Archiv für Oktober 2017

Journal Montag, 9. Oktober 2017 – Regenmontag mit Pizzaabend

Dienstag, 10. Oktober 2017

Fußweg in die Arbeit unterm Regenschirm, es blieb den ganzen Tag düster und regnerisch.

Emsiger Bürotag; ich fühlte mich gelassen, da sich ein wenig Belastendes gelöst hatte. Die Erkältung verschwindet weiter.

Heimweg mit dem Fahrrad – es stand ja noch von Freitag da. Zum Glück ohne Regen.

Zum frühen Nachtmahl ging ich auf eine Pizza mit Herrn Kaltmamsell ums Eck. Früh ins Bett, um noch lange lesen zu können.

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Ach: Es gibt sowas wie forensische Architektur. Maik Novotny hat einen solchen forensischen Architekten interviewt, Eyal Weizman:
“‘Wir arbeiten im Namen der Opfer’.”

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Für die Süddeutsche macht sich Gustav Seibt Gedanken über die Separatismusbestrebungen im Europa der vergangenen Systeme. Und warnt:

“Selbstbestimmung lädt zur Diktatur ein”

… das sind die europäischen Nationalstaaten: heterogen, innerlich voller Verschiedenheiten, historische Regionen, unterschiedliche Konfessionen und Dialekte überwölbend, mit Mehr- und Minderheiten.

Den homogenen Nationalstaat, das Phantasma vieler Nationalisten, kann es nur auf kleinstem Raum geben, wo das Volk als Großfamilie, als Clan-Verband, eben als “Stamm” begriffen wird, nicht als historisch gewachsene Rechtsgemeinschaft von Bürgern, die sich als Gleiche anerkennen. Alle Versuche, in großen Nationen Homogenität, Einförmigkeit von Volk oder Kultur herzustellen, endeten in brutaler Unterdrückung, oft mit ethnischen Säuberungen, gar Massenmorden.

Journal Sonntag, 8. Oktober 2017 – Lesesonntag

Montag, 9. Oktober 2017

Die Erkältung wollte sich einfach nicht in die sonstigen Termine einfügen: Gestern hätte ich also endlich Zeit für einen Tag im Bett gehabt (Herr Kaltmamsell stand bereit für Rundumversorgung und hatte bereits das Glöckchen poliert, das er mir ans Bett stellen wollte, damit ich ihn jederzeit herbeiklingeln kann) – doch jetzt ging es mir schon wieder zu gut dafür; Sehnsucht nach Bett habe ich tagsüber nur in der schlimmsten Krankheitsphase, das wäre Freitag/Samstag gewesen. Aber ich ließ es brav ganz ruhig angehen: Bloggen, lesen, kein Sport, duschen, Haselnüsse aus Elterns Garten knacken, zum Frühstück Toast und Obst mit Joghurt.

Am Nachmittag machte ich unter düsterem Himmel einen Spaziergang zum Kuchenholen, ich startete über den Alten Südfriedhof.

Entdeckung diesmal: Ein Grabstein mit einem Auszug aus dem Friedhofsbuch, “Namen der Begrabenen”. Weitere Entdeckung unter den zahlreichen Spazierenden: Eine Frau, die Eichkätzchen mit Erdnüssen anlockte – und die nahmen sie ihr aus der Hand! Sie erzählte mir, dass die Eichkätzchen die recht schnell verputzen müssen, sonst jagen die Krähen sie ihnen ab. Daheim nicht nur Kuchen gegessen, sondern auch Erdnüsse auf die Einkaufsliste gesetzt: EICHKÄTZCHEN, DIE AUS DER HAND FRESSEN!

