Archiv für April 2015

Brightonjournal Ostersonntag, 5. April 2015 – Brighton Beer

Montag, 6. April 2015

Lang geschlafen. Sehr lang geschlafen. Der Alkohol des Vorabends saß mir doch noch im Gehirn, zumindest verschonte er mich mit Migräne. Aber den geplanten Lauf den Undercliff Walk entlang strich ich.

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Kaffee im Red Roaster und ein Spaziergang nach Hove taten gut, ich bekam Hunger. Wir kehrten ein ins Brighton Beer Dispensary. Als ich mir das Angebot an Fassbier ansah, bekam die Barmaid schnell heraus, dass ich aus Deutschland kam – und wechselte in perfektes Deutsch. Ich bat um Beratung zu lokalem Bier und entschied mich für ein Pint des als besonders hopfig bitter beschriebenen Brighton Thirty Three sowie ein Pint Brighton No Name Stout. Beide schmeckten gut, das helle Bier aber besonders aromatisch, mit ganz leichten Aprikosen- und Hollerblütenanklängen.

Dazu gab es anständigen Sunday Roast (ebenso wie das Bier an der Theke geordert und bezahlt), für mich Schweinebauch, für meinen Begleiter Rinderbraten.

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Die Geschäfte hatten fast alle geschlossen, dennoch waren viele Menschen unterwegs. Wir schlossen uns dem allgemeinen Schaufensterbummel an, ich merkte mir in einem Geschäft schon mal drei paar Schuhe vor.

Spätnachmittags ins Kino: Cinderella. Nett, aber etwas mehr neue Ideen hatte ich mir schon erhofft; da war Drei Nüsse für Aschenbrödel bereits weiter.
Dass Kenneth Branagh und Patrick Doyle mal bei so einem Film landen würden, hätten wir vor 25 Jahren sicher nicht gedacht.

Heimweg mit viel West-Pier-Gucken.

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Brightonjournal Freitag/ Samstag, 3./4. April 2015 – Frühlingsmenü

Sonntag, 5. April 2015

Anreise am Freitag problemlos, wenn auch lang.

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(Bild schief, weil das Flugzeug ja beim Starten schräg liegt.)
Es gibt zwar inzwischen auch wieder Direktflüge München-Gatwick (von dort ist man in einer Stunde per direkter Bahnverbindung in Brighton), aber nur um nicht urlaubskompatible Zeiten. Also wieder die gut zweistündige Ochsentour mit dem National Express von Heathrow, auf der alle Terminals von Heathrow und Gatwick abgeklappert werden. Außerdem kam der Busfahrer 15 Minuten zu spät.

In Brighton empfing uns Regen. Nach Wiedergewinnen der Fassung über unsere Unterkunft und erstem Einrichten: Richtiges Ankommen im nächstgelegenen Pub.

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Unruhiger Schlaf, früh wach geworden – die Matratze dieses riesigen Erotikbetts ist eigenartig versinkig, daran muss ich mich erst mal gewöhnen.

Kaffee im ersehnten Red Roasters, wo sich so früh Hundebesitzer und -besitzerinnen nach dem Gassigehen trafen. Also nicht nur köstlicher Cappuccino, sondern auch noch schöne Wauzis.

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Wir hatten es nie geschafft, einen Samstag in Brighton zu verbringen, deshalb auch nie den samstäglichen Farmers Market mitbekommen – das sollte dieses Mal anders werden. Wir spazierten ein halbes Stündchen hinauf zur im Internet angegebenen Adresse.
Da war aber nix. Gar nix.

Also zurück zum ständigen Open Market, wo schöne 30er-Musik erklang – weil, wie wir feststellten, eine kostenlose Tanzstunde dazu stattfand.

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Der Regen hatte mittlerweile aufgehört, doch es blieb grau und kühl.

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Für den Abend hatte ich noch von München aus im Restaurant Graze in Hove reserviert, das war uns von früheren Besuchen in guter Erinnerung, auch die Weine dort.

Wir spazierten im letzten Abendrot an der Uferpromenade dorthin und ließen uns das achtgängige Frühlingsmenü servieren, inklusive Weinen. Es schmeckte alles sehr gut, doch mein Lieblingsgang war die Taubenbrust mit Kaffee-Gänseleber. Die Weine waren ganz hervorragend dazu ausgesucht, zum Beispiel kam anders als auf der Karte angekündigt zur Taubenbrust ein andalusischer 20 Degrees, Tierra Hermosa ins Glas, der sofort auf meine Nachkaufliste kam.

Bei Einschenken meinte der Herr Bedienerich es immer besonders gut mit uns; die letzten vier Gläser trank ich lieber nur halb, mein Begleiter übernahm den Rest. Zum Ausgleich unterstützte ich ihm auf dem Heimweg durch beherztes Lenken.

