Journal Freitag, 3. Februar 2017 – Eskalapatie
Samstag, 4. März 2017 um 8:50Wer Eskalapatie1 nicht kennt, kennt wahrscheinlich auch weder Othelloweit2 noch Esamusawasa3. Hat also nie Volkslieder und/oder Chor gesungen.4
Egal.5
Gestern konnte Herr Kaltmamsell endlich den Punkt “Mühlenführung” von seiner Erinnerungsliste löschen, den ich ihn vor Jahren darauf zu setzen gebeten hatte. (Es hat sich in diesem Hause eingebürgert, dass er sich aufschreibt, was ich ihm mit “Erinnere mich doch, dass ich…” zurufe. Vor Jahren war das “… dass ich an einem freien Tag die freitägliche Führung durch die Hofbräuhaus Kunstmühle mitmachen will.”)
Er kam sogar mit.
Wir waren eine 15-köpfige Gruppe inklusive vier Kindern, auf die besonders eingegangen wurde.
Am längsten verweilten wir im Walzboden, in dem die acht alten Walzmaschinen aus dem Jahr 1921 (ich hätte sie “Mühlen” genannt) mit je vier Metallwalzen für die insgesamt 16 Mühlgänge standen. Wie zu Krabats Zeiten muss der Müller sie selbst reparieren können.
Im Hintergrund sieht man den Mehl-Paternoster für den Abtransport zum Sieben.
Verarbeitet wird hier nur Weizen.
Kontrollanzeigen alt und hochmodern – letztere hinter der Steinmühle für Spezialschrot:
Mitarbeiterin Heidi – ja, sie ist für die Mäuse zuständig.
Zum nächsten Mahlgang führen Rohre in andere Stockwerke.
Die Mehltüten werden mit einer Handmaschine zugenäht (und ich öffne sie immer erst mal an der falschen Seite, von der aus ich sie nicht mit einem Zug aufribbeln kann).
Besonders stolz ist die Mühle auf ihr Farina Tipo OO: Nach eigenen Aussagen backen 70 Münchner Pizzerien mit der Mischung aus drei Weichweizensorten. Auch sonst ist Müller Blum wohl dahinter, die letzten Münchner Kleinbäcker als Kunden zu halten oder zu gewinnen. Der Weizen wird eigenen Angaben zufolge von Landwirten aus dem Umland geliefert.
Aufregend: Die Rutsche, auf der die Mehlsäcke zur Verladung transportiert werden.
Freude zum Abschluss: Lutz Geißlers Brotbackbücher in der Auslage des Mühlenladens.
Die Roggenmehle im Mühlenladen sind zwar zugekauft (außer dem in der Steinmühle gemahlenen Roggenvollkornmehl, das so grob ist, dass ich es als Roggenschrot einsetze), aber wenigstens kriege ich hier fast alle Typen, die ich zum Brotbacken brauche.
Fall es noch nicht implizit klar geworden ist: Große Empfehlung dieser Mühlenführung – so mitten in einer Großstadt und mit dieser Geschichte ist der Betrieb wirklich etwas ganz Besonderes. Auch als Tipp für Münchenurlauber: Wenn Sie mal Freitagnachmittag in München sind, schaun Sie sich das an.
Als der freundliche Führer erklärte, dass es auf dem Walzboden bei laufenden Maschinen viel zu laut wäre, um ihn zu verstehen, fiel mir ein, dass ich vor 30 Jahren als Volontärin einen Radiobeitrag über die damals letzte Mühle in Ingolstadt gemacht habe, über die Schaumühle. Vielleicht mögen Sie sich die zwei Minuten ja anhören – tut mir leid, lauter habe ich’s nicht (und seien Sie gnädig mit den vielen Anfängerfehlern).
§
Schon davor war der gestrige ein sehr schöner Tag gewesen: Ich war morgens zum Schwimmen ins Olympiabad geradelt, hatte mich anschließend mit Herrn Kaltmamsell zum Mittagessen bei Marietta getroffen.
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Sehr schöne Geschichte als Dokufilm auf Facebook:
“How one woman is fighting food waste in Denmark.”
Es sollte mehr Kochbücher zur Verwendung von Resten oder nicht mehr frischen Zutaten geben. Wer kochen kann, wirft sicher viel weniger weg als Leute, die auf Vorproduziertes angewiesen sind. Doch auch diesen Umgang mit Lebensmitteln kann man doch lernen.
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Füttert die Wildvögel! Vor allem wenn ihr ländlich wohnt!
“‘Die kleinen Vögel verhungern'”.
§
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr ist Arrival mein Filmfavorit des vergangenen Jahres.
Hier ein ausführlicher und ganz großartiger Überblick über den wissenschaftlichen Hintergrund des Films, inklusive zahlreichen Interviews. (Achtung Spoiler!)
