Archiv für September 2014

Journal Montag, 15. September 2014 – Pfandflaschen

Dienstag, 16. September 2014

Bei Dunkelheit aufgewacht und aufs Klo gegangen, nicht mehr recht einschlafen können. Blick auf die Uhr: Halb sechs. Na, wegen der halben Stunde konnte ich ja auch gleich aufstehen. Doch als ich den Wecker meines Telefons ausschalten wollte, stellte ich fest, dass es erst halb fünf war – die Uhr war stehen geblieben.
Dann ging doch noch ein bisschen leichter Schlaf.

Crosstrainergestrampel, derzeit wegen Küchenumräumens ein wenig weiter rechts.

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Nach der Arbeit Pfandflaschen zurückgebracht. Ich glaube, ich lass das mit dem Bier- und Limotrinken einfach ganz: Die Pfandflaschen stehen bei uns immer derart lang hässlich herum, bis ich oder der Mitbewohner Gelegenheit zum Wegbringen finden.

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Wetter bis zum Nachmittag düster und wolkig, zumindest mild. Im Lauf des Nachmittags kam Sonne dazu.

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Zum Nachtmahl bereitete der Mitbewohner in einem der letzten unverräumten Töpfe aus Küchenschrankbestand Nudeln mit Tomatensoße.

Über YouTube auf Fernsehbildschirm “Mary Beard in Pompeii” geguckt:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
http://youtu.be/mnIY6AE4m6E

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Frau Nessy hat sich Braunkohletagebau angesehen und ein verschwindendes Dorf fotografiert.
“Braunkohletagebau Inden & Pier”.

Als ich in Pier ankomme und dort herumgehe, steht vor einem der Häuser ein Mann und schaut hinauf. Er trägt Rennradkleidung, hat einen Helm auf. Er ist ein bisschen älter als ich, vielleicht Anfang 40. Ich frage ihn, ob er hier aus dem Ort komme.

“Meine Eltern hatten die Kneipe hier.” Er deutet auf das Haus gegenüber, ein Mehrfamilienhaus. Rechts und links vom Eingang hängen zwei kaputte Außenleuchten. Die Leuchtreklame am Haus ist zersplittert. “Es gibt so eine Facebookgruppe von dem Ort hier. Einer hat dort geschrieben, dass es jetzt soweit ist. Dass diese Woche abgerissen wird. Deshalb bin ich nochmal hergekommen.”

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Kleinerdrei ist zurück aus der Sommerpause. Mit einer persönlichen Geschichte, die nochmal die Frage beantwortet: Warum verlässt sie ihn nicht einfach?
“Jede fünfte Frau erlebt häusliche Gewalt. Ich bin eine von ihnen.”

Ich saß beim Arzt, unfähig, mir eine Geschichte auszudenken. Er fragte: “War das der Vater?” Und dann: “Sie schlagen alle immer auf das linke Ohr. Wenn es das linke Ohr ist, dann war es immer der Mann.”

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Gerne im jüngsten SZ-Magazin gelesen:
“Nass und Gewalt”.

Über das Columbiabad in Berlin-Neukölln. Ungewöhnlich geschrieben, wohl mit dem Ziel, möglichst wenig Partei zu ergreifen.

An diesem ersten heißen Wochenende seit Pfingsten also, 28 bis 32 Grad, zwölf bis 20 Securitys, wird sich zeigen, ob das neue Konzept funktioniert. Familienbatt. Das ist der Test, sagt Sven. Die Frage ist, wie es weitergeht mit dem Sommerbad Neukölln, so der offizielle Name, zwischen Tempelhofer Feld und Hasenheide gelegen, mit 83-Meter-Rutsche, 50-Meter-Schwimmbecken, Babybecken und Wasserpilz. 1951 eröffnet zur Abkühlung für die Nachkriegsbengel. Ist viel passiert seitdem. Nebenan landen keine Rosinenbomber mehr, da steht jetzt eine Moschee.

