Archiv für November 2016

Journal Montag/Dienstag, 21./22. November 2016 – Novemberwärme

Mittwoch, 23. November 2016

Oh doch, ich bin des Journalbloggens oft müde.
Doch dann freue ich mich wieder, dass ich bei mir selbst nachschlagen kann, welches Buch ich wann gelesen habe, wann ich diese Wanderung schon mal gemacht habe und wie weit der Frühling damals war, welches Rezept ich beim jüngsten Gulasch verwendet habe, wie das Wetter 2013 in München im Dezember war – und reiße mich wieder zusammen, um meinem späteren Ich diesen Gefallen zu tun.
Und wenn ich’s eh aufschreibe, kann ich’s ja auch gleich bloggen.

Montag war es schon morgens warm und wurde im Lauf des Tages immer wärmer. Als ich früh Feierabend machte, liefen einige Leute draußen ohne Jacke herum.
Ich nahm die U-Bahn in die Maxvorstadt, um dem Smartphoneschrauber das unveränderte Akkuproblem vorzulegen. Er diagnostizierte kaputten Neu-Akku (anscheinend ist der Ausschuss bei den Lieferungen ausgesprochen groß), Mittwoch hat er Zeit für einen weiteren Tausch.

In balsamartiger Abendluft spazierte ich nach Hause. Zum Abendbrot ging ich mit Herrn Kaltmamsell Burgeressen. Hamburger sind mir weiterhin eher egal, doch in der Kette Hans im Glück hatte ich letzthin Süßkartoffel-Pommes entdeckt und war ihnen umgehend verfallen. Zudem hatte das Fleischpflanzerl energisch nach Rind geschmeckt, das gefiel mir. Und dann liegt die nächste solche Burgerei so nah an unserem Zuhause, dass wir schon zur Tagesschau wieder zurück waren.

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Leider wache ich dieser Tage fast immer tief betrübt auf. Zum Glück legt sich das in den ersten wachen Stunden.

Dienstagmorgen radelte ich in anhaltender Wärme zum Langhanteltraining, das ich genoss.
Mittags radelte ich zu meiner Hausärztin, um ein Rezept für mein Migränemittel zu holen: Die letzte Dosis hatte ich in der Nacht zum Samstag aufgebraucht, und ohne einen Vorrat werde ich schnell unruhig. In der Apotheke, in die ich das Rezept gleich trug, bekam ich das Medikament ohne Bestellen – das bin ich nicht gewohnt. Als ich das der Apothekerin sagte, erklärte sie mir: “Oh, wir haben einige Kunden, die das brauchen.” Merke ich mir, ist von der Arbeit aus gut zu erreichen.

Stimmungsaufheller derzeit: Niedliche Tiere auf Twitter (kann es eh nie genug geben), schöne Menschen in interessanter Kleidung auf Go Fug Yourself. Wobei mir letzteres durch das neue Design der Website ein wenig vermiest wird – ich möchte beim Lesen der Text bitte das ganze Foto sehen, auch in den Slide Shows, nicht das Foto durch Text verdeckt haben. Nebenwirkung: Ich fürchte mich vor all den scheußlichen durchsichtigen Abendkleidern, die uns in der kommenden award season bevorstehen.

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Autoren und Autorinnen müssen ihre Werke nicht erklären können, genauso wenig wie bildende Künstlerinnen oder Musiker. Aber es macht mir schon Spaß, wenn jemand so gut weiß, was er tut, dass seine Erklärung eine weitere Lesedimension eröffnet. Wie zum Beispiel Wolf Haas beim Schreiben seines Brenner:
“‘Bücher mit Witz sind mir einfach lieber als andere'”.

Ich mochte auch sehr, was er über das Genre Krimi sagt:

Ich fürchte mich eher vor der literarischen Adelung des Krimis. Ich schätze nämlich die Freiheit des wenig Geachteten. Man kann sich mehr erlauben in den unliterarischen Bereichen. Man ist nicht von vornherein dem Kontrollsystem unterworfen. Wobei: Wenns gut wird, ists auch in Ordnung.

via Buddenbohm&Söhne

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Ein schönes Portrait einer transgender Offizierin bei den britischen Streitkräften:
“Hannah Winterbourne, Britain’s highest ranking transgender soldier”.

via @kscheib

Journal Sonntag, 20. November 2016 – Vielfalt in Redaktionen

Montag, 21. November 2016

Munter aufgewacht, beim Bloggen den langsam aufziehenden Muskelkater vom ungewohnten Trainingsprogramm gespürt. Dass diese konkreten walk down push-ups Folgen haben würden, hatte ich schon während der Übung geahnt, und siehe da: Muskelkater in den Achseln!

