Der Freitag war uninteressant. Nachdem ich noch in milder Luft in die Arbeit geradelt war, sanken tagsüber die Temperaturen rapide. Zumindest trocken kam ich abends ins Tal, um im Hofbräuhausmühlenladen Roggenmehl zu besorgen, doch ich hatte mich während eines Platzsprühregens ein paar Minuten unterstellen müssen.
Zum Abendessen bereitete Herr Kaltmamsell Dim Sum, die Teigplatten dafür waren der letzte Inhalt des Gefrierschranks gewesen: Jetzt kann ich ihn abtauen.
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Samstagmorgen verabschiedete ich Herrn Kaltmamsell für vier Tage Abwesenheit: Er fuhr wie mittlerweile alle Allerheiligenferien zum Rollenspielen (Call of Cthulhu, Pen&Paper).
Das Wetter war windig mit buntem Himmel, ich ging Laufen (Hofgarten – Unterföhring).
Nach Frühstück eine kleine Siesta. Zweimal von eigenem Schnarchen (Seitenlage, geschlossener Mund – ich bin schließlich eine Dame) aufgewacht.
Ausführliches Bügeln, für das ich mir über die Woche zuvor Hörstoff gesammelt hatte:
1.
“I hope this email finds you well…”
Mary Beard ponders why email is governed by so few rules and conventions.
Und holt sich dann selbst vom Krückstockgefuchtel runter, als sie feststellt: Die Alten Römer waren auch nicht besser.
2.
Holgi hat sich für Bayern Tourismus mit den Käse-Affineur Thomas Breckle unterhalten.
Superspannend (ich mag sehr, wie Holger Kleins ehrliche Neugier und seine mangelnde Scheu, selbst ein wenig doof dazustehen, die Gesprächspartner zum Erklären und Erzählen bringt) – und jetzt will ich dringend diesen affinierten Käse probieren. Mit Riesling oder Silvaner von der Nahe.
Im Briefkasten hatte ich eine Sendungsbenachrichtigung gefunden. Ich erwarte aber nichts, die einzige ausstehende Bestellung konnte ich checken: Ist noch nicht versendet. Also werde ich nicht ein paar Kilometer raus in die Arnulfstraße radeln oder für Geld mit der Tram fahren, um das abzuholen. (Erste Male. Ich werde nie erfahren, ob ich etwas verpasse, und kann blendend damit leben.)
Ich genieße es sehr, ein paar Tage am Stück (St. Brück!) einfach Zeit zu haben. Dann rief auch noch Herr Putzmann an und gab durch, dass er diesen Montag nicht kommt – ich kann also auch den Montag völlig frei einteilen.
Abends Treffen mit dem ganz alten Internet im schönen Preysinggarten – der uns umsorgte und verwöhnte, wie ich es fast schon vergessen hatte. Ich bin sehr, sehr froh, dass ich dieses alte Internet noch kennenlernen durfte und radelte beseelt und windverwirbelt nach Hause.
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Bestürzung über die politischen Verschiebungen in Spanien: Am Freitag erklärte die Landesregierung von Katalonien ihre Unabhängigkeit, die spanische Staatsregierung setzte sie wie angekündigt und gemäß der spanischen Verfassung ab.
Klar schwelt dieser Konflikt schon lange. Doch nach allem, was ich dazu gelesen habe, hätte es einen politischen Ausweg gegeben, den Katalonien und die Zentralregierung schon vor vielen Jahren hätten antreten können: Ein neuer Länderfinanzausgleich hätte manchen Unmut von Katalanen besänftigen können, oder eine (langwierige) Verfassungsänderung hätte den Weg in eine staatliche Unabhängigkeit ebnen könne. Katalonien hat seit langem seine eigene offizielle Kultur und Sprache: Catalán, für das erst einmal künstlich eine lehrbare Einheit in Grammatik und Vokabular geschaffen werden musste, ist seit langem erste Schulsprache, Kastilisch wird wie Englisch lediglich als Fremdsprache unterrichtet – von Unterdrückung oder Marginalisierung kann nicht die Rede sein. Die von beiden Seiten vorangetriebene Eskalation in Zeiten, in denen es nun wirklich schlimme Probleme gibt, weist auf die grundsätzliche Beklopptheit der menschlichen Art hin. Die immer wieder sehenden Auges gegen ihre eigenen, ausdrücklich erklärten Interessen handelt: Um Recht zu behalten, Rache zu nehmen, jemand drittem eins reinzuwürgen oder aus sonst einem bescheuerten Antrieb.