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Auch ungewöhnlich: Um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es einen Fotografen im Süden der Vereinigten Staaten, der alle Bevölkerungsschichten portraitierte. Alle? Alle.
“The photographer who rejected racism in the American south”.
Der BBC-Artikel zeigt eine Auswahl dieser Bilder.

In an era that was marked by growing racial discrimination and the introduction of what were known as the “Jim Crow” segregation laws, a relatively unknown photographer, Hugh Mangum, did a rare thing – he opened his doors to everyone regardless of their race, gender or how much money they had.

Journal Sonntag, 14. September 2014 – Küche halb leer oder halb voll

Montag, 15. September 2014

Den Teig hatte ich im Kühlschrank kalt gehen lassen, so musste ich morgens nur die Zwetschgen entsteinen und konnte den Zwetschgendatschi recht bald backen.

Der Mitbewohner schloss die Digitalisierung einiger meiner Mixkassetten ab. Ich zeige Ihnen an einem Beispiel, warum sie mir so am Herzen liegen: Als Studentin veranstaltete ich gerne große Feste, und eines davon war DAS ROTE FEST. Ein Gast stellte mir dafür eine Kassette “Ultimately Red” zusammen.

Ultimately Red 2

Twitter-Meme hatten durchaus Vorläufer.

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Es regnete energisch, so nahm ich die U-Bahn zu einer Stepstunde an den Ostbahnhof.

Die Aushilfsvorturnerin mischte in die Veranstaltung namens “Step & Style” ordentlich Kräftigungsabschnitte (der gewohnte Vorturner schob lediglich ans Ende eine Runde Bauchübungen), gefiel mir gut. Anschließend strampelte ich noch auf einem Ellipsentrainer mit an Gummischnüren aufgehängten Pedalen – in den ich mich dann doch mal ordentlich einweisen lassen werde, denn ich komme damit einfach nicht in einen flüssigen Rhythmus.

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Den Hunger mit einigen Stücken Zwetschgendatschi gestillt. Die Zwetschgen stellten sich als außerordentlich sauer heraus; nun gut, der Herrgott hat nicht nur für Zwetschgen, sondern auch für Zuckerrüben gesorgt, ein Glück.

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Die Küche weiter ausgeräumt.

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Eigentlich, fiel uns beim Zubereiten des Abendbrots aus Küchenschrank- und Kühlschrankresten ein, sollten wir die Situation ausnutzen und lauter Sachen kochen, die eine Riesensauerei verursachen. Doch außer “Wir lernen endlich, einen Pfannkuchen einhändig zu wenden!”, kamen wir auf nichts.

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München-Tatort nur zehn Minuten ertragen, statt dessen über YouTube ein paar Folgen QI angeschaut. Jetzt weiß ich ein bisschen mehr über Hausspinnen.

Donna Tartt, The Goldfinch

Sonntag, 14. September 2014

Achtung: Völlig verspoilert!

Bis etwa 15% vor Ende des Buchs (ich las elektronisch, daher statt Seiten Prozentangaben) verstand ich den Erfolg von The Goldfinch und war begeistert.
Ich hatte direkt davor The Amazing Adventures of Kavalier & Clay von Michael Chabon gelesen und fand hier dieselbe Lust am Fabulieren und Geschichtenerzählen. Mich begeisterte, wie viele Freiheiten sich der Roman nahm; es gehört schon Mut dazu, in einer realen Zeit ein reales Museum mit einem sehr realen Kunstwerk von Terroristen in die Luft jagen zu lassen.

Ich mochte den Gegenwarts- und Realitätsbezug: Die Handlung spielt in einer Welt, in der es zum Beispiel Harry Potter gibt (Boris nennt den Protagonisten Theo so wegen seiner Brille), Twitter und Facebook. Ich zog gerne mit dem Blick der erzählenden Hauptfigur durch ein sehr konkretes New York. Mir gefiel sogar das detailreiche Erzählen, wo ich sonst mit dem Seufzer “Möbelbeschreibung!” Augen rolle. Doch die Intensität und Kleinteiligkeit, mit der ich zum Beispiel die Stunden erlebte, durch die der Erzähler nach dem Attentat muss, waren sorgfältig gemacht und eindringlich. Vom Haus, in dem Hobie lebt, bekam ich gar nicht genug; ich wäre bei jedem Aufenthalt gerne länger darin geblieben, hätte mich noch gründlicher umgeschaut.

