Archiv für September 2016

Journal Donnerstag, 29. September 2016 – Moselsteig Konz-Trier

Freitag, 30. September 2016

Der Sonnenschein kam zurück und wärmte – schon nach wenigen Minuten Wanderung packte ich auf dieser letzten Etappe meine Jacke weg.

Nach einem Frühstück (ich hatte Appetit – UND es gab selbst gemachte Weinbergpfirsichmarmelade) zog ich erstmals über die Mosel. Zur Feier des Augenblicks präsentierte sie mir Schiffsverkehr (Gruß bayerischer Seeleute: “Hoi, a Schiff!”), und der Steuermann oder Kapitän – der Mann halt, der seinen sonnenbebrillten Kopf aus dem Häuschen am Ende des Containerkahns streckte, erwiderte mein Winken.

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Die Etappe bot nicht so viel Abwechslung wie die vergangenen Tage, unter anderem ging ich anderthalb Stunden auf einem breiten Forstweg durch wenig spektakulären Wald. Doch auch gestern genoss ich das Gehen, reizarme Umgebung hatte fast meditative Wirkung (als wenn ich wüsste, was das ist). Und obwohl sich der eine oder andere Muskel in Wade und hinterem Oberschenkel durch Ziehen bemerkbar machte, hätte ich nichts gegen einen weiteren Wandertag gehabt.

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Der Autobahnlärm begleitete mich ein großes Stück dieser Wanderung. Doch es gab auch wieder malerische Tiere.

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Das hier war der lange Forstweg. Ich begegnete auch zwei Trupps Waldarbeiter mit schwerem Gerät, die riesige Stämme stapelten (und freundlich grüßten).

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Zum ersten Mal auf dieser Tour kehrte ich richtig ein. Das Wanderbüchlein hatte das Café Mohrenkopf und seine Kuchen empfohlen.

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Der Garten mit Aussicht ist wunderschön, der Apfelkuchen schmeckte – ich kann gut verstehen, dass dies hier für Trierer der Klassiker an Ausflugslokal ist. Als Cappuccino wurde mir Filterkaffee mit Sahnehaube serviert.
Im Grunde könnte ich hier meinen Nifften meine Jugend vorführen. Mich erinnert die Moselgastronomie bislang nämlich keineswegs an Heinz Erhard und die 50er, sondern an die späten 80er, frühen 90er: Die Speisenkarten voller Ratsherrnpfännchen, Schnitzel, Hackbraten, der Cappuccino bereits als Phänomen bekannt, aber noch aus vorhandenen Zutaten gebastelt. Die Vorhangmuster fiffig, die Stickbilder an der Wand noch ernst gemeint (“Omma hat die so geliebt.”) und nicht ironisch retro.

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In Trier lief ich noch ein halbes Stündchen zu meiner Unterkunft in der Altstadt. Mein Koffer wartete wieder bereits auf mich (Gepäcktransport klappte völlig problemlos, und da ich den Koffer jeweils spätestens um 9 Uhr bereitstellen musste, kam ich auch immer früh los), WLAN vorhanden, hurra.

Abends ging ich durch die Fußgängerzone zum Weinhaus. Ich hoffte dort auf Interessantes zu lokalen Weinen und fragte nach dem Neuesten, Interessantesten, Abgefahrensten – an Methoden, Sorten, was auch immer. Vielleicht etwas Spontanvergorenes? Hm, beschied man mir, es gebe da einen, der mache Weißwein aus eigentlich Rotweintrauben, Blanc de noir. Ich sah ein, dass es abgfahrener an der Mosel nicht werden würde.

Heimweg durch eine laue Sommernacht.

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Für die Statistik: Sechseinhalb Stunden mit einer großen und ein paar kleinen Pausen, 24 Kilometer.

§

Andrea Diener macht mir Lust aufs Oktoberfest. Nämlich auf das in Kanazawa.
“Oktoberfest interkulturell: Egal, es gibt Bier!”

