Eine Frage der Einstellung?
Donnerstag, 20. März 2014 um 16:22Aus gegebenem Anlass mache ich mir mal wieder Gedanken, was man von einem Menschen am Arbeitsplatz verlangen oder gar voraussetzen darf.
Zunächst eine kleine Stoffsammlung dessen, was ich offensichtlich von jedem und jeder am Arbeitsplatz erwarte – sonst würde ich mich nicht ärgern, wenn es fehlt oder nicht getan wird:
– Nachfragen, wenn ein Arbeitsauftrag unklar ist. (Anstatt irgendwas hinzuwursteln, wird schon passen.)
– Probleme wahrnehmen und weitergeben. Wenn also ein Werkzeug kaputt geht, eine Produktionsmaschine nicht mehr perfekt arbeitet: Melden. (Statt das Arbeiten einfach einzustellen, weil ja kein Werkzeug da ist.)
– Sorgfalt im Rahmen des aktuellen Wissenstands, und sei es nur anhand des Tests: Wie würde ich reagieren, wenn mir jemand so etwas abliefern würde?
– Menschliche Zuverlässigkeit: Ein Ja ist ein Ja, ein Nein ist ein Nein, ein “bis Morgen fertig” gilt (außer es kommt etwas dazwischen, dann erwarte ich, rechtzeitig darüber informiert zu werden).
Was mich hingegen fassungslos macht:
– Aufgaben kommentarlos gar nicht erledigen: Auf Nachfrage “Ich hab’s nicht gefunden”.
– Aufgaben unvollständig als abgeschlossen ansehen: “Überschrift ist mir keine eingefallen.”
Was ich aus diesen Beispielen folgern muss: Ich erwarte wohl, dass sich Menschen im Arbeitsleben mitverantwortlich fühlen – für das Arbeitsergebnis, den Ablauf, sogar ein bisschen für das Unternehmen? Darf ich das?
Oder ist es vielleicht genauso in Ordnung, immer im Hinterkopf zu haben, wofür man bezahlt wird – und dazu gehört bei den allerallermeisten eben nicht Mitverantwortung. Womit ich zu hohe Erwartungen hätte.
(Selbstverständlich ist das andere Extrem auch nicht brauchbar. Dass jemand zum Beispiel eine halbe Nacht ständig hochschreckt und in Schweiß badet, weil sie einen Monatsbericht zwar erst nach einem Schlussabgleich mit dem Kalender abgegeben hat, sich aber dennoch herausstellte, dass ein paar wichtige Termine gefehlt hatten. Und die immer noch vergeblich um eine Erklärung dafür ringt und fast schon bereit ist, demente Ausfälle zu gestehen.
Ich will ja keine Namen nennen.)
29 Kommentare zu „Eine Frage der Einstellung?“
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20. März 2014 um 16:55
der dritte punkt ganz oben ist ein schwieriger. denn die antwort auf diese vermeintlich einfache frage hängt mit dem eigenen verständnis von qualität des produktes zusammen, und das ist halt genau das: das eigene. und nicht das der anderen.
20. März 2014 um 17:15
Der Knackpunkt ist in meinen Augen, dass Arbeit (und alles andere ebenfalls) genau dann eine Chance hat Spass zu machen, wenn ich anfange mich für das Produkt (was auch immer das ist), die Abläufe und Interaktionen zu interessieren und eine gewisse Befriedigung daraus ziehen kann, wenn Dinge “rund” laufen. Mit anderen Worten, wenn Arbeitszeit als Lebenszeit wahrgenommen wird, die so oder so verbracht werden kann.
20. März 2014 um 17:23
Plus/Minus teile ich diese Erwartungen — vor allem habe ich sie an mich selbst. Leisten kann ich das nicht immer.
20. März 2014 um 17:30
Bis auf diese Sorgfaltsgeschichte, die eine üble Perfektionistenfalle sein kann, würde ich das unterschreiben.
Wer die Latten reißt und im höheren berufsfähigen Alter ist, darf als Anlernling ewig 10 gleiche Handgriffe machen.
Aber das klingt alles sehr infantil und nach vor 14 Tagen noch an der Hand von Mama.
(bevor ich 25 wurde, hatte ich auch solche Ausfälle)
20. März 2014 um 18:02
Das sind ja neue alte Töne, dass das Heil doch nicht bloßer Erfüllung liegt. (Ja, ich weiß, Erfüllen kann je nach Flüssigkeit und Gefäß auch herausfordernd sein.)