Spektakulär auch die gesamte Episode in Las Vegas: Die Halbgeisterstadt, in der Theo mit seinem Vater und dessen Partnerin lebt, die Bauruinen, das umgebende Nichts – das war ganz wunderbar gegen meine Erwartungen sowohl von Las Vegas als auch von Suburbia geschrieben. Und dann die geradezu magische Personenführung und Charakterzeichnung des jungen Boris inklusive der sehr glaubhaften Sprache eines ukrainischen Einwandererbürschchens!

Viele Besprechungen nennen den Roman “Dickensian” – darauf wäre ausgerechnet ich Dickensleserin nicht von selbst gekommen; mag aber daran liegen, dass ich direkt zuvor Kavalier & Clay gelesen hatte. Ja, wir haben ein Waisenkind, und Hobie samt Haus sind tatsächlich sehr Dickens. Aber damit enden die offensichtlichen Bezüge meiner Meinung nach. Großartig angelegt und geführt fand ich die Hauptfigur Theo – und gerade die ist viel zu komplex für Dickens, dessen Protagonisten und Protagonistinnen in Schwarz oder Weiß fallen – ach was, eigentlich immer das Gute personifizieren, auch wenn sie mal kleine Ausflüge ins Böse unternehmen dürfen (siehe David Copperfield). Doch Theo ist von Anfang an eher auf der unsympathischen Seite. Zwar wird er durch den gewaltsamen Tod seiner Mutter aus der Bahn geworfen, etwas wackelig auf den Gleisen war er aber schon vorher. Mir erschien es ohnehin mit der Zeit schlimmer und vergiftender, diesen zwielichtigen Alkoholikervater zu haben, der Kinder nicht mag und den eigenen Sohn als lästig empfindet, als die Mutter im Alter von 13 Jahren zu verlieren.
Von Anfang an ist Theos Werte- und Moralgerüst ziemlich schräg und löchrig – und ich rechne dem Roman hoch an, dass er am Ende auf eine Läuterung verzichtet.

Spannend und interessant fand ich die Aspekte Antiquitäten, Restauration, Drogen: Sie nehmen alle großen Raum ein und scheinen so sauber und intensiv recherchiert, dass sich der Roman mit Leichtigkeit darin bewegte.

Anders zum Beispiel als das Gaunermilieu – und hier kippen wir in das letzte Stück des Buchs, das mich langsam, aber immer intensiver den Kopf schütteln ließ. Internationale Russenmafia? Schießereien im Parkhaus? Ernsthaft? An dem Punkt, an dem die Geschichte sich für die Abzweigung ins Thriller-Genre entschied, begann sie mich zu verlieren. Ich blieb lediglich dran, weil ich mich weiter für die Hauptfiguren interessierte.

Doch völlig unvermittelt beginnt der Erzähler, der bislang ein rein handelnder war, vordergründig zu erzählen. Plötzlich soll alles Bisherige eigentlich die Zusammenfassung von jahrelangem Tagebuchschreiben gewesen sein, das davor bei allem Detailreichtum nicht mal angedeutet wurde. Und plötzlich begann ich mich zu fragen, wer hier eigentlich spricht und warum:
Die meiste Zeit haben wir ein erzählendes Ich, das die gesamte Handlung nachträglich erzählt, so richtig als Geschichte. Also inklusive foreshadowing (“ich sollte ihn erst viele Jahre später wiedersehen” / “ein großartiger Tag – selbst wenn man bedenkt, was später passieren sollte” etc.)1 und auch sonst mit viel Wissen über die Zeit nach der augenblicklichen Handlung. Wir haben einen Erzähler, der aus Erwachsenensicht das Kind erzählt, aber sich noch sehr gut an das kindliche Erleben erinnert. Das ist eine Erzählhaltung und Erzählstimme mit Tradition. Bei ihr ist auch klar, dass eine Ebene darüber eine führende Hand Sprache auswählt, ihn auftreten lässt (nannte man zu meiner Zeit impliziten Autor/Erzähler).

