Journal Mittwoch, 15. April 2015 – Mangolien- und Kirschblüte

Donnerstag, 16. April 2015 um 7:31

Morgens auf dem Crosstrainer eine Amsel beim Sammeln von Nestbaumaterial beobachtet – diese Wiese ist derzeit blau vor Veilchen. Nebenan in der Kastanie die konfliktträchtige Situation, dass unten ein Eichhörnchen einen Kobel gebaut hat, einige Meter darüber Krähen ein Nest. Wo Eichhörnchen doch gerne Nester ausräubern und Krähen auch mal Appetit auf Eichhörnchenjunge haben. Erste Gerangel wurden bereits gesichtet.

§

Auf dem Weg in die Arbeit festgestellt: Referenzmagnolie und Referenzkirschbaum blühen, an denen ich jährlich den Frühlingsstart festmache.

150415_Magnolie_2

150415_Kirschbluete

Mittagspause in der Sonne auf einer Spielplatzbank, abends in wunderbarster Frühlingsluft heimspaziert.

§

Wer hätte gedacht, dass man mich mit einem Fußballthema ernsthaft amüsieren kann? Von der Dortmunder Pressekonferenz berichtete für den Telegraph live ein Journalist, der kein Deutsch kann (unten mit Lesen anfangen):
“Jurgen Klopp to quit Borussia Dortmund on July 1 – as it happened.”

§

Warum mir unwohl ist beim allgemeinen pearl clutching wegen der 65-jährigen Schwangeren (abgesehen von der vergeblichen Suche nach Artikeln über die Verwerflichkeit von Vaterschaft in diesem Alter), hat ein Kommentar in der Süddeutschen erklärt (Autorin und Text leider nicht im Web recherchierbar). Ich paraphrasiere:
Anscheinend werden Grenzen in der Entscheidungsfreiheit bei Fortpflanzung angenommen. Doch wo liegen die? Anscheinend bei einem bestimmten Alter. Auch bei Behinderung? Soll eine schwer Depressive sich für Kinderkriegen entscheiden dürfen? Ein Mann mit erblichem Gendefekt? Ein Paar unter einer bestimmten Einkommensgrenze? Wenn die Antwort jeweils Ja lautet, sollte das doch eigentlich auch für eine 65-jährige gelten.
(Vorausgeschickt sei, dass freiwillige Fortpflanzung immer eine egoistische Entscheidung ist: Jemand will ein Kind haben. Das Kind kann ja nicht gefragt werden, ob es mit Leben oder diesen Eltern und Lebensumständen einverstanden ist.)

die Kaltmamsell

21 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 15. April 2015 – Mangolien- und Kirschblüte“

  1. Kitty meint:

    Ich habe davon einige Fragen mit Nein beantwortet.
    Ich kenne einen Mann ihm bekannten mit erblichem Gendefekt, der zweimal eine Frau mit einem behinderten Kind allein ließ. Ich habe mich einige Zeit um ein schwerst behindertes Paar gekümmert, deren Kinder unter extrem schwierigen Bedingungen aufwuchsen, was an ihnen nicht spurlos vorüberging. Die beiden bestanden aber darauf, dass ihre Kinder ganz eng bei ihnen blieben, wie Haustiere.
    Selbstverwirklichung des Individuums hat da ihre Grenzen bzw. Interessenkonflikte, wo andere Menschen in ihrer Existenz (man mag ja gar nicht von Selbstverwirklichung reden) beeinträchtigt werden und ein Großteil der Verantwortung und Konsequenzen wissentlich und ungefragt auf andere abgewälzt wird.
    Und das ist bei der Frau mit einiger Wahrscheinlichkeit der Fall. Eine mit allen Mitteln künstliche Schwangerschaft mit Vierlingen ist für die Föten nichts anderes als chemisch hergestellte Intensivhaltung. Die Frühgeburtswahrscheinlichkeit ist recht hoch (habe ich bei Freunden erlebt, die auch schon ziemlich alt waren und da waren es nur Zwillinge), die Nachbehandlungen zahlreich und wenn was schief geht, gibt es ja noch 13 andere Kinder, die sich kümmern dürfen.
    Meinetwegen können sich Leute einen Knopf an die Backe nähen und ein Klvier dranhängen. Aber ein Rudel Kinder da reinzuziehen, finde ich mehr als grenzwertig.

  2. gerriet meint:

    Dass ich das noch erleben darf – ein Tippfehler in der Überschrift auf der Vorspeisenplatte. Made my day.

    Und das war nicht halb so herablassend gemeint, wie es vielleicht klang. Ich freue mich jeden Morgen auf die Lektüre und die Links hier. Danke dafür!

  3. die Kaltmamsell meint:

    Dann lass’ ich den drin, gerriet, und widme ihn Ihnen!

