Journal Freitag, 1. Dezember 2017 – Ganz fein essen
Samstag, 2. Dezember 2017 um 10:15Morgens verbloggte ich mich, bis es dann so spät war, dass ich für Schnelligkeit das Fahrrad in die Arbeit nahm. Aber das vorsichtig, es war eisglatt mit ein wenig Schnee.
Nach Feierabend daheim umgezogen und neu geschminkt für feines Ausgehen.
Es ist ja nicht so, dass ich gar kein Geld mit dem Bloggen machen würde: Seit ein paar Jahren ist mein Blog bei der VG Wort gemeldet, und da kommt einmal im Jahr ein durchaus ordentlicher Betrag auf mein Konto (Dank auf ewig an Melody für den Tipp). Weil Herr Kaltmamsell im Maschinenraum dafür verantwortlich ist, dass dieses Blog überhaupt technisch läuft und er mir jeden Schabernack reinbastelt, der mir einfällt, lud ich ihn von der diesjährigen VG-Wort-Ausschüttung zum Essen ein, und zwar ganz fein. Er durfte sich das Lokal aussuchen, und da er sich an den Bericht eines Freundes erinnerte, fiel seine Wahl auf den Dallmayr.
Ich hatte vor ein paar Wochen reserviert (dafür ein Online-Formular ausgefüllt, die Bestätigung kam am nächsten Tag per E-Mail als Brief-PDF im Anhang), am Tag vor unserem Termin bekam ich einen Anruf vom Dallmayr und wurde gefragt, ob auf irgendwelche Allergien o.Ä. zu achten sei (zum Glück können wir beide komplett ohne Einschränkung essen und trinken).
Gestern fuhr uns die U-Bahn eine Station direkt vors Haus; der Weg zum Restaurant im Obergeschoß führt durch das “Bar&Grill” im Erdgeschoß.
Wir aßen köstlich und wurde von Sommelier Julien Morlat mit sehr schönen Weinen (und detaillierten Erklärungen zum pairing) begleitet. Der Service war aufmerksam und warmherzig, ich freute mich über den Anblick auch einiger sehr junger Menschen (sollte eine Neuverfilmung von Valentins “Firmling” geplant sein – ich hätte da einen Casting-Tipp).
Als Aperitif ließ ich mir einen Rosé-Champagner der Hausmarke einschenken, der mir mit Duftigkeit und Frucht ausgezeichnet gefiel.
Der erste Gruß aus der Küche war Blumenkohl mit Preiselbeere.
Der nächste Gruß bestand aus Sellerie, Buttermilch und Kokosnuss – eine großartige Kombination.
Nochmal was ganz Anderes war das dritte Magentratzerl: Schweinebauch in Savarinmantel – der Gegensatz herzhaft und süßer Hefeteig passte wunderbar. Dazu bekamen wir als ersten Wein den einzigen alten Bekannten des Abends: Vom Knoll einen Grünen Veltliner Federspiel 2014.
Zum ersten Gang unseres Menüs schenkte Julien Morlat statt Wein Sake ein. Der ergänzte den fast zu harmonischen Teller Hamachi, Gurke, Ginger Beer so gut, dass ich ihn mir als Teil des Gerichts gewünscht hätte.
Confierter Lachs mit knuspriger Hanfsaat und besonders feiner Buttermilchsoße folgte (auf einem Teller, dessen Rand tiefer lag als die Servierfläche – ungeschickt), sehr schön kräftig begleitet von einem Silvaner Fass 500 des Weinguts Stahl.
Im Glas wurde es dann rot: Ein nordspanischer (galicischer) Mencía der Bodega Valdesil (am ausführlichsten auf instagram präsent, interessant). Das passte thematisch zum Oktopus auf dem Teller, unter dem Lammbauch lag, begleitet von Tandoori-Creme und Salzzitrone (darüber lag Palmenherz).
Die Ente war mein Liebling des Abends: Zwei Wochen in geklärter Butter gereift, wie wir informiert wurden, wurde sie als Brust und Keule serviert, mit Topinambur und Granatapfel. Auch der Wein war mein Favorit des Abends: ein Côtes du Rhône Syrah Domain Clape – der hätte mich nochmal nach ein, zwei Stunden interessiert.
