Archiv für November 2017

Journal Mittwoch, 15. November 2017 – Menschen, die wie Musicals heißen

Donnerstag, 16. November 2017

Frostiger Morgen, ich brauchte Handschuhe – und freute mich, dass ich auf dem Weg in die Arbeit dank PokémonGo plus trotzdem Viecher und Zeugs einsammeln konnte.

Über den Vormittag ließ ich mein Büro von der Sonne wärmen.

Wissen Eltern, was sie anrichten, wenn sie ihre Kinder nach Filmfiguren benamsen? Gar nach Musicalfiguren? Was das mit Menschen in deren Umgebung macht? Auf jeden Fall dröhnte ab gestern Nachmittag ein Musical durch meinen Kopf und ließ sich so wenig abstellen, dass ich abends sogar die Lieder auf YouTube suchte, um mitdröhnen zu können.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Nudeln mit Radieschenblätterpesto (Ernteanteil der Vorwoche).

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Über eine Frau mit sensationellem Gedächtnis:
“Total recall:
The Woman who can’t forget”.

Price, who is 43, has spent most of her life here in Los Angeles, and she remembers everything. In the space of two minutes, she tells me about the former motel lodge with a bear in front, the Courtyard hotel that used to be a Hilton, and a bowling alley—since replaced by a Marshalls—where a Nicolas Cage film was shot. All this comes pouring out so fast, I wonder aloud whether Price has had too much coffee.

Der Autor Gary Marcus “is a cognitive psychologist at New York University”; der Artikel interessierte mich vor dem Hintergrund meiner sommerlichen Lektüre der Oliver-Sacks-Biografie und des Forschungungsfelds menschliche Erinnerung (das mich unter anderem fasziniert, weil ich merke, wie sich mein Gedächtnis und meine Erinnerungsfähigkeit verändern).

Ordinary human memory is a mess. Most of us can recall the major events in our lives, but the memory of Homo sapiens pales when compared with your average laptop. It takes us far longer to store data (you might have to hear a phone number five to 10 times before you can repeat it); it’s easy for us to forget things we’ve learned (try reciting anything from your sophomore history class); and it’s sometimes hard to dislodge outdated information (St. Petersburg will always remain Leningrad to me). Worse, our memories are vulnerable to contamination and distortion. Lawyers can readily fool us with suggestive questions; false memories can easily be implanted.

The fundamental problem is the seemingly haphazard fashion in which our memories are organized. On a computer, every single bit of information is stored at a specific location, from which it can always be retrieved. Human recall is hit or miss. Neuroscientific research tells us that our brains don’t use a fixed-address system, and memories tend to overlap, combine, and disappear for reasons no one yet understands.

via @Kathrin Passig

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Schaun wir mal, ob es klappt: Ich möchte in Zukunft unter jeden meiner Blogposts einen Text von einem “Everybody has a voice”-Blog verlinken (im Gegensatz zu den “Everybody has a purse”-Blogs).1 Heute erzählt Glumm, wie er 1987 die Frau kennenlernte, die in seinem Blog immer als “Die Gräfin” auftaucht.
“Eine seltenes, ein seltsames Arrangement von Frau”.

  1. Wenn mir schon mal so ein Knaller-Wortspiel einfällt, muss ich es natürlich so oft wie möglich verwenden. []

Journal Dienstag, 14. November 2017 – Nebel am Stadtrand und Törtchen

Mittwoch, 15. November 2017

In beißender Kälte unter klarem Himmel morgens zum Langhanteltraining, dort wieder Spaß gehabt.

Im Büro entdeckt, dass es im Westend nebelte – die drei Kilometer zum Sendlinger Tor reichen offensichtlich für einen Wetterunterschied. Doch dann wurde auch hier der Tag sonnig bis zum Abendrot.

Daheim kochte ich für mich und einen Abendbrotgast Shakshuka (Herr Kaltmamsell bekam seine Portion an den Schreibtisch gereicht). Zum Nachtisch hatte sie “fancy Törtchen” von Maelu mitgebracht. Seit vielen Jahren bewundere ich beim Vorbeigehen in der Theatinerstraße die kleinen Kunstwerke, doch probiert hatte ich sie tatsächlich noch nie.

