Journal Freitag, 27. Februar 2015 – Calamari ausnehmen

Samstag, 28. Februar 2015 um 9:10

Mit schmerzender Luftröhre aufgewacht, die erst noch zu Husten werden muss.
Mir wieder sportliche Bewegung verkniffen. Jetzt reicht’s aber!

Festgestellt, dass der Balkon relativ sauber ist, obwohl auf einem Tischchen eine Schüssel mit Streufutter steht und Amseln, Kleiber und Meisen damit eine riesige Sauerei anrichten. Überlegt, ob ein Zusammenhang dazu besteht, dass wir seit einiger Zeit die Tauben nicht mehr verscheuchen: Ich hatte letztes Jahr eine verletzte Taube beobachtet, die mich sehr dauerte, und plötzlich Erbarmen mit der Kreatur bekommen. Außerdem tauchten ein paar besonders interessant gemusterte auf, z.B. eine schwarzbunte Kuhtaube.
Kann es sein, dass die Tauben die Putzervögel sind, weil sie sich um all die Rest kümmern, die die Singvögel verstreuen?

§

Kampf mit dem Bewerbungsportal eines Mittelständlers:
In diesem Online-Formular musste ich jeden einzelnen Schritt Berufserfahrung nicht nur einzeln eingeben (das kenne ich), sondern musste für jede Station meines Berufslebens in einzelnen Feldern angeben (ich erfinde nichts!):

  • Unternehmen
  • Branche (in der PR mal wieder nicht vorkam und ich mal wieder behaupten musste, in der Werbung gearbeitet zu haben)
  • Position
  • Beschäftigungsart
  • Karrierestufe
  • Unternehmensgröße
  • Homepage des Unternehmens
  • Art der Organisation
  • von
  • bis
  • Beschreiben Sie Ihre Position

Wer so lang da draußen in Berufen unterwegs ist wie ich, braucht da schon mal eine Stunde nur für das Aussfüllen von “Berufserfahrung”.
Und das, wo ich nach der achten Position aufgab und meine Berufserfahrung in Lehre und Journalismus einfach wegließ. Um mich an ähnlich detaillierte Einträge für meine Ausbildung zu machen.
(Oder ist das schon wieder einer dieser berüchtigten Psychotests für Bewerberinnen?)

§

Stressige Arbeit (überm Kanal arbeitende Kollegin reagierte nicht: stundenlanger Internetausfall bei ihr, wie sich herausstellte – muss ich halt Montag wieder die eine oder andere Stunde früher ins Büro kommen), am späten Nachmittag setzte auch noch Schneeregen ein. Auf dem Heimweg bei Verdi Zutaten fürs Samstagessen eingekauft, nass geworden.

§

Da man mir das ja eindringlich nahe gelegt hat, daheim die frisch erworbenen Calamari sofort ausgenommen. Diesmal vorher recherchiert, wie das geht (dochdoch, zwischen all dem Smileyblinki und der Werbung findet sich eine sehr brauchbare Erklärung – man muss nur genau hinschaun).

Calamari vorher.

150227_1_Calamari

Calamari nachher.

150227_2_Calamari

Das dauerte doch eine ganze Weile. So hatte Herr Kaltmamsell genug Zeit, das Abendessen zuzubereiten: Knusprige Bratkartoffeln (aus rohen Kartoffeln und Entenfett) mit Spiegelei.

150227_4_Bratkartoffeln

§

Lassen Sie sich bitte (nochmal) von Antje Schrupp den Stand des Feminismus erklären. Der hat sich in den letzten Jahren schon wieder verändert – wie das bei lebendigen Projekten halt so ist. Antje beschäftigt sich hier mit den extremeren Entwicklungen – und der enormen Abwehr, die sie auslösen.
“Raus aus der Defensive
Für einen nonkonformen Feminismus”.