Das Wetter hatte umgeschlagen und war sonnig mit wenigen Wolken, ich spazierte zum Sportstudio am Ostbahnhof für eine Runde Crosstrainer-Strampeln und Stepaerobics (die neue Vorturnerin folgt den Studiovorgaben genau und macht nach 40 Minuten Hüpfen 20 Minuten Gymnastik). Zurückspaziergang in milder Sonne, unterwegs besorgte ich Semmeln zum Frühstück.

Nachmittags Zeitunglesen, frische und alte, laut aufgelacht beim Bericht eines Vaters, der mit seinem Zwölfjährigen Computerspiele spielt:
“Wir zwei gegen den Rest der Welt”.

Eine der Hauptaufgaben von Eltern mit Kindern ab dem Grundschulalter ist heute, diese Kinder auf dem Weg in die digitale Welt zu begleiten, also: ihnen auf diesem Weg so gut es geht hinterherzuhecheln. Diese Aufgabe fällt in meiner Familie mir zu, weshalb ich mir von der achtjährigen Tochter oft »Do it your- self Inspiration«-Videos auf Youtube zeigen lasse, so oft, dass ich mitunter meine eigenen Alltagshandlungen innerlich mit Sätzen untermale wie: »Ich zeige euch heute mal, wie man ein müdes Mittvierziger-Gesicht rasiert, das ist supereinfach.«

Ein wenig zu Musik gebügelt. Während ich anschließend Internet las, ließ ich die Musik weiterlaufen und stellte wieder einmal fest, dass ich sie beim Lesen nicht höre. Ein Grund, warum bei mir so selten Musik läuft.

Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl Sauerkraut mit Geselchtem und Kartoffelbrei, genau das Richtige für den früh dunklen Abend.

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Nicht zum ersten Mal, hier aus den USA: Warum die traditionellen Medien von gemischteren Redaktionen profitieren würden.
“Let the Interlopers In”.

Als ich 1986 mein Volontariat in einer Provinzzeitung antrat, hatte geschätzt die Mehrheit der Redakteurinnen und Redakteure keinen Hochschulabschluss. Das Zeitungsvolontariat wurde als Ausbildung angesehen, als Lehrberuf alternativ zum Studium. Einige Kolleginnen und Kollegen hatten auch kein Abitur – und von denen lernte ich durchaus am meisten (winkt Richtung Anne und Herrn Schmideder). Bis heute bin ich überzeugt, dass viel am Journalismus pures Handwerk ist, das man lernen kann.

Diese Journalistinnen und Journalisten ohne Hochschulabschluss brachten mir durchaus auch bei, an die Leserinnen und Leser zu denken, vor allem im Lokalen (Nähe, Bezug zur Lebenswirklichkeit etc.). Aber sie waren in Auswahl und Tiefe der Themen in erster Linie davon geleitet, was die Leute unbedingt wissen sollten, was in die Öffentlichkeit gehörte: “Des is doch a Sauerei, des muaß ma doch schreibm!” Doch sie waren nicht hauptsächlich davon geleitet, was die Leute am liebsten lesen würden. War das schon die Arroganz der Gatekeeper, die die jetzigen Zustände (einerseits sinkendes Vertrauen in die offiziellen Medien, andererseits rücksichtslose Effekthascherei vieler Medien) erst ermöglichte?

Doch ich erlebte auch das Ende dieser Ära. Schon während meiner Urlaubsvertretungen, mit denen ich bis 1995 mein Studium finanzierte, gab es mit wenigen Ausnahmen (Beziehungen halt) nur noch Hochschulabsolventinnen und -absolventen im Volontariat. Hier, vor allem aber im erstarkenden Privatradio und -fernsehen hörte ich von der Akademia in den Redaktionen immer häufiger das Kriterium “Das verkauft sich besser” für Themenauswahl und -tiefe. Insgesamt stieg der durchschnittliche Bildungshintergrund in den Redaktionen im selben Maß, wie das Niveau in der dortigen Berichterstattung sank. Kann es sein, dass die Vielfalt in den Redaktionen deutschsprachiger Medien in den vergangenen Jahrzehnten sogar eher gesunken ist?