Wer Punkt 1-3 erfüllt, gilt bei manchen als StreberIn. Oder ProblematisiererIn. Lieber erstmak wursteln.
“Menschliche Zuverlässigkeit” – autsch, die besitze ich dann nicht so. Sogar, wenn ich ein Nein in ein Ja dreh? Ich fürchte, ja.
“Mir ist keine Überschrift eingefallen” gefällt mir aber. Mach ich doch gerne. Danke, dass noch was zum Spielen dabei ist.
20. März 2014 um 18:10
Ich hatte eine ähnliche Liste, lange selbst im Büro hängen, aber eines Tages gab ich sie auf, nachdem ich dann endlich doch gelernt hatte, das heute auch in zwei Wochen heißt oder noch öfter: nie. Genau wie Nachfragen nie kamen und Geräte grundsätzlich immer schon kaputt waren. Man wird müde und stopft die Erwartungen zu den Listen in die hinterste Schublade des Schreibtisches.
20. März 2014 um 18:44
Auweia, Sie könnten mein Zwilling sein. Aber ich vermute, das Sie vorher in einer verantwortungsvoller Position tätig sein durften. Und jetzt erleben Sie das ganz normale Mittelmaß, irgendwie schön durchkommen, notfalls dumm stellen, wer keine Ahnung hat lebt ruhiger. Eben Büromikado. Ihre Vorstellung von der Arbeitswelt ist leider ein Auslaufmodell (hat auch lange bei mir gedauert, dieser triviale Erkenntnisprozeß), die “konservativen Tugenden” sind einfach irrelevant geworden.
20. März 2014 um 18:46
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Genau!
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20. März 2014 um 19:12
“Und jetzt erleben Sie das ganz normale Mittelmaß, irgendwie schön durchkommen, notfalls dumm stellen, wer keine Ahnung hat lebt ruhiger.”
Hängt evt. mit der Einstufungs-Liga zusammen. Ist aber dann auch wieder kein Zufall, wer in welcher Einstufungs-Liga mit welcher Gesinnung/welchem Anspruch an sich selbst unterwegs ist. Relaxte “Work-Life-Balance” im Arbeitsverhältnis funktioniert vermutlich recht gut mit dieser lockeren Haltung. Oder in einem Job, der wenn auch ohne Führungsverantwortung mit hoher Identifikation mit dem Arbeitgeber oder dem Produkt oder dem Nimbus einhergeht. Das Dilemma unserer Zeit. Seit Broterwerb zunehmend mit der Idee von Selbsterfahrung gekoppelt wird.
20. März 2014 um 20:05
Nachdem ich zehn Jahre lang in einer Notrufzentrale gearbeitet hatte, wo ich unter anderem Transporte schwerstkranker Patienten aus dem/ins Ausland zu organisieren hatte, wo also Präzision mitunter lebenswichtig war, fiel es mir extrem schwer, mich an das zu gewöhnen, was ich als Schlamperei empfand, was aber in einem “normalen” Büro zum Alltag zu gehören scheint: zu spät kommen, Deadlines nicht einhalten, Arbeitsprozesse nicht nachvollziehbar dokumentieren etc. etc.
Mein Perfektionismus hat mir aber Feindschaften eingebracht, so dass ich derzeit meinen eigenen Ansprüchen nicht unbedingt genüge.
20. März 2014 um 20:27
Das wäre schön so.
Allerdings ist es zum einen ein Weg dahin und auch abhängig von Vorerfahrungen und vom Arbeitsumfeld. Jemand, der bei jeder Nachfrage zurechtgestutzt wurde, wird sich in Zukunft bei Rückfragen schwer tun. Jemand, dem der kleinste Schritt vorgegeben wird, wird keine Verantwortung für das Arbeitsprodukt empfinden. Und Qualität der Arbeit steht im Konflikt mit Quantität und Geschwindigkeit – wie die Gewichtung in dem Dreieck liegen soll, muss erst einmal klar sein.