Ganz zum Schluss aber soll das alles eine echte Zusammenfassung gewesen sein aus Tagebüchern, die er ständig geführt hat – aber nur für sich selbst: “nobody is going to read this anyway”. Ich dachte zurück an den eigentlich Anfang des Romans, der ja ganz unchronologisch in Amsterdam spielt: Nur für sich selbst hat dieser Ich-Aufzeichner als erstes Kapitel die Amsterdam-Szene vorangestellt? Den allwissenden Erzähler gespielt? Und während des ganzen Erzählens mit keiner Silbe das Tagebuchschreiben erwähnt? Das kam mir sehr wie eine nachträgliche und aufgesetzte Idee vor – die ich einfach nicht verstand und die so gar nicht zu dem ganzen Rest passen wollte.
Ebensowenig wie die ausführlichen philosophischen Welterklärungen am Schluss, deren predigender Tonfall überhaupt nicht zum Erzähler der ersten drei Viertel des Buchs passte.

Zumal es da auch noch eine Zwischenphase gibt: Das Wiederauftauchen von Boris in New York stellt einige vorhergehende Schilderungen in Frage. Die Selbstsicht von Theo stimmte wohl zu großen Teilen nicht mit Fakten überein. Hier scheint mir der Roman eine Abzweigung zu einem eigentlich anderen Ende zu nehmen: Auch in ihm würde die Glaubwürdigkeit der bisherigen Erzählstimme erschüttert. Aber statt in diese Richtung elegant zu Ende zu schreiben, tauchen auf einmal die angeblichen Tagebücher auf.

Als ich vor vier Wochen mit dem Roman durch war und nach Rezensionen sah, war gerade in US-Medien eine kleine Debatte über den literarischen Wert von The Goldfinch im Gang. Vielleicht möchten Sie ja nachlesen:
“It’s Tartt—But Is It Art?” in Vanity Fair.

Kann ich den Roman empfehlen? Ja, denn er kann großes Lesevergnügen bereiten. Dennoch bin ich sehr enttäuscht, wie sehr er’s vermasselt hat.

  1. Keine echten Zitate: So gerne ich E-Books lese – das Wiederfinden von Passagen oder konkreten Sätzen ist auf meinem Kindle ein Alptraum, dessen Mühe ich scheue. []

Journal Samstag, 13. September 2014 – Guardians of the Galaxy

Sonntag, 14. September 2014

Ausgeschlafen – und das ging sogar bis kurz vor acht!

Gebloggt und Internet gelesen – die Balkontür nicht mal gekippt, da es draußen zu kalt war.

Bei der Schusterin Pumps mit neuem Absatzschutz abgeholt (15 Euro, puh), beim Bäcker Semmeln und Brezen, und zwar bei der kleinen Bäckerei Alof in der Hans-Sachs-Straße. Gibt es da schon seit ein paar Jahren – ungewöhnlich: eine Kleinbäckerei, die neu aufmacht -, aber das war mein erster Einkauf. Schmeckte alles gut und sauber gemacht.

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Mit dem Mitbewohner in die Mittagsvorstellung von Guardians of the Galaxy im Cinema. Wunderbare Unterhaltung, gerade weil immer wieder Hollywoodhelden- und Superheldenstereotype auf den Arm genommen wurden. Rocket Raccoon ist sehr großartig. Mir gefiel auch, dass die irdische Kultur nicht automatisch als Leitkultur angenommen wurde: Peter scheitert regelmäßig mit seinen Anspielungen auf Erdkultur – sie wird nicht nur nicht verstanden, sondern auch als reichlich blödsinnig entlarvt. Da ich mit einem Marvel-Fanboy im Kino war, bekam ich beim Heimradeln und anschließenden Einkaufen ausführliche Hintergrundvorträge (Verlagsgeschichte, was ich in der Fortsetzung erwarten kann etc.). Gehören Sie vielleicht zu den Menschen, die mit mir das bizarre Filmerlebnis Howard the Duck teilen? Die Kurzsequenz nach dem Abspann des Films lässt Schlimmes befürchten.