Journal Samstag, 19. November 2016 – Fernsehüberraschung

Sonntag, 20. November 2016

In der Nacht hatte mich die Migräne geholt, niedergerungen von einer Dosis Triptan. Nach dem Ausschlafen saßen ihre Nachwehen im Hirn und zermatschten es.

Meine Schwimmpläne für den Samstag hatte ich bereits am Freitag begraben, als fast eine Woche zu früh die Regelblutung einsetzte. Schon meine Mutter musste an den ersten Menstruationstagen beim winterlichen Familienschwimmen am Sonntagvormittag passen, nostalgisiere ich das also zum Familienerbe. (Ich schreibe diese Frauendinge übrigens nicht aus übergroßem Mitteilungsbedürfnis auf, sondern um ein wenig transparent zu machen, welche Einschränkungen die Menstruation so mit sich bringen kann. Von wegen: “Aber dafür müssen Männer sich rasieren.”)

Gleichzeitig war das Wetter so ausnehmend greislich (dunkel, windig, durchgehender Regen), dass ich das Haus nicht zum Laufen verlassen wollte. Ich machte also den ganzen Tag keinen einzigen Schritt vor die Tür – für mich eine ausgesprochen seltene Ausnahme. Meinen Bewegungsdrang lebte ich auf dem Crosstrainer und mit einem halben Stündchen Krafttraining vor dem Fernseher aus. Machte beides Spaß.

Nach dem späten Frühstück legte ich mich zur Siesta wieder hin und schlief fast zwei Stunden tief.

Perfect malt loaf gebacken, der laut Rezept erst mal drei Tage durchziehen soll. Beim Backen daran gedacht, wie ich während meines Auslandsjahrs in Wales meine englischen Freundinnen beim Kuchenbacken gefragt hatte, wie denn “Teig” auf Englisch heiße. Und erst nach langem Hin und her lernte: Kommt drauf an. Hefeteig ist dough, sonstiger Knetteig pastry, Rührteig cake mixture (süß) oder batter (kann süß und salzig sein). Allerdings gelten nur pastry und batter auch nach dem Backen noch. Hihi.

Zum Abendessen bereitete ich Scheiterhaufen aus Ernteanteiläpfeln und servierte mit Vanillesoße. War gut, aber das Apfelaroma ließ mich bei jedem Bissen apple crumble erwarten – den ich dann doch lieber mag.

Nach der Tagesschau stieß ich im Fernsehen auf 3sat auf einen aktuellen österreichischen Fernsehfilm und blieb hängen:
Wenn Du wüsstest, wie schön es hier ist.

Da schau her, ein Fernsehfilm, der mir das Vertrauen in deutschsprachige Fernsehfilme zurückgibt. Das Drehbuch von Stefan Hafner und Thomas Weingartner ist großartig, Gerhard Liebmann in der Hauptrolle herzerreißend gut. Er spielt den Polizisten und Postenkommandanten Hannes Muck im österreichischen Hüttenberg: “Leichen kennt er bisher nur aus dem Fernsehen und seiner Zeit als junger Verkehrspolizist” heißt es in der offiziellen Inhaltsangabe, und genau deshalb wollte ich den Film sehen. Das klang nämlich schon mal ganz anders als die herkömmlichen Krimibeschreibungen, die im deutschsprachigen Fernsehen immer auf Serien angelegt scheinen. In diesem Hüttenberg wird ein junges Mädchen aus der Gemeinde tot aufgefunden, und Muck ist völlig erschüttert und überfordert. Zunächst versucht er die Ermittlungen seinem Bild der Heimatgemeinde anzupassen, doch bald hindert ihn ein externer Chefinspektor daran.

