(Möglicherweise too much information, empfindliche Gemüter mögen vielleicht nicht weiterlesen. Aber ich finde solche medizinischem Geschichten, bei denen ich was lerne, immer hochinteressant. Ich war ja auch von Emergency Room fasziniert.)
“Es ist wirklich schade”, sagte die Zahnärztin, versunken in den Anblick der Röntgenaufnahme meines Gebisses. Nach einer Pause wiederholte sie: “Schade.” Wir warteten gerade darauf, dass die Betäubungsspritze wirkte.
“Sie haben so gute Zähne, beneidenswert gute Zähne. Es ist unwahrscheinlich, dass Sie jemals Ersatz brauchen”, erklärte sie nochmal. “Aber bei dem ist einfach nichts zu machen.” Und so verließ mich gestern ein Backenzahn nach fast 44 Jahren meist guter Zusammenarbeit. Es war genau der eine, der mir vor sieben Jahren zum ersten und einzigen Mal gezeigt hatte, was Zahnschmerzen sind. Und nun seit Monaten vor sich hin schwärte, zum Glück unter lediglich minimalem Schmerz.
Die Zahnärztin hatte mir beim Jahrescheck vor drei Wochen klar gemacht, dass diese Entzündung nicht von allein heilen würde. Außerdem entdeckte sie einen Sprung in diesem Zahn (der, wie sie nach Extraktion und bei Tageslicht feststellte, die Ursache der Entzündung war). Gestern Mittag kam er raus, wie vorhergesehen ohne Probleme weil mit geraden Wurzeln. Frau Doktor musste ihn nicht mal zerteilen, wie sie mir vorsichtshalber als mögliche Notwendigkeit angekündigt hatte: Ein bisschen mit dem Schraubenzieher (oder wie das heißt) gelockert, dann in kleinen Kreisen gezogen. Auf meinen flachen Scherz, ob sie denn auch gut im Krafttraining stehe, hatte die Ärztin mir vorher erläutert, dass Kraft genau die falsche Technik bei sowas sei. Damit habe schon so mancher Jungspund den zu ziehenden Zahn zerbröselt.
Morgens war ich noch Schwimmen gewesen; meine kleinen Twitterfreundinnen hatten mich auf das Sportverbot nach Zahnextraktion vorbereitet (EINE WOCHE?!). Und ich aß ein ordentliches Butterbrot, die Praxisangestellte hatte mich “kräftig gefrühstückt” bestellt.
Die Lokalanästhesie war hervorragend dosiert: Die Wirkung trat schnell und gründlich ein (ich hatte schon erlebt, dass nachgespritzt werden musste), und nach vier Stunden war alles wieder da (ich hatte schon erlebt, dass eine Betäubung fast zehn Stunden anhielt). Die operative Nachsorge ließ ich von meiner Twitter-Timeline begleiten: Sie gab mir unter anderem den hervorragenden Tipp, das Schmerzmittel bereits vor dem völligen Abklingen der Anästhesie einzunehmen. Und sie versicherte mir, dass fünf Stunden Kühlung lang genug sind, wenn nichts mehr blutet oder heiß ist. Auf diese Idee der Kühlungsfixierung kam ich aber selbst (mir waren Wilhelm-Busch-Zeichungen von Zahnweh-Kranken eingefallen):
Die Nacht verlief ruhig, nur fror ich unter meinem Federbett so sehr, dass ich mir eine Wärmflasche füllte – am 3. Juni. Der Morgenkaffee schmeckt. Na kommen’S: Ich soll nicht Sport, Kaffee, Nikotin, Alkohol; wenn ich die anderen drei brav einhalte, wird das morgendliche Koffein schon nicht die Wundheilung verhindern.
Ob ich ihn haben wolle, den Zahn, hatte Frau Doktor gefragt. Oh ja, sehr gerne! Die Zahnarzthelferin versprach, ihn noch ein wenig zu reinigen, beim Nachsorgetermin kann ich ihn mitnehmen.