie dort antraf. Da fand ich mich wieder persönlich, denn in der Ferne Schwimmen zu gehen gehört zu den Abenteuern, für die selbst ich Langweilerin mich begeistere. In Swimming Studies wird sogar ein Schwimmbad genannt, in dem ich selbst schon geschwommen bin: Das Berliner Stadtbad Mitte.

Shapton beschreibt ihr jetziges Zuhause, die Bilder, Gemälde, Fotos mit Schwimmmotiven die es dort gibt.
Sie zeigt im Buch ihre Badeanzug-Sammlung wie Kunstwerke, komplett mit Muster- und Materialbeschreibung sowie genauen Umstände des Erwerbs und des Einsatzes.
Sie nennt Romane, Filme, Dokumentationen um Schwimmer und Schwimmerinnen. Und an dieser Stelle, fast am Ende des Buches erklärt sie deren besonderer Faszination:

the parts I find most touching are the interiors, the kitches, the glasses of milk, a swimmer eating dinner from a plate set atop a television set, lamplight, parents, teal duvets, socks on staircases, and carpeted hallways.

Das sind genau die Details, die auch Shapton uns zeigt, und es sind genau diese Einblicke, die mich am meisten berührten.

Es gibt eine deutsche Übersetzung, Bahnen ziehen, von Sophie Zeitz.

Interessante Besprechungen des Buchs:
New York Times
The Guardian
The New Yorker
The Telegraph
National Post

Und in diesem kurzen Video erzählt Leanne Shapton selbst, was sie mit Swimming Studies sagen wollte.

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Neues zum regionalen Deutsch

Dienstag, 12. März 2013

Sie waren ja schonmal so freundlich, sich an einer der Umfragen zum Atlas der deutschen Alltagssprache zu beteiligen, gell? Frisch veröffentlicht sind jetzt die Ergebnisse der neunten Umfragerunde. Hier können Sie unter anderem herausfinden, wo im deutschsprachigen Gebiet man Bräter sagt und wo Reine (bei mir daheim sagt man Reindl), aber auch wo man Artikel + Nachname verwendet. Alles, was mit Brot zu tun hat, scheint besonders regional zersplittert, so auch die lokale Bezeichnung für die Semmel. Anhand dieser Karte kann man zum Beispiel Herrn Thierse beruhigen, dass das schwäbische Weggli in Berlin noch keineswegs die Schrippe verdrängt, es taucht dort nicht mal auf.

Regionale Grammatik finde ich ja noch interessanter als Vokabular: Hier sehen Sie zum Beispiel, wie das possessive Attribut regional verteilt ist: Bei mir daheim wäre das “der Anna ihr Schlüssel” (auch “der Schlüssel von der Anna”). Oder das Hilfsverb beim Perfekt von stehen: Wo bin ich gestanden vs. wo habe ich gestanden? Oder Aussprachen: Wo sagt man Spaaaß, wo sagt man Spass? Ganz wundervoll der Überblick der Uhrzeiten (ein Phänomen, das Deutschlerner gerne mal zur Verzweiflung treibt): Bei uns heißt 7.20 Uhr “zehn vor halb acht”, 7.40 Uhr “zehn nach halb acht”, 7.05 Uhr “fünf nach sieben”. (Hier die ältere Erhebung zu Viertel vor / Dreiviertel.)

Auch schön: Das Kinderspiel Fangen und seine vielen Varianten (bei uns “Verfang” – taucht allerdings nicht auf) – wobei hier allein schon die Fragestellung zu regionalen Irritationen geführt hatte:

Bei dieser Frage sind wir zunächst einmal (dank teilweise entrüsteten Kommentaren von Informanten) auf ein weiteres Variationsphänomen gestoßen: Darunter, dass ein Kind ein anderes abschlägt, versteht man jedenfalls in der Schweiz nicht, dass das Kind dem anderen Kind einen leichten Schlag versetzt (eher eine Berührung), der nach der Spielregel eine Bedeutung hat, sondern dass es das andere Kind krankenhaus- bzw. spitalreif schlägt (andernorts: zusammenschlagen). Letzteres war natürlich nicht gemeint.

Noch variantenreicher ist die Bezeichnung für den sicheren Ort beim Fangenspielen (bei uns “Frei”).