Stephen Kings It weitergelesen. Die deutsche Übersetzung hatte ich etwa im Sommer 1989 gelesen und mich nie zuvor oder danach je beim Lesen derart gefürchtet. Ich erinnere mich, dass ich noch lange danach keinen Abfluss in einem Spül- oder Waschbecken mehr unschuldig ansehen konnte und dass ich den Roman für meisterlich hielt. Ich wollte das Buch schon seit Langem wiederlesen, spätestens seit Stephen Kings Autobiografie/Poetik On Writing; die Neuverfilmung gab jetzt den letzten Anstoß. Auch wenn ich wohl kaum die 1116 Seiten schaffen werde, bevor der Film aus den Kinos verschwunden ist.
Gleich der erste Satz ist großartig:

The terror, which would not end for another twenty-eight years – if it ever did end – began, so far as I know or can tell, with a boat made from a sheet of newspaper floating down a gutter swollen with rain.

Wir haben gleich mal einen starken allwissenden Erzähler, der andeutet, er könnte Teil der Handlung sein. Wir werden auf Schreckliches eingestimmt, darauf, dass es lange andauert und vielleicht nicht mal eine Auflösung hat. Das bedrohliche Abflusssystem, das mir als Motiv viel länger im Gedächtnis blieb als der vielzitierte Clown, ist ebenfalls Teil gleich des ersten Satzes.

Abends genoss ich es im Sessel zu lesen, während draußen Regen plätscherte und aus der Küche die Ankündigung guten Abendessens klapperte und duftete (es gab Ratatouille und Kartoffelgratin).

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Der niederländische Autor Joris Luyendijk hat sechs Jahre mit seiner Familie in London gelebt und zieht jetzt bei seiner Abreise Bilanz:
“How I learnt to loathe England”.

Eine interessant andere Perspektive:

I am terribly sorry for my pro-EU middle-class friends in England, and even more sorry for the poor who had no idea that by supporting Brexit they were voting to become poorer. But this is England’s problem, not the EU’s: the nation urgently needs some time alone to sort itself out.

(…)

Ever since the referendum, friends from across the world have been enquiring whether it is true that the British have gone mad. Without those six years in London, I would have unhesitatingly said “yes.” “A temporary bout of insanity” still seems the preferred explanation in much of Europe and among many British Remainers. But years of immersion in English culture and society have convinced me that actually, the Brexit vote should instead be seen as the logical and overdue outcome of a set of English pathologies.

Which brings me to my real anxiety. It is extremely difficult to see a scenario in which this whole Brexit saga could end well.

The Tories are seared by Europe, as they have been for a generation, only now with more intensity; Labour looks incapable of overcoming its own divisions on the question. Neither party dares to speak the truth to millions of people who have voted for a “have your cake and eat it” option that was never on the menu. How to carry out the will of the majority when the majority voted for something that does not exist?

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2016 veröffentlichte Elisabeth Michelbach einen Aufsatz: »›Dem Leben wie einem Roman zu Leibe rücken‹. Wolfgang Herrndorfs Blog und Buch Arbeit und Struktur zwischen digitalem Gebrauchstext und literarischem Werk«. In: Innokentij Kreknin u. Chantal Marquardt (Hg.): Das digitalisierte Subjekt. Grenzbereiche zwischen Fiktion und Alltagswirklichkeit. Sonderausgabe #1 von Textpraxis. Digitales Journal für Philologie (2.2016), S. 107—129.

Er ist die literarische Behandlung von Herrndorfs Blog und untersucht, wie sich die Leseweise verändert, wenn derselbe Inhalt in Buchform rezipiert wird. Ich habe den Aufsatz sehr interessiert gelesen, da ich schon lange davon phasziniert bin, wie die Darreichungsform das Lesen beeinflusst – wie zum Beispiel das Wissen um die Länge des verbleibenden Texts die Erwartung des Lesenden an den Fortlauf der Handlung lenkt (in einer linear erzählten Handlung noch zwei Drittel Buch übrig? Heldin wird die gefährliche Szene sehr wahrscheinlich überleben).

