Bücher 2014
Mittwoch, 31. Dezember 2014 um 10:19Das war dann wohl das Jahr, in dem ich die wenigsten Bücher gelesen habe, seit ich lesen kann. Ich bin immer noch nicht draufgekommen warum.
Dies sind die Bücher, die ich ausgelesen habe, das ist schon mal ein Lob. Empfehlungen habe ich mit * markiert.
1 – Ian MacEwan, Sweet Tooth
2 – Barbara Vine, The Child’s Child
3 – Kressmann Taylor, Address Unknown
4 – Kate Chisholm, Fanny Burney: Her Life
5 – Meir Shalev, Ruth Achlama (Übers.), Im Haus der Großen Frau*
Viel Israel, indirekt aus der Gründungsphase, direkt bis heute. Seltsame Menschen, kindlicher Blick, zu einem nahegehenden Ganzen zusammengefügt.
6 – Granta 126, Do you remember
7 – Antoine Wilson, Panorama City
8 – Robert Sedlaczek, Die Tante Jolesch und ihre Zeit
9 – Haruki Murakami, Ursula Gräfe (Übers.), Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
10 – Lauren Beukes, Zoo City*
Auf angenehme Weise nicht-realistisch erzählt: In einem dystopischen Johannesburg bekommen Straftäter ein Tier zur Begleitung, mit dem sie einen Weg des Zusammenlebens finden müssen, das sie auch sofort als verurteilte Straftäter sichtbar macht. Hauptfigur Zizi ist ehemalige Journalistin, lebt zum Teil von ihrer Begabung, verlorene Dinge zu finden, zum Teil von Nigeria-Spam. Und sie hat ein Faultier am Hacken, weil sie den Tod ihres Bruders verursacht hat. Der Tonfall ist ziemlich hard boiled.
11 – Granta 125, After the War
12 – Batya Gur, Barbara Linner (Übers.), Denn die Seele ist in deiner Hand
13 – Granta 127, Japan
14 – Almudena Grandes, Roberto de Hollanda (Übers.), Das gefrorene Herz*
Habe ich hier ausführlich besprochen.
15 – Saša Stanišić, Vor dem Fest
(Ich weiß nicht, was mit mir nicht stimmt: Fand ich lediglich gut gemacht und interessant, keineswegs überragend.)
16 – Robert Seethaler, Der Trafikant
17 – Ronald Blythe, Akenfield*
Meine Empfehlung habe ich hier ausgeführt.
18 – Daniela Schreiter, Schattenspringer*
Daniela macht in Form einer auch heiteren Graphic Novel ein wenig nachvollziehbar, wie ein Mädchen mit Asperger-Syndrom aufwächst.
19 – Michael Chabon, The Amazing Adventures of Kavalier & Clay*
Fette und vielschichtige Geschichte um zwei junge Männer, Kusins aus Prag, im New York des Golden Age der Superheldencomics. Josef Kavalier ist gerade auf verschlungenen Wegen der Judenverfolgung in Europa entkommen, Sam Clay versucht schon seit einiger Zeit, ins Comicgeschäft einzusteigen. Wir haben gerissene Verleger, verzweifelte Ambitionen, Illusionskünstler, den Golem, Geldmangel, vor allem aber immer neue Superhelden mit immer neuen Abenteuern in immer neuen Zeichenstilen, alles in Wörtern erzählt: Michael Chabon schafft es, für eine Zeit, die eine unübersehbare Vielfalt an Comichelden hervorbrachte, ein paar weitere zu erfinden. Großartige Charaktere, fesselnder historischer Hintergrund, nicht nur für Comicfans. Wenn Chabon eine der vielen parallelen Handlungen weggelassen hätte (z.B. die Armeedetails), wäre der Roman perfekt.