Meist ist es auch ihnen [den Kritikern und Kritikerinnen] wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie nicht prinzipiell etwas gegen emanzipierte Frauen hätten, ganz im Gegenteil. Aber es ist ihnen ein Anliegen, mal klarzustellen, dass eine Frau, die von ihnen ernst genommen werden will, den Rahmen dessen, was sie persönlich für diskutabel halten, keinesfalls verlassen darf.
(…)
Feminismus ist schon immer eine pluralistische Bewegung. Sein verbindendes Element ist das Eintreten für weibliche Freiheit, wobei die Geschlechterdifferenz als Analysekategorie zum Verständnis der Welt eine zentrale Rolle spielt. Aber welche inhaltlichen Forderungen, Analysen und Positionen aus einer solchen feministischen Haltung heraus entstehen, das ist nicht nur variantenreich, sondern teilweise sogar gegensätzlich, wie es derzeit beispielsweise im Hinblick auf das Thema Sexarbeit und Prostitution leicht zu beobachten ist: Hier reicht das Spektrum feministischer Positionen von einer uneingeschränkten Anerkennung der Sexarbeit bis hin zur Forderung eines kategorischen Verbots der Prostitution.
(…)
Hilfreich ist es auch, sich klarzumachen, dass das Hauptargument in diesem Konzert – dass „der Feminismus“ ja gar nicht im Namen „der Frauen“ spricht – überhaupt keines ist: Es ist nämlich nicht die Aufgabe einer Feministin, im Namen anderer Frauen zu sprechen, schon gar nicht im Namen einer Mehrheit der Frauen. Feministinnen waren historisch immer eine Minderheit innerhalb der Frauen. Ebenso wie heute die Mehrheit der Frauen keine geschlechtsneutralen „x-Endungen“ haben möchte, war um 1900 eine Mehrheit der Frauen der Ansicht, das Wahlrecht nicht zu brauchen. Politischer Aktivismus hat die Aufgabe, neue Ideen und Vorschläge zu entwickeln.
(…)
… eine Welt, die so ungerecht bleibt, wie sie ist, nur dass das Verhältnis von Frauen und Männern überall fifty-fifty beträgt (sowohl bei denen, die davon profitieren, als auch bei denen, die unter die Räder kommen), ist kein Fortschritt, auch kein feministischer. Ungerechte Geschlechterverhältnisse, wie etwa die ungleiche Verteilung bei Einkommen und Vermögen oder die Überrepräsentanz von Männern in gesellschaftlichen Führungspositionen, sind nicht selbst das Problem. Sie sind lediglich Symptome von Ungerechtigkeiten, die viel tiefer liegen. Deshalb können sie auch nicht mit oberflächlichen Gleichstellungsinitiativen gelöst werden, sondern verlangen radikale, an die Wurzel gehende Analysen und Aktionen.

Gerade den „bösen“ Feminismus, also jenen, der nicht so einfach anschlussfähig ist, brauchen wir heute. Je weniger eine feministische These den Leitartiklern in den Feuilletons unmittelbar einleuchtet, desto interessanter ist sie vermutlich. Das bedeutet keineswegs, dass alle Thesen und Vorschläge radikaler Feministinnen unwidersprochen bleiben sollen, ganz im Gegenteil: Es bedeutet, ihre Thesen und Vorschläge tatsächlich einmal kontrovers zu diskutieren – anstatt sich bloß darüber lustig zu machen, sie als indiskutabel hinzustellen oder gar zu versuchen, ihre Protagonistinnen zum Schweigen zu bringen.

§

“17 Times Fitspiration Was Wrong, So We Fixed It”.

So schlimm geht’s in den mir bekannten Sportstudios zum Glück nicht zu. Wenn ich diese amerikanischen Fitspiration-Sprüche lese, schäme ich mich fast für meine öffentliche Sportlerei. Zum Glück ist jemand mit dem Korrekturstift drübergegangen.

via @ankegroener

§

Trauriger Todesfall: Leonard Nimoy, der als Mr Spock ein wichtiger Teil meiner Kindheit und Jugend war.
“Leonard Nimoy Was Not (Only) Spock”.

Nachtrag, nur zur Sicherheit: Dass der Jude Leonard Nimoy die Geste von “Live long and prosper” der jüdischen Liturgie entlehnt hat, wussten Sie aber alle, oder?

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Freitag, 27. Februar 2015 – Calamari ausnehmen“

  1. berit meint:

    Because your fork doesn’t run. Sehr schön :D

    Zum Thema Online-Applikation:

    Ich hoffe Sie hatten dann noch Platz für ihr Auslandspraktikum in Shanghai mit anschließendem freiwilligen sozialen Jahr in Bolivien!

  2. SaBine meint:

    Vielen Dank – Ihre Beiträge erweitern meinen Horizont deutlich.

    Liebe Grüße
    SaBine

  3. Pixelpu meint:

    Mir war die Herkunft der Geste nicht bekannt. Vielen Dank für die Aufklärung!

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