Von links: Nougatissimo, Mohnmousse und Pistazienmousse. Sie schmeckten alle drei hervorragend, zumindest gestern war die Mohnmousse mit ihrer Kirschfüllung mein Favorit.

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Frau Brüllen war auf einer Bloggerkonferenz und hat mitgeschrieben, wie man demnach heutzutage zu bloggen hat.
“Bloggen: ja, aber…”

Mir sind Bezahltblogs weiterhin in erster Linie egal: Ich lese sie aus Desinteresse selbst nicht, bin aber sicher, dass sie in ihrer Blogwelt auf Leserinnen wie mich gut verzichten können. Das Internet ist groß genug für uns alle. (Allerdings finde ich es bedrückend, dass mittlerweile Blogs von Privatleuten auf instagram Anzeigen bezahlen, um Leser zu bekommen.)

Was es in ihrer Welt sicher nicht gibt, sind Blogposts mit Geschichten, wie ich sie hier gerne verlinke. Aktuell zum Beispiel:
iv beschreibt eine Schlafwagenfahrt von Italien nach Deutschland.

Journal Montag, 13. November 2017 – Milchbad für die Powerbank

Dienstag, 14. November 2017

Kalter Regen über der Theresienwiese, auf der bereits seit einiger Zeit die Zelte für das Winter-Tollwood stehen.

Ich nehme hin und wieder ein kleines Schraubglas mit Milch mit in die Arbeit – für Schwarztee mit Milch oder für den Schwupps über mein Granola lohnt sich keine ganze Tüte. Wegen der Gefahr, dass das Schraubglas nicht ganz dicht ist, stecke ich es für den Transport in eine Tüte. Gestern half auch dieser Schutz nicht: Im Büro stellte ich fest, dass sich das gesamte Glas, ca. 200 ml, in meine Tasche entleert hatte und der Inhalt schwamm. Unter anderem meine Powerbank (die ich zum Nachladen meines Akku-gestörten Smartphones dabei habe, um nicht durch Anzapfen des Arbeitgebernetzes des Stromraubs bezichtigt zu werden). Nach Fluchen in mehreren Sprachen warf ich nasse Zettel und Taschentücher weg, reinigte, was zu reinigen war, auf dem Damenklo, und hoffte, dass die Powerbank das überlebt hatte.

Dass im Display noch die Milch stand, konnte ich schon wieder lustig finden. Die Tasche (Kanvas) werde ich wohl in der Waschmaschine reinigen; wenn sie davon kaputt geht, werde ich damit leben können, denn sie ist ohnehin abgestoßen und in gut zwei Jahren fast täglichen Transports recht unansehnlich geworden.

Mittags flammte mein Zorn allerdings wieder auf, als ich meine milchgetränkte Süddeutsche nur zu zwei Dritteln lesen konnte.

Geschäftiger, langer Arbeitstag, zumindest war mein Rückweg trocken.

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Abends Die Anstalt von der Vorwoche in der ZDF-Mediathek nachgeholt, mal wieder eine Menge gelernt, diesmal über die Verhinderungsmechanismen gegen eine gerechtere Erbschaftssteuer. An Lehrreichtum kommt die Show auf jeden Fall an John Oliver ran.

Durch einen Link auf Facebook stieß ich auf diese Merkel-Comedy der BBC. Hilarious.

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https://youtu.be/p5WPVLljm1A

Journal Sonntag, 12. November 2017 – Nachbarschaftliche Dumplings

Montag, 13. November 2017

Morgens Bloggen in aller Ruhe – was zumindest von einem meiner Blogleser nicht goutiert wurde, der irgendwann auf den Fußballen wippend im Morgenmantel neben mir stand und fragte, wann ich denn jetzt mal fertig sei, er wolle endlich was lesen.

