Journal Freitag, 16. August 2013 – schwer alternd
Samstag, 17. August 2013 um 10:00Vielleicht komme ich ja wieder in Schwung, wenn ich stupide Tagebuch blogge. Denn eigentlich bin ich innerlich in vegetativem Modus und bringe schlicht Leben hinter mich. Statistisch stehen mir noch 40 Jahre bevor; damit mich die Aussicht auf diese halbe Ewigkeit, die ich noch wegzuleben habe, nicht würgt, versuche ich mich auf möglichst kurze Zukunftsabschnitte zu konzentrieren: Die nächsten drei Tage, der nächste Arbeitstag, das nächste Wochenende. So müsste das zu schaffen sein.
(Vielleicht mögen Sie nachlesen, wie ich den “Proust-Fragebogen für Blogger” von Zeit online beantwortet habe?)
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Gestern stellte ich mir den Wecker wieder auf vor Sonnenaufgang, um nach einem Glas Wasser vor der Arbeit zum Laufen zu gehen. Meine jetzigen Arbeitszeiten von 9 bis 18 Uhr muss ich irgendwie in mein angeborenes Frühaufsteherinnentum integrieren; jetzt, im Hochsommer, bietet sich ein Nützen der frühen Morgenstunden für Sport an. In den vergangenen Wochen kam hinzu, dass die Hitze des Nachmittags und des Abends mir ohnehin die Lust auf Sport nach der Arbeit nahmen. Ich bin schon mal gespannt, wie das im Winter wird – vielleicht freue ich mich ja dann darüber, dass ich nicht so früh aus dem Haus muss.
Mein gestriger Isarlauf – Wittelsbacher Brücke bis Hinterbrühler See und zurück – war ereignisarm und entspannend einsam. Die Tage werden bereits merklich kürzer, und im Dämmerlicht vor sieben waren nicht mal Gassigeherinnen unterwegs. Auf dem Hinterbrühler See lagen ein paar hauchige Dunstschwaden, drumrum grasten Graugänse.
Duschen, anziehen, ins Büro radeln, unterwegs zum Frühstück ein Laugenzöpferl beim Bäcker holen.
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Den Agenturkeller habe ich mittlerweile aus- und aufgeräumt, für den Endzustand fehlt nur noch die Sperrmüllabholung. Im Büro selbst sind Unterlagen aus zehn Jahren Agenturbestehen ausgemistet und sortiert, die Ordner mit einheitlichen Etiketten versehen. Am Wochenende kommen die Maler. Sonstiges Sekretäriges der letzten Wochen: Stellenanzeigen schreiben und platzieren, Urlaubsplan entwerfen, Unterkunft für Kollegin aus dem Ausland organisieren, die vorübergehend hier arbeiten wird (ein paar Tage lang sollte ich auch day care für ihre 18-monatige Tochter auftun, nach dem initialen Lachanfall habe ich trotz Scheitern eine Menge gelernt), Ein- und Ausgangsrechnungen verwalten, IT-Hilfe anleiern, Reiseplanung für Veranstaltungen. PR-Dinge mache ich schon auch: Texten hier, Recherchieren dort, Verteiler aktualisieren, bei Brainstormings mitsenfen – Junior-Zuarbeit, die völlig in Ordnung ist. Abends spüle ich das Agenturgeschirr und singe die Seeräuber-Jenny in mich hinein. (Guter Anlass auf diese wundervolle PR-Tanjaanja-Version in meinen Kommentaren zu verlinken.)
Die Büroräume sind schwer zu temperieren. Nachdem die Tage am Wochenanfang endlich kühl genug gewesen waren, um die Innentemperatur der Agentur deutlich unter die wochenlangen 30 Grad zu bringen (ich hatte beim Aufräumen ein Thermometer gefunden), reichte die Sonne des gestrigen Nachmittags (keine Jalousien, keine Rollläden) schon wieder für ordentliche Hitze.
Abschließend machte ich die Räume fertig für die Maler.
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Beim Zurückblättern im eigenen Blog hatte ich mich an einen Wein erinnert, den ich vor einem Jahr mit Anke Gröner in der Terrine sehr genossen hatte: Sauvingon Blanc „Animale Celeste“. Zu meiner freudigen Überraschung erfuhr ich, dass es den bei Garibaldi gibt. In den vergangenen Wochen hatte ich im Bewusstsein meines deutlich geschrumpftes Einkommen Ausgaben gering gehalten, nun wollte ich mir etwas gönnen. Also radelte ich nach Feierabend in die Maxvorstadt und holte in der frisch renovierten und jetzt sehr großzügig gestalteten Filiale in der Schellingstraße zwei Flaschen des aktuellen Jahrgangs. Beim Zahlen erzählte ich dem Angestellten, woher ich den Wein kannte. Er meinte, das werde er “dem Sebastian” erzählen, dem damaligen Koch im mittlerweile vergangenen Restaurant Terrine: Mit dem werde er nämlich übers Wochenende den Rheingau bereisen, und das werde ihn freuen.
