Beifang aus dem Internet
Mittwoch, 14. Mai 2014 um 18:56Eigentlich schreibt Erin in ihrem Blog A Dress a Day über schöne Kleidung. Aber nun musste sie doch mal festhalten:
“You don’t have to be pretty”
You Don’t Have to Be Pretty. You don’t owe prettiness to anyone. Not to your boyfriend/spouse/partner, not to your co-workers, especially not to random men on the street. You don’t owe it to your mother, you don’t owe it to your children, you don’t owe it to civilization in general. Prettiness is not a rent you pay for occupying a space marked “female”.
Besser hätte ich nie formulieren können, warum ich bei der Auswahl meines eigenen Outfits die Hübschigkeit gerne durchkreuze – durch die Wahl der Schuhe, durch die Länge des Rocks, durch den Haarschnitt oder die Brille.
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Auch beim Reisen sind die Geschlechterklischees omnipräsent (obwohl sich auch da die Geschlechterrassisten erartungsgemäß widersprechen: Sie will den ganzen Tag nur am Strand herumliegen – er will auf den Berg dahinter / er will einfach nur irgendwo gemütlich sein Bierchen trinken – sie will diese reizende Bergkapelle besichtigen). Andrea Diener hat das Thema für die FAZ beleuchtet, mit anständigen Quellen:
“Reisende kann man nicht aushalten” – besonders herzlichen Dank für die Überschrift.
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Macht es wirklich einen Unterschied, ob eine Redaktion aus einander ähnlichen Menschen besteht oder nicht? Ja, finde ich, ja, findet Christiane Link:
“Wieso Vielfalt im Journalismus auch Qualität bedeutet”
Ich glaube, dass Vielfalt in Redaktionen auch zu einem besseren Journalismus führt und Aspekte in die Berichterstattung einfließen, auf die man auch bei guter Recherche nicht zwangsläufig kommt.
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Die interessanteste Völkerkunde ist doch immer, wenn das eigene Volk erkundet wird (von 2011, aber erst heute in meiner Twitter-Timeline aufgetaucht):
“Indonesier erforschen Deutsche: Zu Besuch bei strenggläubigen Veganern“.
Indonesische Studenten sahen sich Religiosität in Deutschland an. Und fanden die am strengsten Gläubigen – für mich wenig überraschend – nicht in Kirchen.
Nach vier Wochen Forschung können die indonesischen Gäste das Vorurteil der Areligiosität der Deutschen nicht bestätigen. So fand Fitria, dass die Veganer durchaus missionarische Züge trugen und dass der Schutz der Umwelt für sie quasi-religiösen Charakter annimmt. Inda Marlina ging es bei ihrem Forschungsgegenstand, der Jugendorganisation der Partei die Grünen, ganz ähnlich. Der konsequente Umweltschutz und der Enthusiasmus der jungen Aktivisten sei beeindruckend. “Für sie ist es eine Art Religion. Sie wollen damit die Welt verändern,” sagt sie.
Mit schöner Schlusspointe.
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Jo Lendle macht den Kündigungsbrief zur literarischen Kunstform.
Folge 1: “Sisyphos kündigt. Habe eben wieder angerufen. Diesmal war im Hintergrund ein Kichern zu hören.”
Folge 2: “Out now: Sissiphos II – Schicksalsjahre einer Kündigung”
Stay tuned.
die Kaltmamsell7 Kommentare zu „Beifang aus dem Internet“
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15. Mai 2014 um 11:44
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Gerne gelesen
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15. Mai 2014 um 15:51
“You don’t owe prettiness to anyone. ” – natürlich nicht. Wer denkt sich sowas aus? Welche Selbstachtungsdefizite müssen mit dieser Aussage gestreichelt werden?
Ich mag das dem verlinkten Beitrag innewohnende Stereotyp nicht, dass Frauen, die sich modisch kleiden, dies generell tun, weil sie sich unreflektiert irgendwelchen Geschlechternormen unterwerfen, und zwar jede, immer. Das ist eine arrogante und abwertende Annahme, im übrigen auch antifeministisch, weil sie Frauen die Fähigkeit abspricht, über so etwas banales wie die Tagesgarderobe autonome Entscheidungen zu treffen.
Genauso befremdlich finde ich es, unmodische oder achtlose Kleidung per se zum politischen Statement zu überhöhen. Manchmal findet darin einfach nur Ausdruck , dass jemand einen miesen Tag hat oder keine Zeit für die Wäsche, und das ist in Ordnung. Und manchmal ist schlechter Geschmack einfach nur das, und zwar bei beiden Geschlechtern.
15. Mai 2014 um 16:54
Interessant, nachtschwester, wie verschieden man den verlinkten Text lesen kann. Er ist ja von einer Bloggerin geschrieben, deren ganzes Blog sich um hübsche Kleidung dreht. Ich wiederum dachte sofort an die abfälligen Kommentare über Frauen, die sich in der Öffentlichkeit sichtbar machen (als Politikerinnen, Dozentinnen, Sprecherinnen) und dabei nicht mal hübsch sind. Ich hatte oft den Eindruck, dass Hübschsein als weibliche Pflichtübung angesehen wird, bevor sie irgendetwas anderes darf.
15. Mai 2014 um 18:09
Ich bin da mit der Nachtschwester und gegen ddie durch den deutlichen Widerspruch aufgestellte Behauptung, dass die meisten Frauen da draußen sich doch nur hübsch für die Männer machen.