Draußen zeigte das Sauwetter, was es so drauf hatte, ich entschied mich deshalb für Drinnensport und fuhr sogar mit der S-Bahn hin (Crosstrainer und Stepaerobic mit einer kleinen Runde Gymnastik). Während ich fort war, nahm Herr Kaltmamsell eine persönlich importierte fränkische Bauernente (gwaaaag!) entgegen – die allerdings im Gefrierschrank verschwand, denn gestern hatten wir schon andere Essenspläne.

Draußen regnete es weiter in verschiedenen Stärken, manchmal mit Sturmunterstützung, ich las die Wochenend-SZ, sendete eine Hotelanfrage in die Schweiz für eine Geburtstagsfeier, auf die ich mich schon sehr freue, schickte eine Mitgliedschaftsanfrage an einen Verein, der mein schließendes Sportstudio ablösen könnte.

Am späten Nachmittag kam eine Nachbarin, schwer bepackt, denn wir waren zum Dumplings-Kochenbratendämpfen verabredet. Beim Ratsch im Treppenhaus vor einer ganzen Weile hatten nämlich sie und Herr Kaltmamsell festgestellt, dass sie beide sehr gerne chinesische Dumplings essen und zubereiten. Im nächsten Schritt einigten sie sich auf Dumpings all day wong von Lee Anne Wong als Basis. Irgendwann war auch ein Termin gefunden (diese Schwierigkeiten erklärten wir uns damit, dass die Nachbarin entgegen anderslautender Angaben Geheimagentin ist und deshalb sehr schwer planbar), die beiden Dumplingisten verteilten Einkäufe und Geräteeinsatz, gestern folgte die Umsetzung – bei uns, weil wir die größere Küche haben.

Die Teigscheibchen hatte Herr Kaltmamsell im Asialaden gefroren besorgt, wir (ich lediglich als Handlangerin) konzentrierten uns also auf die Füllungen: Einmal Hühnchen, serviert in vorbereiteter Hühnerbrühe, dann mixed seafood gedämpft mit Dips (schmeckte mir am besten), abschließend Schweinehack in der Pfanne gedämpft/gebraten. Wir aßen sehr gut und hatten einen fröhlichen Abend.

Journal Samstag, 11. November 2017 – Bei der Modistin und die zermürbende Wirkung von Belästigung

Sonntag, 12. November 2017

Ausgeschlafen.
Ich war mit unangenehmem Kopfweh aufgewacht, das sich mit Ibu bekämpfen ließ, aber leichte Migränesymptome mitbrachte. Da Herr Kaltmamsell mich gebeten hatte, die Wochenendeinkäufe zu übernehmen und es draußen zudem ausgesprochen ungemütlich aussah, strich ich meine Schwimmpläne (obwohl ich doch diese Woche erst einmal zu spotlicher Bewegung gekommen war). Statt desse Körperpflege und ausführliche Einkaufsrunde, die mich über die Lebensmittelabteilung des Kaufhofs (Hackfleische, Jakobsmuscheln, Sojasoße) zum Klenzemarkt (Huhn, Olivenöl, Käse aus dem Bregenzerwald) führte. Auf dem Marienplatz versuchten sie allen Ernstes Faschingsbeginn (11.11.). Die Stimmung passte zum Regen.

Den Abschluss meiner Runde bildete die Modistin.
Seit ich mich erinnern kann, gibt es zehn Minuten von meiner Wohnung entfernt den Hutladen Eisenblätter & Triska (tatsächlich seit 2000, also nur ein Jahr nachdem ich nach München zog). Genauso lang freue ich mich über jede neue Kollektion – es sind immer wieder bezaubernde Ideen dabei, meist bei den Damenmodellen, manchmal auch bei denen für Herren. Das Sortiment besteht vor allem aus gut alltagstragbaren Stücken, doch sind immer wieder auch richtige Hingucker dabei. Immer schon war mein Plan, mir mal einen zu kaufen oder machen zu lassen, anfangs mit dem Zeitplan “wenn ich mal gut verdiene”. Vor ein paar Jahren tauchten in den Auslagen Hüte auf, die mich sehr an die 20er Jahre erinnerten – und somit auch die Ohren bedeckten. Seither stand fest, dass das mein erster Winterhut von Eisenblätter & Triska werden sollte. Gestern setzte ich den Plan endlich um.

