Journal Samstag, 15. Oktober 2016 – Wandern vom Ammer- zum Starnberger See
Sonntag, 16. Oktober 2016Die ganze Woche hatte ich mich auf Wandern am Wochenende gefreut: Von Herrsching am Ammersee nach Tutzing am Starnberger See mit Variationen diese Wanderung in die Gegenrichtung. Plan war, im viel gerühmten Lokal des Guts Kerschlach einzukehren, und dann sollte es nicht schon nach anderthalb Stunden der Wanderung auftauchen, sondern eher gegen Ende. Samstag hätte ich deutlich bevorzugt: Zum einen sind S-Bahn und Wanderwege weniger bevölkert als am Sonntag, zum anderen wäre so der Sonntag für eine rare Stunde Step-Aerobic frei gewesen. Doch alle Quellen kündigten für Samstag beharrlich Regen an, der mir das Vergnügen vermiest hätte. Ich vereinbarte mit Herrn Kaltmamsell, dass wir am Samstag halt mal sehen würden, wie sich das Wetter entwickelte.
Strahlenden Sonnenschein und goldenes Herbstlicht, das bot der Samstagmorgen. Die Prognose des Regenradars hatte den Zeitraum drohender Niederschläge auf eine halbe Stunde am Nachmittag verkürzt – ab zum Wandern. Ich erledigte noch ein paar Besorgungen (es ist schon arg praktisch, in der Innenstadt zu wohnen), frühstückte Croissant und Bananenjoghurt, dann setzten wir uns in die S-Bahn nach Herrsching.
Wir hatten diese Strecke ausgesucht und folgten ihr rein nach Karte; mein Mitwanderer hatte Ausdrucke und sein Tablet dabei. Sie gefiel uns sehr gut, weil sie die unschönen Teile der letzten Wanderung hier vermied, war aber ein spürbares Stück länger (insgesamt 28 schrittgezählte Kilometer). Das hatte ich übersehen: Um die abendliche Dunkelheit zu vermeiden, konnten wir nicht so gemütlich Pausen machen, wie es körperlich ratsam gewesen wäre. Entsprechend erschöpft kamen wir abends in Tutzing an.
Besonders schön fand ich die ersten Kilometer den Ammersee entlang.
Zweimal führte uns dieser Uferweg mit Steinen über Zuflüsse.
Der nächste Abschnitt ging dann weg vom Ammersee nach Osten: Zum Kloster Andechs.
Das kleine Stück hoch zum Kloster und wieder zurück ließen wir aus: Wir hatten nicht vor einzukehren, und besichtigt hatten wir die Anlage ja schon mal.
Jetzt zog der Himmel tatsächlich zu, doch nach Regen sah es nicht aus. Zeitweise bekamen wir sogar Sonnenschein. Wir sahen einen Milan, eine Wildzucht, Kühe, Schafe.
Zwanzig nach vier kamen wir zum Café des Guts Kerschlach – und stellten fest, dass wir noch gar nicht hungrig waren. Wir setzten uns dennoch draußen, um Pause zu machen und etwas zu trinken, doch war das Lokal personell so unterbesetzt, dass wir darauf lange hätten warten müssen. Wir planten um, dann eben am Ende unseres Wegs in Tutzing einzukehren.
An dieser Stelle waren wir ratlos: Der Pfad endete am Deixlfurter See, wir hätten uns wild durchs Schilf schlagen müssen, um wie eingezeichnet am Ufer entlang zu gehen. Das wollten wir weder dem Schilf noch uns antun.
Kurz vor Tutzing, schon sehr dunkeldämmrig.
Unter anderem kamen wir vorbei am Warnamt Kerschlacher Forst: Einerseits war die Anlage mittelmartialisch gesichert, unter anderem mit Schildern, die vor Betreten warnten, außerdem führte eine doppelt panzerbreite Straße ohne Abzweigungen hinauf, doch andererseits hing unter dem Warnschild das eines Kunstprojekts. Zurück daheim fand ich diese Erklärung:
In den zehn Warnämtern, die einer strengen militärischen Geheimhaltung unterlagen und deshalb überall in der Bundesrepublik in dichten Wäldern versteckt waren, sollten im Verteidigungsfall knapp 200 Mann starke Belegschaften Unterkunft finden und die Bevölkerung mittels Rundfunk und Sirenen vor Gefahren warnen. Die Bunker waren mit Notstromaggregaten, Vorräten und Krankenstationen ausgerichtet auf einen 30-tägigen autarken Betrieb.
Dieses konkrete Warnamt ist eben jetzt ein Kunstprojekt.
In Tutzing gingen wir ins laut Google Maps nächstgelegene Wirtshaus, das auch angenehm urig aussah. Doch die Bedienung wies uns gleich darauf hin, dass es nur Schweinsbraten zu essen geben würde, und den müssten wir auch gleich bestellen, denn sie erwarteten eine 80-köpfige Hochzeitsgesellschaft. Zum Glück war uns beiden sehr wohl nach Schweinsbraten, und so setzen wir uns. Umwuselt von den hochzeitstypischen aufgemaschelten kleinen Kinder, die einander jagten, aßen und tranken wir, im Hintergrund das Gespräch der einzigen beiden anderen Gäste (die eine erklärte der anderen mit ganz konkreten Tipps, wie Schriftstellerei geht, von der sie anscheinend lebte – das Geheimnis liegt demnach im kontinuierlichen Notieren von Ideen und emotionalen Eindrücken, aus denen man sich beim Schreiben bedienen kann).