Meine Wanderschuhe habe ich inzwischen wieder. Sie erinnern sich: Die Sohle hatte sich am Anfang der Wanderung vor drei Wochen innerhalb von anderthalb Stunden aufgelöst, was aber, wie mir viele nette Menschen im Internet erklärten, eine völlig übliche Erscheinung bei allen Marken ist. Die Hersteller erklären das mit mangelnder Nutzung der Schuhe, was bestimmte Prozesse im Material auslöse. Selbst einige Sportwanderer verweisen auf Selbstschuld, man müsse ihre Ausrüstung halt pflegen. Ich bin weiterhin fassungslos über dieses eingebaute Sicherheitsrisiko und stelle mir vor, auch auf mein Paar Schlittschuhe im Keller, das ich nur alle paar Jahre nutze (wenn nämlich winters ein großer See schön glatt zugefroren ist), könnte ich mich nicht verlassen.
Ebenfalls auf Tipps der netten Menschen im Internet habe ich die Schule neu besohlen lassen. Das ging sehr flott, nach nicht mal zwei Wochen kamen meine Wanderschuhe zurück. Wobei mir zwei Umstände auffallen: 1. Die neue Sohle ist nur halb so dick wie die alte; ich gehe davon aus, dass die zerbröselnde blaue Schaumschicht fehlt. 2. Die beigelegte Pflegeanleitung beschreibt detailreich, wie ich das Oberleder in Schuss halte, erwähnt aber die Sohle und auch nur die Möglichkeit einer Selbstzerstörung mit keiner Silbe. Auf die angeblich unabdingbare regelmäßige Nutzung der Schuhe finde ich keinerlei Hinweis.
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Auch die gestrige Wanderung aus Wandern mit dem MVV mit dem Mitbewohner war ein Erlebnis – allerdings mit einigen Schattenseiten. Zunächst ganz buchstäblich: Der angekündigte Sonnenschein blieb völlig aus, der Hochnebel verdüsterte Landschaften und Aussichten so sehr, dass die Autos den ganzen Tag mit Licht fuhren. Letzteres bekamen wir deshalb so konsequent mit, weil die mit 20 Kilometer Länge und 5 Stunden Dauer angekündigte Strecke zu vier Fünfteln auf Straßen entlang führte – nicht meine liebste Wegart auf Wanderungen. Zu kräftigem Fluchen brachte mich aber erst eine Baustelle, die uns im letzten Drittel an der Überquerung der Garmischer Autobahn hinderte: Statt den Rückweg im schönen Loisachtal zu beenden, wurden wir zum einen zu einem Umweg, zum anderen auf die Bundesstraße gezwungen. Nach den resultierenden sechs Stunden meist strammen Marsches waren wir, wie man in meiner Familie sagt, fetz’nhie. Die letzten 200 Meter zurück in München von der Straßenbahnhaltestelle zur Wohnungstür bestanden aus einem abwechselnden “Trag mich!”, “Trag du mich!”.
Doch auch diesmal waren es Ausblicke, Landschaften, Details in Örtchen und Tierbegegnungen, die es das Ganze wert machten.
Wolfratshausen empfing uns zu meiner Enttäuschung mit demselben trüben Himmel, den ich schon in München bedauert hatte.
Die Vielfalt an Untergöttern, auf die der Katholizismus zurückgreift (und sie “Heilige” nennt, um weiter als monotheistische Religion zu gelten), scheint unerschöpflich. Dieser hier hat wohl mit dem Wirtshaus Flößerei zu tun, an dem er hängt.
Auf dem Loisachweg stießen wir auf ein eher neues, und doch ganz traditionelles Marterl mit Spruch:
Hoit staad und tua vaheb’n
Du hast net s’ewig Leb’n
Dir schlagt a amoi de letzte Stund
sowia an Hermann mit seim Hund
de zwoa hat – lass Dir’s sag’n
an dera Stell der Blitz derschlag’n
Oberbayerisches Idyll in Gelting:
Besonders schmuckes Feuerwehrhaus:
An der Loisach hatten wir schon zwei Kormorane auffliegen sehen, hinter Gelting ging die Tierschau richtig los:
Links nicht im Bild: ein Schild zur “Ziegelei” (Kalauer bitte selbsttätig einfügen).
Um einen Hof in Unterherrnhausen, der als Zulieferer für Andechser Ziegenmilch ausgeschildert war, gab es Viecher herdenweise: Neben den Ziegen auch Gänse und Truthühner. Letztere interessierten sich für uns noch deutlich mehr als wir für sie – als ich stehenblieb, um sie zu fotografieren, galoppierten sie mit erstaunlicher Geschwindkeit an den Zaun und sammelten sich dort piepsend.
Der Weiler Adelsreuth:
Vor und hinter Eurasburg:
In Berg ein hinreißender Holzsaubriefkasten:
An der Bundesstraße hinter Achmühle (wegen der Baustelle kamen wir nicht durch den Ort) ein weiteres traditionelles Marterl, dieses aber schon von 1932 (“Josef Schormayr verunglückte beim Milchtransport tödlich”) und nicht mal gereimt.
Endlich saßen wir in der Flößerei – einem sorgfältig und kreativ renovierten alten Haus mit modernen Elementen. Wenn halt nur das Essen mithalten könnte. Es wird kein Zufall sein, dass das Lokal bei allen drei Besuchen in den vergangenen zwölf Monaten fast leer war, und das obwohl es ideal liegt und wir immer zu Hauptausflugs- und -essenszeiten hereinkamen.
Wenn die Speisekarte zum Rindergulasch Bandnudeln ankündigt, gehe ich davon aus, dass diese frisch gekocht werden – doch sie waren mit Butter aufgewärmt und stellenweise hart. Eine Richtung, die auch die Bissfestigkeit des Fleisches vom lokalen Angusrind nahm. Gewürzt und abgeschmeckt war das Gulasch aber sehr fein. Mit seinem Schweinsbraten war der Mitbewohner zufrieden, doch auch dieser kam verdächtig schnell auf den Tisch.
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Trotz der eingangs aufgezählten Unbillen wollen wir mehr von diesem Wandern, idealerweise noch in dieser Saison. Zum Beispiel über ein Wochenende, mit Anreise im Zug am Freitagabend. Haben Sie, werte Leserinnen und Leser, Tipps, wo es sich von München aus gut erreichbar an einem Wochenende wandern lässt, ohne dass man für Anreise oder Wanderbeginn ein Auto benötigt? Richtige Berge sind dabei weniger das Unsere, doch auf und ab darf es schon gehen. Bayrischer Wald vielleicht? Allgäu?