Unter anderem beschreibt Michelbach das Blog-Layout und den Aufbau des Blogs, die Hinweise auf die Wandlung von etwas Flexiblem, Unvollständigen zu einem erstarrten, festen Text nach Herrndorfs Tod. (Allerdings spricht sie von der “für Blogs konstitutive Möglichkeit, in Kommentaren auf einzelne Posts Bezug zu nehmen” – ich widerspreche.)

Es wird auch festgehalten, wie Herrndorfs Texte im Web vernetzt sind. Kann es sein, dass durch ihn erstmals ein Leben im Internet Teil der Literaturwelt wurde? Nicht auf einer analytischen Metaebene, dass darüber geschrieben und reflektiert wurde (Internet – Fluch oder Segen), sondern weil Internet-Gemeinschaften konstituierender Teil eines Literatenlebens waren. Was nicht mal erwähnt wird: Herrndorf gehörte zu den Höflichen Paparazzi, die für mich nach allen Schilderungen die Fortsetzung des von Friedrich Torberg beschriebenen Kaffeehauslebens sind/waren. Und ich weiß aus zwei Quellen, dass das Forum auf seine Bitte wiederauflebte, dass die Pappen, wie sie sich nennen, ihn bei Recherchen für seine Romane unterstützten. Die Rolle des Paparazzi-Forums für Herrndorfs Werk sollte literaturwissenschaftlich untersucht werden.

Journal Samstag, 7. Oktober 2017 – Verschobenes Krankenbett

Sonntag, 8. Oktober 2017

Endlich gut, durch und lang geschlafen – ich schwöre auf Wick Medinait (und wenn’s bloß mein persönliches Placebo ist, soll’s so sein). So ganz durfte ich mich aber noch nicht ins Kranksein fallen lassen, da meine Mutter zum Geburtstagsessen geladen hatte – und wenn ich mich fürs Büro zusammenreißen kann, kann ich das ja wohl auch für meine liebe Mutter. Aber anstrengend war das schon, als ich nach Morgenkaffee und Bloggen nicht einfach zurück ins Bett konnte.

Ich schaffte noch, ein paar Blümchen zu besorgen (beim ebenfalls sehr erkälteten Blumenhändler am Stephansplatz), dann ging’s zum Bahnhof. Bei meinen Eltern: Fröhliche Familiengesellschaft, mein Vater kochte auf der Terrasse Paella.

Ich hatte kaum Appetit, schmecken konnte ich eh nichts, die von meiner Mutter gebackenen Kiachal zum Kaffee ließ ich gleich ganz stehen. Mit einem “Darf ich ins Behett?” verabschiedete ich mich schon zeitig, zurück in München ging ich schließlich krank ins Bett. Herr Kaltmamsell reichte abends noch Hühnersuppe an.

Journal Freitag, 6. Oktober 2017 – Böse erkältet, aber mit schönen Füßen

Samstag, 7. Oktober 2017

Nach Langem mal wieder so heftig erkältet, dass ich nichts rieche oder schmecke. Nach sehr unruhiger Nacht tat der ganze Körper weh, vor allem schmerzten die Nebenhöhlen und die Bronchien.

Aber in der Arbeit ging’s. Mitleid von den Kolleginnen gab’s allerdings kaum: “Sieht man dir gar nicht an.” Ich hätte mich nicht schminken sollen.

Außerdem hatte ich nach Feierabend endlich einen Pediküre-Termin, der meine zerwanderten Füße richten sollte. Ich war in die Arbeit geradelt, um besser zu diesem Termin zu kommen, doch es goss wie aus Kübeln: Ich musste zu Fuß gehen und kam trotz Schirm nass bis zu den Knien an. Diese neue Fußpflegerin besah meine Zehen vor allem medizinisch und gab gleich mal Tipps für Pflege und Schuhe, die zu meinen vielen Fußmärschen passen.