Wenn Ihnen das Stöbern Spaß macht, mögen Sie sich vielleicht gleich an der zehnten Runde der Umfrage beteiligen? Und auch diesmal möglichst viele Menschen aller Altersstufen, vor allem auch Offliner zur Teilnahme bewegen?

Aktuelle Kulinaria

Montag, 11. März 2013

Ich arbeite mich gerade durch das neue Kochbuch von Nicole Stich: Sweets. Ich durfte es ja schon ein paar Monate vor Veröffentlichung lesen – und hätte die testweisen Schwarz-weiß-Ausdrucke am liebsten nicht mehr hergegeben, weil ich so viele Rezepte daraus bitte gerne SOFOCHT ausprobieren wollte. Aber jetzt ist es ja da, als echtes, wunderschönes Buch (diesmal hat @missesdelicious wieder alles selbst gemacht, von Rezepten über Texte bis zu Fotos und Layout).

Angefangen habe ich mit dem BaNuSchoKo-Granola. Nickys Granolas (in Cafés heißt sowas am ehesten Knuspermüsli) sind Legende, doch da ich keine eigentliche Frühstückerin bin, mangelte es mir in all den Jahren, in denen zwischen Rom, München und San Francisco davon geschwärmt wurde, an Interesse. Fehler, großer Fehler. Diese erste Ladung Granola war innerhalb von 24 Stunden wegegessen. Ich schob gleich mal das Schoko-Granola aus Nickys Geschenkideen aus der Küche hinterher: Ebenfalls ausgesprochen köstlich und die doppelte Menge, das hält hoffentlich ein bisschen länger.

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Dann buk ich die Cranberrycookies, wieder ein Hit. Und am Sonntag waren die Dreierlei-Ingwer-Kekse dran, mit frischem, kandierten und gepulvertem Ingwer: Hammer!

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Mit Kochbuchformaten, die den Umfang eines Messbuchs überschreiten, habe ich ein Problem: Wenn das aufgeschlagene Buch mehr Platz einnimmt, als ich zum Zubereiten der darin beschriebenen Gerichte brauche, ist das albern.

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Teubner ist ein Verlag, der sich genau diese Relation Kochbuchplatz/Kochplatz zum Ziel gesetzt zu haben scheint. Deutsche Küche bekam ich vor etwa fünf Jahren geschenkt, gestern kochte ich zum ersten Mal etwas daraus (nein, auch geschmökert habe ich darin nie – mache ich, sobald ich mir ein Lesepult habe schreinern lassen): Der Mitbewohner hatte sich Königsberger Klopse gewünscht, und in einem Buch namens “Deutsche Küche” würde ich ja wohl etwas dazu finden. Fand ich auch, und ich wählte das Rezept, obwohl ich “Spitzenköchen” (von 41 solchen stammen die Rezepte in diesem Totschläger) eigentlich nicht recht zutraue, ihre Künste für eine heimische Küche umzudenken. Rote Bete in Alufolie schlagen und bei 150 Grad in einer Stunde im Ofen weich garen – ok. Ich schlug vorsichtshalber 30 Minuten drauf, dennoch waren die Rüben mehr als knackig. Und die Schilderung der Soßenzubereitung verwirrte mich so sehr, dass ich den Mitbewohner um Hilfe bat (wozu habe ich ihn schließlich vor ein paar Jahren in einen Soßenkurs geschickt?). Doch auch er hatte den Eindruck, dass das beschriebene Vorgehen zwei Soßen ergibt, eine Zusammenführung kommt nicht vor. (Und heißt “aufmixen” pürieren?)

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Zudem: 1/2 Liter Flüssigkeit soll reichen, um darin acht große Klopse zu garen? Dagegen hätte die Soßenmenge für die dreifache Menge Klopse gereicht, ebenso die Menge Salatdressing für dreimal so viele Bete. Einiges weist darauf hin, dass dieses Rezept nicht testgekocht wurde. Aber vielleicht mache ich mich ja gerade lächerlich, weil ich die Funktion dieser Art von Büchern grundsätzlich missverstehe.

