Archiv für Juni 2015

Journal Montag, 22. Juni 2015 – Schulsporterinnerungen

Dienstag, 23. Juni 2015

Sehr gut geschlafen, Kaffee, Crosstrainer.
In milderen Temperaturen in die Arbeit gegangen.

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QI des Tages: Habe erfahren, dass den Abiturienten und Abiturientinnen des Margarete-Steiff-Gymnasiums in Giengen an der Brenz zu ihrem Abiturzeugnis jeweils ein Steiff-Bär überreicht wird – sondergestaltet nach dem Abiturmotto des Jahrgangs. Der oder die Jahrgangsbeste bekommt ihn in Riesig. Bin völlig begeistert.
(Und verwundert, dass ich keine Fotoserien finde.)

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Schule und Sport: In meinem Eck des Internets wird gerade heftig diskutiert, ob eine Abschaffung der Bundesjugendspiele wünschenswert ist. Dabei lerne ich, wie viel anders als ich viele diese Veranstaltung erlebt haben.

Für mich war Schulsport nichts Schlimmes, musste man halt rumkriegen. Wie eine Erdkundestunde, bloß mit Raumwechsel und Umziehen. Ich mogelte mich mit möglichst wenig Aufwand durch und kooperierte brav, damit die Stunde sich nicht zu mühsam dahinschleppte.

Wir hatten im Jahrgang zwei klare Sportasse, ein großes Mittelfeld, und zwei sehr unsportliche Mitschülerinnen, eine davon dick und groß sowie mit einer motorischen Störung. Natürlich kann es sein, dass ich mir meine Erinnerung zurechtkuratiere, doch ich bilde mir ein, dass niemand gehänselt oder abgewertet wurde. Die beiden Sportasse waren etablierte Mannschaftsführerinnen, und es war klar, dass die beiden Unsportlichen gerecht auf beide Mannschaften verteilt würden. Sehr deutlich habe ich aber vor Augen, welche Pein und welches Unbehagen die beiden Mädchen ausstrahlten. Ich bilde mir ein, dass bei den Mitschülerinnen Mitgefühl überwog, weil einfach völlig klar war, dass keine der beiden auch bei noch so großer Anstrengung jemals sportliche Leistung erbringen würde.

Im Eifer eines Volleyballgefechts wurden sie wahrscheinlich schon mal von Mannschaftskameradinnen angeschnauzt, wenn sie einen Punktverlust verursachten – wie jede andere auch.

Bundesjugendspiele waren vor allem ein Tag unterrichtsfrei; ich kann mich weder an Leistungsdruck erinnern noch an Enttäuschung, wenn der eigene 75-Zentimeter-Hopser so gar nicht zum inneren Bild von Weitsprung passen wollte. Die 11. Klassen waren als Schiedsrichter eingeteilt – DAS war lustig. Oder der Trupp, der beim 100-Meter-Lauf auf halber Strecke Brotzeit machte, mit Picknickkorb und Tischdecke (vermutlich nicht mein Jahrgang, wir waren zu brav für sowas). Einmal hatte eine Sportlehrerin mit uns Mittelstuflerinnen einen großflächigen, einfachen Formationstanz übers Spielfeld eingeübt; ich erinnere mich vor allem an die Sensation, dass Big-Band-Musik über den Sportplatz schallte.

Ausgelacht wurde ganz sicher niemand. Wenn überhaupt, mussten sich die verstecken, die sich wirklich anstrengen wollten. Wobei – ich erinnere mich an einen Spitzenlauf einer unserer Sportasse: Mit einer Ansage in die Richtung, ihr sei langweilig, sie werde die Lehrer jetzt ein bissl schocken, raste sie ihre 400 Meter weg. Wir schütteten uns anschließend alle aus vor Lachen.

Wenn eine Schule oder Klasse aber eine gehässige, bösartige Umgebung ist, in der auf Einzelnen herumgehackt wird, wird eine Abschaffung der Bundesjugendspiel nichts daran ändern.