“The Science of ARRIVAL”.
via @alexmazkeit
- Die ersten drei Wörter des Volkslieds “Es klappert die Mühle”. [↩]
- Anfang von “Oh Täler weit, oh Höhen. [↩]
- Nicht ganz Volkslied: Aus Das weiße Rössl das Lied “Es muss was Wunderbares sein…” [↩]
- Falls Sie sich schon immer gefragt haben, woher die Leute kommen, die “zum Bleistift” lustig finden. [↩]
- Ich bin sicher, ohne Auerhaus hätte ich das nicht geschrieben. [↩]
12 Kommentare zu „Journal Freitag, 3. Februar 2017 – Eskalapatie“
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4. März 2017 um 8:54
Die Mühlenführung schon lange geplant, muß jetzt unbedingt umgesetzt werden! Danke für die vorab Führung.
4. März 2017 um 9:07
******************KOMMENTAROMAT**********************
Gerne gelesen
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4. März 2017 um 10:23
Einfach nur toll, Vielen Dank für den Tipp.
4. März 2017 um 12:36
Oh toll, dazu lade ich in den nächsten Ferien mal die Bruderkinder ein. Vielen Dank für den Bericht!
4. März 2017 um 12:50
Bei den Mühlenfotos wird mir so warm um’s Herz. Und das Kopfkino spult Filmchen ab. Meine Schulfreundin ist Müllerstochter und ich war glückselig, wenn ich da zwischen den Walzen rumstampfen konnte. An heißen Tagen wurde der Mühlbach gestaut und wir haben im eiskalten Bach gebadet. Wenn der Vater nicht da war, musste sie die Mühle machen. Das heißt rumsitzen und warten, bis Kundschaft kam und Mehl kaufen wollte. Einen heißen Sommertag auf Mehlsäcken sitzend und tratschend verbringen, was besseres gabe es nicht. Den Mühlentick habe ich heute noch. An Pfingstmontag kann man hier die Mühlen besichtigen, und ich kenne mittlerweile jede.
Meine Freundin sieht das ganz anders, und sie zerdonnert mir regelmãßig meine Trãume vom schwäbischen Mühlensommer. Den kalten Mühlenwinter und die harte Arbeit verdränge ich nämlich völlig. Und wie ich mich blamiert habe, als sie mich zum Heumachen mitgenommen haben: ich konnte weder rechen noch wenden.
Danke für’s Erinnern.
4. März 2017 um 14:57
Das sind ja ganz großartige Erinnerungen, Croco! Vielen Dank fürs Erzählen. Der Bach unter der Hofbräuhausmühle (Malzmühlbach) versiegte 1968, als der U-Bahn-Bau begann.
5. März 2017 um 7:39
Danke sehr, auch an Herrn Kaltmamsell fürs Notieren, Erinnern und Begleiten. Die Bilder sind toll! Die Motive auch – catcontent auf der Vorspeisenplatte!
Am Aschermittwoch haben wir Forelle Müllerin mit vier Jungs aus Afghanistan und Somalia gemacht und dazu die deutsche Idylle gezeichnet, in der die Müllerin sich ein Forelle aus dem Mühlbach holt und sie dann im Mehl wendet und brät, das ihr Mann gerade frisch gemahlen hat, der Müller.
Darauf Hadar aus Somalia: “Thomas oder Gerd Müller?”
Und mei, so eine junge Kaltmamsell! Ist sie auch die Sprecherin und Musikauswählerin (sehr fein)?
5. März 2017 um 8:16
Hihi, Sebastian! Ich nehme an, die Jungs wären auch nicht so beeindruckt wie wir gewesen vom Alter der Maschinen und des Betriebs.
Ja, da hört man mich – und in einem so kleinen Sender hatte ich natürlich alles selbst gemacht. Gerade mit Musikschnipseln spielte ich damals gerne.
5. März 2017 um 8:52
Seit etwa drei Monaten habe ich den Mühlenbesuch nun als regelmäßige Erinnerung im Kalender stehen. Nach diesem Bericht, bekommt er jetzt noch mehr das Atribut “unbedingt anschauen – bald!”
Auch könnte ich dort meine Mehlvorräte wieder etwas auffüllen.
Danke für den Bericht und die schönen Bilder! LG Sylvia
6. März 2017 um 10:15
Fremde Inder. Auch ein schönes Lied.
6. März 2017 um 14:24
Als Fan von Wort-Sprach-Spielen kennen Sie sicher auch: “Menebtekle? Niemenebteklee, ebtebetn!” Ein Geheimsprachen-Rätsel, mit dem uns unsere Mutter auf einer Autofahrt über Stunden beschäftigt hielt.
(= Mähen Äbte Klee? Nie mähen Äbte Klee, Äbte beten!)
Ein Faible für Mühlen ist scheinbar etwas wirklich romantisch-deutsches, oder? Ich jedenfalls liebe Krabat, die vielen Mühlen-Volkslieder und die Tomi-Ungerer-Zeichnungen aus meinem Volkslieder-Buch dazu. Hier im Rheingau gibt es einen herrlichen Mühlenwanderweg durch Weingärten. Falls Ihnen mal fad ist…
6. März 2017 um 14:36
Wie schön, Julia! Ich kenne eine Abwandlung aus dem Altgriechisch-Unterricht (also Pseudo-Griechisch): Menebteheu.
Mühlenwanderweg!