Journal Sonntag, 3. September 2017 – Spanien 14, Madrid und die korrekte Art, Churros zu essen

Montag, 4. September 2017 um 12:53

Ausgeschlafen, ganz, ganz lang. Und für den Sonntag keine Pläne gehabt außer churros y chocolate. Für dieses Frühstück kehrten wir zum Maestro Churrero zurück, in dem wir vor zehn Jahren schon Churros und Porras gefrühstückt hatten. Nur dass aus dem Lokal mittlerweile ein Churros-Schnellrestaurant geworden ist. Auch sonst war hier jegliche Churros-Weiterentwicklung zu sehen, die mir bereits in Nizza und auf Mallorca begegnet war: Glasierte Churros, gefüllte Porras, sogar herzhafte Varianten. Das ist schon in Ordnung, so ist der Lauf der Dinge.

Wirklich echt und wie sie sich gehören, sind Churros ja ohnehin nur aus einer windschiefen Wellblechhütte, die zwischen den Wohnblöcken der Madrider Trabentenstädte steht (z. B. in Moratalaz), auf nichts als staubigem Lehmboden (wahrscheinlich noch der Aushub vom Bau der Wohnblöcke). Und zu dem man an einem heißen Sonntagvormittag als Mädchen von sieben, acht Jahren zum Churros-Holen geschickt wird, vom Vater einen Pesetenschein in der Hand und begleitet vom spanischen primo (für den solch ein unbegleiteter Einkauf deutlich ungewöhnlicher ist als für das Mädchen, wenn sie die ausführlichen Anweisungen und Ermahnungen der Tante richtig deutet). Diese korrekten Churros kommen aus dem einzigen funktionalen Inhalt der Wellblechhütte, einem riesigen Kessel voll Frittierfett, dessen Hitze bereits beim Nähertreten spürbar ist, hinter dem ein bis zwei Menschen stehen und durch eine metallene Teigspritze Churroskringel ins Fett gleiten lassen. Die gewünschte und bezahlte Menge wird in Zeitungspapier gewickelt, und man muss sie vorsichtig greifen, um sich nicht die Kinderhände zu verbrennen – fettig werden sie ohnehin jetzt schon durchs glasig werdende Papier. Korrekt gegessen werden sie dann in der Wohnung mit heißer, süßer, dicker Schokolade, die die Yaya in der Zwischenzeit erstellt hat.
Und das kann keine Churrería der Welt bieten.

Herr Kaltmamsell zog anschließend ein wenig um die Häuser, ich ging zurück in den Ferienwohnung und bügelte von der frisch gewaschenen Kleidung die, die ich noch in Madrid gedenke zu tragen (und das weiße Hemd, in dem ich Herrn Kaltmamsell so gerne sehe). Als er wiederkam und ich fertig gebügelt hatte, lungerten wir noch ausführlich in der klimatisierten Wohnung herum, lasen, ließen den Fernseher laufen (mein Reisebegleiter interessiert sich sehr für das Fernsehprogramm in bereisten Ländern).

Ein wenig wollten wir aber doch noch raus, wir spazierten in die Jardines del buen retiro, kurz den Retiro. Dort war es sehr schön und mindestens so voll wie im Sommer bei ähnlichem Wetter im Münchner Englischen Garten (der gartenarchitektonisch genau das Gegenteil des Retiro ist). Das Wetter war sehr warm, aber zum Glück weit entfernt von der prügelnden Augusthitze, die ich vom Madrid meiner Kindheitsurlaube kenne.

Zurück spazierten wir über den Bosque del recuerdo, den ich noch nicht kannte und der 2005 zum Gedenken an die Terroropfer von Atocha erbaut wurde. Mir gefiel diese Art der Gedenkstätte. Als wir in der Dämmerung an deren höchsten Punkt standen, begann es um uns zu flattern: Fledermäuse! Wir spazierten langsam hinunter, blieben lange am Fuß des Denkmals stehen und guckten vielfältiges und zahlreiches Geflatter – ich bildete mir ein, sogar die Durchsichtigkeit der Flügel zu erkennen.

Seit zwei Wochen essen wir nun in Spanien, und das wenige Gemüse, das wir in Restaurants bekommen, beschränkt sich auf Beilagensalat, Kartoffeln und gebratene Paprika; die Speisekarten bieten praktisch keine Gemüsegerichte (gestern sah ich zum ersten Mal madrilenisches Pisto auf einer Karte). Wir fühlten uns gründlich untergemüsiert. (Wodurch mir klar wird, dass wir uns daheim wirklich überwiegend von Gemüse ernähren.) Zum Glück gibt es in Madrid zahlreiche vegetarische Restaurants, in einem davon aßen wir gut zu Abend.

Kale-Salat (in dem sich allerdings nur wenige Schnippsel rohen Grünkohls befanden, dafür köstlicher eingelegter Rettich), Kebab aus Jackfruit für Herrn Kaltmamsell, gebackene Aubergine für mich. Zum Nachtisch Ananas-Crumble für meinen Begleiter, Bananen-Panna cotta für mich, ebenfalls sehr gut.

§

Christian Stöcker erläutert, in welchen Maße Autos schuld sind an der Überflutung Houstons, und zwar nicht durch ihr Fahren, sondern durch ihr Herumstehen. (Was ich gut nachvollziehen kann: In den Jahren, in denen ich ein Auto hatte, empfand ich das Fahren gar nicht mal als so belastend, sondern die Suche nach Abstellmöglichkeiten.)
“Im Überfluss”.

Wir sollten uns die Welt von den Autos zurückholen.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Sonntag, 3. September 2017 – Spanien 14, Madrid und die korrekte Art, Churros zu essen“

  1. Schneizel meint:

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    Gerne gelesen

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  2. Croco meint:

    Mir läuft das Wasser im Munde zusammen…..mhhhhh….Churros und Schokolade. Das es diese Kombination noch nicht über die Pyrenäen und Vogesen geschafft hat, bedauere ich sehr.

  3. Antje meint:

    @croco: immerhin schon auf die Basler Herbstmess’ , also über die Alpen (allerdings zu Schweizer Preisen)

  4. marthe meint:

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    Gerne gelesen

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  5. Vinni rabensturmig meint:

    Das Parkfoto mit der Glaskuppel ist wirklich sehr schön und stimmungsvoll!

  6. lihabiboun meint:

    “Untergemüsiert” — made my day! Sowas tät ich ja ganz ganz schlecht vertragen, wahrscheinlich würde ich in den nächsten Laden rennen und Tomaten kaufen und die roh essen ….

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