Journal Dienstag/Mittwoch/Donnerstag, 9.-11. Juni 2015 – gemischte Lesehinweise
Freitag, 12. Juni 2015 um 6:41Nach dem langen Text gestern gibt es heute externe Lesetipps.
Sie haben nichts verpasst: Dienstag und Mittwoch waren kalt und düster, gestern wurde es über den Tag immer wärmer. Ich war unter anderem beim Krafttraining, habe Waschpulver gekauft, einem Heizungsableser mit einem Blogpost geholfen.
Der Techniktagebuch-Redaktionschat hat nun auch mich in die Arme von Duolingo getrieben. Ich punkte mich im Spanischen hoch (das ein etwas verwirrendes Lateinamerikanisch ist, obwohl die spanische Fahne angezeigt wird), um an die wirklich interessanten Lernhinhalte zu kommen (Vergangenheiten! Subjuntivo!) und vielleicht dann doch endlich mal die Akzente auf die Reihe zu kriegen.
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Von wegen Arbeitswelt: Antje Schrupp hinterfragt die verbreitete Forderung, Frauen müsste sich halt durchsetzen, es genauso machen wie erfolgreiche Männer.
“Frauen sollen selbstbewusster werden? Nein: Männer sollten selbstkritischer werden!”
Natürlich kann man es den einzelnen Männern nicht wirklich anlasten, wenn sie sich regelmäßig besser darstellen als sie sind, sie folgen ja nur den Spielregeln, so wie sie heutzutage im Management üblich sind. Aber wie klug ist es, nun auch noch die Frauen dazu bringen zu wollen, genauso unsinnig zu agieren? Wäre es nicht besser, die Tatsache, dass Frauen im Schnitt eine realistischere Selbst- und Situationseinschätzung vornehmen, dafür zu nutzen, die Spielregeln zu ändern?
(…)
Aber nein, die eingefahrenen Gewohnheiten zu hinterfragen, das wäre wohl zu viel verlangt. Viel einfacher ist es ja, die Schuld auf die Frauen abzuwälzen. So funktioniert das mit der Gleichstellung schon immer: Gemeint ist immer nur die Gleichstellung der Frauen mit den Männern, nie andersrum. Selbst dann nicht, wenn das, was die Frauen machen, mit Abstand das Vernünftigere ist.
Das läuft durchaus wieder auf die Frage hinaus, in welcher Welt wir leben wollen. Und welche Teile davon wir als “Ist nunmal so” hinnehmen wollen.
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Christopher Lee ist tot. Meine Verehrung.
https://youtu.be/T9MuEA2eF8c
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Sehr gelacht über
“I went Paleo and now I hate everything”.
Wenn man sich das irre Begeisterungsglitzern der Diät-Cheerleader in Frauenzeitschriften wegdenkt (und der Männer mittleren Alters, die zum ersten Mal im Leben das Hormon-High eines deutlichen Gewichtsverlusts durch Entsagung erleben und überzeugt sind, wirklich, wirklich den Schlüssel zu ultimativer Schlankheit gefunden zu haben – also das High, dem die meisten Frauen mit spätestens 17 zu misstrauen gelernt haben, nachdem sie nämlich die schönen drei Kleidergrößen weniger wieder drauf hatten), dann bleibt von Diäten, pardon: von “Ernährungsumstellung” nämlich genau das übrig:
In some respects, it’s worked: being Paleo has killed my will to live, so I’m too sad to snack. My abs look pretty damn good, but I suspect that’s from all the nights I spend wracked with sobs because I can’t eat anything fun.
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Das Sprachlog nimmt eine aktuelle Untersuchung zum Einfluss von Berufbezeichnungen auf Kinder zum Anlass, nochmal auf die belegbaren Auswirkungen nicht gegenderter Sprache hinzuweisen:
“Geschlechtergerechte Sprache und Lebensentscheidungen”.
Ich höre immer wieder das Argument, man solle doch anstelle des Sprachgebrauchs lieber die gesellschaftliche Wirklichkeit ändern. Aber gesellschaftliche Wirklichkeit ändert sich eben (auch) über den Sprachgebrauch.
Als Beispiel erzählt Pia Ziefle, warum sie unbedingt “Siebdrucker” lernen wollte und warum sie sich heute mit “Siebdruckerin” vorstellt:
„’Du kannst nur Kamerafrau werden’.”
In meinem Blog mische ich seit Jahren wild: Ich verwende männliche und weibliche Bezeichnungen, generisches Femininum, am seltensten (bilde ich mir ein) das generische Maskulinum.
die Kaltmamsell10 Kommentare zu „Journal Dienstag/Mittwoch/Donnerstag, 9.-11. Juni 2015 – gemischte Lesehinweise“
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12. Juni 2015 um 7:30
Aber warum gab es dann in der DDR durchweg männliche Berufsbezeichnungen und jede Menge Frauen, die das studierten und ausübten, was im Westen reine Männerdomänen sind?