Es handelte sich um eine 3D-Vorstellung (hört das irgendwann wieder auf? halte ich in 95% aller Fälle für überflüssig), und so lernte ich, dass die dazu nötigen Brillen ein neues Design haben:

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Vermutlich hatten Hipster das Vorläufermodell zu oft mit ihrer eigenen verwechselt und am Ausgang die falsche Brille abgegeben.

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Diese Zwetschgensaison hatte ich noch nicht für Datschi genutzt, das wollte ich nachholen. Nur hatte ich es mir nicht so schwierig vorgestellt, Zwetschgen zu finden. Biosupermarkt, Tengelmann, Karstadt/Kaufhof am Stachus, Obststandl – nichts, oder nur eine Hand voll kläglicher Rest. Der Mitbewohner war so nett, die Suche auszudehnen und kam mit den erforderlichen zwei Kilo heim (Kaufhof am Marienplatz).

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Einen Berg Wäsche weggebügelt, dazu Frau Diener angehört, die Holgi bei WRINT von ihrer jüngsten Chinareise erzählte.

Während dessen kam der Mitbewohner immer wieder mit Zwischenfragen: Der Gutste hatte über die Woche (Ferien!) einige meiner liebsten geschenkten Mischkassetten digitalisiert und schnitt sie jetzt in Einzeltracks – manche davon hatten allerdings keine Titelliste.

Wanderstiefel eingefettet, ein bisschen Küche geräumt.

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Curry mit Hackbällchen zum Nachtmahl.
Im Fernsehen Yo-Yo Ma und das Silk Road Ensemble laufen lassen – sehr, sehr schön. Vielleicht möchten Sie das in der Mediathek nachholen?

Journal Freitag, 12. September 2014 – italienische Entdeckung

Samstag, 13. September 2014

Nachts eine Weile halbwach gelegen, weil mein Hirn statt zu schlafen Küchenausbau und -umräumen planen wollte.

Morgens vom Wecker aus Tiefschlaf gerissen worden.

Crosstrainerstrampeln zu immer stärkerem Regenrauschen.

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Die Unternehmensstruktur in manchen besonders durchoptimierten Großunternehmen lässt mich an das spanische Hofzeremoniell denken: Immer weitere Abteilungen für Change Management, Prozessoptimierung, Qualitätssicherung – das hat schon was von einem System, das zum einen dazu gedacht war, möglichst vielen Menschen eine Aufgabe zu geben, mit der sie sich ausreichend anerkannt und wichtig fühlen und die sie nährt, zum anderen der Selbstbestätigung der Insitution diente.

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Dies hier wurde mir auf Twitter nahegebracht durch den Titel:
“Kunst lieben leicht gemacht.”
“We go to the gallery!”

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Abends ging ich mit dem Mitbewohner aus: Italienisch essen, und zwar in das Lokal, über dem ich arbeite. Aus dem Fenster hatte ich viele Monate den Betrieb im Biergarten gesehen und gehört, mit seinen italienischen Kellnern – keiner davon jung, alle mit weißem Hemd und Krawatte – und seiner emsigen Professionalität.
Ob der Wirt vormittags eindecken ließ oder nicht, verriet mir die Wetteraussichten für den Nachmittag besser als jede Wetterfroschleiter.
Auch hatte ich dort bereits Kleinigkeiten gegessen, deren Qualität ahnen ließ, dass die Küche mehr konnte als die meist bestellten Pizzen. Auf anständige italienische Hausmannskost wies auch die Tageskarte hin, die ich mir hin und wieder ansah: immer saisonal ausgerichtet und mit großer Bandbreite. Nicht zuletzt machte auch das Hintergrundpersonal, dem ich hin und wieder im Müllkeller begegnete, einen freundlichen und gepflegten Eindruck.