Herr Kaltmamsell war sehr an Twin Peaks erinnert (habe ich bis heute nicht gesehen, fiel in meine Fernseher-lose Zeit), und das Drehbuch schafft es selbst vor diesem seltsamen Bergarbeiter-, Wald- und Heimathintergrund Klamauk zu vermeiden – obwohl rücksichtslos und realistisch Dialekt gesprochen wird, selbst für mich Süddeutsche bis knapp an die Unverständlichkeit. Die Handlung bleibt fast durchgehend bei Muck, und wir sehen dabei zu, wie sein Bild der Dorfgemeinschaft, das ihm Halt gegeben hat, Stück für Stück bröckelt. Dabei ist diese Handlung nicht mal originell, sondern enthält oft verwendete Versatzstücke: Dorfpolizist wird vom Kollegen aus der Stadt herumgescheucht, Dorfgemeinschaft mauert, unerwartete Liebesaffären, Polizist wird vom Dienst suspendiert und ermittelt auf eigene Faust weiter. Doch es kommt halt immer darauf an, wie sie erzählt werden. Selbst Details, die ich zunächst ein wenig angestrengt fand (Vater des Polizisten ist Kampfbuddhist, Polizist hört im Auto immer Heimatchormusik), stellen sich als funktional heraus.

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“Harte Arbeit, wenig Geld
‘Meine Mitarbeiter, meine Vollidioten'”

Murat Can ist der Boss von achtzig Sicherheitsleuten und Türstehern. Früher war er selbst einer. Heute verleiht er die Männer. Die Kunst aber ist, sie zum Arbeiten zu bringen – irgendwie. Ein Tag im tiefsten Niedriglohnsektor.

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“George Takei: They interned my family. Don’t let them do it to Muslims”.

There is dangerous talk these days by those who have the ear of some at the highest levels of government. Earlier this week, Carl Higbie, an outspoken Trump surrogate and co-chair of Great America PAC, gave an interview with Megyn Kelly of Fox News. They were discussing the notion of a national Muslim registry, a controversial part of the Trump administration’s national security plans, when Higbie dropped a bombshell: “We did it during World War II with Japanese, which, you know, call it what you will,” he said. Was he really citing the Japanese American internment, Kelly wanted to know, as grounds for treating Muslims the same way today? Higbie responded that he wasn’t saying we should return to putting people in camps. But then he added, “There is precedent for it.”

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“Anglo-German relations are defined by mutual incomprehension”.

The German establishment simply does not understand Britain’s island mentality, and the complex, post-imperial blend of arrogance and insecurity that defines its stance towards the outside world (which I discuss in my latest column, on the transatlantic relationship). Britons, meanwhile, struggle with Germany’s equally distinctive sense of belonging and duty as the linchpin of the European order. The gap is even borne out in the architectures of the two polities. Westminster is a festival of Victoriana, a neo-Gothic reminder of Britain’s past hegemony and Blitz-era defiance. Berlin’s government quarter around the Reichstag has mostly risen in the past twenty years; all buildings rebuilt from, or built on, the ruins of extremism. Its very streets are studded with Stolpersteine, or brass cobblestones marking the victims of Nazism at the addresses where they once lived.

Journal Freitag, 18. November 2016 – Upper Eat Side wiederbesucht

Samstag, 19. November 2016

Sonniger Weg in die Arbeit.

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Die Morgensonne tauchte die Gipfel des Tollwood-Gebirges in Licht.

Ich stinke seit einigen Wochen wieder zum Gottserbarmen. Auch noch so brutale Deos sind machtlos (Gestank und Achselausschlag sind eine besonders unangenehme Kombination). Aus einigen Oberteilen bekomme ich den Odeur schon gar nicht mehr rausgewaschen. Letzte Maßnahme, um drohendes Wegwerfen zu vermeiden, wird sein: 24-Stunden-Bad in Wäschedesinfektion. Könnte das mit den Wechseljahren bitte ein wenig Tempo zulegen?

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Für den Abend hatte ich nach einigen vergeblichen Versuchen einen Tisch im geschätzten Upper Eat Side reserviert – vor sechs Wochen für gestern. Dabei freut mich wirklich sehr, dass das Restaurant so gut ankommt.

Auch gestern war alles wieder wundervollst.

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Der Rosé-Schaumwein zum Einstieg, ein Ferrari aus dem Trento, schön hefig, brotig und trocken.

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Als Gruß aus der Küche in einer Espressotasse ein Cappuccino mit Meerrettichschaum, Gurkenrelish drunter – köstlich (der Schnittlauch war auf einem Löffelchen serviert worden).

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Aus dem Vorspeisenangebot auf der Tafel hatten wir uns entschieden für (von rechts im Uhrzeigersinn): Isartaler Bouillabaisse mit Rouille aus süßem Senf, Rinderfilettatar und Himbeersenf mit selbst gebackenem Laugenstangerl, Renkenmatjes-Sashimi und Apfelingwer.