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Und dann habe ich da ein Problem: Mein Joghurt wird schleimig.
Anfang des Jahres zog ein schlichter Joghurtbereiter in unsere Küche – so viel Joghurt, wie ich esse, kann ich auch selbst machen. Den ersten Topf stellte ich her aus einem Liter 3,5-prozentiger Andechser Frischmilch (auf 37 Grad erwärmt) und zwei großen Esslöffeln meines Lieblingsjoghurts der Andechser Molkerei, 11 Stunden gewärmt. Er war genau so, wie ich mir das vorgestellt hatte: Joghurt halt.
Doch schon beim zweiten Durchgang war nur das oberste Drittel so ein Joghurt halt, der Rest war seltsam schleimig. Unter den Erklärungsvorschlägen im Web erschien mir der Hinweis auf unerwünschte Bakterien am nachvollziehbarsten. Also achtete ich bei den weiteren Versuchen auf peinliche Hygiene, kochte alles verwendete Geschirr vorher ab, verwendete H-Milch. Die Ergebnisse wurden besser, doch nie so gut wie beim ersten Mal: Ein bisschen schleimig wurde der Joghurt immer.
Am Wochenende replizierte ich also den Versuchsaufbau des ersten Mals – Ergebnis Schleimjoghurt. Wissen Sie Rat?

Zwei Podcast-Empfehlungen oder: Nebenwirkungen des Strickens

Sonntag, 10. März 2013

Meine Genesung schreitet voran, reines Stricken ist mir mittlerweile zu langweilig. Stricken beim Fernsehen geht schon auch, doch wenn Fernsehen schon mal gut genug ist, dass ich es aushalte, möchte ich auch alles sehen (was ich beim Stricken nicht kann, ich muss regelmäßig auf mein Genadel schauen – und das wo ich weiß, dass manche Menschen sogar bügeln können ohne hinzuschauen). Also höre ich Podcasts, der Mitbewohner ist eine erstklassige Tippquelle. Zum Beispiel hatte er mir bereits vor Monaten eine Folge des Lexicon Valley Podcasts empfohlen, über sprachliche Anachronismen in Downton Abbey, Mad Men und bei Edith Wharton. Diese Empfehlung gebe ich hiermit dringend weiter.

Unter anderem interviewen die beiden Podcaster den Historiker Ben Schmidt, der die Dialoge aus den genannten Fernsehserien durch Analyseprogramme mit dem riesigen Vergleichskorpus schickt, der durch Googles eingescannte Bücher entstanden ist. So findet er heraus, welche Wörter und Formulierungen der Serien seit wann tatsächlich verwendet werden. Auch um die Hintergründe dieser Methode geht es, außerdem überlegt der Podcast, warum sich die Drehbuchschreiber der Gefahr linguistischer Anachronismen wohl weniger bewusst sind als der technischer oder gesellschaftspolitischer Anachronismen.

Und weil ich so begeistert war, hörte ich mir gleich noch einen weiteren Lexicon Valley Podcast an: “About the all-important role that language translation (and mistranslation) plays in our lives“.

Wieder profitiert die Folge von einer spannenden Interviewpartnerin: Natalie Kelly hat zusammen mit Jost Zetzsche das Buch Found in Translation: How Language Shapes Our Lives and Transforms the World veröffentlicht und erzählt sehr spannend vom Übersetzen und seiner Rolle in der internationalen Kommunikation. (Ich glaube, Natalie Kellys ungemein bezauberndes Lachen schneide ich mir mal einzeln raus, um es als Instant-Glücklichmacher jederzeit zur Verfügung zu haben.) Zudem begründet Kelly sachlich überzeugend, warum es auch bei noch so guter Computerlinguistik immer Menschen als Übersetzerinnen brauchen wird.

Sehr nett fand ich die Geschichten, in denen Übersetzer, vor allem Simultanübersetzer, auch Außersprachliches mitübersetzen müssen, um den Inhalt zu treffen. Dazu kann ich auch eine Anekdote beitragen.

Anfang der 90er promovierte eine englische Freundin in russischer Literatur über Tschingis Aitmatow und die Wurzeln seiner Werke in kirgisischer Mythologie.1 In Deutschland war Aitmatow sehr bekannt und beliebt, von allem wegen seines Romans Dshamilja. Ich lebte damals in Augsburg und entdeckte eines Tages Plakate, die eine Lesung von Tschingis Aitmatow in Augsburg ankündigten. Sofort gab ich meiner Freundin Bescheid, die diese Lesung dann für einen ohnehin seit langem ausstehenden Besuch bei mir nutzte. Sie sprach zwar kein Deutsch, aber fließend Russisch und wollte diese Gelegenheit für ein direktes Gespräch mit Aitmatow nutzen.

