Journal Sonntag, 11. Juni 2017 – Freibad und Balkon, Elektronikgefummel

Montag, 12. Juni 2017 um 6:59

Den gestrigen Sonntag empfand ich als wirklich frei. Als hätte ich sonst jeden Tag fremdbestimmtes Programm, was nun wirklich überhaupt nicht so ist.

Morgenkaffee auf dem Balkon (wenn auch mit Socken an den Füßen, so warm war’s dann doch nicht), Bettwäsche gewaschen, zu Fuß in den Hochsommertag und zum Schwimmen ins Schyrenbad.

Das Becken war schon vormittags gut besucht, doch die meisten Schwimmerinnen und Schwimmer machten nur ein paar Bahnen.

Umgezogen und gut sonnengemilcht wärmte ich mich in der Sonne mit Musik auf den Ohren auf, Blick auf den unbelebten Teil der Liegewiese. Das sonstige Schyrenbad war knackenvoll, als ich am frühen Nachmittag nach Hause aufbrach.

Ungefähr hier hielt sich der Rest Münchens auf.

Auf dem Heimweg kämpfte ich mit dem Wackelkontakt meiner iPhone-Knöpfe, der über die vergangenen Wochen immer schlimmer geworden war und jetzt ständig Apps schloss – unterwegs zum Beispiel PokénomGo.

Zu Hause bereitete ich das Abendessen vor: Zitronen-Thymian-Huhn. Inzwischen habe ich es so oft gemacht, dass ich nicht mehr von der Anweisung überrascht werde, es zum Marinieren ein paar Stunden in den Kühlschrank zu stellen.

Unser Wäschetrockner scheint sich nach nicht mal 25 Jahren Nutzung zu verabschieden. Was die Bettwäschelogistik komplizierte.

Auf dem Balkon Internet und Wochenend-SZ gelesen, den Vögeln am Meisenknödel zugesehen. Die Buntspechte vertreibe ich inzwischen: Zum einen zerhacken sie innerhalb weniger Stunden den ganzen Knödel und lassen den anderen Vögeln nichts, zum anderen sollen sie gefälligst Schädlinge aus Baumborken popeln. Die Meisenkinder (Kohl- und Blau-) haben inzwischen gelernt, selbst vom Knödel zu fressen, fiepen dabei aber weiterhin ihr durchdringendes FÜTTERE MICH!

Hühnchen in den Ofen geschoben, Fotos und Text für ein Interview fertig gebastelt, um das ich gebeten worden bin.

Beim Einstecken des iPhones zum Laden entdeckte ich, dass auch das Ladekabel einen Wackler hat, es bricht Steckdosen-seitig. Mit viel Gefummel brachte ich es noch einmal zum Vollladen, die Fotos musste ich mir allerdings auf den Rechner schicken, statt sie runterzuladen.

Zum Abendbrot gab es den wunderbaren Film Spy auf Deutsch und mit Werbeunterbrechung. Die Synchronübersetzungsmannschaft hatte offensichtlich Spaß – aber die Stimme von Miranda Hart als Nancy hätte besser eine Komikerin übernommen, im Original stiehlt sie in fast jeder Szene die Schau, übersetzt geht sie unter. Ich blieb extra bis zum Schluss des Films auf, weil ich die überraschende allerletzte Szene nochmal sehen wollte. Nur um daran erinnert zu werden, dass die in den Abspann eingebaut ist – und im Fernsehen wird schon seit vielen Jahren der Abspann weggelassen.

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Manche Aspekte der Elternschaft finde sogar ich interessant. Zum Beispiel, was Menschen ihren Kindern aktiv beibringen wollen (und was offensichtlich nicht, oder nicht können, aber das ist ein ganz anderes Kapitel). So ist Herr Buddenbohm entschlossen, seinen Kindern Einkaufen beizubringen. Das liest sich sehr vernünftig, aber unerwartet anstrengend.1
“Der Mensch braucht achtzehn Sorten Milch”.

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Die Zeit erkennt:
“Wir sind Konsumnation”.

Heute, 45 Jahre nachdem der Club of Rome seine wegweisende Studie Die Grenzen des Wachstums veröffentlichte, sind die sozialen und ökologischen Folgeschäden des Massenkonsums selbst von Verfechtern des deregulierten Marktes nicht mehr zu leugnen. Angesichts von Klimawandel, Naturzerstörung oder den Arbeitsbedingungen in pakistanischen Sweatshops und chinesischen Fabriken ist im öffentlichen Bewusstsein mittlerweile verankert, dass der in Konsumgesellschaften produzierte Wohlstand nur durch die Zerstörung seiner eigenen Grundlagen, allen voran der Natur, zu haben ist. Wird heute deshalb von Konsumgesellschaft gesprochen, so meist in gesellschaftskritischen Kontexten. Dann, wenn nachhaltiger Verbrauch oder gar Post-Wachstum, also eine Art wirtschaftliches “Gesundschrumpfen”, gefordert wird.

An dieser Stelle wird es kompliziert. Denn so unzweifelhaft die Erkenntnis ist, dass die Konsumsteigerung zu irreversiblen Folgeschäden führt, und so klar die Einsicht, dass insbesondere westliche Gesellschaften ihr Verbrauchsniveau signifikant senken müssten – die Konsumkritik umfasst in der Praxis dennoch eine Reihe fundamentaler Widersprüche, von denen viele sich kaum auflösen lassen.

(…)

Das erste Problem einer wirksamen Konsumkritik liegt nicht darin, dass sie es mit mangelndem Bewusstsein zu tun hätte. Falls doch, dann bräuchte es “nur” Aufklärung. Das Problem ist eher, dass Hochkonsumkulturen auf einer Art kollektiven Akt der Verdrängung beruhen, auf der schlichten Tatsache, dass das Lustprinzip in der Regel das Realitätsprinzip aussticht.

