Ich hatte mich am Freitag für nach Feierabend mit Herrn Kaltmamsell am Zug verabredet: Plan war, in Garmisch meinen Vater im Krankenhaus zu besuchen (neues Knie) und zu wandern. Allerdings war schlechtes Wetter vorhergesagt, wir würden flexibel sein müssen.
Von Garmisch hatte ich nur vage Vorstellungen. Meine Besuche hatten sich in der Vergangenheit aufs örtliche Kino beschränkt (davon unten mehr), an den Rest hatte ich kaum Erinnerungen (gab es nicht gegenüber vom Kino eine Pizza Hut?).
Unterkunft hatte ich in der Altstadt gebucht; auf der Karte sah der Ort so übersichtlich aus, als könne kein Weg länger als 20 Minuten dauern. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte. Schon vom Bahnhof (pünktliche Ankunft, allerdings in einem unklimatisierten Backofen) zum Marienplatz gingen wir 20 Minuten – durchgeschwitzt von der Bahnfahrt durchaus anstrengend.
Das Restaurant, dass ich vorher recherchiert hatte, war dann aber wirklich nah: Vaun.
Ich aß Kürbismousse mit Zwetschen, Staffelseerenke mit Kräutersaitlingen und Asiareis, dazu lernte ich Welschriesling aus der Steiermark, von Skoff. Schmeckte mir sehr gut, passte wunderbar zum Kürbis, ist nicht verwandt mit Riesling. (Was die Empfehlerin nicht wusste.)
Am Samstag ausgeschlafen, zu sonnigem Sommerwetter aufgewacht.
Dafür, dass ich aus Oberbayern komme, empfinde ich Alpen-hohe Berge schon als sehr exotisch. Na gut, aus dem nördlichsten Oberbayern. Tatsächlich konnte ich schier nicht mit BOAH!-Fotos aufhören.
Zudem sieht Garmisch an jedem Eck wie ein 50er-Jahr-Film aus, statt der omnipräsenten Damen in Niquab erwartet man Peter Alexander mit Band auf einem Pferdewagen oder Heinz Erhardt an Pettycoat-Mädel. Vielleicht halt ein 50er-Film von Buñuel.
Vor allem aber gibt es in Garmisch dieses Kino:
Als ich Ende der 80er, Anfang der 90er in Augsburg studierte, waren amerikanische Streitkräfte in beachtlicher Stärke in Garmisch stationiert. Und für sie liefen in diesem Kino US-Filme nicht nur unsynchronisiert, sondern auch immer bereits zum US-Start. Regelmäßig packten wir das eine im Freundeskreis vorhandene Auto voll und fuhren auf zwei bis vier Filme nach Garmisch. Mit einer Pause für Pizza in der Pizza Hut gegenüber. Hier sah ich unter anderem Jurassic Park und Sliver.
Gestern frühstückten wir unter Obstbäumen im Garten des Hoffmanns.
Doch langsam wurde ich unruhig: Wir wollten vor unserer Wanderung über Kochelbergalm und Partnachalm ja noch meinen Vater im Krankenhaus besuchen, und für den Nachmittag war ein Wetterumschwung angekündigt. Der Routenplaner von Google Maps gab trocken an, dass es zur Klinik zu Fuß knapp 4 Kilometer und eine gute dreiviertel Stunde waren. Wir hasteten los.
Tatsächlich wurde das erst mal ein kurzer Besuch: Mein Vater hatte um 11 Uhr einen Physiotermin, er konnte uns gerade noch versichern, dass es ihm gut ging. Wir verabredeten uns für nach dem Wandern.
So eine Skischanze ist schon ein eher absurdes Sportgerät.
Kochelbergalm mit Fischweiher (und Hühnern und mächtigen Gänsen und Schweinen).
Mittagspause auf der Partnachalm: Ich hatte Spaghetti Bolognese, Herr Kaltmamsell abgebräunten Leberkäse mit Kartoffelsalat. Ich hoffe, wir haben den Kellner durch Anwesenheit, Hunger und den Wunsch zu zahlen nicht zu sehr belästigt.
Verlass dich niemals auf ein Wörterbuch.
Partnachklamm von oben.
Wir üben Selfie. (Irgenwann klappte es besser.)
Partnachklamm von drinnen.
Das Wetter schlug wie vorhergesagt um. Als wir kurz vor vier wieder in die Klinik kamen, hatten uns erste Regentropfen angespritzt.
Unglaublich, was die Medizin heute kann. Mein Vater stand bereits zwei Tage nach der OP wieder auf eigenen Beinen (unterstützt von Krücken, na gut).
Der Regen war stärker geworden. Doch Herr Kaltmamsell wies darauf hin, dass wir jetzt in geschützter Umgebung testen konnten, wie regendicht unsere Wanderjacken und -hosen tatsächlich waren – wir gingen die knappe Stunde zu Fuß zum Hotel. (Ergebnis: Nach einer halben Stunde Starkregen wird man auch innen nass.)
Und Abendessen gab es aus Nostalgiegründen gegenüber vom Garmischer Kino: in der Pizza Hut. Cheese Crust ist möglicherweise eine der akzeptableren Erfindungen der Nahrungsmittelindustrie.