Für die FAZ schreibt Paul Ingendaay:
“Wie ein Kampf zweier Betrunkener”.
Wurde der gegenwärtige Konflikt lange Zeit mit zwei Zügen verglichen, die ungebremst aufeinander zurasen, so ähnelt die Sache jetzt eher dem Faustkampf zweier Betrunkener, nur dass der eine deutlich größer ist. Und dem wird man mit Sicherheit anhängen, wie unfair er war. Das ist eine peinliche und unwürdige Situation. Man könnte den Eindruck gewinnen, beide Kämpfer spielten auf Zeit und wollten es nicht zum Äußersten kommen lassen. Beide scheinen darauf zu hoffen, dass der Gegner endlich einen Fehler macht, der die Gewichte verschiebt und den Kampf entscheidet.
via @ankegroener – ganz praktisch, eine FAZ-Leserin in der Timeline zu haben.
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Ratgeber-Artikel in Edition F:
“Finanzielle Abhängigkeit ist für Frauen ein enormes Risiko – so schützt du dich davor”.
Auch ich bin überzeugt, dass materielle Abhängigkeit vom Partner Unfreiheit auf vielen, vielen Ebenen bedeutet. Allerdings habe ich noch nie erlebt, dass eine dieser finanziell abhängigen Frauen umdachte, bevor sie nicht die Konsequenzen am eigenen Leib erfuhr: Mann weg in neuer Partnerschaft und nicht zahlungsbereit, sie plötzlich mit echter Armut konfrontiert. Weil diese Frauen alle, alle überzeugt sind, dass das bei ihnen, in ihrer Partnerschaft ganz, ganz anders ist. Und selbstverständlich verdienen sie nach dem Absturz dennoch meine Unterstützung und Zuwendung, auch wenn mein rabenschwarzes, selbstgerechtes und missgünstiges Herz brüllt: DU VOLLIDIOTIN! DAS HÄTTEST DU WISSEN KÖNNEN!
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Die Anschuldigungen gegen Harvey Weinstein: Warum gehen die Frauen erst jetzt damit an die Öffentlichkeit? Ronan Farrow im New Yorker:
“Weighing the Costs of Speaking Out About Harvey Weinstein”.
But many still say that they face overwhelming pressures to stay silent, ranging from the spectre of career damage to fears about the life-altering consequences of being marked as sexual-assault victims. “Now when I go to a restaurant or to an event, people are going to know that this happened to me,” Sciorra said. “They’re gonna look at me and they’re gonna know. I’m an intensely private person, and this is the most unprivate thing you can do.”
(…)
A woman who appeared anonymously in my previous article, alleging that Weinstein raped her while she worked for him, and who has chosen to remain nameless, told me that she has yet to tell even people close to her about the full extent of her allegation. “I want to be braver. I really do,” she told me. “I want to be able to put my name to this and talk through what happened, but I am surrounded by people who, the first thing they’ll do is read this article, and I’ll be working three desks from them, and they’ll know details of my life I haven’t even told my family.” For many women, this was the most difficult decision of their lives.
Dazu kommen handfeste Konsequenzen für die eigene Karriere: Darryl Hannah verweigerte sich Weinstein nach eigenen Angaben und wurde plötzlich von Filmpremieren ihres eigenen Films Kill Bill – Volume 2 ausgeschlossen, in dem sie eine der Hauptrollen spielte.
Other women told me that Hannah’s fear of retaliation was well-founded. The actress Ellen Barkin told me that, though she was never a victim of Weinstein’s sexual advances, he frequently verbally abused her, calling her a “cunt” and “cunt bitch” during the filming of “Into the West,” which he produced. “The repercussions are real,” she said. “I was terrified Harvey was going to make it impossible to go back to work, with those tentacles of his.” She continued, “This fear of losing your career is not losing your ticket to a borrowed dress and earrings someone paid you to wear. It’s losing your ability to support yourself, to support your family, and this is fucking real whether you are the biggest movie star or the lowest-pay-grade assistant.”
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Nicht nur der Lake District hat faszinierende Schafe.
“The Mountain Shepherds”.
Photo essay of Georgian shepherds bringing their flock down from the mountains for the winter