Journal Samstag, 29. April 2017 – Mehr alter Südfriedhof und Kulinaritäten
Sonntag, 30. April 2017 um 8:07Ausgeschlafen. Und nicht nur hatten der Schnee und der Regen der vergangenen Woche endlich aufgehört: Es schien sogar hin und wieder die Sonne.
Eigentlich hatte ich eine Schwimmrunde im Olympiabad geplant, doch beim Packen merkte ich, dass mir der Gedanke an Nichtschwimmen mehr Vergnügen bereitete als der Gedanke ans Schwimmen. Ich ließ mir ein Bad ein und legte mich mit dem SZ-Magazin vom Vortag hinein (großartiges Interview mit Toni Morrison – wieso sie statt dessen ein Gewinnspiel auf den Titel genommen haben, würde mich schon interessieren).
Die anschließende kleine Einkaufsrunde (noch ein paar Lebensmittel fürs Wochenende) fühlte sich durch die Schwimmabsage an wie geklaut – aber durchaus angenehm.
Vom Ernteanteil war noch Spinat da, auf meinen Wunsch bereitete uns Herr Kaltmamsell daraus Eggs florentine – eins meiner Lieblingsfrühstücke, und den Toast hielt ich daran schon immer für überflüssig.
Es ist großartig, einen Partner zu haben, der Hollandaise (die unterste Zubereitung) aus dem Effeff kann.
Nachmittags ließen wir uns von Florian Scheungraber ein weiteres Stück des Alten Südfriedhofs zeigen: Den hinteren, neuen Teil. Diesmal war die Gruppe siebenköpfig. Unter anderem hörte ich von den Freiwilligen, die sich um Gräber kümmern (die meisten von ihnen Anwohnerinnen und Anwohner) und wie die Standsicherheit wackliger Grabsteine wiederhergestellt wird. Scheungraber hatte Bilder dabei, die zeigten, wie prächtig der neue Friedhofsteil im italienischen Stil einst ausgesehen hatte – mir war gar nicht klar gewesen, dass die kunstvollen Arkaden einst alle vier Seiten geschmückt hatten. Sie wurden alle durch den Bombenangriff im Oktober 1943 zerstört. Scheungraber zitierte eine Zeitzeugin, laut der die Arkaden, in denen viel Holz verbaut worden war, drei Tage lang brannten. Nur der südliche Arkadenteil wurde so gut es ging restauriert und mit einem Dach geschützt.
Diese Angabe des Todes ist wohl der Hinweis auf einen Suizid – die Großhesseloher Brücke ist berüchtigt als Selbstmörderbrücke.
Auf Ellen Ammann hatte mich ja schon Kommentatorin Sabine vorbereitet. Eine ganz herausragende Politikerin, deren Lebensgeschichte sehr aus dem Gemauschel und Gevetter der sonstigen Honoratioren auf dem Südfriedhof heraussticht – eine Ausnahmeerscheinung. Ich hatte ihr weiße Rosen mitgebracht.
Bei der ersten Führung vor vier Wochen standen wir in Hemdsärmeln zwischen den Grabsteinen, vor drei Wochen war eine Jacke nötig, gestern trugen wir Mantel und Schal. Ob wir wohl für die nächste Runde in zwei Wochen (innerer Weg) die Schneestiefel aus dem Keller holen werden?
Auch fürs Nachtmahl sorgte Herr Kaltmamsell: Er bereitete eine Gemüse-Kugel aus einem jüdischen Kochbuch zu (die seltsame Farbe rührt von roten Zwiebeln und lila Karotten). Zum Nachtisch gab es einen Apple Crumble in Luxusversion, den ich gebacken hatte: Blaubeeren unter die vorgegarten Äpfel gemischt, die Streusel mit gemahlenen gerösteten Haselnüssen verfeinert.
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Flüchtlinge in Deutschland: Die Berichterstattung der hiesigen Medien begleiten das Thema mit aktuellen Neuigkeiten, dazu auch Hintergründen. Doch es ist wie so oft die Außensicht, die einen größeren Überblick ermöglicht. Deshalb dicke Empfehlung dieser Multimedia-Reportage der New York Times:
“The storied city of Weimar, Germany (population 65,000) absorbed 900 refugees in a year. Our journalists spent months on the ground examining integration from all sides.”
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“British Food, Explained For Americans”.
Eine wunderbare Erklärung der britischen Esskultur, nicht nur für Amerikaner aufschlussreich.
via @MarcusJHBrown
die Kaltmamsell9 Kommentare zu „Journal Samstag, 29. April 2017 – Mehr alter Südfriedhof und Kulinaritäten“
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30. April 2017 um 10:47
Das British Food ist wunderbar, am besten ist die Erklärung von Käse. Und sofort wieder Sehnsucht nach der Insel…
30. April 2017 um 14:04
Hallo, Frau Kaltmamsell,
ob sich eine 86jährige wirklich noch von der Brücke stürzt…?
