Archiv für Februar 2018

Twitterliebe Februar 2018

Mittwoch, 28. Februar 2018

Nachtrag: Korrektur – der Gag wäre noch besser, zeigte er das korrekte Bild: Tatsächlich war dieses hier das erste Auto im All. Danke an Joe für die Korrektur.

Nachtrag: Anne Schüßler hat wieder Lieblingstweetlisten gesammelt.

Journal Dienstag, 27. Februar 2018 – Bissiges Wetter

Mittwoch, 28. Februar 2018

Das Wetter in München bleibt bei kalt kalt kalt, was manchen egal ist (Bild von Eisbachsurfer), doch mittlerweile meine Geduld strapaziert, wenn ich auf meinem Heimweg fast renne, um mir das Gesicht nicht vom Frost zerbeißen zu lassen und ein wenig warm zu werden.

In Brighton war’s auch kalt und schneite, Lomokev konnte trotzdem ein Bild des Swimming Clubs aufnehmen.

Abends ein Telefonat zu meinem Blog hier – ich grüße ganz besonders die Leserinnen in der Parkstadt Schwabing!

Herr Kaltmamsell hatte sich schon wieder den halben Nachmittag in die Küche gestellt, um meinen Vorschlag “Mach doch mal wieder Linsen mit Spätzle” umzusetzen.

Eine Ladung bestellter Sonderangebots-Sommerkleidung durchprobiert: Sah bis auf ein Hemd alles furchtbar an mir aus. Zumindest kam ich so ums schlechte Gewissen über neue Kleidung, die ich wirklich nicht brauche.

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Im Bundestag wird derzeit die geradezu absurde Debatte geführt, ob eine Ärztin oder ein Arzt öffentlich darüber informieren darf, dass sie Abtreibungen vornehmen. Ein Gerichtsurteil machte nämlich kürzlich klar, dass das nach §219a StGB verboten ist, weil “Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft”. Dieser Paragraph soll nun abgeschafft werden und hat eine neue Diskussion über den rechtlichen Stand von Abtreibung in Deutschland ausgelöst. Zumindest wurden viele dadurch daran erinnert, dass es immer noch den §218 gibt, der Schwangerschaftsabbrüche verbietet (aber unter bestimmten Bedingungen straffrei lässt – ein politisches Konstrukt).

Margarete Stokowski macht in ihrer Kolumne klar, wie entlarvend schon die Wort- und Argumentationswahl in dieser Debatte ist:
“Zellen schützen, Frauen quälen”.

Zur Frage, ob eine beginnende Schwangerschaft abgebrochen werden sollte, kann man unterschiedliche Meinungen haben. Die Antwort hängt von vielem ab, unter anderem davon, wie die Befruchtung zustande gekommen ist und wie lange sie zurückliegt, wie die Lebenssituation und Gesundheit der Schwangeren ist und ab welchem Zeitpunkt man den Zellen in der Gebärmutter einen Status als Mensch zuspricht, außerdem davon, wie man generell über Sexualität denkt, ob man an Gott und/oder die Hölle glaubt, und was man glaubt, Menschen zumuten zu können.

(…)

Aber um all diese Fragen geht es in der aktuellen Debatte eigentlich nicht. Es geht nicht darum, ob Abtreibung möglich sein sollte oder nicht, sondern nur um die Frage, wie leicht eine schwangere Person Informationen bekommen sollte, um diese Entscheidung treffen zu können. Wie widersprüchlich sich Konservative und Rechte in dieser Frage verhalten, wird oft schon an den Begriffen deutlich, die sie verwenden.

Wenn sie für ein möglichst strenges Abtreibungsgesetz kämpfen, reden sie dabei oft mit großer Geste von Würde und Leben, emphatischer als bei jeder Flüchtlings- und Abschiebungsdebatte.

(…)

Oft nennen sich Abtreibungsgegner “Lebensschützer”, wobei das zu schützende Leben nie das einer schwangeren Frau ist: Deren Leben soll, wenn sie überlegt, ob sie abtreibt, möglichst erschwert werden. Einen anderen Grund, erwachsenen Frauen Informationen vorzuenthalten, kann es nicht geben, außer man geht davon aus, Schwangere seien beeinflussbar wie Kinder, die die Süßigkeiten neben der Supermarktkasse haben wollen, weil sie gerade da liegen.

Journal Montag, 26. Februar 2018 – Weitergeklirrt und Aufruf zum Schöffendienst

Dienstag, 27. Februar 2018

Immer noch unangenehm eisig. Auf dem sonnig-klirrenden Fußweg (die Wetter-App meldete minus 12 Grad – das ist weniger ein Klirren als eher ein Nagen und Beißen) in die Arbeit schaltete sich das Handy beim Pokémonfangen plötzlich und ohne Warnung aus – ihm war wohl einfach zu kalt geworden.