Astrid Triska kümmerte sich herzlich und aufmerksam um mein Anliegen; mein überdurchschnittlich großer Kopf (meine Hutgröße 59/60 kenne ich seit der ersten Hutphase als Teenager) war gar kein Problem. Lange liebäugelte ich mit einem Modell in Knallrot und mit streichelzarten Haaren, doch dann wurde es doch der in dunklem Bourdeaux mit breitem Ripsband und Persianerrand.
Abschließend machte ich mit Frau Triska gleich mal Pläne für einen Sommerhut (den hier bewundere ich schon lange).

Daheim ließ ich mich gleich mal von Herrn Kaltmamsell fotografieren:

Dazu passend: Der Schal ist handgewoben und aus Tel Aviv, die Ohrringe sind eine Goldschmiedearbeit, die ich vor vielen Jahren 100 Meter vom Hutgeschäft entfernt erworben hatte. Der Ledermantel ist allerdings h&m – ca. 15 Jahre alt und somit aus Zeiten, als ich noch anders einkaufte. Aber wenn er schon mal da ist, wird er selbstverständlich so lange wie möglich getragen.

In meiner Begeisterung postete ich das obere Foto gleich mal auf allen Kanälen und hoffte, dass andere den Hut auch so großartig finden. Ja, taten sie und machten mich verlegen. (Kann es sein, dass die Fotosoftware des iphones bei Porträts automatisch Filter einrechnet? Auf dem Bild sieht es aus, als trüge ich Make-up, also Deckcreme im Gesicht, tatsächlich waren nur Lippen und Augen geschminkt.)

Nachmittags Bügeln, dazu hörte ich ein interessantes Bayern-2-Interview mit der feministischen Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch (die ich als Web-Feministin der ersten Stunde kennengelernt hatte). Ich erfuhr über die Frage nach dem F. in ihrem Namen ihren familiären Hintergrund und dass ihr Buch Deutsch als Männersprache das meistverkaufte lingustische Werk deutscher Sprache ist.

Abends servierte Herr Kaltmamsell Hühnerbrust a la Kim, dann entwickelte ich mal wieder eine Runde Pokémon (immer noch lang keine Aussicht auf Upleveln).

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Herr Buddenbohm macht schöne Beobachtungen in einer Bücherei:
“Was schön war”.

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Immer noch mehr Geschichten über Sexismus, sexuelle Belästigung bis hin zu sexueller Gewalt – hier der Thread eines Twitterers, der um anonyme Weitergabe gebeten wurde.

Mir geht sehr in Kopf und Herz um, was sexuelle Belästigung und Gewalt von Kind auf mit Mädchen macht und wie sie die Frauen formt, die sie mal werden. Es braucht nicht viel Konstruktion für den Verdacht, dass wiederholte Vorfälle beim Aufwachsen, in denen Männer kleine Mädchen, Kinder, Teenager in überwältigende Scham- und Ohnmachtsgefühle treiben, mit denen Männer sie klein machen, ein Hintergrund dafür sind, dass Frauen später im Berufsleben oft Antrieb und Mut fehlt, sich in männer-dominierter Umgebung zu behaupten.

Ich zähle zu den Frauen, denen solche Belästigungen nicht angetan wurden. Ich weiß nicht, woran das lag, auf keinen Fall aber an irgendwas, was ich richtig und all die anderen Mädchen und Frauen falsch gemacht haben. Am allerwahrscheinlichsten hatte ich einfach scheißviel Glück. In Wonder Woman gab es eine viel bemerkte Szene, in der die Amazone Diana völlig selbstverständlich einen Raum mit wichtigen Männern betritt; ihr wurde nie vermittelt, dass sie als Frau dort nichts zu suchen hat, sie wurde nicht klein gemürbt. Ich habe den Verdacht, dass ich als junge Frau ähnlich auftreten konnte.

Doch lesen Sie bitte diesen Bericht der gestandenen Journalistin Ulrike Posche:
“Macht und Muffensausen”.