Winterliche rote Bete, Gänseleber und Kletze wurden begleitet von einem sehr ungewöhnlichen Champagner, einem tiefroten Jacquesson 2004 – der interessanteste Wein des Abends.
Es wurde süß auf dem Teller: Feige, Parmesan und Pekanuss (das Grüne war Thymian – Hammer!). Dazu schenkte uns Julien Morlat einen trockenen Oloroso von Fernando de Castilla ein, der fabelhaft passte.
Statt Pre-Dessert gab es zu dem Nachtisch des Menüs ein Post-Dessert: Ananas und Vanille. Herr Kaltmamsell schwächelte schon eine Weile und brauchte alle Kraft zum Offenhalten der Augen: Harte Arbeitswoche, späte Uhrzeit, Alkohol sind keine ideale Grundlage für Partystimmung.
Zum Kaffee gab es weitere Leckereien, alle sagenhaft (das Grüne war Kalamansi – wieder eine Zitrusfrucht kennengelernt; die Füllung der Macarons war Passionsfrucht). Abschließend ließen wir uns noch einen Armagnac (Herr Kaltmamsell) und einen sensationellen Calvados (ich) einschenken.
Sehr interessant fand ich das Lokal und die Gäste. Ich kenne außer besagtem Freund von Herrn Kaltmamsell keine persönlichen Erzählungen eines Besuchs im Restaurant Dallmayr – meine auch noch so weit gefasste Peer Group kommt nicht hierher. Aber wer dann? Das Lokal gibt es laut Sternefressern seit 2006 als Gourmetlokal, 2007 wurde ihm der erste Stern verliehen, der zweite folgte 2009. Gestern Abend waren alle Tische besetzt und zwar sehr gemischt – vom biederen älteren Paar mit Pelleketsche (also Leuten wie wir) über Silberrücken mit etwas überforderter junger Begleitung und über fröhliche Freundinnenrunde bis zum Strähnchen- und Glitzer-Herrn in Weihnachtspullover war alles dabei.
Das passte im Grunde perfekt zur ähnlich uneinheitlichen Einrichtung: Sicher alles vom Feinsten, unter anderem mit Nymphenburger Porzellan, doch eine stilistische oder ästhetische Line erkannte ich nicht. Auch die Teller, auf denen serviert wurde, kamen jeweils aus völlig verschiedenen Welten und hatten keinen Bezug zu Besteck oder Gläsern. Das machte die Atmosphäre durchaus gemütlich, denn wir saßen wie bei einer wohlhabenden Dame im Esszimmer, die über die Jahre verschiedenste schöne Dinge um sich geschart hat.
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Blogs der Sorte “Everybody has a voice”: Eine Vignette aus Manhattan aus dem Blog fortlaufend.
die Kaltmamsell6 Kommentare zu „Journal Freitag, 1. Dezember 2017 – Ganz fein essen“
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2. Dezember 2017 um 17:16
Sie haben es gut!
2. Dezember 2017 um 19:12
“…. vom biederen älteren Paar mit Pelleketsche …”
was ist das denn bitte?
Mit dem allergrößten Interesse gelesen – aber ich stelle fest, mein Mann hat recht:
wir sind nicht mehr menuefähig ….
2. Dezember 2017 um 22:33
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Gerne gelesen
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3. Dezember 2017 um 0:10
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Gerne gelesen
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3. Dezember 2017 um 15:15
Aufgeschrieben und eingeplant für den nächsten Münchenbesuch!
3. Dezember 2017 um 23:16
Zu “Pelleketsche”: Auch ich verwunderte mich ob dieses Ausdrucks, dachte spontan an irgendein gediegenes, Matronen-haftes Kleidungsstück, vielleicht aus Pelz (warum auch immer) … neugieriges googeln lieferte mir jedoch nur Suchergebnisse zum “Perlekettche”. Seitdem sitze ich grinsend vorm Tablett.
Dankeschön, dieses Festmahl sei ihnen vergönnt!