Wir bestellten beide das fünfgängige “Überraschungsmenü” und aßen wirklich gut. Ich hatte vorsichtig gefragt, ob denn auch Kalabresisches im Menü sein würde (auf seiner Speisekarte an der Straße gibt das Lokal diesen Schwerpunkt an), und der weißhaarige Kellner sicherte uns das zu. Er bat uns, zwischen Fisch und Fleisch zu wählen, wir entschieden uns für Fisch.
(Ich bitte um Verzeihung für die Bildqualität: Wir saßen sehr schön und kuschlig an der Fensterfront, aber dadurch auch weit weg von Beleuchtung.)

Als Start gebratene Steinpilze auf Salat: Wunderbar saftige und aromatische Pilze, schön bittere Salatstreifen.

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Roher Thunfisch mit Meeresfrüchtesalat – frisch und rund mit fruchtigem Olivenöl.

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Hausgemachte Ravioli mit Steinpilzfüllung, einer klaren Tomatensoße und Thymian – schöne Kombination von Wald und säuerlich. Das Mozzarellabröckerl hätte es nicht mal gebraucht, doch es lehrte mich, dass die hier verwendete Mozzarella von hoher Qualität ist.

Und dann der Knaller: Die kalabresische Fischsuppe – riesige Stücke saftiger Fisch, darauf ein Garnelenschwanz, in angenehm scharfer Brühe.

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Nachtisch gab’s auch noch: Ein Orangen-Tiramisu, wunderbar fruchtig, mit ein wenig Obstsalat.

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Als Wein empfahl uns der Kellner einen schlichten Trebbiano d’Abruzzo, der die Tagesemfehlung und gut war. Auf ausführlichere Diskussionen darüber war er offensichtlich nicht eingestellt. Doch da das Lokal in erster Linie pizzahungrige Laufkundschaft bedient, nehme ich an, dass wir uns dort erst ein wenig bekannt machen müssen um herauszufinden, ob der Wirt vielleicht doch einen interessanten Weinkeller hat. (Über den Aperitiv, der als Prosecco mit Maracuja, Ingwer und Minze angekündigt war, dann aber wie ein schichtes Prosecco-Maracuja-Schorle daher kam, sagen wir jetzt mal einfach nichts. Außer, dass ich es hiermit doch getan habe.)
Gutes kann ich auch über den abschließenden Espresso sagen, ein aromatischer Fingerhut voll. Und dann bekamen wir auch noch einen Limoncello und ein Gläschen Grappa ausgegeben.

Ich möchte doch SO gerne auch mal selbst einen Restaurantgeheimtipp entdecken. Nach nur einem Besuch lässt sich das natürlich nicht beurteilen, aber hier könnte ich einem auf der Spur sein.

Journal Donnerstag, 11. September 2014 –
eine starke Familie

Freitag, 12. September 2014

Dienstags und donnerstags öffnet das Sportstudio, dessen Mitglied bin, schon um 7 Uhr. Gestern nutzte ich das für eine Runde Gewichtheben, da ich ja mein wöchentliches Krafttraining am Dienstagmorgen ausgelassen hatte, zudem meinen Muskeln mal eine andere Art Heben zumuten wollte, damit sie sich nicht an die ständig gleichen Übungen gewöhnen. Behaupte ich jetzt mal, weil es sich unglaublich vernünftig liest.

In Wirklichkeit brauchte ich einen Tagebuchanlass, um Ihnen dieses hinreißende Foto zu zeigen (allein schon der zeittypische Fotorand!):

Langhantel_Madrid_1

Papa Kaltmamsell als 17- oder 18-jähriger in einem Madrider patio. Die Langhantel hat offensichtlich Tradition in unserer Familie.
(Wir Geübten freuen uns genug über diese historische Aufnahme um darüber hinwegzusehen, dass der Bursche ebenso offensichtlich keine Ahnung hatte, wie man mit Langhanteln trainiert.)

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Den ganzen Tag allein im Büro gesessen, da drei Kolleginnen von zuhause aus arbeiteten und Chef im Urlaub ist.