Statt früh (= pünktlich) Feierabend zu machen, um zum Sport zu kommen, besonders lang gearbeitet, Sportzeug in der Arbeit gelassen für Mittwoch. Auf dem Heimweg Lebensmitteleinkäufe, vor allem Brotzeit für die nächsten Tage.

Herr Kaltmamsell hatte zum Abendbrot ein Dinkelotto mit Roter Bete und Steinpilzen gemacht. Es gab sogar Nachtisch: Maronenpüree mit Sahne, das ich gleich mal als Profilfoto für den vielberedeten neuen Social-Media-Dienst Vero verwendete.

Ich gehörte zwar zu den wenigen Glücklichen, die es ohne große Probleme zur Kontoeröffnung brachten, doch Posten ging nicht.

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Vor einigen Tagen thematisierte ich sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch an Schulen. Hauptschulblues, ehemaliger Schulleiter, berichtet aus seiner Berufsvergangenheit:
“Sexueller Mißbrauch an Schulen”.

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Was nicht ersetzt wird, hat kein Problem mit Produktionsbedingungen. In diesem Fall beim Hausbau: Die Bauingenieurin Angelika Mettke, Professorin an der Brandenburgischen Technischen Universität, hat sich auf die Wiederverwendung von Betonteilen aus Abrisshäusern spezialisiert. Hier ein Interview mit ihr:
“Angelika Mettke: ‘Intakte Gebäude abreißen und schreddern? Das kam für mich nicht in Frage'”.

“Es geht ja nicht nur um das Material; an der Entstehung dieser Gebäude haben Menschen mitgewirkt, die Gebäude geplant, gebaut und wieder abgerissen. Ich habe also den Lebensweg eines Gebäudes betrachtet und gedacht: Die ganze Energie, die darin steckt, wird ja gar nicht erfasst, das Gedankengut, da schmeißt man alles weg, nach acht bis zehn Jahren, obwohl Beton 100 bis 150 Jahre hält? Das geht doch gar nicht, dachte ich – und so fing es an.”

(…)

“In Plattenbaugebieten wie zum Beispiel in Berlin-Marzahn ist ja die komplette Infrastruktur vorhanden: Es gibt Straßen, Stromleitungen, Wasser, Abwasser, Müllentsorgung, die gesamte Versorgungstechnik, Parkplätze, Wäscheplätze, Grünanlagen: Für mich war es nicht tragbar, dass ganz Blöcke leergezogen und komplett abgerissen werden sollten, wenn doch alles drum herum, das Wohnumfeld und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel da und intakt war! Da gab es bessere Lösungen, etwa ein modernisierter Stadtteil: Geschosse abtragen und die Gebäude niedriger machen, oder die elend langen monotonen Wohnzeilen in Solitäre teilen, etwa indem man zwei oder mehr obere Geschosse oder bestimmte Aufgänge demontiert.”

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Haben Sie den Film Black Panther inzwischen gesehen? Und waren auch so begeistert über die Ausstattung? Hier ein wenig Hintergrund:
“The Afrofuturistic Designs of ‘Black Panther’”.

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Rechtgerichtete politische Kräfte versuchen in Deutschland immer mehr Möglichkeiten der Einflussnahme wahrzunehmen. Zum Beispiel in Betriebsräten, hier eine aktuelle Meldung:
“Opel-Betriebsrat zeigt sich bei rechter Gewerkschaft”.

Oder bei der Besetzung von Schöffenposten: 2019 beginnt die neue Amstzeit für Schöffen an Gerichten, dieses Jahr werden die Posten besetzt – und laut Deutschlandfunk fordert sie Afd ihre Anhänger dazu auf, sich als Schöffen zu melden. Die Folgen mag ich mir gar nicht ausmalen.

Deshalb: Wäre so ein Schöffenamt nicht etwas für Sie? So als praktische Gegendemo für unsere Verfassung? Hier die offizielle Information zum Schöffenamt auf dem Justizportal des Bundes und der Länder.
Für München beantwortet das Kreisverwaltungsreferat die naheliegenden Fragen:
“Schöffenamt: Kreisverwaltungsreferat (KVR), Hauptabteilung II Einwohnerwesen München”.
Die Bewerbungsfrist dauert in München bis 29. März.

Journal Sonntag, 25. Februar 2018 – Rückreise von Bonn

Montag, 26. Februar 2018

Ausgeschlafen, wegen bewusst wenig Alkohol auf dem Fest keine Migränegefahr.
Gebloggt, dann machten wir uns in eisiger Sonne auf den Weg zur Tramstation. Auf dem sich direkt vor uns die Bahnschranke senkte. Ich hatte meinen Begleiter gerade dazu überredet, einen Umweg zur Fußgängerunterführung zu machsen (bei dieser Kälte werden bereits fünf bis zehn Minuten Rumstehen sehr ungemütlich), als sich die Schranke nach dem ersten durchgefahrenen Zug wieder hob.

