Journal Samstag, 13. Juni 2015 – Schwimmmemme
Sonntag, 14. Juni 2015 um 9:54Nach dem frühen Aufwachen erst mal Teig für Pide angesetzt und kalt gestellt.
Ein bedeckter Morgen. Ich versuchte es dennoch mit Morgenkaffee auf dem Balkon, doch statt wärmer wurde es kühler und windig. Der Plan für den Vormittag war Schwimmen und Sonnen im Schyrenbad gewesen. Erst plante ich um zu Schwimmen und heiße Innendusche im Schyrenbad, bei immer stärkerem Wind mochte ich gar nicht mehr.
Statt dessen fettete ich meine Wanderstiefel (sie quietschen schon wieder leise beim Gehen, und irgendwo habe ich gelesen, dass das ein Hinweis auf fehlende Geschmeidigkeit und Fettbedarf ist) und die schönste Tasche der Welt. Die Tasche hat nämlich seit zwei Jahren eine aufgerissene Innennaht und einen kaputten Innenreißverschluss, zum Reparieren brachte ich sie lediglich nicht, weil ich sie sichtlich nie anweisungsgemäß eingefettet und deshalb ein schlechtes Gewissen habe. Das Lederfett tat wahre Wunder an der Tasche, jetzt traute ich mich damit zu Antonetty und bat um Reparatur. Meine Runde setzte ich mit dem Kauf eines Geburtstagsgeschenks für meinen Bruder fort: Beim Hugendubel suchte ich nach einem Buch, das da war, gut (ich verschenke immer noch ausschließlich Bücher, die ich selbst gelesen habe – Ausnahme gezielte Wünsche) und in keiner Weise traurig oder bedrückend – Letzteres seit einigen Jahren brüderliche Vorgabe. Es wurde die Moselreise von Hanns-Josef Ortheil.
Zum Abenbrot wollte ich einen Blaufränkisch von Heinrich (Gols), beim Kaufhof entdeckte ich gleich daneben einen Blaufränkisch von Nittnaus (Gols) – anscheinend von derselben Lage. Nahm ich ebenfalls mit, zum Vergleichen.
Meine Lieblingssommelière informierte mich, dass der Nittnaus nur Leithaberg sei, Heinrich ein Mix aus Leithaberg und Parndorf.
Während meinen beiden Einkaufstouren (ich radelte dann nochmal für weitere Geburtstagsgeschenke hinaus) war es immer wärmer geworden, sogar sonnig. Jetzt wäre ideales Freibadschwimmwetter gewesen. Nun ja.
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Große Freude: Manchmal werden Gebete für Freunde auch ohne Beten wahr.
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Auf dem Balkon eine BA-Arbeit durchgesehen, selbstverständlich viel gelernt.
Meisen beobachtet, eine Amsel gähnen sehen, das Kaninchen wieder gesehen: Es ist jetzt immer allein, nachdem sein Kamerad sehr wahrscheinlich verendet ist, sieht aber gesund aus. (Ich checke immer mit Fernglas.)
Viermal fuhren Segway-Trupps vorbei – die durchfahrtsgesperrte Straße, in der ich wohne, eignet sich dafür wohl besonders gut. Diesmal dabei: Ein Junggesellinnenabschied auf Segways. (Zumindest belästigen die höchstwahrscheinlich keine Passantinnen.)
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Zum Nachtmahl Herrmannsdorfer Entrecôte, dazu warmen Frühkartoffelsalat nach Delia Smith aus den ersten neuen Ernteanteilkartoffeln.
(Na komm’se, irgendwann müssen Sie sich an die Glasteller gewöhnen. Das sind Erbstücke! Mit denen bin ich aufgewachsen! In den 70ern/80ern todschick, von meiner Mutter mühsam einzeln aus Spanien importiert, die gab’s damals in Deutschland gar nicht!)
Ergebnis des Weinvergleichs: Heinrich ist komplexer, mit animalischen und Tabaknoten – aber der war ja auch im Holz. Nittnaus leichter und fruchtiger, würde vermutlich zu einem Auberginengericht besser passen.
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Und nochmal das Thema Gewicht und Gesundheit, evidenzbasiert (unter anderem, weil es auf Deutsch so wenige Artikel zum Thema gibt – als Buch empfehle ich sehr das von Anke Gröner: Nudeldicke Deern – Ausgangspunkt ist zwar Fat Acceptance, doch Anke zitiert ausführlich die Forschung zum Thema Gewicht und Gesundheit). Hier geht es um ein aktuelles Buch von Harriett Brown:
“Du bist nicht zu fett!”
Natürlich, gibt sie zu, könnte man zu fast jedem Forschungsergebnis, das sie erwähnt, eine andere Studie finden, die das Gegenteil zeigt. Dafür gibt es eine Vielzahl an Ursachen – eine der wichtigsten ist, dass sowohl das Gewicht als auch die Gesundheit eines Menschen auf sehr komplexen körperlichen Mechanismen und Systemen basieren, die noch niemand vollständig versteht. Zudem ist die Übergewichtsforschung vor allem eine beobachtende Wissenschaft. Forscher können Versuchspersonen nicht einfach gezielt mästen, um auszuprobieren, ob sie davon krank werden. Sie können nur Menschen beobachten, die ohnehin schon einige Kilo mehr auf die Waage bringen. Auch deshalb seien Erkenntnisse zu Übergewicht, erklärt Brown, erstaunlich verwirrend und widersprüchlich.