Man muss wirklich eine überdurchschnittlich resiliente Persönlichkeit haben, um in diesem Dauerbeschuss nicht beschädigt zu werden. Beschädigt, wie es verständlicherweise zum Beispiel diese Bloggerin wurde, die das mit der Journlistinnenkarriere lieber bleiben ließ.
“Me too – meine Erfahrung mit sexueller Belästigung (und wohin mich das geführt hat)”.

Nur die Harten kommen halt in den Garten? Mir wäre es recht, wenn es bestimmte Arten Härte nicht bräuchte.

Apropos:

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https://youtu.be/dC7NH7rIvRI

Journal Freitag, 10. November 2017 – Mehr Bürgerversammlung und die beste Mischkassette

Samstag, 11. November 2017

Morgens den Blogpost über die Bürgerversammlung recht hastig geschrieben. Auf dem Weg in die Arbeit fielen mir dann viele Details ein, die ich auf die Schnelle vergessen hatte. Da waren die etwas skurrileren Anträge: Z.B. auf Schließung einer Autowerkstatt, weil deren Luftverschmutzung anwohnende Kinder gefährde – wurde abgelehnt (wo ich mich doch jedesmal beim Vorbeispazieren freue, dass es hier mitten in der Altstadt noch Hinterhof-Autoschrauber gibt). Oder auf Nutzung der Theresienwiese im Winter als Eislaufbahn: Die Stadtverwaltung konnte gleich mal anmerken, dass solch ein Antrag in der Vergangenheit bereits mehrmals gestellt worden war, dass der normale Winterverlauf kein Natureis ermögliche, der Aufwand für Kunsteis als zu hoch eingestuft worden war – Antrag abgelehnt.

Ein Anwohner fragte nach der weiteren Nutzung der Klinikgebäude zwischen Maistraße und Thalkirchner Straße (es ist schon lange klar, dass diese Unikliniken an den Stadtrand verlegt werden). Zunächst verwunderte mich das, weil ich Medienberichten entnommen zu haben glaubte, dass die LMU sie weiternutzen wird, nur halt für andere Fakultäten. Doch aus der Reaktion des Bezirksausschusses lernte ich, dass das keineswegs feststeht und der Ausschuss deshalb sehr eng an den Verantwortlichen dran bleibt. Der Anfrager hatte als Negativbeispiel für Weiternutzung das Gebäude des ehemaligen Arbeitsamts in der Maistraße genannt: Der Ausbau zu Luxuswohnungen habe aus dem Bau mit eigentlich einladendem Innenhof eine Fremdkörper in der Umgebung gemacht, der kein Leben erkennen lasse: “Ab und zu hört man einen Achtzylinder brummen”, sonst sei dort alles still und dunkel.

Einem anderen Antrag entnahm ich, dass andere Bewohner des Bezirks 2 noch viel mehr mit den Randerscheinungen des Oktoberfests hadern als ich, zum Beispiel mit parkenden Reisebussen. Dieses Ärgern hatte allerdings Form und Ausmaße, die bei mir den bösen Reflex “Na warst hoit net do hi zog’n” auslöste (siehe Menschen, die billigen Baugrund an Bahnstrecken kaufen und dann Lärmschutz einfordern).

Unter den Infos besonders interessant: Es gibt in unserem Bezirk sechs Unterkünfte für Flüchtlinge und Obdachlose.

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An sich hatte ich gestern geplant, nach frühem Feierabend endlich zur Hutmacherin in der Hans-Sachs-Straße zu gehen und mir einen Winterhut auszusuchen. Doch als es in der Arbeit doch später wurde, ging ich statt dessen Billigsüßkeiten einkaufen. Es regnete immer wieder, es war ein lustiges Schirmauf- und -zuklappen.