Als Hauptspeise gibt es weiterhin ein Stück für zwei vom Grill (darunter auch Saibling). Wir entschieden uns für das Mangalitza-Schwein (mit Kartoffeln und Grünkohl aus der Pfanne sowie Pflücksalaten). Dazu empfahl uns Wirt Jochen einen wirklich schönen Weißburgunder aus Baden, von Bernhard Huber – der am Anfang sogar etwas Animalisches hatte und sich von da ab interessant entwickelte; zur Schweinekruste bekam er sogar Waldmeisternoten.

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Davor gab es ein Kresse-Sorbet mit Federweißem und Sauerrahm – schmeckte weit aufregender, als es klingt.

Nachtisch wollten wir auch. Er kam in zwei Gängen.

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Tonkabohnenschaum auf Aprikose (“Fruchtweißbier”), dann Himbeersorbet und Crème brûlée mit Shortbread.

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Weil ich mich so darüber gefreut habe, das hier getwittert.

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Hier können Sie sich das kleine Filmchen ansehen.

Dann aber doch nochmal gründlicher nachgedacht, warum ich glaube, dass das ein guter Dicken-Witz ist. Ich hatte Antje Schrupps Kriteriun für gute Witze über Frauen angewendet: Wenn sie auch in einer Welt ohne Geschlechterstereotypen witzig wären. Für den oben gilt: Wäre auch witzig in einer Welt, in der Dicke nicht stereotypisiert und diskriminiert würden. (Lasse mich aber gerne von Betroffenen korrigieren.)
Und dann sah ich mir das Filmchen noch ein paar Mal an.

Journal Donnerstag, 17. November 2016 – Abschied von der Lieblingswäschehändlerin

Freitag, 18. November 2016

Morgens beim Verlassen des Hauses auf dem 100 Prozent geladenen Smartphone die Pokémon-App gestartet. Nach 10 Minuten Arbeitsweg: Akkuanzeige auf 1 Prozent. Automatisches Abschalten verhinderte ich durch den vorsichtshalber doch mitgenommenen externen Akku. Also keine Änderung. Wenn ich’s auch jetzt mit abgeschalteter Pokémon-App wiederholen kann, war der Akku dann doch das Symptom und nicht die Ursache und ich muss damit wieder zum Schrauber.

Über den Tag immer wieder helle Flecken am Himmel, leuchtendes Abendrot erst kurz vor fünf.

Nachdem ich morgens ein Loch in einem meiner schwarzen Edel-BHs festgestellt hatte (gerade mal 5-6 Jahre nach Kauf, tse) spazierte ich abends in wunderbar milder Luft zu meiner bewährten Wäschehändlerin im Ruffinihaus am Anfang der Sendlinger Straße. Ich verließ den Laden einerseits froh über die neue Ausstattung (mit schwarzer Wäsche bin ich jetzt für mindestens wieder 5-6 Jahre versorgt), andererseits traurig, denn die Ladenbesitzerin hatte meine Befürchtung bestätigt: Nach der anstehenden Sanierung des Ruffinihauses, die nach jetzigem Stand im Herbst 2017 beginnt, wird sie nicht zurückkehren. Sie erzählte mir die Hintergründe ihrer Entscheidung, ich konnte sie sehr gut nachvollziehen. Und werde mich wohl im Frühling noch bei ihr mit heller Wäsche eindecken müssen.

Journal Dienstag/Mittwoch, 15./16. November 2016 – War of the Encyclopaedists

Donnerstag, 17. November 2016

Dienstag an einem knackig kalten Morgen Langhanteltraining in der Gruppe – ich war überrascht, wie gut es lief, da ich mit deutlichen Hüftschmerzen aufgewacht war.

Frostiges Radeln in die Arbeit.

Abends war es milder geworden, dafür nass.

Meine Leserunde traf sich bei uns, wir sprachen über Christopher Robinsons und Gavin Kovites, War of the Encyclopaedists. Mir hatte der Roman gut gefallen, vor allem, weil mir diese Innensicht des US-amerikanischen Truppeneinsatzes im Irak neu war. Es geht um zwei junge Burschen, die Studenten Mickey Montauk and Halifax Corderoy, die Handlung beginnt 2004. Sie sind Freunde, die sich in Rom im Urlaub kennengelernt haben und sofort verstanden hatten. Montauk ist aber auch Reservesoldat und wird vor Beginn der grad school einberufen, um als Lieutenant nach Baghdad zu gehen, Corderoy geht an die Uni. Da die beiden wissen, dass sie einander eh nicht schreiben werden, setzen sie in Wikipedia eine neue Seite “Encyclopeadists” auf, die sie hin und wieder aktualisieren – und der Inhalt spiegelt spielerisch ihre aktuelle Befindlichkeit. (Kurzes Auflachen, wie unmöglich das in der streng überwachten deutschen Version von Wikipedia wäre – thematisiert die Übersetzung das eigentlich?)