Journal Mittwoch, 28. September 2016 – Moselsteig Nittel-Konz

Donnerstag, 29. September 2016

Der gestrige Wandertag startete mit der gewohnten Sonne, bewölkte sich aber bald. Solange es trocken bleibt, macht mir das nichts aus.

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Das Hotel in Nittel war auf jeden Fall schon mal Sieger in Zimmerausblick.

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Nittel kann schon was.
Mein erstes Ziel dieser Etappe waren die Nitteler Felsen.

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Dass mir hier unvermittelt von rechts ein Reh in den Weg sprang, müssen Sie mir einfach glauben – ich guckte lieber, als ein Foto zu versuchen.

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Ab hier führte der Weg weg vom Moseltal – was sich deutlich in der Geräuschkulissen zeigte: Auf beiden Seiten der Mosel tost lauter Verkehr. Jetzt wurde es stiller.

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Nachdem ich mich schon am Vortag ein wenig verlaufen hatte und ein Stück zurückgehen musste (und selbst dann dem Hinweisschild schier nicht glauben wollte, weil es in einen Bauernhof zu zeigen schien – das Wanderbüchel noch dazu “scharf rechts” schrieb, wo es doch hier erst mal nach links ging), verpasste ich auch gestern eine Abzweigung. Diesmal ging ich den langweiligen Feldweg nicht zurück, um die Abzweigung doch noch zu finden, sondern schlug mich querfeldein zu der Landstraße durch, die ich laut Plan in einem Wald überqueren musste. Das klappte.

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Mittagspause mit Ausblick auf Fellerich. Als ich mich wieder startklar machte, kam das Wandererpaar von gestern ums Eck – meine einzige Begegnung mit anderen Wanderern heute.

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Der Albach.

Die letzte Stunde der Wanderung nach Konz war gar nicht schön: Mehrspurige Kreisverkehre, Kieswerk, Kläranlage, auf dem vermüllten Weg entlang den Bahngleisen haben mich Jahrzehnte Tatort-Gucken gelehrt, jederzeit einen Leichenfund zu erwarten.

Zum Übernachten landete ich in einem “Park Hotel” direkt an der Route, das ich mir aufgrund seiner Website erheblich großartiger vorgestellt hatte (Sauna- und Wellnessbereich!) als das versteckte Ausfallstraßenhäuschen, als das es sich entpuppte. Aber: Ich wurde schon an der Rezeption gefragt, ob ich WLAN-Zugang brauche. UND! Die Rezeptionistin erklärte mir ungefragt Frühstücks- sowie sonstige Essensmodalitäten sowie Saunazugang, begleitete mich sogar zum Zimmer. Sie sprach mit einem Hauch von thüringischem Akzent – natürlich.

Ich habe mir nämlich inzwischen einen kleinen Stapel Vorurteile zur heimischen Bevölkerung zurechtgelegt: Bislang habe ich sie als ausgesprochen mufflig erlebt. Grüße oder auch nur Anlächeln auf der Straße bleiben unerwidert. Beispielsituation: Ich wandere durch ein Dorf, in einem Vorgarten wird gegärtnert, Gärtnerin sieht mich an, ich lächle und sage “Guten Tag” (ich spreche nämlich Außerbayerisch) – keine Reaktion in Wort oder Mimik. Zurückgegrüßt wurde ich bislang nur von Touristinnen. In den Unterkünften bekam ich nur die allernötigsten Auskünfte, bislang nicht mal die Standardinfo bei Schlüsselübergabe zu Zeit und Ort des Frühstücks. Smalltalk bot mir Hotelpersonal bislang dreimal an: 1. “Sind Sie mit Rad oder zu Fuß da?” 2. “Sie machen den Moselsteig?” 3. “Wandern Sie heute nach Palzem oder nach Konz?” Mit meiner Antwort endete das Gespräch jeweils.
Das hat nichts von der Einsilbigkeit, die ich aus Westfalen oder Hamburg kenne – die ich nie als unfreundlich wahrgenommen habe, sondern lediglich als effizient. Hier empfinde ich das als aktives Desinteresse.
Wenn sich hier bislang jemand um mich kümmerte, mich auch nur mit offenem Blick ansah, klang sie deutlich von wo anders.

