Journal Montag, 31. Oktober 2016 – Selbstgemachtes Paneer
Dienstag, 1. November 2016 um 9:06Auch für den dritten Allerheiligenferientag hatte ich Pläne: Schwimmen, Frühstücken, Einkaufen für Dienstag.
Durch einen weiteren sonnigen Herbsttag radelte ich hinaus ins Olympiabad. Dort war es lebhaft, doch auf meiner Schwimmbahn kamen wir gut miteinander zurecht. Als mich zum wiederholten Mal eine superzierliche Frau mit einer kraftraubenden Schwimmübung überholte (sie lag auf dem Rücken, hatte die Arme über den Kopf gestreckt und bewegte sich mit Delfinbeinschlag fort), kam ich ins Grübeln, dass sich im Freizeitsport wohl eine weitere Schere in der Gesellschaft öffnet: Sehr körpertüchtige Menschen auf der einen Seite, die ohne Anstrengung 20 Kilometer laufen oder einen Tag lang rennradeln, auf der anderen Seite sehr bewegungsferne Menschen, die sich bereits von einem 30-minütigen Fußweg oder Sockenanziehen im Stehen überfordert fühlen. Was sehr wahrscheinlich wiederum mit der Herkunft korreliert: Aufwachsen in einer Umgebung, in der von Klein auf organisierte Bewegung eine Rolle spielt oder eben nicht.
Zum Frühstück radelte ich nach Neuhausen ins Karameel, las Zeitung und Buch.
Einkaufen im Süpermarket Verdi – der so voll war, dass ich kurz mal in mich ging, ob vielleicht mehr als nur ein Feiertag anstand. Buntestes Menschengewusel in vielerlei Sprachen, ernste Emsigkeit hinter der Metzgertheke, an der viele Meter lang angestanden wurde. Da flog schon mal ein Hühnerbein vom Metzger an einem Ende zum Kollegen ans andere, routiniert in einer Tüte aufgefangen. Der Sonderwunsch eines vorsichtigen, leisen Kunden wurde nicht verstanden, schnelle Frage in die Runde: “Kann jemand Arabisch?” Konnte ein anderer Kunde, nach kurzem Übersetzen waren alle zufrieden.
Am Dienstag habe ich zwei Currys geplant (Herr Kaltmamsell kommt vom Rollenspielen zurück), für eines stellte ich Paneer nach dem Rezept von German Abendbrot her. Zum Pressen durften es natürlich nur Kochbücher sein.
Ich war zufrieden.
Gemütlicher Abend mit Internet, Nachtmahl waren Reste des Ofengemüses vom Vortag mit frisch gekochten Nudeln. Gefolgt von großen Mengen Billigsüßigkeiten.
§
Der EU-Politiker Günther Oettinger hat kürzlich in Hamburg vor einem Unternehmerverband eine Rede mit einigen beleidigenden Ausfällen gehalten. Ein Teilnehmer hat Auszüge davon veröffentlicht, seither steht Oettinger in der Kritik, diese Kritik wiederum wird heiß diskutiert. Auch Journelle war Teilnehmerin der Veranstaltung und fasst sehr gut zusammen:
“Politische Korrektheit ist nicht das Problem”.
Wir können nicht die AfD und ihre Freunde als politische Brandstifter bezeichnen und dann die gleiche Sprache benutzen. Nicht die politisch korrekte Sprache ist das Problem. Das Problem sind diejenigen, die nicht in der Lage sind, eine unterhaltsame Rede zu halten, die ohne Beleidigung und Degradierung auskommt.
(…)
Ich fürchte, das Kernproblem ist ein anderes. Es geht um die hegemoniale Deutungsmacht. Wenn man jahrzehntelang gewohnt ist, dass man ohne Konsequenz tun und sagen kann, was man will, dann irritiert einen dauerhafte Kritik. Dann wirken diejenigen, die einen auffordern, das eigene Handeln zu überdenken wie eine Bedrohung.
die Kaltmamsell
4 Kommentare zu „Journal Montag, 31. Oktober 2016 – Selbstgemachtes Paneer“
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1. November 2016 um 11:11
Benutzen Sie die “1080 Rezepte” von Mutter und Tochter Ortega überwiegend zum was-auch-immer-Pressen oder kochen Sie hin und wieder auch was daraus, Frau kaltmamsell?
Ich habe das “Schwergewicht” vor nicht allzu langer Zeit geschenkt bekommen und hatte damals überlegt mal bei Ihnen nachzufragen, ob Sie das Buch vielleicht kennen bzw. besitzen und ob die Bezeichnung “Bibel der echten spanischen Küche” halbwegs gerechtfertigt ist bzw. die Rezepte landestypisch sind…
Bin dann aber wieder davon abgekommen, weil ich mir dachte, wenn in einem Haushalt so gut und vielfältig gekocht wird wie bei der kaltmamsell, wird ein solches Buch höchstens noch für Anregungen herangezogen ;-)
Die Gedanken über sportaffine Menschen auf der einen und eher sportferne Menschen auf der anderen Seite teile ich – selbst gehöre ich eher zur zweiten Gruppe. Als Kind habe ich (ohne elterlichen Zwang) gelesen und musiziert was das Zeug hält, “natürliche” Bewegung (bei den Großeltern in der Landwirtschaft, auf dem Hof, im Weinberg) war selbstverständlich und normal, aber organisierte, instrumentalisierte Bewegung aka Sport war kein Thema.