Die beiden Welten werden abwechselnd erzählt. Corderoy kommt weder im Studium noch daheim zurecht, versinkt in Einsamkeit, Alkohol und anderen Drogen. Montauk findet sich in einer völlig unberechenbaren neuen Situation und Rolle, muss praktisch jeden Moment Entscheidungen treffen, die Leben kosten können – und vertut sich häufig. Diese Welt des US-Militärs im Irak fand die Leserunde einstimmig besonders interessant, weil sie so viel Information transportierte. Corderoy wiederum wird als ein Typ Slacker geschildert, den man eher in den 90ern erwarten (siehe Reality Bites).

Tragende Rollen spielen auch zwei Frauen, aus deren Sicht ebenfalls immer wieder Kapitel erzählt werden. Mani ist eine junge Künstlerin, die als Corderoys Geliebte eingeführt wird, die er aufs Fieseste sitzen lässt. Sie gehört eher in die Slacker-Welt, bekommt aber durch ihr künstlerisches Schaffen Bodenhaftung. Tricia ist eine Studentin, die sich mit Corderoy die Wohnung teilt und die Perspektive des gar nicht dummen, aber gefährlich naiven politischen Aktivismus vertritt. Ich fand beide Figuren interessant und vielschichtig gezeichnet, andere Leser aus der Runde sahen sie als reine Stichwortgeberinnen.

Gut wegzulesen das Buch, mit einigen anregenden Einblicken – muss aber nicht unbedingt auf jeden Fall dringend.

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Am gestrigen Mittwoch regnete es durch.
Das war auch deshalb blöd, da ich mit Fahrrad fahren musste: Nach Feierabend hatte ich noch etwas vor, und für genau diese Strecken wären öffentliche Verkehrsmittel umständlich gewesen. Aber: Die Temperaturen waren deutlich gestiegen.

Das Vorhaben war ein Besuch beim Handy-Schrauber in der Maxvorstadt. Ich ließ ihm mein iphone da; als ich es 20 Minuten später abholte, bestätigte Herr Schrauber den Akku-Defekt (“schon eine Luftblase” – ?) und hatte einen neuen eingebaut. Den alten ließ ich mir mitgeben (ist ja gefühlt sowas wie ein gerissener fauler Zahn), freute mich über die Aussicht, ohne externen Riesenakku in der Manteltasche Pokémon fangen zu können.

Zum Nachtmahl Portulak aus Ernteanteil sowie Käse und Brot, im Fernsehen dazu Ein Teil von uns mit den großartigen Hauptdarstellerinnen Jutta Hoffmann und Brigitte Hobmeier. Auch sonst ein gut gemachter Film, der Effekthascherei und Klischees in Wort, Bild und Ton umgeht (leider ist das so bemerkenswert, dass ich gerne über den einen oder anderen Konsistenzknick in der Handlung hinwegsehe). Bis 16.2.2017 in der Mediathek nachschaubar.

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Die Dezemberdüsternis scheint mich dieses Jahr besonders früh zu erwischen. Mag an der frühen Kälte dieses Jahr liegen, die es in Verbindung mit bedecktem Himmel schon um vier recht dunkel werden lässt, an den düsteren Umständen der Lebensunterhaltsicherung, an der düsteren Weltpolitik. Oder halt an Hormonen.

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“Because I Was a Girl, I Was Told …”

Vielfältige Einzelgeschichten von Frauen verschiedenen Alters in der New York Times.
Besonders gefiel mir diese:

Louise Jones McPhillips
62, Birmingham, Ala.

In 1966, I met with our 7th-grade school counselor after taking a “career aptitude” test. On the test, my match for a dream career was architect. The counselor told me that wasn’t possible because, as he explained, architects had to know a lot of math, and girls “didn’t do” math. Deflated and dismayed, I apologized for not knowing that such a path was not open to me. My second choice from the aptitude test was kindergarten teacher. The final report I gave to the counselor consisted of the most elaborate and detailed designs and drawings for a kindergarten classroom ever. Some years later, I got my master’s in architecture and became one of the first female registered architects in Alabama.