Ich glaube nicht an die Veränderung in den Köpfen durch Veränderung der Sprache. Dann hätte das 40 Jahre währende Sprachexperiment im anderen Teil Deutschlands funktioniert. Aber es gab nichts schizophreneres als den offiziellen Neusprech und die authentische Sprache der Menschen in ihren Nischen.
Im Studium habe ich gelernt, dass Sein Sprache determiniert. An die Läuterung und Veredelung des Menscgen durch gebetmühlenartiges Wiederholen der “richtigen Begriffe” und Ausmerzen der falschen glaube ich aus direktem Erleben nicht.
Das ist nur eine Form akademischer Sozialromantik.
12. Juni 2015 um 9:20
Die Auswirkungen der Sprachvorschriften in der DDR wären sicher ein hochinteressantes Forschungsgebiet – mit dem großen Haken, dass man sie heute nur aus zweiter Hand erforschen kann, anders als die Wahrnehmung von Sprache und ihre Auswirkungen heute.
Mit Glauben kommen wir hier nicht weiter – oder hältst du die empirische Forschung auf dem Gebiet für durchwegs gefälscht?
12. Juni 2015 um 11:13
Als (leider inzwischen überwiegend fachfremd tätige) Sprachwissenschaftlerin gebe ich zu bedenken, dass die Sprachwissenschaft alles andere ist als eine exakte Wissenschaft. (Allerdings habe ich die Forschung der letzten Jahre nicht mehr verfolgt, und gendergerechte Sprache war ohnehin nie mein Steckenpferd. Ich hatte es eher mit den Lautverschiebungen und am Rande mit der Dialektforschung.)
Abgesehen davon erinnere ich mich an folgende, von Peggy Parnass zitierte Perle: “Wissen Sie, was Sie sind? Ein Sinti sind Sie!”. Der Sprecher hatte gelernt, dass man nicht “Zigeuner” sagt, aber sein Bewusstsein hatte sich dadurch nicht geändert.
12. Juni 2015 um 12:51
Wissenschaftliche Methoden führen auch in der Sprachwissenschaft zu interessanten Ergebnissen, Trippmadam. Wie in jeder anderer Forschung muss die Qualität durch Transparenz der Methodik überprüfbar sein.
Schlichtes Rummeinen überlassen wir den Feuilletons.
12. Juni 2015 um 14:04
Schön wär’s, Kaltmamsell, schön wär’s. An der Transparenz der Methodik haperte es früher zuweilen. Aber vielleicht haben sich die Dinge zum Besseren geändert; man soll die Hoffnung nie aufgeben.
12. Juni 2015 um 19:04
Ich bin gespannt, wie sich die Sache mit den Männern in Führungspositionen in meinem Beruf, einem ehemals fast reinen Männerberuf, Tierarzt, entwickeln wird. Die Frauenquote beträgt im Studium mittlerweile über 90% und irgendwann werden die alten Professoren auch mal gehen müssen. Spontan fallen mir zwei Institutsleiterinnen an unserer Fakultät ein. Beide haben Männer ersetzt. Ich bin gespannt.
13. Juni 2015 um 8:59
Es passt sich i. d. Regel der Statusniedrigere dem Statushöheren* an, und der bestimmt, welches Verhalten erwünscht und belohnt wird. Insofern ist nicht zu erwarten, dass Männer plötzlich von ihren alten Erfolgsstrategien lassen, egal, wie vernünftig oder gesellschaftlich wünschenswert das wäre.
* Und die Statushöheren sind die, die über mehr Macht verfügen, also – bei einer minimalen Anzahl von Frauen quer durch die Führungsgremien – immer noch die Jungs.
13. Juni 2015 um 18:30
Falls das Problem mit den spanischen Akzenten nicht nur so dahingebloggt sondern tatsächlich existent ist, kann ich es gern in maximal drei Sätzen erklären. Es ist in Wirklichkeit enorm simpel.
13. Juni 2015 um 20:05
Echt, Novemberregen? Ich merke mir das gerade mit Ausnahmen (Fragwörter anscheinend alle, wenn Abweichung von regelgerechter Betonung) an Einzelwörtern: él, sí etc.
13. Juni 2015 um 22:03
Ja, genau, das ist es eigentlich schon:
Der Akzent:
a) markiert eine Betonung, die von der Regelbetonung (bei Wörtern, die auf -s, -n oder Vokal enden auf der zweitletzten Silbe, sonst auf der letzten) abweicht (z. B. perdón, década, lápiz) – das gilt ohne Rücksicht auf Verluste, also auch, wenn ein Wort durch anhängen von Pronomen länger wird, muss man das beachten (z.B. come – cómetelo)
b) markiert Fragewörter (an der betonten Stelle, logisch)
c) unterscheidet Homographen (falls man das so ausdrücken kann) – die muss man halt einfach lernen (si/sí, tu/tú, el/él etc.)
Dann gibt es natürlich noch ein paar Spielereien mit Diphtongen, Triphtongen und Hiatus, aber das sind die letzten 10% – wenn man sich auf die ersten 90% konzentriert, reicht das ja erstmal (finde ich).