Meine Abneigung gegen bzw. das Unbehagen bei sportlicher Aktivität wurde im Grunde erst durch den schulischen Sportunterricht generiert, der eher Scham über das eigene Ungenügen als Freude an der Bewegung hat entstehen lassen. Erst spät in meinen 20er Jahren habe ich diese Freude an Bewegung und Aktivität gefunden (dann auch in durchaus organisierter Form, Fitnessstudio), was aber auch damit zu tun haben kann, dass jede Abwechslung zur überwiegend sitzenden Tätigkeit willkommen (und auch bitter nötig) ist. Trotzdem käme ich nicht auf die Idee einen Marathon laufen oder mit dem Rad die Alpen überqueren zu wollen, respektiere und bewundere aber Menschen, die es tun (und höre mir dann auch gerne ihre begeisterten Berichte darüber an ;-)).
1. November 2016 um 13:35
In meiner Kindheit spielte organisierte Bewegung ja eine große Rolle … wandern, radfahren, skifahren (Langlauf und Abfahrt), mein Vater spielt im Verein Fußball, fährt jede Woche mehrfach Radtouren, meine Mutter macht Yoga, meine Schwester war im Fußballverein… und ich habe das alles schon so im Alter von 10 Jahren gehasst. Die sonntäglichen Wandertouren, das Radfahren im Urlaub – ging mir alles auf die Nerven. Sobald ich einigermaßen entscheiden konnte, hab ich das Bewegen eingestellt. War natürlich gesundheitlich eine nicht allzu prickelnde Idee.
Ich musste erstmal 30 werden, bis ich halbwegs wieder Freude an Sport gefunden habe, auch jetzt ist es mehr so eine Mischung aus Gesundheitskram und “man fühlt sich hinterher gut” als alles andere, an sich läge ich lieber auf der Couch.
Also nur um mal so ein Gegenbeispiel zu der These zu bringen, dass das Aufwachsen angeht.
Aber im Großen und Ganzen stimmt es bestimmt, dass Kinder mit eher sportlichen Eltern (oder anderen Verwandten) da auch eher mit anfangen, viele machen ja jahre- und jahrzehntelang den Sport, den sie als Kind mal angefangen haben.
Ansonsten klingt das nach einer ganz vorzüglichen Verwendung für freie Tage – ich wünsche noch einen schönen Rest-Feiertag :) .
1. November 2016 um 14:14
1080 Rezepte halte ich durchaus für authentisch, Alexandra. Da die traditionelle spanische Küche allerdings sehr simpel und unverfeinert ist (im Gegensatz zur italienischen, die noch aus den einfachsten Zutaten Großartiges rausholt), macht diese Authentizität das Buch eher kulturwissenschaftlich interessant als kulinarisch.
Als Kind konnte ich mit Sport auch nichts anfangen, Alexandra, Curima – ich hielt das für kindertypisch, bis sich mein Neffe 1 schon im Vorschulalter als begeisterter Jogger erwies. Schulsport machte ich gutmütig mit, Familienbewegung sehr unwillig. Mein Interesse erwachte ein wenig mit 16/17 (der Film Flashdance spielte eine Rolle), so richtig dann während meines Studiums.
Dennoch halte ich es für prägend, dass körperliche Bewegung in meiner Kindheit eine Rolle spielte.
1. November 2016 um 15:39
ich musste als kind in den örtlichen turnverein, bis ich vehement genug zum ausdruck bringen konnte, dass ich das echt nicht mehr will (einmal die woche mit dem rad zum turnen, 4km, immer gegen wind, sie kennen das). schulsport hat mir dann jede freude an der bewegung vermiest. es ging um scham, um niedergemacht werden, um druck auf die persönlichkeit, um ausgelacht werden, und für mich irgendwann darum, möglichst kreative ausreden zu haben. ich musste mitte 30 werden um sowas wie freude zu empfinden.
ich habe keinerlei antrieb, meinem körper einen marathon anzutun. ich finde jede bewegung, die über eine, maximal zwei stunden, dauert, eine tortur und finde, dass man für solche strecken dann rad oder auto nehmen sollte.
allerdings habe ich in den letzten zwei wochen zwei mal das gefühl gehabt, echt fit zu sein und fitter noch als ich vor 5-6 jahren war. das hat einerseits sicherlich mit diesem sportding zu tun, andererseits aber auch mit einer grundständigen, inneren zufriedenheit. und die couch potatoe in mir ist überzeugt, dieses gefühl auch durch krimilektüre erlangen zu können. dominosteinchen dazu und alles ist schön.