Journal Donnerstag/Freitag, 20./21. Juli 2017 – Grünspecht und Einkaufswidrigkeiten
Samstag, 22. Juli 2017 um 8:44Donnerstag auf dem Heimweg feuchtgeregnet worden, nach dem warmen Tag gar nicht unangenehm.
Vor dem Zu-Bett-Gehen wieder lange Fledermäuse geguckt.
Der Sänger der Band Linkin Park ist tot und große Teile meines Internets trauern. Ich musste erst mal nachhören, welche Musik diese Kapelle gemacht hat (aha, sowas hörte mein jüngerer Bruder viel), fand aber vor allem interessant, dass wieder Menschen vor allem deshalb bewegt waren, weil sie diese Band mit ihrer Jugend/ihrer Generation verbanden (wie andere wohl die Band Nirvana). Ich überlegte, welche Musik für mich als Heranwachsende emotional am wichtigsten war (einer Musikhör-“Generation” anzugehören, habe ich nie geschafft). Mir fiel Beethoven ein, vielleicht noch Bach-Motetten. Doch bevor ich das geradezu Raddatz-schnöslig cool finden konnte, wurde mir klar, dass Musik für mein Heranwachsen wohl einfach keine Rolle spielte.
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Freitag im Morgengrauen entdeckte ich mit Herrn Kaltmamsell einen Specht in der Kastanie vorm Balkon, der ungewohnt aussah. Wir verfolgten ihn so lange mit Fernglas und Teleobjektiv über Wiese und Büsche, bis feststand: Ein Grünspecht!
(Fehlt unter den Stylingtipps der Frauengazetten: Morgensonne streckt.)
Der Tag wurde schwülheiß. Nach der Arbeit nahm ich eine S-Bahn zum Marienplatz für Einkäufe und tropfte. Die Einkäufe vermochten meine Grundlaune nicht zu heben:
– Die Bankfiliale, an der ich Geld abheben wollte, existiert nicht mehr.
– Der Müller hatte nicht alle Mehle, die ich wollte.
– An der Supermarktkasse standen die Kunden bis in die Mitte des Ladens, so dass ich noch in der Tür umgekehrte.
– Für die Wachauer Marillen verlangte man am Viktualienmarkt 14 (VIERZEHN) Euro das Kilo (und für französische Aprikosen acht), so dass ich doch lieber zum Obststandl am Rindermarkt ging, wo ich ein Kilo schöne französische Aprikosen für fünf Euro bekam.
Daheim schälte ich Mandeln für das samstägliche Backen von Aprikosentarte und schnitt das Sommergemüse des Ernteanteils für Ofengemüse zum Nachtmahl (nur eine Paprikaschote und frischen Basilikum mussten wir zukaufen).
Das gab es zu einem köstlichen Entrecôte, um das ich gebeten hatte, da ich Freitagabend irgendwie immer mehr mit edlem Rindfleisch aus der Pfanne verbinde. Herr Kaltmamsell hatte es besonders energisch scharf angebraten, nahezu die gesamte Wohnung war rauchvernebelt. Doch das Ergebnis schmeckte sensationell.
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Ich bin alt. Das merke ich unter anderem an meiner steigenden Irritation über komplett zerrissene Jeans als Neuware – gestern kam mir eine Frau entgegen, deren Hose wirklich in Fetzen an ihr hing. Aber gut, jede wie sie mag (tatsächlich war ich aber schon in den 80ern über die damalige Mode zerrissener Jeans irritiert – bin mir allerdings recht sicher, dass sie nicht so verkauft wurden, sondern Teenager die Risse noch mühevoll und im Schweiße eigener Hände selbst reinreißen mussten – mir ham ja nix g’habt!). Echte Verkaufschancen sehe ich hierfür:
“Used Look: Apple plant iPhone mit Kratzern und Displayrissen”.