Auf Twitter wies mich @Marqueee auf einen FAZ-Artikel von 2013 hin, der eine Erklärung für das anbietet, was ich als Muffligkeit empfinde:
“Der Schönheit wohnt der Schrecken inne”.
Für Hinweise auf wirklich interessante Weine hoffe ich in Trier auf Das Weinhaus.
(Allein schon dass ich nirgends in der Gastronomie Spuren all der Obstbäume sah, an denen ich vorbeiwandere. Statt dessen wird Marmelade vom Discounter serviert. Und Brot oder Brötchen in auch nur ansatzweise akzeptabler Qualität sind mir auch noch nicht begegnet. Genauso wenig wie eine Bäckerei, fällt mir gerade auf.)

Das Hotelzimmer machte sich mir sofort sympathisch mit Teekochmöglichkeit (für mich so britisch, dass ich sofort “tea and coffee making facilities” denke) und einem Bademantel. Ich war wieder so verschwitzt, dass ich dringend erst mal duschen wollte – danach waren ein Bademantel und eine Tasse Tee paradiesisch.

In der Folge ging’s mir richtig gut und ich wurde schon wieder abenteuerlustig: Zum Abendessen ging ich fünf Minuten in den Ratskeller. Ich bekam freundliche Ansprache (“Was lesen Sie denn da?”) und Rahmpfifferlinge mit Spätzle. Dazu einen Grauburgunder aus Ayl, ok. Auf dem Rückweg flippte ich völlig aus und holte mir bei einer Eisdiele Dolomiti (a name you can trust) ein großes Eis MIT Sahne. Damit setzte ich mich ans Ufer der SaaleSaar, die in Konz in die Mosel mündet.

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Gewandert in 6,5 Stunden mit zwei Pausen: 26 Kilometer.

§

Ein wunderschönes Beispiel, wie Wissenschaft funktioniert. Da war dieser Artikel “Better Identification of Viking Corpses Reveals: Half of the Warriors were Female”. Der mal wieder nachwies, dass es unnütz ist, jetzige Normen für geschichtliche Interpretationen zu verwenden. Doch dann kommt jemand auf tumblr daher und nimmt das wiederum auseinander, und zwar durch das Hinterfragen der dort verwendeten Begriffe (z.B. “Viking”) und Einordnungen (z.B. Identifikation des Geschlechts eines Skelletts). Vom Hölzchen aufs Stöckchen bis zum höchstwissenschaftlichen

Who fucking knows.

Hier geht’s zum Text (mit viel Inhalt aber unbetitelt).
via @journelle

Journal Dienstag, 27. September 2016 – Moselsteig Palzem-Nittel

Mittwoch, 28. September 2016

Viiiel besser: In Nittel (das ich immer mit einem englischen silent k am Anfang schreiben möchte) gibt es nicht nur WLAN, sondern auch ganz unkompliziert offen.

Am Morgen traf ich in Schloss Thorn auf eine Zimmerwirtin, die mir nicht nur ein ausgesprochen liebevolles Frühstück in die Küche stellte, sondern auch jovial und kommunikativ war. Von ihr erfuhr ich unter anderem, dass die Weinlese im Moment erst beginnt – ich hatte mich schon gewundert, dass ich niemanden in den Weinbergen gesehen hatte.

Frühstücksappetit brachte ich dennoch nicht auf, ich belegte mir zwei Semmeln und nahm sie mit einem Ei zur Brotzeit für unterwegs mit. Den Tee aber genoss ich sehr.

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Diesmal nahm ich den Weg an der Mosel, um zurück zur Wanderroute Moselsteig zu gelangen.