  4. die Kaltmamsell meint:

    Bedenkenswerte Perpektive, Kitty. Wie sähe die Konsequenz aus? Mit welchen Mitteln sollte die Entscheidungsfreiheit dieser Menschen begrenzt werden?

  5. Maria meint:

    Auch wenn ich mich jetzt vielleicht als “digital immigrant” oute oder gar als Dummkopf, muss ich die Frage stellen: was bedeutet “pearl clutching”?

  6. die Kaltmamsell meint:

    Sie müssen sich’s einfach nur wörtlich vorstellen, Maria.

  7. der Mitbewohner meint:

    Ich hatte es vorher auch noch nicht gehört, aber mir gleich etwas dazu vorgestellt. Man muss an eine Perlenkette denken, nicht etwa an einzelne Perlen.

  8. Trulla meint:

    Grenzen der Entscheidungsfreiheit beim Fortpflanzungswillen?

    Kommt darauf an, allgemeingültig möchte ich das nicht beantworten. Ich habe weder gegen alte Väter noch gegen alte Mütter noch gegen gewollte Kinderlosigkeit Einwände. Auch die anderen Fragen beantworte ich eher mit Ja, weil es sich um individuelle Lebensentscheidungen handelt, die im besten Fall sehr bewusst getroffen werden.

    Doch im fraglichen Fall, das gebe ich unumwunden zu, schüttelt es mich. Und das hat weniger mit dem Alter dieser Frau zu tun. Es ist die Verantwortungslosigkeit, die mich erschreckt.

    Mit 13 Kindern von 5 verschiedenen Vätern hat sie reichlich Kinderglück genossen. Kein unerfüllter Kinderwunsch hat also bislang ihr Leben beschwert. Nun erfüllt sie angeblich den Wunsch der 9-jährigen Tochter nach einem Geschwisterchen. Ein tolles Geschenk, nicht Hund, Katze, Maus, sondern: Kind.

    Es werden nun aber, wenn alles gut geht, 4 Geschwisterchen zur Welt kommen. Damit musste man bei der Art der Befruchtung rechnen. Diese 4 werden vermutlich für lange Zeit ein enormes Maß an Pflege rund um die Uhr benötigen. Da wird sich die 9-jährige sicher bald bedanken für das großherzige Geschenk und kann sich hoffentlich gelegentlich Auszeiten nehmen bei ihrem leiblichen Vater.

    Vermutlich werden alle schon vorhandenen 13 Kinder ihre Erzeuger kennen. Vielleicht sogar, was ich ihnen wünsche, in ihrer Eigenschaft als Väter. Doch dieses menschliche Grundbedürfnis, seine Wurzeln zu kennen, wird den im Ausland durch Samen- und Eispende erzeugten Mehrlingen wohl niemals vergönnt sein.

    Und schon deshalb verurteile ich das Handeln dieser Frau.

    Zudem musste ihr klar sein, dass sie diese Situation nicht allein bewältigen kann, ich bezweifle, dass sie das alles im Vorwege geklärt hat.

  9. berit meint:

    Ich schließe mich Kitty an. Jeder der nicht in der Lage ist, sich anständig um ein Kind zu kümmern, sollte es lassen. Das gilt für die 65 jährigen (da schließe ich Väter mit ein!), genauso wie für schwer Depressive.

  10. Kitty meint:

    Selbstverantwortung und Verantwortung denen gegenüber, die diese Last mittragen sollen. Das finde ich nicht zu viel verlangt.

  11. die Kaltmamsell meint:

    “Anständig” ist ein sehr unpräziser Begriff, berit. Und mittragen, Kitty, muss die Gemeinschaft ja jedes Kind. Ich möchte mir nicht ausmalen, mit welchen Mitteln diejenigen Stellen Fortpflanzung unterbinden würden, die entscheiden würden, wer darf und wer nicht.

    Ich möchte eine Gesellschaft, in der auch eine Blinde sich für Fortpflanzung entscheiden kann, ein Rollstuhlfahrer, eine Epileptikerin. Also auch Menschen, die danach mehr Unterstützung brauchen, als das Grünwalder Ehepaar aus besten Verhältnissen für die eigenen Kinder zahlt.

  12. Katarina meint:

    Der Artikel zu Vaterfreuden in dem Alter im Vergleich zu der 65jährigen Dame findet sich hier: http://www.n-tv.de/leute/Wenn-Opa-nochmal-Papa-wird-article14904021.html

  13. mariong meint:

    Wir leben leider in einer kultur der einmischung in der die privatsphäre immer weniger gilt. Wenn die frau sich in einer rechtlichen Grauzone bewegt hat sie eben glück gehabt. Wenn sie bisher ihre kinder aufziehen konnte und niemand auf die idee kam, sie ihr wegzunehmen, hat sie wohl was richtig gemacht. Die persönlichen Beweggründe sind privatsache, wie bei allen anderen menschen auch. Mich erinnert es zu sehr an die welt vor mehr als 75 jahren, in der der staat entschieden hat, wer lebenswert ist und wer unwert ist. Das kann niemand allen ernstes unter neuen definitionen zurück wollen.
    Persönlich finde ich es natürlich auch sehr freaky aber aufregegender finde ich zur zeit ganz andere themen, zum beispiel die rückkehr der vorratsdatenspeicherung um nur ein kleines zu nennen.