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Wie verlief der Büroalltag eigentlich vor EDV? Ich selbst habe das nicht mehr mitbekommen, denn mein Arbeitsleben begann 1986 in der Redaktion einer Tageszeitung bereits am Computer. Auch wenn noch einige riesige Schreibmaschinen herumstanden, die für das Tippen von Bildtexten und das Ausfüllen von Formularen benötigt wurden.
“Das analoge Büro”.
Welche zentrale Rolle Sekretärinnen damals hatten, war auch mir nicht bewusst. Nun frage ich mich, woher bitte das Klischee der unterbeschäftigten, Nägel feilenden Dame im Vorzimmer kommt, mit dem bis heute Sekretärinnenwitze gerissen werden.
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Stefan Mesch schreibt über seine Studienzeit in Hildesheim:
“Austeilen, Abgrenzen, Angstmachen, Einstecken. Fünf Jahre als Schreibschüler”.
Ich fand das hochinteressant, weil ein Einblick in eine mir völlig fremde Welt. Selbst die Außenseiterrolle Meschs, weil er nicht aus einer Bildungsschicht stammt, ist mir fremd: In meinem Geisteswissenschaft-Studium mischten sich die unterschiedlichen Herkünfte stärker.
In Stefan Meschs Blog gibt es eine Langversion der Erinnerungen (mit mehr Namen, u.a. seiner Dozenten und Dozentinnen):
“Sexismus im Studium, Sexismus an Schreibschulen: Kreatives Schreiben & Kulturjournalismus, Hildesheim”.
10 Kommentare zu „Journal Donnerstag/Freitag, 20./21. Juli 2017 – Grünspecht und Einkaufswidrigkeiten“
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22. Juli 2017 um 9:15
Guten Morgen!
Im ersten Moment dachte ich: “Warum geht die Mamsell in die Drogerie zum Mehlkaufen?” Soweit ist es schon gekommen mit meinem Gehirn. Ohje.
Zum Thema Sekretärinnen: Es ist wahrscheinlich der Neid darauf, dass die Damen eigentlich die Fäden in der Hand hielten. Und dass diese sich ihren Stress nicht haben anmerken lassen.
Den Trend zur zerissenen Jeans kann ich auch nicht nachvollziehen. Es macht den Hosenkauf für mich auch nicht einfacher. Aber ich trage gerne in Würde gealterte Jeans, die durch mich selbst zerschlissen sind.
22. Juli 2017 um 11:09
Tippfehler bei Blaupapier Durchschlägen, das schlimmste was es für mich gab!
Oder kurz vor Arbeitsende noch schnell einen langen Brief ohne Fehler tippen.
Ja ja heute mit PC geht alles leichter, oder auch nicht.
Zerrissene Jeans, eine Mode die ich nie verstehen werde.
22. Juli 2017 um 11:23
An das analoge Büro kann ich mich noch sehr gut erinnern. Als ich 1987 in der ehemaligen DDR meine Ausbildung zur Außenhandelskauffrau begann, haben wir teilweise noch auf mechanischen Schreibmaschinen geschrieben, bei denen man aufpassen mußte, daß man sich nicht die Finger bricht. Auch an Blaupapier, dünnes Durschlagpapier, mindestens 3 Durchschläge, die in diversen Ordnern abgeheftet werden mußten kann ich mich gut erinnern. Wenn etwas sehr schnell schriftlich an jemanden übermittelt werden mußte, wurde ein Telex geschickt. Dazu gab es einen Vordruck, der mit Durchschlägen -Blaupapier und dünnes Durchschlagpaper- ausgefüllt wurde und dann einen Stock höher zu zwei Damen gebracht wurde, die den ganzen Tag nichts anderes taten als Telexe zu versenden.
…und wir hatten in der Berufsschule wirklich ein Fach “Schreibmaschine schreiben”…mit 10 Fingern und blind…und es gab sogar eine Prüfung. Allerdings ist das etwas, wovon ich heute noch profitiere.