Als jemand, der es mag, sich schön (nach eigener Meinung) anzuziehen: Klar mach ich das auch für mich selbst, um mich an meinem eigenen Bild zu freuen. Aber sicher wirken da auch Mechanismen von außen, und wenn es der ist, sich fürs Draußen zu rüsten.
Und ich möchte damit schon auch was geben. Nicht, weil ich was dafür haben will oder gar denke, es jemandem zu schulden. Einfach nur geben, z.B. der, die dieses Hemd so an mir mag oder den Gastgebern, die sich ein feines Essen ausgedacht haben oder der Organisation, die mich eingeladen hat zu einer Gemeinsamkeit, bei der ich nicht massiv mit einem “I don’t have to be pretty” auf mich aufmerksam machen will oder gar mit einem “tell complainers to go to hell” Und was nun pretty und not pretty ist (beim Mann, bei der Frau?) Ach…
Auch sonst ein sehr anregender Beifang, persönliche Freude über die Entdeckung unserer Religiösität beim Essen durch eine Indionesierin (“schlank und mit schwarzem Kopftuch”, das ist natürlich ganz wichtig), in deren Heimat ich zuletzt den Islam sehr entspannt und Essen als ganztägliches Positiv erlebt habe. Bei der “Vielfalt im Journalismus” aus anderer Perspektive auch gleich schaudernd an den Krautreporter-Spot gedacht, in dem sie sich nach Tick-Trick-und-Track-Art im Parolenaufsagen ergänzen. Weder Vielfalt noch Journalismus. Hoffe, das wird noch.
Aber das mit der durchkreuzten Hübschigkeit… Ach?
15. Mai 2014 um 19:14
Liebe Kaltmamsell, ich muss wohl zugeben, den verlinkten Text nur überflogen zu haben, nachdem mich die Überschrift und die hier zitierte Passage etwas aus dem Takt gebracht hatten.
Eben habe ich noch mal gründlicher gelesen und weiß nun gar nicht mehr, was die Bloggerin eigentlich sagen will. Ich lese da nur “Mach dich hübsch oder lass es eben bleiben.” Und dafür schreien ihre Kommentatoren Hurra?
Es ist interessant, weiterzudenken, was Sebastian oben angefangen hat: warum wir uns zu welchen Anlässen wie kleiden. Wir drücken so vieles durch Kleidung aus, egal ob Mann oder Frau. Wertschätzung einem Gastgeber oder einer Verabredung gegenüber, inhaltliche Gemeinsamkeiten durch gruppenkonforme Kleidung, Originalität und Individualität durch nonkonforme Kleidung, “ich bin heute dünnhäutig und empfindlich” durch den dicken Mohairpulli, unbestechlichen Pragmatismus durch anlassunabhängige, aber wetterfeste KLeidung. An Geschlechternormen denke ich hier nicht.
Männliche Pendants zu nicht-hübschen Politikerinnen fallen mir wohl ein. Altmeiers Physis zum Beispiel wurde oft mies kommentiert.
16. Mai 2014 um 16:05
Liebe Kaltmamsell,
schon lange bin ich stillvergnügte Leserin Ihres Blogs und heute juckt es mich in den Fingern einen Kommentar abzugeben, da ich ebenfalls erstaunt war, wie anders man „You don’t have to be pretty“ lesen kann. Der Blogbeitrag fasst Gedanken, die ich schon lange habe, die mir aber bisher nur von Zeit zu Zeit durchs Gehirn schossen, in eine nahezu perfekte Form. Ich dachte sofort an zu oft gehörte Kommentare wie „Die könnte auch mehr aus sich machen“ oder „Sie hat soo eine langweilige Frisur“ etc. Für mein Verständnis ging es nicht darum, Frauen, die sich hübsch machen, zu bedeuten, sie würden sich blind Geschlechterstereotypen unterwerfen, sondern Frauen, die so aussehen, wie sie eben aussehen (wollen), den Rücken zu stärken. Mehr oder weniger knapp neben dem momentan geltenden Standard zu liegen, kann je nach Dicke des Fells leicht oder nicht ganz so leicht sein. Und die unterschiedlichen Messlatten, die an die Optik von „öffentlichen“ Frauen und Männern gelegt werden, nerven ohnehin.
22. Mai 2014 um 18:22
Ich finde dieses You Don’t Have to Be Pretty sehr erleichternd und auch bestätigend. Wobei ich es nicht auf Männer beschränken würde. Ich habe auch dieses “Mach doch mehr aus Dir” aus der Jugendzeit noch im Kopf. Natürlich von Müttern und mütterlichen Freundinnen, die eben selbst noch im Kopf (und tief verinnerlicht) haben: “Nur wer schön ist, wird geheiratet.”
Ich verstehe es schon so, dass die Gesellschaft dies von Frauen erwartet. Ich sagte erst noch zu einer Freundin: Heutige junge Mädchen haben es vielleicht noch schwerer. Sie wissen, dass Sie alles werden können, sie sollen also etwas beruflich aus sich machen, sie sollen Kinder bekommen und sie perfekt aufziehen – und sie müssen dabei die ganze Zeit auch noch schön und schlank aussehen.
Insofern: Vielen Dank für diesen Fund.