Archiv für März 2014

Oscarnacht 2014

Montag, 3. März 2014

Der Mitbewohner hat morgen Urlaub, deswegen gucke ich heute nach langem mal wieder nicht allein. Er hat am Vorabend Guacamole gemacht, Nachos stehen bereit, außerdem Salznüsschen und Schokolade, eine Kanne Tee wird uns hydrieren.

Auch dieses Jahr recherchierte ich eine Viertelstunde lang, um welche Uhrzeit genau die Show beginnt, damit ich umrechnen konnte, wie spät das hier ist, um den Wecker entsprechend zu stellen. Ergebnis: 5.30 pm PST geht die eigentliche Zeremonie los, das ist 2.30 Uhr Münchner Zeit, Wecker also auf 2 Uhr. (Damit ich 2015 bei mir selbst nachsehen kann.)

ELLEEEEEEEEN! Captain Philips und Philomena sind im Publikum, interessant! Und Ellen macht böse Witze, gut. Unter anderem über die mangelnde Schulbildung der Hollywoodmenschen (14.000 Filme seien dieses Jahr hier versammelt. Und 6 Jahre College.)

Anne Hathaway habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Das Kleid werde ich schneller vergessen. Erster Oscar für Jared Leto – oh ja, der war wirklich gut. Sehr gefasster Auftritt, dankt seiner Mutter, die ihn und seinen Bruder schon als Teenager bekommen hat (uh, not preventing teenager pregnancy this is). “For the 36 million people who lost the battle against AIDS.”

Ich mag den Tonfall sehr, den Ellen anschlägt. Jim Carrey präsentiert Animation (woher muss ich Bruce Dern kennen?).

Kerry Washington (mit großem Babybauch) präsentiert die ersten von vier Best-Song-Nominierungen: “Happy” – das leider für mich immer ein bisschen wie Supermarktmusik klingt.
(Hihihi, Ellen hat das Selfie auf der Bühne tatsächlich gepostet.)

Samuel L. Jackson – sieht aus, als wäre er im Smoking geboren. Costume Desing, dieses Jahr spannend: The Great Gratsby (einzige Nominierung neben Production Design? dann muss er ja wohl einen von beiden bekommen). Dankesrede – wir lernen australischen Akzent! Süß.
Make-up and hairstyling: Dallas Buyers Club (wir sind bei zwei).

Harrison Ford kommt mit Indiana Jones-Musik auf die Bühne – so eine Musikmarke muss man erst mal haben.

Channing Taylor (kenne ich nicht, ich bin alt). In der Werbepause serviert der Mitbewohner Guacamole.

Kim Novak gibt’s noch! Und sie ist entweder ein Brandopfer. Oder ein Chirurgenopfer. Ich mache mich weder über das eine noch über das andere lustig, ehrlich. Best short animated film. Das japanischisch aussehende gefällt mir kriegt aber wer anders – Mr. Hublot. Französischer Akzent, muss mindestens einmal am Abend sein. Und wie sein Notizzettel zittert, awww.
Best animated feature film: Frozen. (Dutzende weinender Minions am Bildschirm daheim.) Dieses Trio ist schon sehr viel gefasster bei der Dankesrede.

Sally Field! Ist mir am gewärtigsten als Mutter (eh) in Emergency Room. Sehr eigenartige Zusammenstellung: “Everyday heroes” in der Filmgeschichte. Hmmm.

Emma Watson und (kenne ich nicht, peinlich): Visual effects geht an Gravity. Aber ja!

Zac Efron (und Ellen spielt seinen Sit-in), nächster Song, diesmal aus Her (erst gestern zum ersten Mal den Trailer gesehen, bin ich schon sehr gespannt drauf).

Best live action short film: Helium, was Skandinavisches? Auf der Bühne auf jeden Fall schon mal dänischer Akzent.

Best documentary short: The Lady in Number 6: Music saved my life. Und jedes Jahr bedauere ich, dass ich die alle nie sehen werde. Natürlich gewidmet der Dame, um die’s im Film geht, und die vor einer Woche starb.

Ellen nimmt die Standardklage auf, dass alle im Publikum bei Oscarverleihung furchtbar hungrig sind und gibt vor, Pizza zu bestellen.

Bradley Cooper präsentiert Documentary Feature: 20 Feet from Stardom. Dankesrede gesungennnnbrüllt – dem Publikum gefällt’s, es steht.