Abend mit Herrn Kaltmamsell über gutem Essen, ich traute mich sogar Alkohol (Migränerisiko). Ungewöhnlicherweise hatte ich dazu Lust auf Partymusik und shuffelte meine Playlist namens “Halligalli”. Darin sind auch die digitalisierten
Mischkassetten enthalten, die ich seinerzeit von Freundinnen und Freunden bekam. Ich stellte fest, dass es zwar sehr viele bedeutende in meinem Leben gab, viele mit unglaublicher Hingabe zusammengestellt. Die dauerhafteste Auswirkung bis heute hat aber das Tape mit dem Titel “Right on!” von meiner englischen Freundin Kim: Kool & the Gang, The Eliminators, The JB’s, Maceo, Lee Fields, Fred Wesley and JB’s, Merl Saunders, De-Hems, Bobby Bird, The Blackbirds, Tower of Power, Jesse Morrison, Clarence Wheeler & the Enforcers, The Soul Tornadoes, The Untouchable Machine Shop. Lauter Stücke, die ich seit Jahrzehnten großartig finde, die mich sofort zum Grooven bringen, aber noch nie woanders gehört habe.

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Oh nein, nicht auch Louis C.K. Aufwändig recherchierte Geschichte in der New York Times:
“Louis C.K. Is Accused of Sexual Misconduct by 5 Women”.
https://www.nytimes.com/2017/11/09/arts/television/louis-ck-sexual-misconduct.html?smid=tw-nytimesarts&smtyp=cur

For comedians, the professional environment is informal: profanity and raunch that would be far out of line in most workplaces are common, and personal foibles — the weirder the better — are routinely mined for material. But Louis C.K.’s behavior was abusive, the women said.

“I think the line gets crossed when you take all your clothes off and start masturbating,” Ms. Wolov said.

Das muss man anscheinend extra betonen.

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Ich kannte diesen Schweizer Psychoanalytiker Peter Schneider bislang nicht, aber durch dieses Interview ist er mir sehr sympathisch:
“‘Die meisten starken Thesen sind völliger Humbug'”.

Das Warten aufs Optimum ­bedeutet auch, dass man nie ­Befriedigung erfährt. Die gesellschaftliche Folge ist zum Beispiel der Mingle. Was ist das denn?

So bezeichnet man heute Menschen, die zwar mit einer Person schlafen, mit ihr die Wochen­enden verbringen und sogar in die Ferien fahren, die sich aber grundsätzlich als Single be­trachten. Ah, Sie meinen Freunde mit gewissen Vorzügen. Wenn man einen guten Freund hat, mit dem man auch noch schläft, ist das doch okay.

Es kommt darauf an, ob beide von denselben Voraussetzungen ausgehen. Offenbar hat der Mingle ein Beziehungsproblem. Man könnte auch sagen, viele Ehen haben ein Beziehungsproblem. Der Mingle ist offenbar Ausdruck einer Beziehungsvielfalt, die in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat.

Es gibt sicher optimalere Konstellationen als eine unverbindliche Mingle-Beziehung? Was wäre denn eine optimalere Beziehungskonstellation?

Zum Beispiel eine Zweierbeziehung, in der man gegenseitig Verpflichtungen eingeht und Pläne schmiedet. Nichts dagegen. Aber warum soll man das verallgemeinern?

Unter Psychologen herrscht allgemein die Auffassung, dass man nur in einer stabilen Paarbeziehung Erfüllung und Intimität findet. Ich bezweifle das. In der Psychologie gibt es die Tendenz zu sagen: Der Mensch ist so und so, und er braucht zu seinem Glück genau dies und das. Es gibt aber keine solchen Konstanten, auf die man alles zurückführen kann.

via @kathrinpassig

Journal Donnerstag, 9. November 2017 – Neues aus der Bürgerversammlung

Freitag, 10. November 2017

Den 9. November sollte man irgendwie begehen. Dieses Jahr bot sich an, etwas Staatsbürgerliches, Rechtsstaat-Erhaltendes zu tun: Ich nahm wieder an der Bürgerversammlung teil. Vergangenes Jahr beim ersten Mal fühlte ich mich ja so bereichert, dass mir eine Wiederholung vorgenommen hatte.

Dieselbe Schulturnhalle war noch besser gefüllt als vergangenes Jahr, die Versammlunsleiterin, Bürgermeisterin Christine Strobl, äußerte auch die Beobachtung, dass das Interesse über die Jahre steige. Und ich freute mich, meine Bürgermeisterin mal live und in Farbe zu erleben.