20 – Tom Drury, The End of Vandalism
21 – Doris Lessing, The Summer Before the Dark*
Mein Favorit des Jahres, wenn auch schon recht alt (von 1973). Selbst mein Exemplar stand bereits 20 Jahre ungelesen im Regal, ich hatte es mir aus dem Stapel ausgemisteter Bücher einer Unikollegin genommen.
A woman stood on her back step, arms folded, waiting.
Thinking? She would not have said so. She was trying to catch hold of something, or to lay it bare so that she could look and define; for some time now she had been “trying on” ideas like so many dresses off a rack. She was letting words and phrases as worn as nursery rhymes slide through her tongue: for towards the crucial experiences custom allots certain attitudes, and they are pretty stereotyped. Ah yes, first love! … Growing up is bound to be painful! … My first child, you know … But I was in love! … Marriage is a compromise … I am not as young as I once was. Of course the choice of one rather than another of these time-honoured phrases has seldom to do with a personal feeling, but more likely your social setting, or the people you are with on an occasion.
Schon beim Lesen der ersten Sätze ging mir das Herz auf: Was konnte Lessing aber auch schreiben! Kate, eine gebildete Hausfrau Mitte 40, deren vier Kinder bereits groß sind, steht unvermutet vor einem Sommer für sich allein. Sie gibt dem Drängen ihres Manns nach, als Übersetzerin bei den Vereinten Nationen einzuspringen, wird dort schnell unersetzlich, übernimmt Managementaufgaben, es ergeben sich weitere Jobs und berufliche Reisen. Der Roman ist personal und streng aus dem Bewusstsein der Hauptperson erzählt, seine Faszination lebt von ihrer Sicht. Und diese ist nüchtern, lakonisch und offen zu gleich: Kate lässt sich in diesen Monaten in eine ganze Reihe alternativer Existenzen gleiten, testet sich in unterschiedlichsten Umgebungen aus. Doch nie werden explizite Schlüsse daraus gezogen, und auch die Ausgestaltung des Endes bleibt der Leserin überlassen.
22 – Donna Tartt, The Goldfinch*
Meine Begeisterung über den Roman und meinen Ärger über das Ende habe ich hier präzisiert.
23 – Pia Ziefle, Länger als sonst ist nicht für immer*
Auch Pias zweiten Roman habe ich sehr genossen. Ich las gespannt entlang der beiden großen Erzählstränge um Ira und die Bäckerin Evi, um Lew auf der Suche nach den Eltern, die ihn und seinen Bruder als Kind einfach im Stich ließen. Leise erzählt, mit einer sanften Heiterkeit, hinter der Schmerz liegt. Ich nahm mir viel mit aus dem Roman um die Liebe in Familien, die Wärme und Sicherheit bietet, aber auch eine Last sein kann. Um die Unmöglichkeit, diese Wurzeln schadlos zu kappen.
Und der Zuckerkuchen, den Pia ihrem Geschenk beilegte, war wirklich köstlich, großen Dank von Herzen für Buch und Gebäck.
24 – Granta 128, American Wild
25 – Harry Mulisch, Martina den Hertog-Vogt (Übers.), Die Entdeckung des Himmels*
Endlich mal Mulisch gelesen, vor Begeisterung gleich mal weitere auf meine Wunschliste gesetzt.
Ich mochte die beiden sperrigen Hauptfiguren, die innige Freundschaft zwischen den beiden Männern, die wahnwitzigen Geschichten über den halben Erdball, die sich von den 60ern bis zu den 80ern des 20. Jahrhunderts spannen. Gesellschaftliche und politische Entwicklungen in den Niederlanden und dem Rest der Welt bilden den Hintergrund der Handlung und beeinflussen ihn.
26 – Art Spiegelman, In the Shadow of no Towers
27 – Abasse Ndione, Margret Millischer (Übers.), Die Piroge
28 – Anne Wizorek, Weil ein #Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute*
Ausführlich hier besprochen.