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Das Wandern war bei allerschönstem Wetter wundervoll. Allein zu gehen heißt auch, dass ich noch mehr in Gedanken versinke als zu zweit – und wenn ich meine Umgebung dann wieder richtig wahrnehme, befürchte, etwas Aufregendes an Aussicht, Landschaftsdetail oder gar ein wildes Tier übersehen zu haben.

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Blick auf die Helfanter Mühle.
Beim Wandern auf Helfant zu fiel mir die für den Ort doch etwas überdimensionierte Kirche auf – die wollte ich genauer sehen. Tatsächlich ist dieser Helfanter Dom gar nicht so alt.

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Neben einem Birnbaum machte ich in der Wiese Pause und frühstückte. Hinter mir hörte ich Greifvögel schreien, hin und wieder sah ich einen losfliegen (Bussard? Habicht?).

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Das erinnerte mich an ein ganz bestimmtes Gemälde – aber welches nur?

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Am ersten Tag war ich fast allein auf der Strecke gewesen, wurde nur von einem Wanderer überholt, auf den ich später nochmal traf, und von einem Mountainbiker; entgegen kam mir nur eine Dreiergruppe. Gestern überholte ich zwei Wanderer, die zusammen gingen, die nach meiner längeren Pause wieder aufgeholt hatten. Sonst niemand. Ich genieße das sehr und merke, wie mir allein schon ein anderer Wanderer im Sichtfeld lästig ist.

Weitere Tiersichtungen: Drei Graureiher auf einer Wiese, die von Krähen vertrieben aufflogen. Im Zielort Nittel eine Schafstelze im Bächlein (klar musste ich die erst nachsehen, aber “Bachstelze, bloß mit gelbem Bauch” reichte).

Ich wohnte in einem Weingut mit Restaurant und Hotel (diesmal zum Glück nur 10 Minuten vom Moselsteig); auf deren Terrasse aß ich zu Abend.

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Es wurde eine als lokal angepriesene Elblingsülze, zu der ich natürlich dann auch die alte Rebsorte Elbling trank.

Wieder als Nachtrag: In sechs Stunden mit zwei Pausen ging ich 24 Kilometer.

Journal Montag, 26. September 2016 – Moselsteig Perl-Palzem

Dienstag, 27. September 2016

Dieser Blogpost wird mit Verspätung veröffentlicht, da sich die zweite Unterkunft am Moselsteig (ich hatte ein Paket gebucht) als nicht nur wenig Wanderer-geeignet erwies (2 Kilometer entfernt vom Endpunkt der Etappe an der Bundesstraße gelegen), sondern auch kein WLAN hatte. Ich wäre über mein iPhone online gegangen, doch die sonst so flotte Bluetooth-Verbindung wurde nicht erkannt, und ich hatte keinen Internetzugang, um nach möglichen Ursachen zu recherchieren. (Die arme Angestellte, die an mich geriet: Ich nervte sie mit Bitten um ein WLAN-Passwort, die Fritzbox hatte mein Rechner gefunden. Sie wusste von nichts.)

Die Wanderung aber war schön. Ich brach in Perl um 9 Uhr bei wunderbarem Sonnenschein auf – ich hatte mich sogar zu Frühstück gezwungen, weil es unterwegs keine Einkehrmöglichkeiten geben würde und ich nur Äpfel und Nüsse dabei hatte.

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So marschierte ich los.
Zum Glück hatte ich mir am Vortag den Beginn des Wegs angesehen: Die mannshohen Schilder „Wanderung Moselsteig“ zeigten nämlich zum Bahnhof, nicht zum Wanderweg.

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Dreiländereck.
Der Wanderweg Moselsteig selbst ist hervorragend ausgeschildert. In mein Wanderbüchlein sah ich nur für Hinweise zur Umgebung.

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Ich kam an ein eingezäuntes Grundstück, an dem eine Stelle kahlgetrampelt war: Da gab es offensichtlich etwas zu sehen.