Daheim wollte ich aber endlich krank sein dürfen. Ich erhitzte restliche Hühnerbrühe (Herr Kaltmamsell war aushäusig) und machte mir ein Marmeladenbrot mit Sandwich-Toast – auch das schmeckte ich zwar kaum, aber ich liebe die Textur dieses Brots mit dem Gegensatz der kalten Butter. Früh zu Bett nach einem Gläschen Erkältungslikör – allerdings etwas später als geplant, weil ich an der Graham Norton-Show mit Ryan Gosling und Harrison Ford hängen blieb – Ford geriert sich konsequent als schlecht gelaunter Tattergreis und ist hinreißend (schon in Blade Runner 2049 fiel mir auf, dass er auf seine alten Tage tatsächlich noch Schauspielern gelernt hat).

https://youtu.be/vH1zJVD7oNE

Im Bett nochmal in Jürgen Roth, Thomas Roth, Kritik der Vögel gelesen, aber nach 50 Seiten abgebrochen: Werde ich nicht zu Ende lesen. Die Grundidee finde ich charmant, doch sie reicht nicht, mein Interesse ein paar hundert Seiten zu halten.

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Die Niederländerin Noa Jansma wird wie so viele Frauen auf der Straße ständig von Männern angemacht. Einen Monat lang machte sie Selfies mit diesen Männern.
“Diese Frau macht Selfies mit Männern, die sie plump auf der Straße anmachen”.

Sehen Sie sich die Bilder an. Ich finde sie großartig, denn: Nein, die Anmache ist kein Kompliment, sie ist eine Machtgeste – die davon lebt, dass das Opfer nichts dagegen machen kann, sie immer und immer wieder über sich ergehen lassen muss. Ich kann sehr gut Noas Bedürfnis verstehen, sich irgendwie zu wehren.

Die Bilder sind für mich auch wunderbares Anschauungsmaterial dafür, dass diese Belästigungen nicht dadurch einzudämmen sind, dass Frauen sich verändern und schützen (wir sind uns hoffentlich einig, dass Hausarrest keine Option ist). Sondern dass Männer dazu gebracht werden müssen, Frauen nicht zu belästigen. Denn keiner der Männer geht davon aus, durch seine Anmache für die Frau attraktiv zu werden; er will einfach nur in ihr Leben eindringen, sie zwingen, ihn zu wahrzunehmen und auf ihn zu reagieren. Das SZ-Magazin hat Noa Jansma interviewt, und genau das ist ihre Erklärung:

Diese Männer sehen mich bloß als etwas, mit dem sie schlafen möchten. Sie sind sich in diesen Situationen bewusst, dass es niemals dazu kommen wird. Und genau das ist es. Sie spielen mit uns. Das gibt mir das Gefühl, kein Mensch, sondern bloß ein Sexobjekt zu sein.

Journal Mittwoch/Donnerstag, 4./5. Oktober 2017 – Erkältung und Blade Runner 2049

Freitag, 6. Oktober 2017

Die Erkältung, die sich am Dienstag angekündigt hatte, kam am Mittwoch an, blöderweise bis zum Abend so richtig. Herr Kaltmamsell, dessen Erkältung bereits am Abklingen war, machte uns zum Abendbrot jüdisches Penizillin: Hühnersuppe.

Am Donnerstag wachte ich nach unruhiger Nacht mit explodierendem Kopf auf, hatte aber den Eindruck, dass mich der Arbeitstag eher von meinen Symptomen ablenkte, als dass er geschadet hätte.