Wir saßen also nebeneinander in der Kongresshalle, auf der Bühne der mächtige, weißhaarige Kirgise und seine Übersetzerin. Nach der Lesung auf Russisch und Deutsch erzählte Aitmatow noch ein wenig und antwortete auf Fragen der literarischen Gastgeber und aus dem Publikum. Die Übersetzerin übersetzte seine langen Antworten stückweise ins Deutsche, das Publikum lachte über die Scherze. Doch meine Freundin wurde immer unruhiger. Sie verstand zwar kein Deutsch, doch sie hörte sehr wohl das Gelächter – und war darüber bestürzt: “He is not joking!” flüsterte sie mir irgendwann zu und dann kopfschüttelnd immer wieder. Nach der Lesung erklärte sie mir, dass Aitmatov in reinstem Sovjet-Kadersprech selbstherrlich über sich und seine Leistungen schwadroniert habe, dass sie nichts von dem Menschen erlebt habe, den sie sich auf der Basis seiner Werke vorgestellt hatte. Ihre Bestürzung ging noch viel weiter: Durch diesen direkten Kontakt mit Aitmatov war der Autor nun in ihrer Wahrnehmung schlicht ein ausgesprochen geschickter Opportunist, der sich mit jeder Macht in Kirgisien bestens gestellt hatte, der auch seine Werke schlicht auf Marktbedürfnisse ausrichtete. Sie brach ihre Ph.D. thesis ab und schulte auf Jura um (kein Scherz).

Warum also die deutlich andere Übersetzung in der Augsburger Kongresshalle? Vielleicht passte das selbstbeweihräuchernde Salbadere des Herrn so überhaupt nicht zu dem Bild, das man in Deutschland von Aitmatow hatte, dass die Übersetzerin automatisch davon ausging, dass es scherzhaft gemeint war.

  1. Von dieser Freundin habe ich die wunderbare Erklärung von socialist realism: “Boy meets girl meets tractor.” []

Fingergedächtnis

Donnerstag, 7. März 2013

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Dass ich es jemals schaffen werde, mein Strickzeug project zu nennen, bezweifle ich. Doch in meinem grippal infizierten Dunst stellt sich Stricken als angenehmer Zeitvertreib heraus: Einfarbiges Zopfeln fordert mir nur wenig Konzentration ab, ich kann meine Gedanken fliegen lassen und finde spannend, wie sich das Strickstück entwickelt. Meine Finger erinnern sich an mehr Kniffe und Tricks meiner Hochstrickzeit vor 20 Jahren als mein Hirn; inzwischen lasse ich zuversichtlich eine Masche auch vier Reihen nach unten fallen, wenn ich dort einen Fehler entdeckt habe: Meine Finger wissen schon, wie sie diese Masche korrigiert wieder hoch holen. Auch ohne Häkelnadel.

Und mir fallen vergangene Strickstücke ein, die ich mir in jungen Jahren ausdachte. Irgendwann vor 10, 15 Jahren habe ich wohl fast alle davon ausgemistet und zu meiner Mutter geschafft. Und auch sie hat mittlerweile alle weggegeben.
Doch da war zum Beispiel dieser Sommerpulli aus schwerem, senfgelbem Bändchengarn, Grundmuster glatt links, in der Mitte ein Doppelzopf, aus dem ein V-Ausschnitt wurde, Vorder- und Rückteil in einem Stück gestrickt. Eigentlich ärmellos, die Schulterteile fielen durch den tiefen V-Ausschnitt über die Schulter, an die Ärmelseiten hatte ich im Hochstricken ebenfalls einen einfachen Zopf angeschlossen (die wenigen Momente im Leben, in denen ich wünsche, ich könnte zeichnen). Damals hatte der Pulli nicht perfekt gesessen, weil ich den Rückenausschnitt so tief wie den vorderen gemacht hatte. Ich glaube, den Pulli stricke ich einfach nochmal, mit verbessertem Rückenausschnitt (vielleicht zusätzlich ein hübsches Querbändel über den Nacken?). Bändchengarn aus reiner Baumwolle wird es doch heute auch noch geben?