Journal Sonntag, 21. Juni 2015 – Drinnensonnwend

Montag, 22. Juni 2015

Ausgeschlafen, langsam aufgewacht, über acht Stunden Schlaf geschafft (wenn auch mit mühsamem Einschlafen, Hüft-Bein-Schmerzen bis kurz vor “Jetzt stehe ich aber auf und nehme ein Ibu” – dann aber doch eine schmerzfreie Schlafhaltung gefunden).

Meteorologischer Sommeranfang, und der Blick übern Frühstückskaffee ging sehnsuchtsvoll zur Heizung. Laut meinem sonst zu nichts mehr tauglichem Digitalwecker lag die Innentemperatur meiner Wohnung bei 19 Grad. Ich halte mich nicht für verfroren, aber das bedeutete dicke Strickjacke, dicke Socken und heißen Tee, um nicht zu frieren.

Versandelter Tag: Internet gelesen, Duolingo gespielt, Zeitung gelesen, gebügelt, Abendessen gekocht (Elsässer Hirschragout mit Semmelnknödeln).

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Sie wollten schon immer plane spotter verstehen? Lesen Sie doch mal eine, die für die Spotterei in der Südsee Urlaub machte – wo dieses plane spotting die zentrale Touristenattraktion ist:
“Maho Beach”.

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Angela hat 2012 im Virtual Choir von Eric Whitacre mitgesungen und berichtet:
“Ich bin ein singendes Pixel”.

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Ja, die zeitgenössische Medien- und Kommunikationswelt verändert Vieles. Schon lange reagiere ich ungehalten, inzwischen gelangweilt wegsehend auf Kommentare und Analysen, die daraus den Untergang von wahlweise Kultur, Zivilisation oder Menschheit folgern. Ich halte sie für reine Reflexe unter Ausschluss des Verstands, so alt wie die menschliche Zivilisation.

Viel spannender sind weitgehend neutrale Beobachtungen wie diese:
“SmART Basel”.

Objekte werden tausendfach fotografiert und in den sozialen Medien geteilt. Das verändert nicht nur unsere Wahrnehmung von ihr, sondern auch die Kunst selbst

(Schlüsselsatz: “Noch lässt sich nicht absehen, wohin das führt.” Ebent.)

via @ankegroener

Journal Samstag, 20. Juni 2015 – Kuchenfiasko und breite Squats

Sonntag, 21. Juni 2015

Zu meiner Verärgerung früh aufgewacht, wo ich doch hätte ausschlafen können. Draußen wars kalt und regnerisch, meine Mutter sagte das für Sonntag geplante Grillen ab. Schon zum Morgenkaffee mit Duolingospielen angefangen.

Einkaufsrunde: beim Dehner frische Meisenknödel (derzeit geht bis zu einer am Tag weg), am Viktualienmarkt Hirschgulasch, bei Knapp & Wenig Knödelbrot und Frühstückssemmerl, in der westfälisch-fränkischen Metzgerei Clasen in der Dienerstraße holte ich Speck fürs Hirschgulasch und Prager Schinken fürs Frühstück, beim Alnatura Milchprodukte und Petersilie, abschließend beim dm-Drogeriemarkt Waschpulver und Zahnpasta.

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Ich hatte dringenden Kuchenbackdrang und machte mich nochmal an Torta della nonna – das Trauma des letzten Versuchs sollte überwunden sein. Denkste: Diesmal wurde die Füllung beim Kochen perfekt dick, doch nachdem ich sie vom Feuer genommen hatte (vorschriftsmäßig deutlich vor dem Kochen) und abkühlte, begann sie sich nach 15 Minuten wieder zu verflüssigen. Ergebnis:

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Das mit der Torta della nonna lasse ich künftig einfach bleiben.

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Spätnachmittags ging ich in mein Sportstudio, um unter anderem das wöchentliche Krafttraining nachzuholen. Die Vorturnerin freute sich so, mich nach Monaten mal wieder zu sehen, dass sie sich besonders intensiv um mich kümmerte und korrigierte: Oh, ich belaste also bei den breiten Squats das linke Bein mehr (sehr wahrscheinlich eine Schonhaltung wegen meiner rechtsseitigen Hüftprobleme), bei den Ausfallschritten vom Step habe ich das Gewicht zu weit hinten, und bei den Liegestütz den Po zu weit unten. Bei so viel Zuwendung fühlte ich kleines Sportstreberlein mich natürlich verpflichtet, mich besonders in die Übungen reinzuhängen. Ich werde ab Sonntagmittag wahrscheinlich vor lauter Muskelkater nicht mal mehr schmerzfrei atmen können.

