Israel, baby! – 7 – Jerusalem
Donnerstag, 2. Januar 2014Es war voll und hektisch in dem neonbeleuchteten Lokal an der Via Dolorosa gleich bei der 5. Station, in das der Reiseführer unsere Zwölfergruppe zum Mittagessen geführt hatte („Hummus, salad and drinks, all included for 50 Schekel!“). Die Plastiktellerchen mit Hummus, Schnipselsalat, Frischkäse, Auberginencreme und scharfer Paprikapaste standen schon auf den wackligen Tischchen, als der Schmerz unvermutet zuschlug: Drei Schüsse aus meiner Hirnmitte von innen auf die Stirn, wo die Geschoße tobend stecken blieben. Appetit hatte ich eh keinen gehabt (zu viele Menschen, zu große Hektik, erst kurz davor ein Hefegebäck gegessen), jetzt wurde mir auch noch übel. Auch wenn die Symptome darauf hinwiesen, konnte das doch keine Migräne sein – am hellichten Tag, fast 48 Stunden nach dem letzten Schluck Alkohol, so war das noch nie. Außerdem wollte ich sehr, sehr nicht, dass das eine Migräneattacke war, mitten in unserem organisierten Ausflug nach Jerusalem, 60 Kilometer von meinem Migränemedikament entfernt, das auf dem Nachttisch im Ferienappartment lag. Mit dem zusätzlichen schlechten Gewissen, auch noch dem Mitbewohner den Tag zu verderben.
Was blieb mir übrig als einfach weiterzumachen? Dann hatte ich halt Angst, mich ausgerechnet in der Grabeskirche zu übergeben und ließ den Reißverschluss meiner Handtasche vorsichtshalber offen. Auf der halben Stunde Fahrt im Reisegruppenkleinbus nach Yad Vashem fiel ich in den Koma-ähnlichen Schlaf, den ich von meinen Migränen kenne, aber vom Holocaustmuseum selbst wollte ich unbedingt so viel wie unter den Umständen möglich mitbekommen und nahm alle Kräfte zusammen. In der abschließenden Halle der Namen wären mir sehr wahrscheinlich auch ohne Migräne die Tränen über die Wangen gelaufen – so viele getötete Menschen. Ich hielt es nur wenige Augenblicke und Anblicke dort aus, versuchte mich mit der abschließenden Aussicht auf das Tal unter dem Museum zu beruhigen.
Danach nur noch zurück nach Tel Aviv im Kleinbus, ich hielt mich fest an der Vorstellung von dem echten Bett, in das ich mich am Ende der Fahrt würde legen können. Es wurden 13 Stunden Schlaf mit langsam nachlassenden Schüttelfrost, Übelkeit, Kopfschmerz.
Mäße ich dem kalendarischen Jahreswechsel Bedeutung zu, hätte es für 2014 durchaus freundlichere Einstiege gegeben.
Aber bis dahin war der Jersualem-Ausflug schön und spannend gewesen. Unser Reiseführer Uri, der auch den Kleinbus lenkte, erzählte leidenschaftlich und interessant von der Geschichte Israels und Jerusalems, zitierte jüdische und christliche Mythologie, betonte, dass er den Realitätsbezug dieser Überlieferungen jedem selbst überlasse, verwies auf neuere historische und archäologische Erkenntnisse, ging ausführlich auf die Geschichte Jerusalems seit der Staatsgründung Israels ein. Ein wenig unwohl war mir allerdings sein abfälliger Tonfall, wenn er von islamischer Mythologie sprach.
Dezember und Januar scheinen eine gute Zeit für einen Jerusalembesuch zu sein: Der Reiseführer merkte an, dass es sonst nie so leer sei. Ich konnte mich auch an der Westmauer ausführlich umsehen, ohne das Gefühl die betenden Frauen (Männer beten in einem größeren, abgetrennten Bereich) zu stören.