  14. Kitty Koma meint:

    In der Theorie klingt das alles sehr einfach. Die Realität hat meist keine einfachen Wahrheiten.
    Ich finde, die Freiheit, sich Wünsche zu erfüllen, die vor 50 oder 60 Jahren noch unmöglich schienen, weil sie entweder technisch oder vom gesellschaftlichen Wohlstand her nicht möglich waren, braucht höhere Selbstverantwortung und Akzeptieren der eigenen Grenzen als Konsequenz. Ich würde nichts blöder finden, als Menschen qua Gesetz etwas zu verbieten.
    Was Kinder bekommen und aufziehen betrifft, so ist der Grat zwischen Kindeswohl und Souveränität des Elternwillens oft sehr schmal.

  15. anonym meint:

    Bei natürlicher Fortpflanzung mag der Vater alt sein. Das Kind hat aber immerhin einen Elternteil (die Mutter), der wahrscheinlich noch in der Lage sein wird, seinen elterlichen Aufgaben nachzukommen, bis es flügge ist. (Vorausgesetzt, Betreuung und Pflege des Vaters ist nicht allzu anstrengend oder lässt sich externalisieren.)

    Diese Mutter wird 80 sein, wenn die Vierlinge 15 sind. Ein jüngerer Elternteil ist sozial nicht vorhanden. Wie viele Achtzigjährige gibt es, die sich noch einige Jahre täglich mit Pubertierenden auseinandersetzen möchten, und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie dieser Anstrengung geistig und körperlich gewachsen sind?

    (Disclaimer: Ich war selbst ein spätes Kind. Meine Eltern waren toll, ich hätte nie andere gewollt. Die Rollenumkehr fand aber deutlich früher statt als bei meinen Altersgenossen und fiel in die Phase, in der man eigentlich damit ausgelastet wäre, im Leben Fuß zu fassen. Daher bin ich bei diesem Thema erstens nicht objektiv und bleibe zweitens lieber anonym.)

  16. Trulla meint:

    Ein Vergleich zu einem alten Vater dank junger Partnerin trifft es doch hier nicht. Das würde doch nur passen, wenn die Frau einen jüngeren Partner hätte und sie (warum nicht) mit Hilfe der Reproduktionstechnik ein gemeinsames Kind erwarten würden. Das sollte tatsächlich kein Aufreger mehr sein: sondern Privatsache.

    Komisch finde ich bei den Verteidigerinnen der Frau die unterschwellige feministische Tendenz, was der Mann kann, kann ich auch/steht mir auch zu. Ist ja im Prinzip richtig, darf aber die Vernunft nicht vernebeln.

  17. die Kaltmamsell meint:

    Ah, vielleicht besteht darin der grundsätzliche Unterschied in der Perspektive, Trulla: Ich glaube nicht, dass Fortpflanzungswunsch und -entscheidung viel mit Vernunft zu tun haben.

  18. Trulla meint:

    Eingeschränkt stimme ich Ihnen zu, Frau Kaltmamsell.

    Fortpflanzungswunsch ist sicher egoistisch. Das gilt aber ebenso für gewollte Kinderlosigkeit. Selbstbestimmte Menschen leben egoistisch motiviert. Dagegen ist nichts einzuwenden.

    Aber erst seitdem wirksame Verhütungsmethoden zur Verfügung stehen, stellt sich doch sowohl bei der Entscheidung Pro oder Contra die Frage der Vernunft.

    Und diese Chance zu nutzen kann man wohl erwarten.

  19. iv meint:

    Rational und bei Einbeziehung aller meiner politischen und ethischen Überzeugungen müsste ich eigentlich Deiner Perspektive und Argumentation folgen – aber on a gut level schüttelt’s mich trotzdem. Spricht dann auch wieder dafür, dass sich Fortpflanzungsfragen tatsächlich ultimativ der Rationalität entziehen…

  20. Maria Hofbauer meint:

    Meine Sicht auf die Frau, die sich mit 65 noch einmal ihren Kinderwunsch erfüllt, ist vorwiegend von den Erfahrungen mit nicht wenigen Menschen geprägt, die mit 80 bereits deutliche Anzeichen von Demenz aufwiesen. Wenn die Frau 80 sein wird, sind die Kinder 15 Jahre alt.

  21. ilse meint:

    @Berit: “JedeR der nicht in der Lage ist, sich anständig um ein Kind zu kümmern, sollte es lassen”. Könnten wir in diesem Fall nicht sinnvollerweise mal das weibliche Pronomen zu Wort kommen lassen?

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.