Abends schnelle Nudeln mit gebratenen Frühlingszwiebeln und erster Zucchini des Jahres aus dem Ernteanteil (Herr Kaltmamsell war auf einer Einladung), zum Nachtisch Torta-della-nonna-Kekse. Noch ein paar Runden Duolingo.

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Für uns Vogelbeobachterinnen: Eine hochspannende Geschichte über die Heidelerche.
“Heidelerche”.

Bei unserer Erstentdeckung der Heidelerche standen wir so mittelruhig rund fünfzehn Meter entfernt, ich bemerkte den Vogel nur durch Zufall. Ganz still heidelerchte er vor einem Gebüsch auf dem Boden herum. Er gab sich Mühe, mit seiner Umgebung zu verschmelzen. Das gab mir wiederum die Gelegenheit, völlig unbeteiligt rein zufällig in seine Richtung zu schlendern, ganz langsam. Das funktionierte bis etwa zehn Meter Entfernung, dann zeigte eine leichte Drehung des Vogels, dass er mir nicht länger abnahm, nur zufällig in der Gegend unterwegs gewesen zu sein, schließlich flog er weg. Nicht, ohne ein paar szenetypische Laute von sich zu geben, die sogar für einen audioornithologisch herausgeforderten Mann wie mich wiedererkennbar waren.

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Der klügste Text, den ich bislang zur Eskalation nach Tim Hunts Blödsinn über Forscherinnen gelesen habe, kommt von meiner Lieblingsaltphilologin Mary Beard:
“50 shades of sexism”.

This 72-year-old guy made a very big error and probably has some antediluvian views on gender. I would like to smack his bottom, give him a piece of my mind and keep a very close watch on him if he is grading applications. But I wouldn’t drum him out of the academic town.

Besides, a quick campaign against an individual can be an easy deflection from the real underlying issues, about women’s chances in science or in the academy more generally. It is much simpler to take Hunt down a peg or two (deservedly maybe), than to address the bigger political questions of women’s scientific careers (question which need much more thought, effort and probably cash).

In any case, I have come to think that those old blokes who actually give voice their silly prejudices are a bit easier to deal with/argue against than those who hold much the same views but know better than to utter them out loud (and that sort exists, believe me). Carefully hidden prejudice is the worst of all.

(Sie dürfen mir danken, Sie mit den Wort antediluvian bekannt gemacht zu haben. Bitteschön.)

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Fabian Neidhardt ließ sich nachts in Stuttgart von einem Obdachlosen anquatschen:
“Der richtige Zeitpunkt, um mit dem Helfen aufzuhören.”

via @diplix

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Neue Musik entdeckt! Einem Link bei Pepa gefolgt – und den halben Vormittag weiter auf YouTube Musik von Arturo Márquez gehört, gespielt vom Orquesta Filarmónica de las Américas unter Dirigentin Alondra de la Parra.

https://youtu.be/daGlmea5QkI

Journal Donnerstag, 18. Juni 2015 – Zukunft des Automobils

Freitag, 19. Juni 2015

Die so wundervolle Laufrunde machte sich nachts mit unerfreulichen Schmerzen der rechten Hüfte bemerkbar. Gleichzeitig schmerzte mal wieder die linke Schulter. Insgesamt für mich Seitenschläferin eine saublöde Kombination. Entsprechend anstrengend war die Nacht.

Also lieber keinen Morgensport getrieben, sondern mit Frühstückskaffee rumgesandelt.

Das Wetterorakel vor dem Bürofenster deckte Tische unter großen Schirmen, und genau so war das Wetter: Mild, aber zunehmend regnerisch. Auf meinem Heimweg gischtelte es zunächst, doch auf der zweiten Hälfte wurde ich dann richtig nassgeregnet.

Egal: Ich war zum Cocktailtrinken im Auroom verabredet, also ging ich da auch hin.

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Diesmal von Sabine Lange ließ ich mir diese Köstlichkeit bereiten, mit Mangosirup und Balsamicoessig.