Kevin Spacey berichtet von den Governor Awards (Steve Martin, Angela Lansbury!), scherzt sich erst mal in House of Cards-Pose ein.

Ian McEwan Ewan McGregor (ich kriege die immer durcheinander) verkündet den Gewinner Auslandsoscar: The Great Beauty (Italien). Italienischer Akzent muss auch immer sein, er bringt Diego Maradona unter.

Ellen hat sich umgezogen – weißer Smoking, sehr schön.
Brade Pitte kündigt U2 an (das könnte man doch für die Münchner Verkehrsbetriebe nutzen, nein?).

Ellen macht Selfies am Meter, jetzt mit zehn Superstars, und will damit die meisten Retweets überhaupt jemals erzielen. Moment, hm nicht live auf Twitter.

Charlize Theron und Thor (sorry, in many ways) präsentieren Sound Effects: Gravity.
Da ist Ellens Gruppenfoto!

Sound Effects: Auch Gravity, sehr schön, könnte ein Vorführbeispiel für genau diese Kategorie sein.

Christoph Waltz stellt die Nomierten weibliche Nebenrolle vor: Es gewinnt Lupita Nyong’o. Awww, erste Tränen auf der Bühne – sie erwähnt die Yale School of Drama, oho.

Jetzt wird tatsächlich Pizza gebracht – und das ist wohl ein echter Pizzabote (Ellen: “I lied. We weren’t going backstage.”). Uh, und jetzt hat keiner Bargeld dabei. Ellen meint, Harvey Weinstein soll übernehmen.

Die Präsidentin der Academy – Schnarchtime. Stopp! Sie kündigt ein neues Filmmuseum an, das 2017 öffnen soll.

Amy Adams und Bill Murray – ein Traumpaar! Cinematography geht auch an Gravity. Müsste mit drei Oscars vorn liegen. Die Auszeichnung zeigt mir, dass ich von Kameraarbeit nichts verstehe, denn bei einem überwiegend am Computer hergestellten Film hätte ich Kamera nicht für so wichtig gehalten.

Schnitt: Auch Gravity! Dem Film hatte ich gar nicht so große Chancen eingeräumt, weil sein Start schon so lange her ist. Irrtum, mal wieder.

Whoopi! Sieht ins Publikum: “Looks like Sunset Boulevard.” Und sie zeigt ihre Ringelstrümpfe unterm Abendkleid! Oh, die drei Kinder von Judy Garland sind da. Aber die Bluse unterm Abendkleid von Frau Goldberg ist keine gute Idee.

*KRAHAISCH* Ellen im lachsfarbenen Riesenfeenkleid.

Jennifer Garner und Benedict Cumberbatch präsentieren Production Design: The Great Gatsby – no, hat alles gekriegt, was er kriegen konnte. Und beide sehr nachvollziehbar.

Chris Evans. Boah, so viele Männer mit Haaren im Gesicht dieses Jahr. Zusammenschnitt von Helden im Film – 95% Männer. Pf.

Glenn Close als Queen Victoria (trauriges Kleid) kündigt den Nachrufzusammenschnitt an.

Bette Middler! Weiterhin wunderschön. Es tut mir so leid, dass sie diese bescheuerten 80er-Kommödien spielen musste.

Ellen nochmal umgezogen, das überrascht mich tatsächlich.

Goldie Hawn – love her. Und sie scheint endlich zu altern, war ja schon fast unheimlich.

John Travolta, immer noch im Closet, kündigt einen weiteren Song an.

Jessica Biel (ich muss mir immer vorsagen, NICHT Bielmann, NICHT Eiskunstlauf) und Jamie Foxx präsentieren Best Score (die Musik von Philomena fiel mir sogar negativ auf, war mir viel zu TV-Trallala, und sonst liebe ich Desplat): Gravity, liegt nun uneinholbar vorne. Steven Price muss ich erst mal nachschlagen. Song: “Let it go” aus Frozen. Gereimte Dankesrede, Respekt.

Robert De Niro und Penelope Cruz für Best Adapted Screenplay: 12 Years a Slave. Gewinner geht auf die Vorstellung ein – sehr sympathisch und souverän.
Original Screenplay: Her. Nun, habe ich nicht gesehen, kann deshalb nicht beurteilen, ob es NOCH besser ist als American Hustle.