Brighton 2015 – Erotisches Wohnen

Samstag, 4. April 2015

In diesem Brightonurlaub lerne ich viel über Erotik. Als wir uns für die Airbnb-Unterkunft entschieden, taten wir das wegen der Lage, auch wegen der Dachterrasse, und die Räume sahen ganz behaglich aus. Dass sie als “sexy little house” bezeichnet wurde, “for a few nights of sexy, decadent pleasure”, nahm ich nicht so ganz ernst – was Vermieterinnen halt so schreiben.1 Hätte ich aber besser, denn diese Unterkunft scheint tatsächlich nicht für ganz normales Bewohnen ausgelegt; unter anderem hat sie weder Kleiderschrank noch Esstisch oder auch nur einen Beistelltisch fürs Sofa. Zu der hochtechnischen und eleganten Küchenzeile gehört lediglich ein Stehtischchen mit zwei Barhockern. Der Fernseher steht nicht gegenüber dem Sofa im Obergeschoß, sondern hängt an einer Schlafzimmerwand. Selbst die Kochbücher in der Küche heißen Food for Love oder Kinky Cupcakes (im Unterschrank gleich neben den Spielen Sex!, Intimate und Dirty Minds).

Hier ist ausschließlich erotisches Wohnen vorgesehen, und das ist für mich ein recht unbekanntes Gebiet. Für Sex interessiere ich mich nicht sehr – na gut, vielleicht ein bisschen mehr als für Musik. Am ehesten bekomme ich etwas über das Thema mit, wenn Bloggerinnen, die ich gerne lese, darüber schreiben oder vortragen. Es ist für zwar mich selbstverständlich, dass Menschen sexuell tun dürfen sollen, wozu alle Beteiligten von Herzen zustimmen. Auch dass es sich um ein Interessengebiet handelt, mit dem man sich leidenschaftlich und detailliert beschäftigt, kann ich verstehen. Doch es ist zum Glück einfach, sich nicht eingehend damit zu beschäftigen (anders als bei Fußballbegeisterung zum Beispiel).

Jetzt sitze ausgerechnet ich bis über beide Ohren in Erotik. Und entwickle eine gewisse Neugier für reverse engineering: Wie funktioniert dieses Erotikdings anscheinend?

Da die Vermieter das ganze als generell “sexy, decadent pleasure” verkaufen, adressieren sie offensichtlich nicht eine bestimmte sexuelle Vorliebe, sondern die Schnittmenge der in unserer (westlichen?) Kultur verbreitetsten Vorlieben. Ich lerne also:

1. Es muss dunkel sein, so dunkel wie möglich: Die Wände aller Räume sind schwarz, im Schlafzimmer sind alle Möbel schwarz, die Bettwäsche ist schwarz, die Fenster sind mit schwarzen Jalousien verdunkelt.

2. Die Menschen mögen sich ansehen: Die Dusche ist nicht nur sehr geräumig, also sehr wahrscheinlich ein möglicher Sexschauplatz. Sie ist auch rundum verspiegelt. Jetzt endlich kommt mir zugute, dass ich viele Jahre Übung darin habe, auch in noch so verspiegelten Umgebungen an mir vorbei zu schauen – nämlich durch Aerobic und Gymnastik in Fitnessstudios. Ich sehe – wie die meisten dort – beim Rumhopsen so bescheuert aus, dass ein zu häufiger Blick demotivierend wirkte.

3. Als erotisierend werden Frauenbilder eingeordnet: Hier hängen nur unzüchtige Bilder von Frauen, mit einer einzigen Ausnahme. (Meine anfängliche Theorie, dass diese Wohnung nur auf Menschen ausgerichtet ist, die Frauen sexuell attraktiv finden, verwarf ich beim Durchdenken aller erotisch geltender Bilder, die mir einfielen.) Ist die Folgerung zulässig, dass die erotisierende Ikonographie der westlichen Hemisphähre zu 95% Frauen darstellt?

4. Erotik hat viel mit Büchern zu tun: Hier stehen ganze Regalmeter Bildbände und Literatur mit “love”, “nude” oder “sex” oder “girls” im Titel. (Daneben aber auch Dylan Thomas’ Under milkwood.)
Hier kommen die Wohnung und ich uns – wenig überraschend – am nächsten. Die Überschneidung zu meiner Bibliothek:
D.H. Lawrence, Lady Chatterley’s Lover
Anaïs Nin, Delta of Venus
Belle de Jour, The Intimate Adventures of a London Call Girl (hier steht auch der zweite Band, aber ich fand schon den ersten nicht so toll)
John Fowles, The French Lieutenant’s Woman
Alan Hollinghurst, The Line of Beauty
Dylan Thomas, Under milkwood

5. Erotik findet im Bett statt (das ist hier riesig), in der Badewanne oder in der Dusche. Nicht aber mit Tisch oder beim Essen am Tisch.

6. Erotik hat etwas mit Schlafmasken zu tun. Zumindest liegen neben dem Riesenbett vier Stück auf einer eigenen Konsole.

Ich sehe das Projekt natürlich als noch nicht abgeschlossen an. Mal sehen, was ich in der kommenden Woche noch so über Erotik herausfinde.

  1. Schließlich versuche ich mir seit Jahren abzugewöhnen, Verkaufssprech wörtlich zu nehmen. []

Journal Donnerstag, 2. April 2015 – Schtonk revisited

Freitag, 3. April 2015

Der Schnee ist in Regen übergegangen, der Wind lässt langsam nach, die Tage werden länger – vermutlich, denn abends ist es so wolkendüster, dass sich das schlecht endgültig beurteilen lässt.