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Veeeeery long read (ich habe die Präambel und den Exkurs über Erderwärmung ausgelassen):
“How Tesla will change the world.”

Sehr empfehlenswert, denn Tim Urban zeichnet nach, wie es zur heutigen Form des Automobils gekommen ist (bei Adam und Eva beginnend, nämlich bei Energie, über Feuer bis zum Verbrennungsmotor), erforscht dann, warum unsere Automobile heute immer noch völlig veraltete Antriebstechnik nutzen statt den viel näher liegenden Elektromotor. Hat mit einer sehr alten Struktur der Automobilindutrie zu tun. Die zudem fürs Marketing schlecht auf das beste Argument für Elektroautos zurückgreifen kann, nämlich dass Autos mit Verbrennungsmotor schmutzig, umständlich und altmodisch sind – weil sie ganz viele von diesen schmutzigen, umständlichen, altmodischen Dingern verkaufen möchte.

The problem with the question “Why did X technology stop moving forward?” is that it’s misunderstanding how progress works. Instead of asking why technological progress sometimes stops, we have to ask the question:

Why does technological progress ever happen at all?

The mistake of the first question is the intuitive but incorrect notion that technology naturally moves forward on its own over time—it doesn’t. I can tell you this for sure, because my Time Warner DVR has the exact same horrible user interface it had in 2004. The way technology works is that by default, it stands still, and it moves forward only when something pushes it forward.

(…)

Most importantly, the world already wants to buy gas cars. There’s no convincing needed—just a few standard TV ads to hone the latest phase of the brand’s image and inform customers about the latest product updates. But EVs [electronic vehicles] are new and scary to customers, and there’s a hump to get over in educating the world about why they should buy one. But the really problematic thing about this is that in order to market an EV well, you need to do what I’m doing in this post and explain all the reasons EVs are obviously a huge step forward from gas cars—which simultaneously sends the message, “Gas cars are dirty, inconvenient, and old-fashioned.” Not a thing you want to do when your current bread and butter is selling 10 million gas cars a year.

Dann schildert Tim Urban die Entstehung und das Geschäftsmodell von Tesla. Der Artikel hat mir klar gemacht, welche ungeheuer weit reichenden Auswirkungen ein Siegeszug des Elektroautos gesellschaftlich und wirtschaftlich hätte. Hat?
Zudem geht er auf alle Einwände ein, die einem gegen Elektroautos einfallen könnten. (Nur nicht auf die grundsätzliche Hinterfragung eines Individualverkehrs, der pro Passagier das 20fache seines Eigengewichts an Maschine aufwendet.)

Außerdem lernen Sie ein paar grundsätzliche Antriebstypen, Tim Urban hat offensichtlich einen Heidenspaß am anschaulichen Erklären.

via André Spiegel im Techniktagebuch-Redaktionschat

Hier im Techniktagebuch eine aktuelle Teslafahrergeschichte.

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Fierce Creatures!
Tierwärter auf der ganzen Welt stellen eine Szene im aktuellen Jurassic World-Film nach.
“Zoo Staff Have Turned Chris Pratt’s Raptor Pose Into An Epic Meme”.
(Veloci-otters!)

Journal Mittwoch, 17. Juni 2015 – Laufen im Düstern

Donnerstag, 18. Juni 2015

Frühmorgens ab zum Laufen, es drängte mich mit Macht an die Isar, auch wenn es düster und bedeckt war.

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Danach hatte ich nasse Schuhe vom taunassen Gras und genoss auch das. Der Lauf tat mir SO gut, ich war auch noch Stunden danach heiter und voll mit den Eindrücken, obwohl später meine Hüfte protestierte.

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Der Vormittag blieb düster und kühl, alle Wettervorhersagen kündigten dies auch für den Rest des Tages und der Woche an. Diesmal war ich wirklich verwundert, dass das Wetterorakel vor dem Bürofenster durch komplettes Eindecken Zuversicht auf Draußenessen ausdrückte. Und es traf auch diesmal zu: Mittags kam ein wenig die Sonne raus, ein Drittel der Tische war besetzt, wenn auch die Gäste Jacken trugen. Auch nachmittags gab’s immer wieder Sonne.

