Journal Samstag, 5. März 2016 – WMDEDGT

Sonntag, 6. März 2016 um 9:18

Am 5. jedes Monats möchte Frau Brüllen wissen: Was machst du eigentlich den ganzen Tag?, abgekürzt WMDEDGT, deshalb in noch ermüdenderer Ausführlichkeit als sonst:

Gestern schlief ich erst mal aus und blieb im Bett bis acht.

Ich machte Herrn Kaltmamsell und mir Milchkaffee auf der Basis von Cafetera-Espresso, bloggte und hatte dann endlich Zeit für eine ausführliche Betrachtung der Oscar-Kleider bei Go fug yourself. Wobei das größte Vergnügen ja in den Assoziationsketten der Autorinnen liegt, zum Beispiel bei der Ablehnung dieses Kleids.

Und falls Sie sich wie ich immer wieder fragen, wie’s Faye Dunaway geht: Hier ein aktuelles Bild von der Vanity Fair Party. (Ich dachte zum Beispiel letzthin beim Columbo-Gucken an sie (kommt auf ZDF Neo immer vor dem Abendessen).)

Diese doofen breiten Ausschnitte bis zum Gürtel scheinen ein Motto gewesen zu sein – so viele habe ich noch nie bei den Oscars gesehen. Vielleicht sind wir hiermit durch damit? Bitte?

Beim Klicken durch die Bilder merkte ich, dass mich die Frauen am meisten interessierten, die keinen Idealkörper haben, ob nun vorübergehend (Schwangerschaft) oder dauerhaft: So schön die Roben selbst auch sind – ästhetisch interessant wird’s, wenn sie sich auf einen individuellen Körper einstellen müssen.

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Duschen, anziehen, Rucksack und Einkaufszettel geschnappt, raus zum Einkaufen (was wer am Wochenende kochen würde, hatte ich schon an Vorabend mit Herrn Kaltmamsell vereinbart). Ich musste zwei Runden machen, weil ich eine Idiotin bin.

Geld geholt im Untergrund am Sendlinger Tor, beim Herrmannsdorfer Speck und Brotzeitwammerl, auf dem Viktualienmarkt zwei große Artischocken. Dann spazierte ich zum Glockenbachviertel. Ich war bester Stimmung, weil ein wenig die Sonne schien, weil ich einen wunderschönen Vorhangstoff mit eingestickten Federn bei Les Tissus Colbert in der Blumenstraße gesehen und mich der Bäckereiverkäufer bei Dompierre mit “What a lovely lady!” angeschäkert hatte1, als mir kurz vorm Tengelmann auffiel, dass ich auf dem Viktualienmarkt den wichtigsten Punkt auf meiner Einkaufsliste vergessen hatte: das Hirschgulasch für Sonntag. Von fröhlich zu Selbsthass in unter drei Sekunden: Kein Problem für mich.

Also zog ich nach Abladen der ersten Einkäufe nochmal los auf anderer Route zum Vikutalienmarkt, um Hirschgulasch zu besorgen. Auf dem Rückweg kaufte ich beim Alnatura an der Sonnenstraße Knoblauch, Milchprodukte, Eier, außerdem Grüntee für die Arbeit. Und vergaß zum Beleg für mein Idiotentum fast meine Handschuhe dort.

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Daheim kochte ich Lemon Curd nach dem Rezept meiner englischen Studienfreundin Helene (mit dem sie bei einem örtlichen Wettbewerb schon mal gegen eine später Zweitplatzierte in The Great British Bake Off gewonnen hat!). Allerdings basiert es auf Zubereitung in der Mikrowelle – die ich nicht habe (nichts Ideologisches, ich will bloß kein weiteres Riesentrumm in der Küche haben und vermisse sie nicht). Also guckte ich bei Lemon Curd-Fan Anke nach einer alternativen Methode, ließ aber das Wasserbad weg: Ich erinnerte mich nämlich, dass Ei bei 80-83 Grad Celsius eindickt, und rührte das Gemisch so lange auf mittlerer Hitze, bis es diese Temperatur hatte.