Sidney Poitier – ich heul gleich. Präsentiert mit Angelina Jolie Best Director. Alfonso Cuarón für Gravity. Er witzelt zum Dank (mit dieser Reaktion auf Emotionalität identifiziere ich mich am meisten), vor allem über die lange Dauer des Projekts: “The film took so long that we went through two different administrations.”

Daniel Day-Lewis (hach) präsentiert Female Leading Role: Cate Blanchett – der erste Oscar, auf den ich wirklich meinen Arsch verwettet hätte. Blanchett erzählt, dass Judi Dench gerade in Indien dreht und deshalb nicht dabei ist – danke, ich hatte mich schon gesorgt.

Jennifer Lawrence präsentiert Male Leading Role: Matthew McConaughey – auch keine Überraschung, und sehr verdient. Oy, he’s getting religious on us. Aber es ist sein ganzer Auftritt bei dieser Gelegenheit, der mich wieder daran erinnert, warum ich ihn vor Dallas Buyers Club nicht ausstehen konnte.

Will Smith darf den besten Film verkünden: 12 Years a Slave. Einer von denen, die ich nicht gesehen habe, Mist. Steve McQueen liest vom Zettel, kann ich gut verstehen. Ist völlig auseinander, schafft es aber noch zu einem politischen Statement, sehr gut.

Das war’s: Durchschnittliche Show, Ellen hat’s vor allem durch die Pizza-Einlage rausgerissen.

Ich schalte jetzt um auf Morgenmodus und mache mir meinem Milchkaffee. Da mir die eine andere Präsenzkollegin mit ihrem Urlaubsantrag zuvorgekommen ist, wird das für mich ein ganz normaler Arbeitstag. Aber als Ausnahme geht das schon mit dreieinhalb Stunden Schlaf.

Dallas Buyers Club – nichts außer McConaughey

Sonntag, 2. März 2014

Ich habe den Film gerne angesehen, und Matthew McConaughey (dessen Namen ich immer irgendwo rauskopieren muss) hat mich sehr beeindruckt und sah so ungewohnt aus, dass ich ihn nicht mal wie sonst nicht ausstehen konnte.

Doch je länger ich danach über den Film nachdachte, desto mehr ärgerte ich mich über das Drehbuch: Alle Figuren sind cool und lässig, haben einen kessen Spruch auf der Lippe, fast jeder Dialog läuft auf eine Pointe hinaus. Keine der Figuren hat eine ernsthafte Charakterzeichnung, die einzige Figur, die sowas wie eine Entwicklung durchmachen darf, ist die Hauptfigur Ron. Und auch da sehen wir keine Entwicklung, sondern nur Zwischenresultate. Niemand denkt über irgendwas nach, alle haben sofort Lösungen parat. Am stärksten stieß mir das in der Japan-Sequenz auf, als Ron das Interferon, wegen dem er angereist ist, nicht kaufen darf. Man sagt ihm, das dürften nur einheimische Ärzte. Schnitt: Ron sitzt einem japanisch aussehenden Mann gegenüber, der englisch spricht, wohl ein Arzt ist und das für ihn erledigt. So sehr ich Erzählökonomie schätze – hier hätte mich dann doch sehr interessiert, wie er an den kam.

Es soll ein Gesellschaftsbild der Anfänge von Aids gezeigt werden, doch wir sehen nur an Ron, welche Konsequenz ein Bekanntwerden einer HIV-Infektion hat: Seine Arbeitskollegen und Freund wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben (was aber mehr daran liegt, dass sie ihn automatisch für schwul halten), er verliert seine Wohnung, seinen Arbeitsplatz. Von allen anderen Infizierten wird nichts dergleichen erzählt. Ebenfalls ausgespart wird, dass die Aidskranken dieser ersten Generation scharenweise aufs Elendigste starben. Es wird lediglich mehrfach gesagt, dass Todkranke nichts zu verlieren haben und deswegen bereit sind, auch hochriskante Medikation zu versuchen. Rons eigene Homophobie wird vorgeführt, doch das zusätzliche Leid, das schwule Kranke durch schwulenfeindliche Ausgrenzung erlebten, spielt keine Rolle. Wobei gerade das ein ernsthafte Beachtung des Problems lange verzögerte: “Ach, ist halt diese Schwulenseuche.” All das kritisiere ich nicht als Realitätsferne, sondern als dramaturgischen Mangel.

