Journal Samstag/Sonntag, 6./7. Dezember 2014 – Es wird nicht hell

Montag, 8. Dezember 2014 um 6:43

Ein so verhangen düsteres Wochenende, dass ich das Licht in der Wohnung nie ausschalten konnte. Bedrückend.

Samstagvormittag Gefahr und Abenteuer gesucht und zum Weihnachtsgeschenkekaufen außer Haus gegangen. Ich hatte Bücheraufträge für die Nifften, begab mich deshalb in den Hugendubel. Auf die Kundenmassen dort war ich gefasst, nicht aber auf gut gelauntes, nettes Personal. Die erste wies mir den Weg zu den speziellen Bildbänden, die ich suchte. Die nächste sprach mich an, als ich im ersten Obergeschoß vergeblich nach einem Weg ins Erdgeschoß suchte und nach zweimal rund ums Karree hilflos stehen blieb. Auf meine Frage “Wie komme ich denn nach unten?” antwortete sie lachend: “Gar nicht. Sie müssen hierbleiben und mitarbeiten.” (Es war dann der blaue Aufzug in der großen Tolino-Ecke.) Und an der Kasse strahlte mich die dritte an: “Ach, da gebe ich Ihnen besser eine Stofftasche. Die ist bequemer und reißt nicht.” Ich war völlig verdutzt.

Nachmittags Adventtee bei Schwiegers in Augsburg, mit großen Mengen wunderbarer, frischer Plätzchen.

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Am Sonntag konnte man weiterhin kaum von Tageslicht sprechen, dazu leichter Regen – darin wollte ich nicht zum Schwimmen radeln. Ich entschied mich für eine U-Bahn-Fahrt zum Ostbahnhof und besuchte im dortigen Hüpfstudio eine Stepstunde. Mit ein wenig Crosstrainerstrampeln davor und danach kam ich auf meine Kosten.

Der Blick aus der Umkleide im 6. Stock zeigte das ganze Elend des Wetters:

141207_Studioblick_1

Langsam musste ich auf meine Reise hin planen: Da ich am Freitagmorgen abfahre und zwei Abende der Woche außer Haus bin, nutzte ich besser schon mal den Sonntagnachmittag für Bügeln, Nägelschneiden und die eine oder andere Recherche.

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Modeste erinnert sich an ihren Großvater und seine Vorstellungen von der Besiedlung anderer Planeten:
“Ad astras”.

Bei der Gestaltung dieser Welten sah mein Großvater große Möglichkeiten. So hielt er es beispielsweise für denkbar, Welten ohne die Stechmücke zu entwerfen. Oder eine Welt, auf der keine alkoholische Gärung stattfindet. Da würden sich entsprechend auch nur Abstinenzler ansiedeln, die miteinander Pfirsich-Maracuja-Tee trinken. Auf einer anderen Welt dagegen würde Tag für Tag ein Fass angestochen, und immerzu sei Blasmusik zu hören, was dafür im Rest des Universums verpönt sei.

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Die Veränderung in der Altersstruktur unserer Gesellschaft macht Geschichten über demenzkranke Verwandte immer häufiger. Doch jede Geschichte ist anders, jede verstört.

Juliane Schiemenz schreibt
“Alzheimer on the Road
Draussen zieht das Land vorbei, drinnen im Auto ein ganzes Leben – mit Vati unterwegs ins Pflegeheim.”

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Kracherl (für Nicht-Bayerinnen: Limo) ist nicht so das Meine: Als Durstlöscher trinke ich am liebsten Leitungswasser. Aber ich mag gerne Kracherl-basierte Longdrinks (Whisky in Ginger Ale, Gin and Tonic, Cuba libre) und bestelle als Leckerei durchaus mal eine Bionade oder ein Bitter Lemon.

Nach dieser kleinen Doku über John Nese, den Inhaber des Galcos Soda Pop Stop in Los Angeles, will ich bitte gerne sofort Kracherl verkosten, viele davon.

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http://youtu.be/gPbh6Ru7VVM

via @missesdelicious

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Samstag/Sonntag, 6./7. Dezember 2014 – Es wird nicht hell“

  1. New Number 2 meint:

    Madame Kaltmamsell kauft was für ihre Nifften. Sind das nicht auch so “Kinder” (oder waren es zumindest mal)?

  2. die Kaltmamsell meint:

    Och, was keinen persönlichen Umgang erfordert, fällt mir leicht, New Number 2. Und mein Bruder freut sich doch immer so.

  3. Trulla meint:

    Richtig, jede Geschichte ist anders und doch ähneln sie sich. Mich hat die Alzheimer-Diagnose meiner Mutter vor gut 20 Jahren getroffen. Zu einem Zeitpunkt, als ich beruflich wieder voll einsteigen wollte, die Kinder alt genug erschienen. Mein Vater, multipel erkrankt im Rollstuhl und dann dieser Schlag. Angesichts der niedrigen Rente meiner Eltern blieb mir als Tochter, in der gleichen Stadt lebend, keine Wahl, als selbst für lange Zeit die Pflege zu übernehmen. Bis es wirklich nicht mehr ging. Ich wäre irgendwann an der aufgezwungenen Unfreiheit, dem 24-stündigen Zusammensein mit einem zu normaler Kommunikation unfähigen Menschen, zugrunde gegangen. Das nach intensiver Suche gefundene Pflegeheim hat mich gerettet. Dafür bin ich unendlich dankbar.

    Doch neben den emotional gleichen Erlebnissen muss ein wesentlicher Unterschied zu der Schilderung von Juliane Schiemenz festgestellt werden, denn meine Geschichte spielte in Hamburg. Hier gab es schon Öffentlichkeit für diese spezielle Problematik. Es wurden Beratungsstellen geschaffen, die ersten Heime boten, wenn auch sehr unterschiedliche, Stationen für demente Patienten an, das gerichtliche Betreuungsverfahren funktionierte zügig und einwandfrei. Der medizinische Dienst war hilfreich.

    Meine Mutter war dann auf einer Station für ausschließlich Alzheimer-Patienten. Die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich dort im Laufe von langen 10 Jahren machte, gehören sicher mit zu den intensivsten meines Lebens. Und so schwer es ist, den vertrauten Menschen Stück für Stück zu verlieren, bis er – das habe ich so krass empfunden – nur noch als vegetative Hülle vorhanden ist, so unbeschwert wurde der Umgang wieder dank der kompetenten Hilfe engagierter Fachkräfte.

    Ich lese viel über diese Krankheit, Bücher, Berichte, sehe Dokumentationen, der Umgang der Betroffenen damit ist sehr individuell, der Person angepasst. Meiner Mutter haben wir einverständlich nie die Diagnose mitgeteilt, als sie es noch verstanden hätte. Ihre Verzweiflung wäre ins Unermessliche gestiegen. Und natürlich verfolgt mich seitdem die Angst, selbst zu erkranken – die Möglichkeit scheint näher gerückt. Allerdings würde ich es wissen wollen.

    Nebenbei, ein sehr schönes Buch zu diesem Thema hat Arno Geiger geschrieben.”Der alte König in seinem Exil”.

  4. Susann meint:

    @ Kaltmamsell

    Well said.

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