20. März 2014 um 20:30
Ich finde Ihre Erwartungen nicht unangemessen, ich habe ähnliche. Allerdings habe ich schon häufig erlebt, daß Punkt 1 nicht klappt: Das lag teils an kulturellen Unterschieden (nachfragen galt als unhöflich, trotz der mehrfachen Versicherung, daß es nicht unhöflich ist), teils an Überforderung und der Angst, man würde das merken (was natürlich Blödsinn ist, das merkt man recht schnell auch so), und teils weiß ich die Gründe nicht. Ich finde es nicht schlimm, wenn so etwas nur gelegentlich passiert, und oft konnte die Situation auch durch Anpassungen auf beiden Seiten verbessert werden, ich habe z. B. bei bestimmten Kollegen etwas öfter nachgehakt, und dann konnten sie auch zugeben, etwas nicht 100% verstanden zu haben.
Wo ich mich sehr beherrschen muß ist, wenn dieselben Fehler mehrfach gemacht werden. Jeder macht Fehler, das ist völlig OK, aber wenn man nach dem Erkennen eines Fehlers und der ausführlichen Ursachenforschung später exakt denselben Fehler wieder macht, fehlt mir dafür jedes Verständnis. Leider kommt auch das vor…
20. März 2014 um 21:23
Empfehlung für Delegierende: vor die pragmatische, funktionelle Arbeits-Anweisung eine ordentliche Portion von menschlichem Respekt setzen. Das Prinzip der warmen Bitte/Frage anstatt des Imperativs. Menscheln wirkt Wunder. Mein persönlicher Erfahrungswert. Idealerweise mit mehr Empathie und Nachsicht, als man sich selbst zuweilen entgegenzubringen bereit ist. Man wird reich beschenkt. Das sage ich als jemand, der sich selbst gegenüber sehr streng ist. Der magische Mechanismus besteht darin, jemandem so gegenüberzutreten, als unterstelle man außerordentliches Potenzial. Et vollà: die Kreatur begreift die magische Botschaft und wächst über sich hinaus. Es hat mit zwischenmenschlicher Verführung zu tun. Erotik des Alltags. Ich empfehle das (warm).
20. März 2014 um 22:08
Ich verdiene meine Brötchen ja an einer Schule, lehrenderweise. Gaga Nielsen kann ich nur zustimmen. Ins Zwischenmenschliche investieren lohnt sich in meinem Job immer. Auch der renitenteste 14-jährige macht, was er soll, wenn er einen mag und sich respekiert fühlt. Und wenn man ihm dann noch sagt: “Mach das mal, das kriegst DU doch hin, das weiß ich doch,” geht überhaupt vieles leichter.
20. März 2014 um 22:57
Was Gaga sagt.
Mit so was ähnlichem habe ich meine chinesische Azubine hinbekommen, die nie nachfragte und gern wirr und schnell losmachte, ob sie es verstanden hatte oder nicht.
21. März 2014 um 7:58
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Genau!
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21. März 2014 um 12:22
vor kurzem von einer mallersdorferklosterschwester, 75jahre und praktizierende zahnärtztin am schluss ihrer ausführungen über klosterleben folgenden satz gehört: unsere gesellschaft krankt an “Freiheit ohne Verantwortung”.
staat, arbeitgeber, anbieter sollen dem menschen größtmöglich individuelle freiheit einräumen aber dieses individuum will für sein Tun keine Verantwortung
tragen.
21. März 2014 um 15:51
Was Frau Nielsen sagt.
Auch Loben, wenn etwas geklappt hat, dieses nicht als selbstverständlich betrachten.
Und für das andere Zeugs: Schadensmeldung.
Wir haben ein solches Formular für alles was kaputt ist.
Ausfüllen,was, wer, wo wann, fertig und im Sekretariat abgeben.
Das wandert zur Schulleitung, die entsprechend handelt: Hausmeister, externer Handwerker, Kundendienst.
Nach getaner Arbeit kommt der Rücklauf: das bearbeitete Formular liegt im Fach, mit kurzem Kommentar.
Zwar bürokratisch aber außerordentlich effizient.
22. März 2014 um 7:47
Erkenne auch den schulischen Bereich wieder. Sehe allerdings in Formularen auch keine Hilfe, denn das, was als “Einstellung” oben umrissen wird, wird auch keine Formulare ausfüllen. Und das Sage ich als Mitglied der Schulleitung, die solche Formulare entwirft, entgegennimmt und weiter verarbeiten soll, muss, möchte.