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Abends Leserunde bei Mitbewohner und mir zu The Goldfinch von Donna Tartt. Niemand von uns sieben war richtig begeistert, zwei hatten die Lektüre nach gut hundert Seiten abgebrochen. Ich hatte es gern gelesen, war nur über die erzähltechnischen Volten der letzten 15 Prozent (E-Buch) so bestürzt, dass sie mir rückblickend alles vergällten. Detailliertere Besprechung liegt in Stichpunkten in meinem Entwürfe-Ordner. (Hm – und wenn ich einfach die Stichpunkte poste?)

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Noch jemand, die ich mir in allem ansehe: Emma Thompson. Meinetwegen auch beim Retten der Arktis.
“Emma Thompson in the Arctic with Greenpeace: ‘There are more good-looking men on this boat than any place I have ever been'”

Zu diesem Einsatz gehörte, dass Emma Thompson für Greenpeace ein wenig twitterte – die Gemmen darunter werden im Filmchen eingeblendet.

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Antje Schrupp hat einen Vortrag gehalten:
“Wer darf was wann (nicht) sagen? Political Correctness und Meinungsfreiheit”.

Was in einer jeweiligen Gesellschaft gesagt werden kann und was nicht, ist immer das Ergebnis eines historischen Aushandlungsprozesses. Es hat nichts mit Beweisbarkeit oder absoluter, objektiver Wahrheit zu tun, sondern es ist ein Kulturprodukt, eine Übereinkunft.

Deskriptiv (wie funktioniert das warum in der Gesellschaft?) sind ihre Ausführungen, keineswegs präskriptiv (so sollte das funktionieren) – und gerade deshalb erhellend. Da Antje Schrupp zu Redenschreibern sprach, macht sie sich aber auch Gedanken, was ihre Beobachtungen für das Redenschreiben bedeuten.

Journal Mittwoch, 10. September 2014 – Möbelrücken

Donnerstag, 11. September 2014

Morgens auf den Crosstrainer – das wird dieses Jahr wohl nichts mehr mit Isarlauf vor der Arbeit. Insgesamt war es diesen Sommer nur zweimal um 6.40 Uhr hell, trocken und warm genug dafür.

Beim Strampeln über ein Geschenk zu Mutters 70. Geburtstag nachgedacht, Idee gehabt. Jetzt muss ich noch eine Quelle dafür finden.

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Zu Fuß in Sandalen aber mit Jacke in die Arbeit, dort pressierige Übersetzung eines langen deutschen Artikels ins Englische, dafür eigene Englischkenntnisse, Google Translate und leo.org zusammengekratzt. Nach Gegenlesen durch Kollegin musste das so passen. War ja auch nur zur Information des Kunden und nicht für eine Veröffentlichung bestimmt.

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Mittags Einkaufen im Hertie am Bahnhof (ja ich weiß, der heißt seit geraumer Zeit anders, aber da ich Karstadt und Kaufhof immer durcheinanderbringe, bleibe ich dabei – auch wenn nur schon länger in München lebende wissen, wovon ich spreche). Ein halbes Dutzend schlichte Strumpfhosen auf Vorrat besorgt – wir wissen ja alle, dass Feinstrumpfhosen je länger halten, desto mehr man vorrätig hat; das letzte Exemplar reißt gerne mal bereits beim Anziehen. Und wieder brachte ich es nicht fertig, ohne zumindest eine krachbunt alberne Strumpfhose rauszukommen.

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Abends Möbelrücken, wir bereiten weiter die neue Küche vor. Dazu hatte der Mitbewohner einen Geschirrschrank bereits ausgeräumt, zusammen versetzten wir ihn. Als ich Gläser zurückräumen wollte, stellte ich fest, dass diese durch jahrelange Nichtbenutzung durchaus auch in einem Schrank trüb und schmutzig werden. Und ich schaffe es nicht mehr, schmutzige Gläser zurückzustellen. Ergebnis: Nächtliches Gläserspülen von Hand, denn die Geschirrspülmaschine war zu vier Siebteln voll – unsere eignet sich eh nicht besonders zu Gläserspülen (ich hoffe sehr auf ihre Nachfolgerin). Laune beim Zubettgehen auf Maximalgrant.

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Schwindelstand: mittel.