Journal Samstag, 2. April 2016 – Trippa a la romana
Sonntag, 3. April 2016 um 9:22Sehr lang geschlafen, mit ganz erstaunlichem Muskelkater aufgewacht. Als ich die Schlafzimmertür öffnete, stand davor Herr Kaltmamsell mit einem handgeschriebenen Schild: “KAFFEE!”
Fortschrittener Morgen, heftiger Muskelkater, und dann war’s auch noch trübe: Ich blies meine Laufpläne ab.
Durch eine Nachricht von Xing erfuhr ich, dass mein Vorarbeitgeber wohl nicht mehr existiert: Der Geschäftsführer hat eine neue Stelle bei einer Firma unter seiner Heimadresse, seine Vize gibt ebenfalls nicht mehr diese Agentur als Arbeitgeber an. (Ich warte immer noch auf mein Arbeitszeugnis über die Zeit, drückte mich bislang vor einem Nachhaken, jetzt wird’s schwierig.)
Das Trübe am Himmel lichtete sich, ich machte mich auf eine Einkaufsrunde. Bei Eataly sah ich nach Pancetta und Pecorino romano – Freitagabend hatte ich festgestellt, dass es die vertraute italienische Feinkosttheke in der “Schlemmergasse” des Stachus-Untergeschoßes nicht mehr gibt. Eataly hatte nicht nur Pancetta und Peccorino romano, sondern auch Guanciale. Zudem nahm ich ein kleines Brot Grano duro mit. Auf dem Viktualienmarkt Grie-Soß-Kräuter für Sonntag besorgt, im Kaufhof am Marienplatz weitere Kräuter und Dickmilch (einzige mir bekannte Verkaufsstelle in der Innenstadt), beim Alnatura weitere Milchprodukte sowie Dosentomaten.
Daheim stellte ich fest, dass die Kastanie vor dem Balkon endlich Pfötchen gibt.
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Am Freitagabend hatte ich Five Quarters von Rachel Roddy ausgelesen.
Ich hatte sie sehr gerne gelesen, die Geschichte der nicht mehr richtig jungen Britin, die – eigentlich auf dem Weg nach Sizilien – in Rom hängen bleibt. Dort isst und kocht. Das Buch kommt als Kochbuch daher, besteht zeittypisch aber hauptsächlich aus sehr persönlichen Geschichten übers Essen und Kochen – wie Rachels Blog ja auch. Große Rollen spielen darin das Stadtviertel Testaccio, in dem Rachel wohnt, ihr Partner Vincenzo und der dreijährige Sohn, der für die Niedlichkeit im Gesamtbild zuständig ist, allerdings auch als Referenz für die Qualität von Gerichten und Cafés herangezogen wird (?). Die Rezepte gefielen mir, alle zeichnen sich durch eine geringe Anzahl von Zutaten und (scheinbar?) simple Zubereitung aus. Die Verbindung von italienischer und englischer Kochtradition kommt meinen persönlichen Vorlieben ohnehin entgegen. Ich mochte auch Rachels Beschreibung, wie sie gewohnte einfache Handgriffe in der Küche neu lernte. Das alles allerdings in einer Umgebung, die viele Klischeevorstellungen von italienischer Alltagsküche erfüllt (die Nachbarinnen, aus deren Küchen es ab 11 Uhr nach Sofritto duftet), aber ohne auch nur eine Andeutung, dass diese alltäglich Koch- und Esskultur in Rom (und ganz Italien) seit vielen Jahren verschwindet.
Nach Rachels Rezept kochte ich gestern Trippa a la romana, also römische Kutteln. Den Geruch von kochenden Kuttlen kenne ich ja seit Kindertagen, weil meine Mutter immer wieder callos a la madrileña servierte – ich mag ihn sehr gerne. Vor 30 bis 40 Jahren musste eine Mutter beim Metzger noch dazusagen: “Aber bitte saubere, sie sind nicht für den Hund.” Und wenn sie das erzählte, betonte sie immer, dass sie sich nicht dafür schämte – Kutteln wurden als Abfall angesehen. Heute bekäme ich sie auch auf dem Viktualienmarkt in den auf Innereien spezialisierten Metzgerläden, doch der Süpermarket Verdi hat sie auch immer und liegt bequemer. Kutteln sind Pansen, einer der vier Mägen des Wiederkäuers Rind. Er wird gereinigt und vorgekocht verkauft.