Für gestern Abend hatte ich Kinokarten besorgt, in regnerischem Föhnsturm gingen ich mit Herr Kaltmamsell in Blade Runner 2049. Auch der lenkte mich gut von Schmerz und Rotz ab, gefiel mir gut. Das Set-up wird wieder mit einem “Als die Armee der Südstaaten”-Text1 am Anfang skizziert, die Stimmung ist immer noch apokalyptisch, dunkel und verregnet. Wieder hat der Film nur den Rahmen und die Stimmung aus der Romanvorlage von Philip K. Dick, Ryan Gosling als Replikant K. ist ein erheblich stoisch-milderer Polizist als Deckard seinerzeit. Doch wo letzterer mit dem Verdacht fertig werden musste, er könnte gar kein Mensch sein (zumindest in den meisten Versionen des Films), wird diesmal K. auf die Idee gebracht, er könnte gar kein Replikant sein. Solche schönen Spiegelungen des Vorläuferfilms gibt es viele. Robin Wright durfte nach der Amazonen-Generalin wieder einen Haudegen spielen, die Rolle steht ihr ausgezeichnet. Leider fehlte der Figur K. ein starker Widerpart wie Deckard ihn in Roy Batty (Rutger Hauer) hatte, weder die böse Replikantin noch ihr blutleerer Chef waren das. Und dauerte war der Film viel zu lang, im letzten Drittel hätte man besser viel von dem Schwelgen in den Bildern des alten Hotels weggelassen, auch der Showdown fällt gegen den Film davor ab.
Mit Unbehagen hatte ich gelesen, dass Hans Zimmer für die Musik von Blade Runner 2049 verantwortlich war – ich halte Zimmer ja für den Untergang der Filmmusik. Die Sorge war unbegründet, der Soundtrack unterwirft sich ganz dem Vorbild von Vangelis und ist damit eine weitere Brücke zu Blade Runner von vor 35 Jahren.

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Peter Breuer Glaser hat Lesenswertes zur Romanvorlage geschrieben:
“Missing Link: Rebellische Replikanten – der Ursprung von “Blade Runner” bei Philip K. Dick”.

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Und dann kam der Tag, an dem sich auf Twitter ein paar Kathedralen spielerisch in die Haare bekamen.

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Jason Fagone begleitet eine Unfallchirurgin am “Temple University Hospital in North Philadelphia, which treats more gunshot victims than any other in the state”:
“What bullets do to bodies”.

  1. Siehe Hanns Dieter Hüsch, “Frieda und der Wilde Westen”. []

Journal Dienstag, 3. Oktober 2017 – Einheitlich drinnen

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Feiertag und letzter freier Tag des langen Wochenendes. Das Wetter war grässlich und lud zu Häuslichkeit ein. Vormittags buk ich eine Crostata (inspiriert vom Glas Kirschmarmelade, das ich im Küchenschrank gefunden hatte). Am Teig werde ich noch schrauben müssen, er war viel zu weich.

Ich erledigte die am Vortag produzierte Bügelwäsche, huschte kurz hinaus, um Frühstückssemmeln zu holen – bei dem ekligen Regen allerdings beim nächstgelegenen Aufbackbäcker.

Auf den geplanten Sport hatte ich keine Lust: Ich wollte nicht nochmal raus, außerdem hatte ich mich bei Herrn Kaltmamsell mit einer Erkältung angesteckt und atmete angestrengt. Ich las mein Buch aus, legte zwei Jahre Rechnungen ab, las Internet, aß Kuchen.

Abends kochte Herr Kaltmamsell aus Kartoffeln und Weißkraut des Ernteanteils den irischen Klassiker Colcannon – schmeckte sehr gut.

Journal Montag, 2. Oktober 2017 – Aber diese Veränderungen sind anders!

Dienstag, 3. Oktober 2017

Plan für gestern (Tag des St. Brück!) war zu testen, ob Schwimmen wieder geht – mein gereizter Nackennerv hatte mich ja in den letzten Hochsommerwochen davon abgehalten. Ich radelte durch ziemlich frische Temperaturen raus zum Olympiabad – und musste erst mal hineinfinden: Das Olympiabad wird ja immer noch und bis Mitte 2018 renoviert, im laufenden Betrieb, ich muss mich also jedesmal auf etwas Ungewohntes einstellen. Diesmal war der eigentliche Eingang mit einem Bretterzaun versperrt, ich wurde zu einem Technikereingang geleitet, von dort Treppen ins Innere. Die Umkleide war mir fremd, aber ich zog mich um. Dann stand ich verloren im Badeanzug und mit Handtuch in der Hand zwischen Kachelwänden: Ohne Brille und ohne Außenfenster als Orientierung wusste ich nicht wohin. Ein Bademeister lotste mich dann sehr freundlich Richtung Dusche und erklärte mir genau den Weg zum Schwimmbecken. Als ich es in die Schwimmhalle geschafft hatte, erklärte sich alles zuvor: Ich hatte ein Bezugssystem.