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Damwild. Aus der Herde löste sich ein Tier und kam langsam näher. Irgendwann merkte ich, dass es sich nicht um ein zweibeiniges Jungreh handelte, sondern um ein Emu.

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Es kam zu mir an den Zaun und wir sahen einander eine Weile erwartungsvoll an. Als nichts passierte, gingen wir unserer Wege.

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Ich kam durch viele, viele Obstgärten, die meisten davon Streuobstwiesen, manche Spalier (vor allem Äpfel, aber auch Birnen und ganz wenige Zwetschgen).

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Am Eingang meines Zielorts Palzem sah ich auch eine Ernte: Die Äpfel waren offensichtlich vom Baum geschüttelt worden, hinten sieht man den Ernter mit einer Einsammelschaufelschnecke (für Saft, nehme ich an).

In Palzem suchte ich auf Google Maps nach dem Weg zu meiner Unterkunft – und staunte nicht schlecht über das Resultat: Zwei Kilometer auf der Bundesstraße raus aus dem Ort.

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Das war sehr unangenehm; wenn Lastwagen entgegen kamen, wurde es eng. Am nächsten Tag muss ich das ja wieder zurück, um zum Moselsteig zu kommen, da nehme ich lieber den Umweg am Moselufer entlang.

Auch dass es in oder auch nur bei der Unterkunft nichts zu essen geben würde, stand nicht in den Unterlagen; da aber lediglich ein Weinladen als Teil der Anlage genannt wurde, schloss ich das rück. Erwähnt war aber eine Küche, die man benutzen könne: Ich hatte eine Dose Linseneintopf eingepackt, die ich mir in dieser Küche warm machte. Eingepackt hatte ich vorsorglich auch ein Taschenmesser mit Dosenöffner, ging aber davon aus, dass es in der Küche einen handelsüblichen Dosenöffner geben würde.

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Gab es nicht. Und ich kann jetzt Konservendosen mit dem Taschenmesserdingsi öffnen. Dauerte nur eine knappe halbe Stunde, und ich blutete nicht mal.

Während ich noch aß, kamen ein paar Männer in Arbeitskleidung in die Küche, Tüten mit Lebensmitteln in der Hand: Es stellte sich heraus, dass sie in den anderen Zimmern des B&B-Häuschens wohnten und den Tag mit Arbeit im Steinbruch verbracht hatten. (Ich war so neugierig, dass ich sie sogar ansprach, um das herauszufinden: „Sie sehen nach Arbeit aus?“)

Insgesamt bin ich wohl einfach verwöhnt von der Fürsorglichkeit unserer Englandwanderung. Der dortige Anbieter hatte die Wege zur Unterkunft genau erklärt, auch dazugeschrieben, ob und wo es vor Ort Einkehr- oder Einkaufsmöglichkeiten gab. Und die B&B-Wirtsleute waren allesamt jovial und kommunikativ.
Nachtrag für die eigene Chronik: Das waren sieben Stunden Wandern mit zwei Pausen, ca. 30 Kilometer.

Journal Samstag/Sonntag, 24./25. September 2016 – Augsburg, München, Mosel

Montag, 26. September 2016

Zu Herrn Kaltmamsells Geburtstag hatten seine Eltern nachträglich zu sich zum Mittagessen eingeladen (wir hatten versucht, sie in München bei uns zu bekochen, doch das nebenan tobende Oktoberfest schreckte sie ab). Also fuhren wir zu zweit im Zug zwischen den leeren Bierflaschen der Oktoberfestbesucher nach Augsburg.

Es gab sehr gutes Essen, von Vitello tonnato über Rehrücken mit Spätzle und madeiranische Passionsfruchtcreme bis Pfirsichkuchen.

Zu unserer Überraschung war der Zug zurück nach München am späten Nachmittag leer – ich machte mir bereits Sorgen, ob nicht ein Unglück auf dem Oktoberfest passiert sein könnte.