Anstrengender Arbeitstag, an dessen Ende echte Euphorie bei Aussicht auf die lange Urlaubswoche.

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Abends zeigte das Bayerische Fernsehen anlässlich Helmut Dietls Tod Schtonk. Mir fielen sofort drei Zitate ein, die längst Teil meines Alltagswortschatzes geworden sind, auch wenn ich denn Film nur einmal gesehen habe, nämlich 1992 im Kino: “Er brennt nicht.” “Bittere! Orangen! Marmelade!” und “Die übermenschlichen Anstrengungen der letzten Zeit…” Letzteres gerne von Herrn Kaltmamsell gestöhnt, wenn’s ihm nicht so gut geht.

Der Film hat sich ausgezeichnet gehalten. Damals konnte man noch Teilnehmer am Arbeitsleben auftreten lassen, die in der Hitlerjugend Fraktur und Sütterlin gelernt hatten (auch wenn selbst Dietl sie “Altdeutsche Schrift” nannte). Götz George war möglicherweise nie besser – es gehört menschliche Größe dazu, sich als Schauspieler derart in eine wirklich unsympathische, leicht eklige Figur fallen zu lassen.

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Tilman Rammstedt verschafft uns einen endgültigen Überblick über mögliche Varianten menschlichen Liebeslebens:
“Beziehungsstatus? Es ist kompliziert”.

Journal Mittwoch, 1. April 2015 – Schnee

Donnerstag, 2. April 2015

Nachts zweimal von Hagellärm aufgewacht (wäre das Blechhütterl auf dem Nachbargrundstückk mittlerweile nicht so mit Moos überwachsen, wär’s unerträglich gewesen).

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Im Wintermantel in die Arbeit. Tagsüber dann mehrfach Schneefall, gerne auch waagerecht.

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Abends die vielfach empfohlene jüngste Folge Die Anstalt zur Griechenlandkrise angesehen. Tatsächlich ganz ausgezeichnet: Informativ und aufklärerisch auf einem Niveau fast schon John Oliver. Jetzt auch Empfehlung von mir, die Sendung ist hier in der Mediathek.

Journal Dienstag, 31. März 2015 – Heftige Stürme

Mittwoch, 1. April 2015

Ganz schön stürmisch der Tag. Beim Radeln zum Langhanteltraining und von dort ins Büro war zwischen Rücken- und Gegenwind nicht zu unterscheiden – der kam ständig aus einer anderen Richtung. Im Lauf des Tages regnete es dazu, die riesigen Kastanien vorm Büro, die bereits Blätterhändchen geben, schwankten besorgniserregend. Die Unterhaltungen unter Kolleginnen drehten sich um Möglichkeiten des Heimwegs (Bahn- und S-Bahnverkehr stark behindert, am späten Nachmittag machte der Münchner Bahnhof ganz dicht).

Abends servierte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch Grie Soß – auf Twitter mussten wir uns ob der Verwendung von Dill rügen lassen. Ja mei, am Viktualienmarkt werden halt Grie-Soß-Bündel angeboten. Das Gericht – Rezept aus Sebastian Dickhauts Basic Cooking – schmeckte auf jeden Fall ganz hervorragend. (Und so lange ich ich Foodblog-auf und -ab angebliche “Paellas” sehe, in denen das Wasser oder die Brühe steht, nenne ich das gestrige Gericht auch Grie Soß.)

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“Zehn Feministinnen, die mehr zu sagen haben als Alice Schwarzer”.

10 Feministinnen, die Medien oder Konferenzen zum Feminismus fragen könnten – wieder ein Versuch, mehr Sprecherinnen für verschiedene Perspektiven des Feminismus sichtbar zu machen.
Nur dass der allerallergrößte Teil Journalisten und Journalistinnen vermutlich gar nicht erst sucht, weil bereits bei “Feminis-” einer “Alice Schwarzer!” plärrt. Und damit feststeht, von wem die Stellungnahme kommen wird.
Dabei sind Anne Wizorek und Antje Schrupp noch nicht mal unter den aufgezählten zehn!

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Gestern in meinem Eck des Internets viel verlinkt und tatsächlich sehr lesenswert: Christoph Kappes’ Analyse, was da eigentlich nach schrecklichen Unglücken wie dem Flugzeugabsturz bei den Nachrichtenwahrnehmern passiert, was das Mediensystem damit macht und welche Rolle das Internet dabei spielt. Inklusive optimistischem (!) Ausblick und Vorschlägen.
“4U9525 und Medien – ein Einwurf aus de Internet”.

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Ein paar Männer erklären (auf Englisch) Menstruation. Wobei viele der Fragen auch von Frauen nicht unbedingt korrekt beantwortet würden.

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https://youtu.be/9O2tfRpCpkI

Was ich ja bis heute nicht verwunden habe: Die Bekanntschaft mit dem britischen Tamponsystem. Erzähle ich mal wannanders.