Das Schwimmen fühlte sich erst mal an, als sei ich seit Jahren nicht mehr im Wasser gewesen, doch nach 500 Metern war ich wieder im Fluß. Ich schwamm schmerzfrei, im nahezu leeren Becken konnte ich meinen Kopf auch HWS-schonend gesenkt lassen, weil ich nicht nach anderen gucken musste. Zum Wiedereinstieg wäre ich mit 2000 Metern zufrieden gewesen, doch auch die 3000 gingen problemlos.

Als ich wieder an mein Fahrrad kam, war es sehr warm geworden, ich hätte nicht mal eine Jacke gebraucht. Gegenstand meines Nachdenkens während des Schwimmens war gewesen: Wo frühstücken? Denn meine drei bisherigen Lieblingslokale fielen aus:
1. Vor allem nach einer montäglichen Schwimmrunde Café Puck, das meinem Ideal von Kaffeehaus am nächsten kommt: Immer noch wegen Renovierung geschlossen.
2. Café Forum mit seinen immer neuen originellen Frühstückskombinationen: Nach 26 Jahren auf immer geschlossen.
3. Café Carameel in Neuhausen: Schon vor ein paar Monaten durch ein italienisches Bistro ersetzt. (Oh, ich sehe gerade, dass es nach Nord-Schwabing umgezogen ist – aber bis kurz vor den Frankfurter Ring in ein Neubaugebiet radle ich sicher nicht zum Frühstücken.)

Selbst ein Umschwenken auf Mittagessen funktionierte nicht: Mein liebster Münchner Urlaubsort Marietta schließt Mitte Oktober, und ich hatte den Abschied bereits innerlich mit schwerem Herzen hinter mich gebracht.

Es wurde dann Frühstück im Café Mozart bei mir ums Eck.

Dort erreichte mich per Newsletter die nächste massive Veränderung: Mein Sportstudio am Hauptbahnhof schließt zum Jahresende, nach 22 Jahren Bestehen und 17 Jahre nachdem ich dort zum ersten Mal hopste – Mietvertrag gekündigt.

Boah, ich hab’ ja nichts gegen Veränderungen, aber diese Veränderungen sind schon g’scheit anders als wie vorher.

Geplant war am Nachmittag der Kauf einer neuen Jeans. Da ich wirklich eine brauchte, steuerte ich Konen an, Damenabteilung. Zwar kümmerte sich diesmal niemand um mich, doch ich fand auch so eine ohne Löcher, Gesticke oder Glitzer, die ungetragen aussah und ausreichend passte.

Daheim bügelte ich eine Runde, während ich in der Waschmaschine weitere Bügelwäsche erzeugte. Auch fürs Abendessen durfte ich sorgen, ich bereitete eine Tomatentarte von David Lebovitz’ Blog zu (allerdings mit vorhandenem Quarkteig, ohne frische Kräuter und mit Manouri).

Der Boden war unten noch nicht ganz gar, ich werde mir doch endlich eine Schwarzblech-Tarteform mit herausnehmbaren Boden zulegen.

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Die Unabhängigkeitsbestrebungen der autonomen Region Katalonien sind eskaliert, seit einiger Zeit ist das Thema auch in den deutschen Medien angekommen. Hier auf Spiegel online eine gute Zusammenfassung der (absichtlich) verfahrenen Situation:
“Sucht endlich den Kompromiss!”

Informativ auch die Stellungnahme der Europäischen Kommission dazu.