Viel beruflich im Internet recherchiert (ganz erstaunlich, was man darin alles nicht findet), Rechnungen bearbeitet.

Feierabends zum Marienplatz geradelt (über eine Route, die ich ohne den Fahrradroutenplaner nie gefunden hätte) und als Geschenk Torbergs Tanta Jolesch gekauft, das ich am Samstag zu meiner Freude hatte vorrätig stehen sehen.

Zum Nachtmahl große Mengen Blattsalat und Gurke aus dem Ernteanteil, Dressing mit hartem, gehackten Ei ergänzt.

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Während ich mit 13 in erster Linie mit meiner ersten Verliebtheit seit Kindertagen beschäftigt war (in den Klassentyrannen), brachten andere 13-jährige ihre simplen Computer dazu, den Kammerton A zu erzeugen.
“Der Kleine ist nicht stumm: Wettläufe mit der Technik”.

Journal Dienstag, 16. Juni 2015 – Sorgen suchen

Mittwoch, 17. Juni 2015

Herzallerliebst, wie sich nach dem gelösten Jobknoten mein Sorgenzentrum/Unterbewusstes wild rudernd neue Sorgen sucht. Seit Tagen wache ich tieftraurig auf, in den Träumen meines leichten, unruhigen Schlafs vergesse ich Pflichten, fehlt Geld, enttäusche ich Freunde und Freundinnen, verspäte ich mich bei wichtigen Terminen.

Gestern weckte mich im Morgengrauen Amselgebrüll, als ich gerade wieder in den Schlaf sank, donnerte ein Wenn-ICH-um-fünf-schon-arbeiten-muss-sollen-Sie-nicht-schlafen-Müllmann die eiserne Pforte zum Müllhäusl unter meinem Schlafzimmer erst auf, dann wieder zu.
Ich hatte mir den Wecker eh früh genug für mein dienstägliches Krafttraining gestellt, merkte aber, dass ich eigentlich keine Lust hatte. Sicher eine halbe Stunde schwankte ich zwischen Aber-du-hast-doch-schon-gepackt und Wenn-ich-keine-Lust-habe-muss-ich-auch-nicht, zwischen Aber-wahrscheinlich-geht-das-doch-eh-nur-noch-zweimal-vorm-neuen-Job (weil der früher anfängt) und Gemütlich-Kaffeetrinken-wäre-sehr-schön, zwischen Du-machst-doch-eh-nur-einmal-die-Woche-Krafttraining und Vielleich-sogar-Zeitung-lesen. Ich blieb dann zwar tatsächlich daheim, bloggte, trank Milchkaffee, kürzte und lackierte Fingernägel, spielte ein paar Runden Duolingo, spazierte gemütlich in die Arbeit – hatte aber den ganzen Tag ein leise schlechtes Gewissen.

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Gespenstisch:
“Bernd Posselt: Warum er trotz Abwahl weiter ins Parlament geht”.

Vor einem Jahr geschah für Bernd Posselt etwas Undenkbares: Bei der Wahl flog er aus dem EU-Parlament. Er hat das zur Kenntnis genommen, ja. Aber er beschloss, es zu ignorieren. Der CSU-Mann macht weiter wie bisher: Jede Sitzung, jedes Foto. Er ist einfach da.

(Ich mag sehr den ruhigen und sachlichen Tonfall der Geschichte. Die Alternativen mag ich mir kaum vorstellen.)

Journal Montag, 15. Juni 2015 – Regentag und gegenderte Fachmagazine

Dienstag, 16. Juni 2015

An einem schönen Sommerabend eingeschlafen, an einem regnerischen Frühlingstag aufgewacht. Nachdem in den vergangenen drei Tagen die Wettervorhersage deutlich daneben gelegen hatte, hatte ich ihr auch diesmal nicht glauben wollen und einen Morgenlauf an der Isar geplant, die Weck-App dafür extra früh gestellt. Nun, so blieb mir vor meinem ersatzweisen Crosstrainer-Stündchen zumindest besonders viel Zeit zum Bloggen.

Es regnete den ganzen Tag vor sich hin, zumindest feierabends brauchte ich aber keinen Schirm für den Heimweg.