29 – Laura Waco, Von Zuhause wird nichts erzählt*
Eine echte Entdeckung, angestoßen durch eine Mitleserin meines kleines Lesezirkels: Sie hatte die Verfilmung von Michael Verhoeven gesehen und las danach das Buch noch einmal.
Dieses Genre der künstlerischen Non-Fiction finde ich ohnehin hochspannend, es vermittelt in seiner Mischung aus Fakten und subjektiver Darstellung eine besondere Tiefe an Information, die ich auch an Blogs schätze.
Laura Waco erzählt eben doch von Zuhause, nämlich von dem Zuhause ihrer Kindheit: Ihre jüdischen Eltern hatten das Konzentrationslager überlebt, ließen sich erst in Freising bei München und dann in München selbst nieder. Aus unreflektierter, kindlicher Perspektive zeichnet Waco eine Welt, die mir neu war: Nicht sehr gebildete Überlebende der Shoa, schwankend zwischen Heimatverwurzelung, Abgrenzung, Auswanderungsplänen. Sehr bekannt war mir allerdings aus Erzählungen meiner Eltern das damalige Eltern-Kind-Verhältnis, geprägt von Willkür und Abwehr.
Diese Besprechung des Buches im Spiegel gefiel mir sehr.
30 – Granta 129, Fate
31 – Wolf Haas, Brennerova
32 – Christoph Ransmayr, Die letzte Welt
33 – Wolfgang Herrndorf, Arbeit und Struktur*
Auch wenn ich seinerzeit das Blog in Echtzeit las, war ich vom Buch gefangen und mitgenommen.
11 Kommentare zu „Bücher 2014“
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31. Dezember 2014 um 12:49
Besonders Zoo City klingt spannend – vielen Dank für’s Liste Schreiben!
31. Dezember 2014 um 13:22
Genauso ging es mir bei Nr. 15 Stanišić. Finde ich zu sehr konstruiert, wird für mein Gefühl überbewertet.
31. Dezember 2014 um 13:26
Nun ja…
31. Dezember 2014 um 14:01
Stanišić war für mich die Enttäuschung des Jahres. Hatte mir sehr viel von dem Buch versprochen, aber dann war’s nur eine gute Idee, die weniger gut durchgezogen wurde.
31. Dezember 2014 um 16:43
Mit Nr 33 ging’s mir genauso.
Gerne gelesen.
31. Dezember 2014 um 18:03
Könnte es sein, daß Doris Lessing Sie gefesselt hat, weil Parallelität der Ereignisse????
Ich wünsche Ihnen Helles, Spannendes, Feuer-ins-Hirn-Katapultierendes für das Neue Jahr: Lachen, Heiterkeit und Freude.
31. Dezember 2014 um 20:17
… ach ja, und : Batya Gur: Am Anfang war das Wort … wie fanden Sie das das?
31. Dezember 2014 um 21:55
Fand ich gut, lihabiboun, als Lokalkrimi sogar überdurchschnittlich. Lese gerade einen weiteren.
2. Januar 2015 um 12:08
Danke für diese Zusammenstellung. Den Distelfink fand ich auch grösstenteils grossartig, aber dass ich den Schluss schon vergessen habe, zeigt, wie ich den so fand ;-)
Vielen Dank fürs Hinweisen auf Laura Waco. Da ich in den Freisinger Vororten grossgeworden bin und in Freising aufs Gymnasium gegangen bin, muss ich das unbedingt lesen (habe mir “Good Girls” noch dazu bestellt, bin sehr gespannt)
2. Januar 2015 um 14:44
Ich hoffe, Frau Brüllen, die Rolle Freisings ist dir nicht zu klein. “Good Girls” habe ich auch schon im Regal stehen.
4. Januar 2015 um 16:09
Merci beaucoup für die anregende Bücherliste.
Sie haben 17’364 Seiten gelesen!!
Das finden 2nd, female und ich einfach bewundernswert.
Gute Besserung und viel Schönes im neuen Jahr
wünscht Ihnen Famiie Blogk.