Und ich denke nicht, dass Die Begriffe “Strebertum” oder “Perfektionismus” dem gegenüberstehen (sie sind das andere Extrem), sondern doch eher “Verantwortung” – für. Das, was ich tue und was neben mir passiert und was mein Handeln für Folgen für andere hat.
22. März 2014 um 10:50
Ja, Herr Tom, da brauchen Sie eine gewaltige Frustrationstoleranz.
Sie können aber jedem Mauler und Beschwerer das Formular auf den Bauch tackern.
Jedem ” hier ist alles kaputt und nix funktioniert” Schwaller einen Latz verpassen.
Dafür braucht es allerdings Leute, die genau hinschauen, einen Schulleiter und einen Hausmeister, die auf Zack sind.
Und die ” Broken Window Theorie” kennen.
22. März 2014 um 15:44
Nur, wie bringt man Menschen in die Verantwortung?
Ich glaube nicht, dass es nur eine persönliche Eigenschaft ist.
Es gibt Mebschen, die sich rührend um ihre Meerschweinchen kümmern, aber beruflich nur mit minimaler Kraft laufen. Nur das Nötigste, und das was drüber hinaus ist, nur mit Gejammer und dann so ausgeführt, dass man es das nächste Mal nicht mehr machen muss.
22. März 2014 um 19:43
Wie man das macht? Ehrlich, keine Ahnung!! Bin neu im Geschäft.;)
22. März 2014 um 23:03
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Genau!
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23. März 2014 um 0:23
(muss gerade lachen, weil Modeste den fertigen “Genau!”-Kommentar ausgesucht hat – da kann man sich dann als Leser immer so schön aussuchen, ob sich “Genau!” auf den Eintrag oder einen der hundertfuffzich vorangegangenen, oder den unmittelbar vorherigen Kommentar bezieht. Putziges Feature.)
Man kommt manchmal Geheimnissen auf die Spur, indem man die Frage, die einen in Bezug auf andere bewegt, sich selbst stellt. “Was weckt meinen Ehrgeiz?” Oder “Was lähmt meine Leistungsbereitwilligkeit?”. Meistens spielt (zumindest bei mir) das Empfinden von besonderer Wertschätzung eine Rolle. Wenn mir jemand das Gefühl vermittelt, gerade ICH könnte einen wertvollen Beitrag zum Gelingen leisten. Ich bin ungeheuer empfänglich für eine extra Portion Schlagsahne oben drauf. Oh ja.
23. März 2014 um 7:33
Alles, was Gaga Nielsen zum Thema schrieb, gefällt mir ausserordentlich gut!
23. März 2014 um 13:24
Hängt vielleicht wirklich vom Umfeld ab und wie die Gruppe mit ihren unterschiedlichen Charakteren zusammengesetzt ist. In unserer Abteilung herrscht ein gewisses ironisches Spiel mit solchen Arbeitsszenario-Floskeln. “Wenn es einer schafft, dann DU!”, “DU bist doch mein bester Mann!”, “Ich habe hier eine Aufgabe, die DIR doch auf den Leib geschneidert…” – Wir WISSEN, daß das allen so gesagt wird, daß es ein ironisches Spiel ist, das naturgemäß mit ähnlich ironischen “Jaja”-Kommentaren gekontert wird. (Das geht natürlich nur auf einer gewissen Augenhöhe und weil transparent ist, was die Zwänge auch auf Leitungsebene sind.) Unter Praktikanten gibt es die ganze Spannbreite. Auch solche, die offenbar fehl am Platze sind, weil sie sich für das Produkt oder gar die Branche nicht interessieren.
Persönlich hilft aber auch “Stromberg”, um Büro-/Abteilungsmätzchen zu verstehen.
23. März 2014 um 13:29
…oder Dilbert ;)
23. März 2014 um 17:59
Die Anzahl der Kommentare (also die Textmenge) ist größer als die Wortmenge des Artikels. Also scheint das Thema doch irgendwie zur Artikulation anzuregen.
2. April 2014 um 7:59
Oh, das kenne ich. Mitdenken, Initiative ergreifen, hinterfragen, nachfragen ist bei mir hier auch sehr selten. Macht man es doch, wird man von den Kollegen*innen belächelt.
Fordert man es von anderen ein, sieht sich niemand zuständig. Warum mehr machen, als verlangt wird.
Traurig!