22. Juli 2017 um 15:10
Also ich kann mich den Vorkommentatorinnen nur anschließen.Ich begann meine Lehre zum Werbekaufmann–Frau gabs damals nicht- in der Buchhaltung vor einem Monster von Buchungsautomat bei dem man geduldig und akkurat die DM-Beträge in die diversen Spalten verbuchen mußte-es waren bis zu 35 Spalten und am Ende des Tages dürfte in keiner Spalte 1 Pfennig Zuviel oder zuwenig sein, ansonsten begann stundenlanges suchen.
Auch den Telexautomat bediente ich nach anfänglichen Schwierigkeiten virtuos, ich konnte später sogar damit schummeln wenn der Anzeigenschluß beim Verlag schon vorbei war, ich hab dann einfach das Protokoll gefälscht! Segensreich die Erfindung der IBM-Kugelkopfmaschine und dann kam das Tipp-ex.Und heute tippe ich fast blind auf dem Tablet umher-das nenne ich neue Zeiten-gut so wie es ist!
Schönes Wochenende und die Aprikosentarte will ich auf Instagram sehen
22. Juli 2017 um 16:06
Wie ging Studium ohne Computer? Ich erinnere mich noch an das Seminar “Einführung isn wissenschaftlche Arbeiten”, mit Anlage von Karteikarten und die Geheimnisse der Schlagwortkataloge in der Bibliothek. Und später PubMed/medline auf einem Dutzend CDs mit denen man wi ein DJ hantierte.
22. Juli 2017 um 21:33
manche seminararbeiten hab’ ich auf meiner mignon getippt (ok, das war ein spleen), aber die ibm-kugelkopf-maschine der institutssekretärin meines vaters, das war wochenend-arbeit (erlaubte). und telex und telefax (mit thermpoapier!!!).. und natürlich die lebenswichtigen zeitungsarchive… (und die sehnenscheidenentzündungen. links und rechts gleichzeitig.)
22. Juli 2017 um 21:38
“Wie verlief der Büroalltag eigentlich vor EDV?”
Büros mit Damen. Eine Dame war Büroleiterin. Es wurden Zahlen in Karteikarten eingetragen, in Listen, Zahlenkolonnen in Kontorbücher mit vielen Spalten. Ein Filterkaffeeautomat stand da.
Es gab viele Stempel (Eingang, Ausgang, verbucht am, usw.).
Die Atmosphäre war nicht hektisch.
Es gab keine Softwareprobleme und stundenlange Ausfälle im Zusammenhang damit.
Ich könnte auch noch erzählen, wie der Telefonverkehr mit dem Ausland 1970 verlief, das wäre einen eigenen Blogbeitrag wert.
23. Juli 2017 um 7:48
Das ist ja großartig, dass sich hier so viele an Bürozeiten vor Computer erinnern. Vielleicht mag der eine oder die andere das als Gastbeitrag im Techniktagebuch hinterlassen? Wenn sich Inhalte mit vorhandenen Beiträgen dort doppeln, ist das sogar gewünscht, weil aussagekräftig. Hier kann man einen Gastbeitrag direkt eintragen:
http://techniktagebuch.tumblr.com/submit
24. Juli 2017 um 21:12
Ich habe noch Schreibmaschinenschreiben mit 10 Fingern (blind) gelernt, auf einer Kugelkopfmaschine von IBM. Was für ein Geklacker das damals war!
24. Juli 2017 um 22:10
Ich hab ja ein grundsätzliches Problem mit gekauft zerschlissener Kleidung. Ich finde das eine arrogante Lebensweise, die für mich nicht akzeptabel ist. Weder ökologisch, noch menschlich (sorry, fällt mir kein wissenschaftliches Wort ein). Die Zustände, unter denen derartige Modeerscheinungen hergestellt werden, sind abzulehnen. Außerdem ist es eine Beleidung denjenigen gegenüber, die sich keine neue KLeidung leisten können. Ich habe zerschlissene Jeans – mehrmals geflickt. Ehrlich runtergetragen. Aber wenn ich es mir neu kaufe, dann, um sie ehrlich runterzutragen über die Jahre.