Liebe Grüße, auch an den Herrn Gemahl!
Bernhard.
30. April 2017 um 14:11
Hatten wir auch ausgerechnet, Bernhard – sie wird halt die Nase ähnlich voll gehabt haben wie Max von Pettenkofer, von dessen Suizid durch Schusswaffe im Alter von 82 Jahren wir gestern an seinem Grab hörten. Danke für die Grüße!
30. April 2017 um 20:58
Der Besuch bei Ellen Ammann freut mich natürlich sehr. Ich denke zur Zeit viel darüber nach, wie es passieren kann, dass Frauen, die viel bewegt haben, doch so in Vergessenheit geraten und frage mich, ob eine besondere religiöse Zugehörigkeit – wie bei Ammann – nicht ein zusätzlicher Malus ist, der verhindert, dass frühzeitig zum Beispiel aus frauenbewegten Kreisen Forschung und Bekanntmachung betrieben wurde. Da wäre zum Beispiel – als schöner Kontrapunkt zum Reformationsjahr – die formidable Caritas Pirckheimer, die zwar in strenger Klausur lebte, aber lebhaft per Brief an der theologischen Diskussion in Europa teilnahm und sich schließlich mit der neu lutherisch gewordenen Stadt Nürnberg in höchst dramatischer Weise anlegte, um ihr Kloster und das den dortigen Nonnen sehr wertvolle Leben gegen den Zeitgeist und die Familien der Schwestern zu erhalten. Gut, Pirckheimer ist im Vergleich zu Amman ziemlich bekannt und auch in dem einen oder anderen Schulbuch gelandet, aber trotzdem – die Arbeiten über sie sind dann wieder von Theologinnen, nicht unbedingt von Historikerinnen. Und die Ausstellungen werden von der Kirche gemacht, nicht von der Stadt. Dabei gibt es sie sogar im faszinierenden O-Ton. Ab Kapitel 34 geht es richtig zur Sache, ein Lesegenuss, wenn man frühneuhochdeutsch zu schätzen weiß.
Wohin das mal führen soll, wenn Religiosität immer mehr zur gesellschaftlichen Randerscheinung wird (sprach sie, ihr ergrauendes und zweifelndes Haupt wiegend).
30. April 2017 um 21:01
Ha, und Pettenkofer! Hat Herr Scheungraber auch die ganze schöne Cholera-Geschichte erzählt?
Bezüglich der schönen Grabmäler kann ich von einem Friedhofsgang heute in Peretshofen bei Dietramszell (besser für sein spektakuläres Panorama bekannt) mit einer “Wirtsoma” und einem “tugendhaften Jüngling” aufwarten. Ein besonders schöner und lehrreicher Friedhof.
30. April 2017 um 21:03
Aber sicher hat er die Cholerageschichte erzählt, Sabine! Sie wollte so gar nicht zu seinen frühen sehr analytischen Ansätzen passen.
Einflussreiche Frauen: Bis vor gar nicht allzu langer Zeit war die kirchliche Laufbahn (Kloster) ja die einzige Möglichkeit für Frauen, ungestört von Fortpflanzung intellektuell zu leben.
30. April 2017 um 21:14
Zur Cholera empfiehlt sich das schöne Buch The Ghost Map von Stephen Johnson, über den analytischen Glücksfall, der dem Armenarzt John Snow (jaja, jetzt lachen die Leute, aber der wusste wirklich was) in London bezüglich der Cholera gelang. Nach der Lektüre hatte ich viel mehr Verständnis für den guten Pettenkofer. Übrigens kann man in der Metzstraße in Haidhausen die städtebauliche Auswirkung seiner Miasmentheorie besichtigen – er verlangte nämlich, man solle zwischen den neu erbauten Mietshäusern in ost-westlicher Richtung Abstände lassen, statt sie in Riegeln zu bauen, um für eine gute Belüftung zu sorgen. Im Rest des Franzosenviertels wurde dann – vermutlich wegen der Gier der Bauunternehmer -nichts mehr daraus, aber in der Metzstraße schon. Wenn man dann im Café Fortuna absteigt, kann man sich ein Glas Leitungswasser zum Kaffee eingießen und es auf Pettenkofer erheben.
1. Mai 2017 um 15:23
herzlichen Dank für den Hinweis auf die geniale (unterste) Zubereitungsvariante der Hollandaise.
Made my evening und ersparte mir das knifflige Aufschlagen und Wasserbaden mit ungewissem Ausgang.
15. Mai 2017 um 16:26
Auf der Seite des katholischen Frauenbundes Augsburg kann man einen Ellen Ammann-Fächer bestellen. Hammer! das must-have Accessoire für die politisch bewegte Frau im Sommer.