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Abends versuchte sich der Mitbewohner an Çiğ Köfte. Vielleicht hatte er etwas zu viel Bulgur erwischt, neben sehr gutem Geschmack waren die Klößchen doch eher trocken. Aber hübsch.
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Beifang aus dem gestrigen Internet:
Informationen durch Landkarten: “Maps that will help you make sense of the world”.
So sind wir Feministinnen halt: Kriegen immer noch nicht genug. Oder: “I hate strong female characters“.
10 Kommentare zu „Journal Freitag, 16. August 2013 – schwer alternd“
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17. August 2013 um 10:30
Manchmal muss man einfach nur das Tagesgeschäft erledigen und einen Schritt nach dem anderen machen. Sie sind doch sonst ganz gut darin, das Leben zu genießen? Außerdem finde ich Tagebuchbloggen gar nicht stupide. Wer es nicht mag, kann woanders weiterlesen. Das Schöne am Bloggen ist, das niemand einem verbieten kann, wochenlang nur Banalitäten zu schreiben.
17. August 2013 um 14:09
Ich lese hier immer wieder gern, auch wenn es banal oder zu trivial sein könnte. Bitte liebe Inés, nicht aufhören. Es existiert leider viel zu viel langweiliges in den Mainstreammedien. Hier bei Ihnen wird wenigstens mein Intellekt nicht beleidigt.
17. August 2013 um 14:55
Nicht WAS Du schreibst, sondern WIE Du schreibst macht Dein Bloggen interessant.
17. August 2013 um 15:13
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Gerne gelesen
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17. August 2013 um 16:17
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Gerne gelesen
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17. August 2013 um 18:48
Gut ausgefüllte Fragebögen sind auch dann spannend, wenn man beides kennt – die Fragen und die Beantworterin!
Übrigens: Ich halte dich für lebenslustig. Tiefenunterbewußt. Selbst wenn es nur ums Durchstehen geht, klingst du nie wirklich down!
17. August 2013 um 18:52
Ist das nicht die Umschreibung für “Leben im Hier und Jetzt”? Was ja nun sehr empfehlenswert sein soll, wenn man glücklich sein will.
Oder besser gesagt, zufrieden sein, das Streben nach Glück wird derzeit ja etwas überstrapaziert.
Jedes Mal, wenn ich die Krise kriege, fällt mir auf, dass ich (zu) viel über die Zukunft nachdenke (oder die Vergangenheit). Wenn ich aber damit zufrieden bin, diesen Tag gut hinzukriegen, geht es mir viel besser. Grübeln ist des Teufels.
17. August 2013 um 18:53
… und dein Foto: Hammer! Sieht richtig avangardistisch aus!
17. August 2013 um 20:43
Einige Ihrer Worte gehen mir sehr unter die Haut und machen mich besorgt. Passen Sie gut auf sich auf!
Proust-Fragebogen:
Antworten: große Klasse, Foto: Wow!
Maps:
Dank dafür, denn visuelle Menschen wie ich freuen sich über solcherart gestaltete Information. Bei Zahlen fehlt mir meistens die Vorstellungskraft, was gelegentlich ein Quell des Vergnügens im Familienleben war. Besonders fremde Währungen mit viel Nullen sorgten für Heiterkeit. Niemand hat den Euro so sehr begrüßt wie ich!
Zum Altern: hat auch gute Seiten, merkt man erst, wenn man länger dabei ist.
Im September werde ich in München sein, um (bitte nicht gruseln, liebe Kaltmamsell) mein neugeborenes Enkelkind freudig zu begrüßen und bei der Gelegenheit Garibaldi in der Schellingstraße aufsuchen, den Sauvignon Blanc probieren. Ich wohne ganz in der Nähe. Sollte es der Zufall wollen und Sie von einer Unbekannten angelächelt, aber nicht angesprochen werden, wäre ich das möglicherweise.
Und auch wenn ich kein ausgemachter Folklore-Fan bin möchte ich Ihnen auf gut hamburgisch ein herzliches “hol di stief” wünschen
18. August 2013 um 19:30
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Gerne gelesen
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