Dann die stereotype Verschwörungsgeschichte von den bösen Pharmakonzernen und Wissenschaftlern, die vorgeblich auf überprüfbaren Prozessen beharren, in Wirklichkeit aber verhindern wollen, dass wirklich wirksame Medikamente verwendet werden. Ist mir einfach einmal zu oft erzählt worden.

Und das alles, um Ron gut aussehen zu lassen, um eine (zugegebenermaßen spezielle) Heldengeschichte zu schaffen.

Was bleibt: McConaugheys schauspielerische Leistung. Aber die rettet den Gesamtfilm nicht.

Journal Freitag, 28. Februar 2014 – Fondue

Samstag, 1. März 2014

Gestern Abend gab’s Fondue. Auch ohne Silvester. Dem Mitbewohner und mir war aufgefallen, dass wir schon sehr lange kein Fondue mehr gegessen hatten, obwohl wir beide sehr gerne Fondue essen. Und weil wir erwachsen sind und selbst bestimmen können, wann wir Fondue essen, hatten wir gestern festgelegt.

Der Mitbewohner verwies zudem darauf, dass so die Kulturtechnik des Sößchenherstellens gewahrt bleibt. Er selbst hat keinen familiären Fleischfonduehintergrund (in der Mitbewohnerfamilie heißt Fondue immer Käsefondue), so bringe nur ich Rezepte mit in die Partnerschaft. Die Klassiker aus der Familie Kaltmamsell sind:

Knoblauchbutter:
Zimmerwarme Butter mit einer gepressten Knoblauchzehe, Salz und Pfeffer vermengt, kalt gestellt.

Currycreme:
Majonese mit ordentlich Currypulver und etwas Salz.

Sherry-Orangen-Sauce:
Majonese mit geriebener Orangenschale, gemahlenen Mandeln, Sherry (oder Portwein), weißem Pfeffer, Salz.

Teufelssauce:
Tomatenmark mit etwas Ketchup, etwas Wasser, verschiedenen Paprikapulvern, Salz.

Unabdingbar gehören in meiner Tradition auch dazu:
– Eingelegte Champignons (Champignons geputzt, in Topf mit Zitronensaft übergossen, einmal aufgekocht, Salz, Pfeffer, ein paar Stunden ziehen lassen, vor Servieren frische, gehackte Petersilie).
– Silberzwiebeln aus dem Glas.
– Baguette vom Bäcker.

Aber es ist keineswegs so, dass ich in den Fonduetraditionen meiner Familie verhaftet wäre; ich probiere gerne Neues aus, wenn es nur nicht zu neu ist. Gestern zum Beispiel experimentierten wir mit Schweinbauch: Speck in Fett gegart – könnte schmecken. Tatsächlich fehlte aber ein Kontrapunkt im Geschmack, und wenn man ihn durch langes Brutzeln herstellen wollte, wurde der Schweinbauch hart.

Wir schafften es sogar, vor der völligen Überfressung aufzuhören, weil das Schälchen mit Brennpaste rechtzeitig leer war.

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Gelesen 1:

Das Restaurant, in dem Tiramisu erfunden wurde, muss wegen der italienischen Wirtschaftskrise schließen: “Last orders at restaurant that invented tiramisu”.

§

Gelesen 2:

Es gibt sie DOCH! Die Elders of the Internet!

Der Guardian war dabei: “Meet the seven people who hold the keys to worldwide internet security”.

What these men and women control is the system at the heart of the web: the domain name system, or DNS. This is the internet’s version of a telephone directory – a series of registers linking web addresses to a series of numbers, called IP addresses. Without these addresses, you would need to know a long sequence of numbers for every site you wanted to visit. To get to the Guardian, for instance, you’d have to enter “77.91.251.10” instead of theguardian.com.
(…)
Back in the ceremony room, the four keyholders are once again locked in a cage with the safes holding their smartcards, this time returning them for future use. It is 23.32 on the clock and each is solemnly holding up their keycard, in a new tamper-evident bag, for the cameras to witness before returning it to the safe. Not everyone present is entirely gripped. “It’s like a combination of church and a baseball game and I don’t know what else,” says Icann PR Lynn Lipinski. “I’m getting sleepy.”