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Sonntag trat ich meinen Wanderurlaub an (allein, weil ein Lehrer halt nicht einfach Urlaub nehmen kann) (mit den Jahren machen immer mehr Sachen mehr Spaß, wenn Herr Kaltmamsell dabei ist) (sollte das nicht eigentlich umgekehrt sein?) und nahm in der berühmten Herrgottsfrüh einen Zug ins Saarland: Ich werde ein Stück Moselsteig gehen. Dass das angemessen weit weg vom Münchner saisonalem Krawall ist, sah ich schon an der Reisezeit: Mit zweimal Umsteigen brauchte ich ins schöne Perl gut sieben Stunden. Unterwegs sah ich untern anderem Nebelfetzen über sonnenbeschienenen Wiesen und einen Graureiher unter einem Apfelbaum.

Der Ankunftsbahnhof Perl überraschte mich doppelt.

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Zum einen mit einer wunderschönen Schriftart, die ich vor allem mit Romanen von P.G. Wodehouse verbinde. Zum anderen mit einem Grad von Heruntergekommenheit, den ich der Deutschen Bahn gar nicht zugetraut hätte.

Ich stieg eine halbe Stunde in praller Sonnenhitze hoch zum Hotel (eher gesichtslos), ich schwitzte in Strömen. Nach einem kurzen Snack sah ich mich im und um den Ort um; unter anderem wollte ich mich orientieren, wo genau ich am nächsten Morgen den Moselsteigweg beginnen würde – die Angaben im Wanderbuch waren eher vage.

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Die Nähe zum Luxemburg und Frankreich ist unübersehbar.

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Abendessen im Restaurant, zu dem die Hotelzimmer gehören, neben einer Festgesellschaft (ist wohl das feine Restaurant am Ort).

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Und Verwunderung, welcher Gedankengang nur immer wieder zu solchen Hotelzimmervorhängen führt.

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Journal Freitag, 23. September 2016 – Flucht ins Buch

Samstag, 24. September 2016

Kein guter Tag. Es schien zwar immer wieder die Sonne, ich hatte ausgeschlafen, doch ich bekam einfach die Schatten nicht vom Gemüt.

Vormittags kochte ich Lammragout mit karamellisiertem Knoblauch, um es zum Abendessen aufwärmen zu können. Funktionierte alles gut bis auf das Ausdrücken der gebackenen Knoblauchzehen aus der Haut: eine ausgesprochen klebrige Sauerei, überall Fitzelchen von Knoblauchhaut.

Ich hatte einfach keinen Appetit, gegen die Hungerbauchschmerzen aß ich mittags eine Tasse Haferflocken mit süßer Milch.

Friseurtermin. Meinen Plan, auf einen 80er-Popperhaarschnitt hinzuarbeiten, habe ich mittlerweile aufgegeben: Mein Haar legt sich immer nach vorne, ich müsste es durch eine ganze Reihe von Schäumen und Wachsen in die Gegenrichtung pappen. Der tägliche Aufwand ist mir zu viel. Also lieber wieder zurück zum Judie Dench-Pixie, bloß kürzer.

Nachmittags hätte ich endlich Gelegenheit gehabt, an der Führung durch die Hofbräumühle teilzunehmen; Herr Kaltmamsell hatte mich rechtzeitig daran erinnert. Doch mir war zu trübe, ich wollte heim und lesen. Zumindest hatte ich jetzt Appetit auf den Spinat aus Ernteanteil, den ich kurz gedünstet mit einer Kugel Büffelmozzarella aß.

Über den Nachmittag las ich Fred Vargas, Tobias Scheffel (Übers.), Flieghe weit und schnell aus; nach dem Komplettreinfall von Der vierzehnte Stein, den ich 2015 gelesen hatte, hatte ich diesmal wieder mein Vergnügen an einer gut konstruierten Geschichten und den gewohnten Parisskurrilitäten.