(…)

Gleichwohl wird Konsumkritik auch heute oft als moralistischer Diskurs der Besserverdienenden empfunden, als Nachhaltigkeitsmantra jenes ökologisch sensibilisierten Bürgertums, das sich punktuellen Verzicht eben nicht nur leisten kann, sondern diesen dann auch noch zum Mittel sozialer Distinktion macht: Der Aldi-Wurst mampfende Billigurlauber wird dann nicht nur mehr als ästhetische, sondern auch als ökologische Zumutung empfunden.

(…)

Bedürfnisse sind an einem bestimmen Punkt befriedigt. Begehrnisse sind letztlich unstillbar, da es sich bei ihnen um Mittel handelt, das eigene Leben auszustaffieren und zu inszenieren. Die Möglichkeiten dafür ragen ins Unendliche. Ein Deutscher besitzt heute im Durchschnitt rund 10.000 Dinge.

(…)

[Zum Beispiel dass] der alles beherrschende Leistungsgedanke nun in die Freizeit verlängert wird, also auch die ästhetische Ausstattung des Lebens einem Zwang des “immer mehr” gehorcht. Körperliche Schönheit oder die Pflege einer Erlebniskultur, sei es als Fußballfan oder Operngänger, offenbaren sich eben zunehmend als biografische Projekte, an denen man “arbeiten” muss.

(Mir fällt sofort die immer heißere Ausstattungsschlacht des so ziemlich Ausstattungs-ärmsten Sports überhaupt ein: des Schwimmens.)

§

Spannender Forschungbericht der Max-Planck-Gesellschaft:
“Aug in Aug mit dem Neandertaler
Wissenschaftler rekonstruieren das Verhältnis zwischen modernem Menschen und Neandertaler”.

Proteine überdauern in uraltem Knochenmaterial zehnmal länger als DNA. Die Untersuchung des Erbguts galt bisher als Königsweg, um einen Knochen einem bestimmten Lebewesen zuzuordnen. Die Paläoproteomik könnte der DNA-Analyse diesen Ruf streitig machen.

  1. Nur als Fußnote: Selbst wurde ich schon vor der Schulzeit Einkaufen geschickt, zum Beispiel Samstagmorgen zum Bäcker zum Semmelnholen oder zur Metzgertheke im benachbarten Supermarkt des Wohnblockviertels, in dem wir wohnten – eine Metzgerei lag zu weit weg. Die Semmelbestellung konnte ich auswendig, die zu erledigenden Metzgereieinkäufe schrieb meine Mutter auf einen Zettel, den ich über die Theke reichte. Umstehende Einkäuferinnen passten ein bisschen auf, dass mir keine schlechte Ware angedreht wurde, das Geld hatte meine Mutter mir ungefähr abgezählt mitgegeben. Ganz wichtig war: IMMER den Kassenzettel mitbringen, denn meine Mutter führte Haushaltsbuch. []
die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Journal Sonntag, 11. Juni 2017 – Freibad und Balkon, Elektronikgefummel“

  1. Maria meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

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  2. maz meint:

    … da wollte ich auch was Konsumkritisches zum Laufen schreiben, da erinnerte ich mich an meine arschteure Fitnessuhr, die alles aber auch alles exakt aufzeichnet. Dann an die chicen etlichen Paar hochtechnischen, vermutlich für Astronauten entwickelten Schuhe, ob gegelt oder luftbefüllt. Und an die Mitgliedschaft im Fitnessstudio, das ich seit etwa einem Jahr bald nicht besucht habe. Mit Schwimmen ähnlich.

  3. Joe meint:

    Mit unverständlich. Wenn 35+-jährige sich in die sportlichen Freizeitaktivitäten reinhängen, als wenn der Weg zum Profi offenstünde.

  4. Sabine meint:

    Apple-Kabel sind ein Elend. Der Inbegriff der geplanten Obsoleszenz.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Ich hätte vielleicht deutlich machen sollen, dass ich mich sehr als Teil dieser schädlichen Konsumnation sehe: Zwei Paar Sandalen statt eines, noch eine Gymnastikhose für Gewichtheben (geringelt! SO lustig!) – vom Konsumieren verfeinerter Speisen und Getränke gar nicht zu reden.

  6. maz meint:

    …ach was, Kaltmamsell. Implizit ist ja die Selbstkritik bei dir drin. Ich meinte es aber tatsächlich so, wie ich es schrieb. Für mich selbst denke ich immer, ich bin da sehr konsumkritisch, angefangen mit den puristischen Sportarten, die ich betreibe. Merke aber dann, wie der Konsum alles korrumpiert. In meinem Fall, weil ich so technikaffin bin.

  7. Tim meint:

    Irgendein Konsumlaster hat jeder, wenn die finanzielle Lage es erlaubt. Ich fliege jährlich knapp 100.000 km privat + den Dienstreisen. Eigentlich nicht schön.

  8. Elfe meint:

    ****
    Wie immer gerne gelesen,
    ****
    sagte sie und bestellte mal wieder ein Apple-Ladekabel …

  9. berit meint:

    Hm. Beim durchstöbern des heutigen Artikels ist mir aufgefallen, dass ich ihren schönen Bikini von heute (also diesem Artikel) noch lobend erwähnen wollte. Nun sehe ich erst richtig den Artikel zum Thema Konsum, den ich gestern überflogen hatte und weiß nicht ob das noch passend ist.

    Sei’s drum (was ja wiederum auch der Artikel wiedergibt): Ihr Bikini ist sehr schön und macht richtig Lust auf Sommer!

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