Das dazu verwendete Zuckerthermometer ist eine Erinnerung an Herrn Kaltmamsells monatelange Experimente mit Fudge-Rezepten, britisch und amerikanisch. Ich verwende es regelmäßig, unter anderem bei der Joghurtherstellung. Die Temperatur von über 80 Grad bedeutet übrigens auch, dass das Ei im Lemon Curd nicht mehr roh ist und man das (den?) Curd ein paar Wochen im Kühlschrank lagern kann. Wie von Helene geraten, rührte ich abschließend einen Esslöffel Drambuie ein – gute Idee. (Nein, ich weiß nicht, warum nochmal wir eine Drittel-volle Flasche Drambuie im Schrank stehen haben.)

160305_05_Lemon_curd

Frühstück!
Helene hatte auch notiert, dass sie mal Curd aus dem Saft frischer schwarzer Johannisbeeren gemacht habe: “It was seriously yummy!” Wird im Hochsommer ausprobiert.

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Ein paar Bücher online bestellt – per E-Mail beim Buchladen Tucholsky, wo ich sie nächste Woche nach der Arbeit abhole. Auch nicht umständlicher als ein Gang zur Packstation.

Twitter hinterhergelesen – die Tweets seit Samstagabend, bereits angeklickte Artikel daraus von mehreren Tagen.

Eine weitere höchst spannende Hausarbeit einer Nachwuchskunsthistorikerin gegengelesen, mit Genuss und Belehrung.

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Auf Twitter erfahren, dass Monika, Frau Gedankenträger, ihren Sohn John in der Nacht auf Samstag verloren hat. Das erschüttert mich schwer: Über das Blog seiner Mutter verfolge ich ja Johns Leben seit über zehn Jahren. Ich habe von ihm und seiner Mutter unglaublich viel über Autismus gelernt, das Buch Tomorrow Can Wait mitfinanziert und begeistert gelesen. Oh nein, das ist so furchtbar. Ich hätte John so gern erwachsen werden sehen. Das Buch empfehle ich immer noch und hoffe, dass die Menschen aufhören, “autistisch” als Beleidigung zu verwenden – oder es Menschen zuzuschreiben, deren zwischenmenschlicher Umgang ihnen seltsam vorkommt.

Zum Gedankenfließenlassenkönnen gebügelt.

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Den Abend läuteten Herr Kaltmamsell und ich mit Cosmopolitans ein.

160305_08_Cosmopolitan

Der Herr hatte sich noch daran erinnert, dass dieser Cocktail sehr betrunken macht, ich war überrascht.

160305_11_Artischocke

Zur Vorspeise Artischocken mit selbst gemachter Knoblauchmajo (verdünnt mit Joghurt), zubereitet von mir.

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Dann Selleriegratin (Sellerie aus Ernteanteil), zubereitet von Herrn Kaltmamsell.

Dazu guckten wir übers Internet die letztwöchige Folge Kitchen impossible an, von der so viel geschwärmt worden war.

Nun habe ich ja keinen Vergleich, weil mich Fernseh-Kochshows nicht interessieren und ich die anderen nicht kenne. Aber dieses Konzept fand ich ganz spannend, unter anderem das nicht-lineare Erzählen: Dazwischen wird immer wieder gezeigt, wie die konkurrierenden Köche zusammen ansehen, was von ihnen bei ihren Abenteuern gefilmt wurde.
Worüber ich immer wieder bei Fernseh-Non-fiction stolpere: Dass das Kamerateam nicht thematisiert wird. Juan Amador wird beim Trampen in Finnland nicht mitgenommen? Klar: Wenn ich einen Mann plus Kamerateam am Straßenrand stehen sehe, halte ich auch nicht an. Amador steigt in ein Auto, das endlich hält, und fährt los – und in der nächsten Aufnahme sitzt das Kamerteam offensichtlich auf dem Rücksitz und filmt ihn im Gespräch. Ich fühlte mich verarscht. Im Theater spricht man ja von der unsichtbaren vierten Wand, der zum Publikum – gibt es im Fernsehen eine unsichtbare zweite, hinter der das Kamerateam steht?
Das soll sich jetzt aber nicht so lesen, als glaubte ich, die Show sei nicht ohnehin von A bis Z durchgescripted.