Mal wieder vom SZ-Leserzirkel befragt worden, diesmal zum neuen Wirtschaftsmagazin für Frauen, Plan W, das der Wochenendausgabe beilag – leider nur unter dem Aspekt “ein besonderes Wirtschaftsmagazin”. Ich hatte also keine Gelegenheit augenrollend darauf hinzuweisen, dass ich Frau kein extriges Wirtschaftsmagazin will, sondern dass all die löblichen Überlegungen dahinter bitteschön einfach in die sonstige Wirtschaftsberichterstattung einfließen mögen. Was jetzt wahrscheinlich doppelt als unnötig angesehen wird: Dafür haben wir ja jetzt das Frauenmagazin!
Wie wäre es zum Beispiel, wenn in der geschätzten Serie “Reden wir über Geld” (2/3-seitige Interviews zum Thema Geld mit prominenten Nichtwirtschaftlern) nicht fast nie, sondern zur Hälfte Frauen auftauchten?
(Kleines Lob am Rande: Das Magazin ist schön und Anzeigen gibt es darin nur ganzseitig – bislang auffallend mode- und schmuckfrei. Ich werde das beobachten.)

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Hendrik Haase aka Wurstsack erzählt eine von den vielen traurigen Geschichten vom Metzgersterben:
“Requiem am Fleischwolf – Der Tod einer Dorfmetzgerei”.

Ich weiß nicht, wie man dem beikommt. Die Menschen haben überhaupt kein Problem damit, sich schrecklich über Massentierhaltung und die Arbeitsbedingungen in Massenschlachtereien aufzuregen, wie meine Eltern selbst an Hausschlachtungen mitgewirkt zu haben und die dort entstandenen köstlichen Produkte zu kennen, das Schließen der kleinen Metzgereien am Ort zu bedauern – und gleichzeitig täglich abgepacktes Fleisch im Supermarkt einzukaufen, am besten das im Sonderangebot – unter anderem mit dem Argument, die Preise in kleinen Metzgereien und Handwerksbetrieben seien ja wohl die reine Abzocke. (Genau. Deswegen werden all die Villen in Grünwald und den städtischen Speckgürteln ja auch von Metzgern, Bäckerinnen, Schusterinnen und Schneidern bewohnt.)

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Kopenhagen ist ein Radparadies mit mehrspurigen Radwegen und Ampeln, die bei Regen Radlerinnen nicht so lang bei Rot stehen lassen. Dahinter stehen unter anderem handfeste wirtschaftliche Überlegungen:
“How Copenhagen Became A Cycling Paradise By Considering The Full Cost Of Cars”.

When the city decides on a cycling project, it compares the cost to that of a road for cars, and it includes not only the upfront amount, but also things like the cost of road accidents to society, the impact of car pollution on health, and the cost of carbon emitted to the atmosphere. After including these factors, it comes to a rather startling calculation. One kilometer driven by car costs society about 17 cents (15 euro cents), whereas society gains 18 cents (16 euro cents) for each kilometer cycled, the paper finds. That’s because of factors like the health benefits of cycling and the avoided ill-effects of cars.

Dänemark besteuert ja auch zur aktiven Abschreckung den privaten Autobesitz höllisch:

Hier wird auf den Netto-Preis des Herstellers eine 180 %ige (!) sogenannte Gewichtsabgabe gezahlt (die mit dem Gewicht nichts zu tun hat), bevor 25 % Umsatzsteuer hinzugerechnet werden. Fahrzeugpreise liegen daher in Dänemark im Bereich des Dreifachen dessen, was vergleichbare Fahrzeuge hierzulande kosten.

Quelle

Nett, dass Sie überhaupt bis hierher gelesen und nicht schon nach “Radparadies” mit dem Ausruf “Aber die Arbeitsplätze!” aufgehört haben. Da Deutschland nahezu deckungsgleich mit Automobilindustrie ist (nein, das ist nicht nur der Filter der gebürtigen Ingolstädterin: siehe Abwrackprämie, siehe eine Regierungschefin, die ganz von selbst in Brüssel bessere Abgasnormen verhindert), wird in Deutschland nichts davon jemals auch nur im Ansatz passieren.