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Wir hassen Diäten, aber wir wollen sie unbedingt. In jedem Drogeriemarkt kann man Pulver für Abnehmshakes kaufen, Redakteure von Frauenzeitschriften (und zunehmend auch von Männermagazinen) wissen, wie wichtig Diäten für den Verkauf der Blätter sind. Was ziemlicher Wahnsinn ist, wenn man bedenkt, dass noch keine Studie beweisen konnte, dass Menschen, die mit einer Diät abgenommen haben, langfristig ihr Gewicht halten konnten. Egal, wie man seine Ernährung umstellt, ob man Kohlenhydrate weglässt, sich von Ananas und Reiscrackern ernährt oder vegan lebt: „Die Chance, dass man einen signifikanten Gewichtsverlust länger als fünf Jahre oder mehr halten kann, ist etwa gleich groß wie die Chance, metastasierenden Lungenkrebs zu überleben: 5 Prozent“, schreibt Brown.
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Schwerer aber wiegt die Tatsache, dass wiederholte Diäten zahlreiche unschöne Nebenwirkungen haben können: In Studien hat sich zeigt, dass Jo-Jo-Diäten Herz-Kreislauf-Krankheiten vielleicht sogar stärker begünstigen als Übergewicht. Mal abgesehen von der psychischen Belastung, die ständige Diäten beziehungsweise ein dauerndes Unwohlsein mit dem eigenen Körper verursachen. Paradoxerweise fördern Diäten auf diese Weise sogar Übergewicht, weil die menschliche Psyche in der ihr eigenen rätselhaften Logik Mechanismen baut, die dazu führen, dass man unbewusst mehr isst, wenn man gehungert hat.
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Wie auch der deutsche Lebensmittelchemiker und ausgewiesene Diätgegner Udo Pollmer auf seiner Facebook-Seite schreibt: „Die Diätindustrie ist der einzige Wirtschaftszweig, der weltweit Milliarden damit verdient, dass seine Produkte nicht wirken.“
Auch lesenswert: Dieses Interview mit dem Arzt und hartnäckigem Evidenzmediziner Gunter Frank.
“‘Ich entspreche dem typischen übergewichtigen Mann’.”
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Die Zeit hat ja doch jemanden gefunden, der brauchbar über Wolfgang Herrndorfs Malen und Zeichen schreiben kann.
“Was mich interessiert, kann ich nicht malen”.
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Architekturjournalist Maik Novotny war im Iran und twitterte danach durchwegs begeistert darüber. Für den Standard hat er geschrieben:
“Iran: Ein Spaziergang durch persische Oasen”.
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Katja Kelm zitiert beim höchst lobenswerten Journalbloggen (bei anderen ist das viel interessanter als bei mir) ihre Freundin Sarah:
“das schlimmste, was einem passieren kann, ist doch: das du gelebt hast und gestorben bist und niemand hat je ein wort über dich geschrieben.”
Um Gottes Willen! Das soll niemandem passieren. Wenn ich hier helfen kann: Sollten Sie auch so denken und fürchten, Ihnen könnte das zustoßen, melden Sie sich bitte bei mir. Dann schreibe ich über Sie. Was, das finden wir dann schon noch heraus.
die Kaltmamsell5 Kommentare zu „Journal Samstag, 13. Juni 2015 – Schwimmmemme“
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14. Juni 2015 um 11:07
Dr. Frank hat mich vor einigen Jahren zu sehr viel Gelassenheit gebracht was mein Übergewicht angeht. Allein das Lesen seiner Homepage, dann “Lizenz zum Essen”, von dem mir mein ebenfalls übergewichtiger Chef beim Mittagessen erzählt (echt wahr, Dicke müssen Mittagessen). Die Tatsache, dass jeden Tag dicke Frauen in seiner Praxis sitzen, die sich seit Jahren nicht mehr stattgegeben haben, hat mich umgehauen, ebenso wie er Studien über Übergewicht mal sorgfältig angeschaut hat. Klare Leseempfehlung. Ich bin dann sogar zu ihm in ein Seminar gepilgert. Nur dass er mich mal sieht, könnte ja sein das er sagt “Bei Ihnen ist das etwas ganz anderes, soooo geht das nicht weiter, da reicht kein Tageslicht und Stressabbau und wasweißichallesdiepahntasieistjagrenzenlos”. Ja, war Quatsch, bin ne genauso normale Dicke wie alle anderen.
Ich hab mich entschieden, es bringt einfach nix, mich mein ganzes Leben immer nur um mein Gewicht zu strudeln und zu überlegen was ich alles nicht kann. Raus und Leben. Ich hab jetzt ein eBike und halte mit meinem fitten Mann mit, bin nicht mehr die die stundenlang hinterherächzt und minutenlang klitschnass nicht reden, nur japsen kann. Es ist auch ne Entscheidung. Und wenn ich bei jedem Eis das ich esse angeschaut werde. Danke, ja, es schmeckt mir. Ebenfalls guten Appetit.
Klappt meistens.
14. Juni 2015 um 11:30
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Gerne gelesen
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14. Juni 2015 um 11:57
Das mit den Glastellern, das ist auch so eine mediterrane Geschichte, ich kann’s mir ikonografisch noch nicht ganz erklären. Genau wie Glastische. In Italien z.B. sehr verbreitet.
14. Juni 2015 um 18:58
Danke fürs Kaninchen-Checken mit dem Fernglas! Mich freut das.
15. Juni 2015 um 15:25
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Gerne gelesen
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