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Schöne Leseentdeckung bei Maximilian Buddenbohm:
“Kleine Szenen (8)”.

  1. a) Komme ich in das Alter, in dem Verkäufer nicht mehr befürchten müssen, ich könnte solche Kommentare anders als scherzhaft auffassen, b) schreitet die Prenzlauerbergisierung des Glockenbachviertels voran, so dass auch hier Lehrer ihre Schüler bald mit dem Argument zum Englischlernen bringen, dass sie sonst keinen Kaffee bestellen können. []
die Kaltmamsell

11 Kommentare zu „Journal Samstag, 5. März 2016 – WMDEDGT“

  1. Buchfink meint:

    Na, Sie “lovely lady”, der boulanger war wohl von Ihnen echt beeindruckt, davon bin ich überzeugt. Und einen wunderbaren Tag hatten Sie außerdem noch.

  2. die.sandra meint:

    Hm, unser Gläserschrank ist ja eigentlich schon voll: Bierkrüge, Biergläser, Gerippte, Likörgläser, Rotweingläser, Weißweingläser, Sektgläser in Farbe und durchsichtig, Whiskygläser, Rumgläser, Cocktailgläser diverser Spirituosenhersteller, Gintonic- Gäser diverser Ginhersteller und Eisbecher…aber Ihre Gläser für Cosmopolitan (ich glaube, Sie haben die auch schon für andere Cocktails vorgestellt) finde ich so chic, dass ich mir denke, dafür könnte doch noch ein kleines bisschen Platz sein. Und ich weiß, dass nur der Gedanke daran mir schon eine Steinigung durch meinen Freund einbringt..

  3. die Kaltmamsell meint:

    Das sind klassische Martinigläser, die.sandra, die sind doch Basisausstattung.

  4. kalua meint:

    Welchen Cranberrysaft benutzen Sie für Cosmopolitans? Ihre schauen so “richtig” aus, in Vergleich zu denen in vielen Bars.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Das ist Alnavit Cranberry Muttersaft aus dem Bioladen, kalua.

  6. kalua meint:

    Vielen lieben Dank, verehrte Kaltmamsell. Ich war mir sicher, dass es keinen von diesen “transparenten” Säfte ist.
    Yay, jetzt kann es auch bei mir mit den Cosmopolitans los gehen.

  7. Steffi meint:

    Also, von mir aus könnte das auch jeden Tag so ausführlich sein – ich kann daran nichts Ermüdendes finden.

  8. Inge meint:

    Verraten Sie bitte vielleicht trotzdem, wie Lemon Curd in der Mikrowelle zubereitet wird?

  9. die Kaltmamsell meint:

    Bitteschön, Inge:
    Helene’s easy-peazy-lemon-squeezy microwave lemon curd
    Ingredients: juice and zest of 2 lemons, 2 well-beaten eggs, 225g caster sugar, 110g butter (unsalted if you’ve got it!)
    Put all ingredients into a microwave-proof bowl (preferably glass and one that actually fits inside your microwave!), sieving both the juice and eggs. Stir and cook on high for one minute. Stir and continue to cook for one minute intervals until butter has melted and the mixture begins to thicken. Then cook for 30 second intervals, always stirring well inbetween, until the mixture is thick enough to coat the back of a spoon. Then pour into a warm clean jar and when it’s cool, put in the fridge. It should keep for at least 4 weeks.
    Variations: add a spoonful of Drambuie (Scottish whisky/honey liqueur) to give it a nice kick.

    Meine Zubereitungsvariante notiere ich, wenn ich die ideale Menge Zitronensaft gefunden habe: “Saft von 2 Zitronen” kann alles von tropfend bis schnittfest erzeugen, je nach Saftigkeit. Das will ich präzisieren.

  10. Inge meint:

    Herzlichen Dank, wird in den nächsten Tagen ausprobiert!
    Mein Lieblingsrezept mit optimalem Ergebniss im Wasserbad: 50ml Saft, Schalenabrieb, 2 große Eier, 100g Zucker, 60g Butter

  11. Inge meint:

    Das eine “s” hätte ich gerne wieder zurück

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