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Ein wenig Glitzer im novemberlichen Dezemberdunkel:

https://youtu.be/4qzIZ2EP8Uw

Journal Montag, 14. November 2016 – Heimlicher Riesenmond

Dienstag, 15. November 2016

Deutlich vor dem Weckerklingeln weckten mich Unruhe und Angst.
Nu, hatte ich noch reichlich Zeit, die Stollen zu puderzuckern und in Alufolie zu wickeln.

Ein knackig kalter Tag mit gemischtem Himmel. Für eine Besichtigung des lange angekündigten besonders großen Vollmonds war es dann leider nachts zu bedeckt.

Auf dem Heimweg Einkäufe in der Lebensmittelabteilung des Karstadts am Hauptbahnhof (beim Hertie halt), unter anderem eine reife Ananas, die es mit Schlagsahne zum Nachtisch gab.

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Er lässt mich nicht los, dieser aggressive Groll in der Wählerschaft, der unter anderem durch die Wahl eines Donald Trump zum US-Präsidenten wirklich gefährlich geworden ist.

Zum einen die Beobachtung von Sven Scholz, dass den Trump-Wählerinnen und -Wählern Gleichberechtigung und konstruktive Diskussionen einfach unwichtig sind, so dass sie Trumps Sexismus, Rassismus und Hass schlicht nicht störten.
“Perspektiven”.

Klar gab es überzeugte Rassisten, die Hitler tatsächlich wegen seines Rassismus wählten. Aber den meisten Leuten war dieser Punkt eher einfach egal. Nicht weil sie ihn toll fanden, sondern weil es eine ganz „normale“, allgemein verbreitete Geisteshaltung war, über die man überhaupt nicht groß nachdachte.

Die wählten Hitler nicht wegen seines Antisemitismus und seines Rassismus. Diese Programmpunkte waren für einen Großteil seiner Wählerschaft völlig irrelevant. So wie Trumps Rassismus und Frauenfeindlichkeit offenbar für viele Latinos und vor allem für viele Frauen offenbar uninteressanter waren als alle – auch ich – dachten. Die Leute haben damals nicht „gegen die Juden“ gewählt. Sondern „für sich“. Und sie haben auch heute nicht „den Rassisten“ gewählt. Sondern „für sich und ihre Interessen“. Die Frage nach Rasse und Frauenrechten war da eher weniger dabei, im Positiven wie im Negativen. Wenn Rassismus „normal“ ist, dann wählt man ihn nicht. Aber dann stört er einen halt auch nicht.

Zum anderen in der Harvard Business Review:
“What So Many People Don’t Get About the U.S. Working Class”.

via @ankegroener

Beobachtung: Gebildete können in viel stärkerem Maß den Hass der kleinen Leute auf sich ziehen als Superreiche – weil sie im Alltag erlebbar sind.

Michèle Lamont, in The Dignity of Working Men, (…) found resentment of professionals — but not of the rich. “[I] can’t knock anyone for succeeding,” a laborer told her. “There’s a lot of people out there who are wealthy and I’m sure they worked darned hard for every cent they have,” chimed in a receiving clerk. Why the difference? For one thing, most blue-collar workers have little direct contact with the rich outside of Lifestyles of the Rich and Famous. But professionals order them around every day. The dream is not to become upper-middle-class, with its different food, family, and friendship patterns; the dream is to live in your own class milieu, where you feel comfortable — just with more money. “The main thing is to be independent and give your own orders and not have to take them from anybody else,” a machine operator told Lamont.

Folgerung des Artikels: Wirtschaftspolitik ist der Schlüssel.

Back when blue-collar voters used to be solidly Democratic (1930–1970), good jobs were at the core of the progressive agenda. A modern industrial policy would follow Germany’s path. (Want really good scissors? Buy German.) Massive funding is needed for community college programs linked with local businesses to train workers for well-paying new economy jobs.

(Deutschland als Vorbild zu nehmen, ist angesichts des Erfolgs der AfD seltsam. Doch die wird ja statistisch eher vom etablierten Bürgertum gewählt. Andere Kausalzusammenhänge als Trump-Wahl?)