Den Ausführungen von ihr und des Vorsitzenden des Bezirksausschusses, Alexander Miklosy, entnahm ich unter anderem, dass München weiterhin sehr reich ist (Einnahmen steigen, Verschuldung sinkt), dass die Investitionen zum deutlich größten Teil in Schulen und Kinderbetreuung gehen, dass die Kita-Abdeckung (also für 1-3-jährige) in unserem Bezirk nur bei 48 Prozent liegt (städtischer Durchschnitt 64 Prozent), dass wir in der Ludwigvorstadt-Isarvorstadt ein besonders junges Viertel sind, in den nächsten Jahren vermutlich sogar das jüngste der Stadt werden. Interessante Bauprojekte aktuell: Viehhof-Gelände, Berufsschulzentrum Ruppertstraße (wir durften als erste Öffentlichkeit den Entwurf der Gebäude-hohen Skulptur daneben sehen), Neubau der medizinischen Fakultät an der ThalkirchnerPettenkofer zwischen Schiller- und Goethestraße.

Der Leiter der zuständigen Polizeiinspektion 14, Hans Reisbeck, gab wieder den Sicherheitsbericht ab – erstmals in blauer Galauniform, die Polizeiinspektion ist eine der ersten, die von Grün auf Blau gewechselt hat (sitzt auch nicht besser als die grüne). Aus Überblick und Statistik folgerte er: “Da können Sie sicher leben.” Wieder wies er auf Twitter und Facebook als wichtigste Informationsquellen zu aktuellen Ereignissen hin.

Anfragen und Anträge der Bewohnerinnen und Bewohner gab es diesmal viele, gefühlt doppelt so viele wie vergangenes Jahr. Besonders häufig tauchten Probleme im Fahrradverkehr auf, auch im Fußgängerverkehr (Anträge auf Ampelphasenverlängerung, Einrichtung von Fußgängerüberwegen), zudem Lärmbelästigung (Anträge auf Einführung Tempo 30, Einbahnstraße, weniger Veranstaltungen, mehr Polizeipräsenz – je nach Lärmquelle), zweimal waren auch Sicherheitsbedenken Anlass (u.a. von meiner Nachbarin zum Nußbaumpark) – interessanterweise verwies Polizeidirektor Reisbeck darauf hin, dass “nicht nur Repression” die Lösung sei. Veränderungen des Viertels durch Luxussanierungen (befürchtete oder bereits geschehene) waren ebenfalls Anlässe für Anfragen und Anträge. Wenn möglich, nahmen gleich Stadtangestellte Stellung zum Thema, dadurch zeigten sich einige der vorgetragenen Probleme als bereits gelöst. Abschließend stimmten wir als Versammlung darüber ab, ob die Anträge in den Stadtrat getragen (und dort wie jeder Stadtratsantrag behandelt) werden.

Ich kann Ihnen wieder nur raten: Gehen Sie in Ihre Bürgerversammlung.

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Vielleicht wäre der 9. November aber besser ein Tag der Stille:
“Blanke Steine”.

Ich wünschte an jedem 9. November wäre es still, ich wünschte einmal nur wären wir mit unseren Toten allein, ich wünschte es gäbe keine Stolpersteinputzkolonnen, keine Spruchbänder, keine Aufrufe, keine Bilder der Namen mit den Namen der Toten, die sich nicht weigern können, die blank sein sollen, denn jetzt wird ihrer gedacht und das ist auch leichter, denn die Fragen nach dem Ring mit dem blauen Stein am Finger einer anderen Frau sind schwieriger.
An keinem Tag wie am 9. November wünschte ich mir, ich könnte die Steine mit Laub bedecken, sie davor bewahren wieder Ziel deutscher Sauberkeit und Gründlichkeit zu werden, aber ich habe schon vor vielen Jahren gelernt, dass die Enkel und Kinder der Toten nur stören im unbedingten Willen zu gedenken.
Ich wünschte es wäre einmal still und wenn es nur still genug wäre, so still, dass die Trauer einmal Platz hätte, meine Trauer nicht Ihre