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Das Modeblog Advanced Style ist ja ohnehin ein einziges Plädoyer dafür, Menschen in jedem Alten bitteschön anziehen zu lassen, was sie wollen. (Und Massel tov an Ari und Eric zur kürzlichen Eheschließung!)

Doch selbst hier gibt offensichtlich Geläster darüber, welche Teile ihres Körpers nicht normschöne Frauen bittesehr mal besser bedecken sollten: Alte Arme zum Beispiel (ich kenne da jemanden, die Frauen über 70 das Ausziehen des Strickjäckchens am liebsten sogar bei privaten Freundinnentreffen verböte).
“Right to Bare Arms”.

Schaun Sie ruhig genau hin: So sehen die Arme alter Frauen aus.

Journal Donnerstag, 22. September 2016 – Lenbachhaus und renovierte Sessel

Freitag, 23. September 2016

Im Projekt “Für jeden Urlaubstag ein Vorhaben” plante ich gestern einen Besuch des Lenbachhauses. Darin war ich nämlich peinlicherweise noch nie, auch nicht vor dem großen Umbau – da ich auf vielen Alltagswegen vorbeiradle, hatte ich diesen aber mitverfolgt.

Gestern war absolutes Kaiserwetter. Blauen Himmel und Sonnenschein merkte man den Temperaturen aber nicht an, ich brauchte eine Jacke, und meine nackten Beine froren.

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Ich sah die Sammlung 19. Jahrhundert an, das Obergeschoß, das der Gruppe Blauer Reiter gewidmet ist, und die Kunst nach 1945 (viel Beuys). Die Präsentation gefiel mir. Wieder hatte ich mir einen Audio-Guide geben lassen (der mir im Bayerischen Nationalmuseum oft wichtige Hintergrundinformationen und Querbezüge zwischen den Exponaten vermittelt hatte), mochte ihm aber bald nicht mehr zuhören: Die Bildbeschreibungen enthielten zu oft steile Interpretationen, die ich nicht nachvollziehen konnte – gerne mit Behauptung einer Künstlerabsicht.

Besonders fasziniert war ich vom Gebäude: Der Neubau ist über die alte Villa geschoben, die ehemalige Rückseite sieht man original innen. Und dann die vielen schönen Details!

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Der Garten ist ganz 19. Jahrhundert geblieben, inklusive Hausfasade.

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Ich schlenderte durch die Sonne zurück nach Hause, wich Teilnehmern und Teilnehmerinnen der größten Mottoparty der Welt aus, erledigte im Verdi Einkäufe.

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Morgens hatte der Polsterer zwei unserer Sessel zurückgebracht, frisch renoviert. Herr Kaltmamsell hatte sie vor fast 20 Jahren von einer Freundin übernommen, die die Wohnung ihrer Großmutter auflöste. Der gefederte Boden war völlig ausgeleiert, es bröselte unten raus. Seit zehn Jahren hatten wir uns vorgenommen, sie neu beziehen und aufpolstern zu lassen. Als Herr Kaltmamsell in seinen Ferien dann endlich den Polsterer kommen ließ, riet der von neuem Bezug ab: Der Fachmann war völlig begeistert vom originalen Zustand der 50er-Möbel und riet dazu, den Bezug lediglich reinigen zu lassen, die Kordeln und die Polsterung zu erneuern. So machten wird das dann auch.

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“Die halten Ihnen die nächsten hundert Jahre”, versicherte Herr Polsterer. Das hoffen wir sehr, die Renovierung kostete so viel wie zwei neue Designersessel.

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(Bild: Herr Kaltmamsell)

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Zum Nachtmahl probierte Herr Kaltmamsell Short Ribs aus dem Römertopf aus – er kennt Römertopf aus seiner Kindheit von daheim.

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Die Rinderrippchen, die ich sonst als Suppenfleisch kenne, schmeckten so ganz großartig.