Es fällt mir schwer nachzuvollziehen, was an rohen Kutteln eklig sein soll, sie fühlen sich an wie weiches feuchtes Fell. Dass man das Glibbrige gekochter Kutteln ablehnt, leuchtet mir schon eher ein.
Unvertraut war mir die Geruchsverbindung von Zwiebel, Pancetta und Minze in der Pfanne – eine wunderbare Kombination.
Als Aperitiv gab es Negroni nach Rachels Anweisung. Geruch und Geschmack von Campari weckten in mir immer 80er-Erinnerungen – und die daran, dass er mir eigentlich nicht schmeckt.
Das fertige Gericht: Sehr schmackhaft, das nächste Mal reduziere ich aber die Flüssigkeitszugabe. Begeistert war ich von Pancetta und Pecorino romano: Beides schmeckte intensiv und sehr eigen. Gerade italienischer Käse, den man in Deutschland bekommt, kenne ich eigentlich nur in den Geschmacksrichtungen “salzig und sonst nichts” (Parmesan & Co.) oder “sahnig und sonst nichts” (Mozzarella & Co.), zudem die Verbindung von beidem (Fontina/Gorgonzola). Aus Rom und von Hande weiß ich ja, dass es im Land selbst ganz köstliche Käsesorten mit differenziertem Geschmack gibt – gestern habe ich mit diesem Pecorino gefühlt zum ersten Mal einen auch hier gekostet. Das Brot dazu war ungesalzen, also wahrscheinlich ein toskanisches Rezept. Erst mal für mich gewöhnungsbedürftig, zu den herzhaften Kutteln passte das aber sehr gut.
Herr Kaltmamsell hatte mich vor Kurzem darauf hingewiesen, wie lange ich schon keine Mousse au chocolat mehr gemacht habe. Es gab eine am Nachmittag vorbereitete zum Nachtisch.
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Herr Skizzenblog hat vergangene Woche im Fernsehen Fußball geguckt und die Kommentare des Moderators gezeichnet. Wunderbare Unmsetzung der Floskel, deren Blödsinn die Fußball-affine Welt wahrscheinlich gar nicht mehr wahrnimmt. Mein Favorit: der ungenaue Ball.
“#GERITA”.
5 Kommentare zu „Journal Samstag, 2. April 2016 – Trippa a la romana“
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3. April 2016 um 11:36
Einstens musste ich auch einem Arbeitszeugnis hinterher rennen. Ich habe es dann selbst formuliert und dem Arbeitgeber als Datei geschickt. Sehr schnell kam es dann ohne Änderungen zurück auf Firmenbriefpapier. Vielleicht wäre das für Sie auch eine Möglichkeit?
3. April 2016 um 12:34
Ich hatte es an meinem letzten Arbeitstag bereits selbst formuliert dem Arbeitgeber als Datei hinterlassen, Buchfink. Und gehofft, es so oder so ungefähr auf Firmenpapier zurückzubekommen.
3. April 2016 um 13:40
Die Sendung mit der Maus hat sich der Fußball-Floskeln auch schon einmal angenommen: https://www.youtube.com/watch?v=Zo44IukP5qU
3. April 2016 um 13:54
Großartig, Cornelia, den hatte ich schon wieder ganz vergessen!
3. April 2016 um 22:13
Das liest sich toll. Ich entdecke gerade Innereien neu, leider zieht meine Familie da nicht so recht mit. Wenn Sie das nächste Mal in Berlin sind, müssen wir zu Herz und Niere (http://www.herzundniere.berlin), das soll ganz großartig sein.