Tramfahrt eine halbe Stunde bis Siegburg (diese Gegend ist Öffi-technisch verwirrend), wo wir noch Zeit für einen Frühstückskaffee und Brotzeiteinkäufe hatten, bevor wir uns in den ICE nach München setzten. Die meiste Zeit der Strecke waren wir umgeben von US-amerikanischen Teenagern, deren Gespräche über Gastfamilien, Bürokratie ihres Aufenthalts und Unterschiede Deutschland/USA hochinteressant waren (immer noch bestehen 25% der Sätze dieser Bevölkerungsgruppe aus “like” – geht das mal weg?). Während des Lauschens las ich die Wochenend-SZ – gekauft am Bahnhof in Siegburg, weil mir mein abonniertes Exemplar sicher geliefert worden war, allerdings vor der Wohnungstür in München lag, und ich wollte sie halt jetzt lesen.

Kurz vor Stuttgart schloss sich die Schneedecke. Daheim erst mal alle Heizkörper aufgedreht, ich war sehr froh über moderne Technik.

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Im Hamburger Abendblatt befasst sich ein Essay mit den Problemen, die der Individualverkehr mit Privatautos dadurch verursacht, dass die Riesendinger die weitaus meiste Zeit ungenutzt herumstehen:
“Es gibt kein Recht auf Parkplätze”.

Folgerichtiger Vorschlag:

Kaum etwas ist in Städten wie Hamburg so knapp und kostbar wie Platz. Müssten Autobesitzer eine marktkonforme Grundstückspacht für die zum Parken genutzten zwölf bis 20 Quadratmeter öffentlicher Fläche zahlen, würde das Autofahren in Metropolen schlagartig viel teurer. Weil es einen realistischen Preis bekäme.

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Sandra Wiegard hat einen schönen Artikel aus der Süddeutschen von 2005 ausgegraben:
“Blogs
Die große Bühne der Einsamen”.

2005 schrieb Helmut-Martin Jung:

Im Ozean der Banalitäten

Sieben Millionen Menschen sind es einer im Januar veröffentlichten Studie zufolge allein in den USA, die mehr oder weniger regelmäßig aufschreiben, was sie bewegt: Privates wie Politisches, Intimes und Irritierendes, Bedeutsames und Banales.

Jeden Tag entstehen weltweit Tausende neue Blogs. Doch die meisten dieser Internet-Tagebücher fristen ein eher trauriges Dasein irgendwo auf den Abstellgleisen des Webs, und: Selbst von den Internet-Benutzern in den USA wissen zwei Drittel gar nicht, was das sein soll, ein Blog.

(…)

Viele tun sich schwer, sehr schwer, wieder aufzutauchen aus der Blogosphäre: „Die Suchtgefahr ist nicht zu leugnen“, sagt Gabriele Farke, Autorin eines Buches über Online-Abhängigkeit, die zugleich die Internetseite onlinesucht.de betreibt.

„Es ist gnadenlos, was da in den Geständnissen rüberkommt.“ Schon früher öffneten viele in Foren schonungslos ihre Herzen, aber anonym, „das hat ja nie jemand gesehen“. Nun aber, bei den Blogs, „wünschen sich die Leute das“.

(…)

„Ist es bedenklich, wenn man von jedem neuen Hotel schon den Katalog auf INet-Anschluss checkt und auf dem Zimmer als erstes Ausschau hält, ob es einen LAN-Anschluss gibt?“, fragt sich der Blogger Stefan Nagelschmitt – auf seinem Blog.

„Oder fängt es erst wirklich an, gefährlich zu werden, wenn man nachts 2,5 Stunden in der Kälte auf einer Biergarnitur vor einem geschlossenen Kiosk sitzt, um den Access Point eines ebenfalls geschlossenen Jazz Cafés auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu nutzen?“

Wer kann das schon genau sagen? Sicher ist, das zeigen Gabriele Farkes Erfahrungen mit Online-Süchtigen, dass viele Menschen sich völlig abkapseln von ihrem früheren Leben und einfach kein Interesse mehr daran aufbringen, sich mit realen Menschen an realen Orten zu treffen.

Leben in der eigenen Welt

Besuch wird ihnen lästig, Partnerschaft und Job leiden unter dem ständigen Zwang, nur ja nichts zu verpassen, auch an dem unvermeidlichen Schlafmangel. Und in der Familie fühlen sich Süchtige als Außenseiter, die in ihrer eigenen Welt leben.

Natürlich ist es billig, sich 13 Jahre später über diese Aussagen lustig zu machen: Der Mensch ist nun mal beweisbar schlecht in Prognosen über die Auswirkung technischer Entwicklungen. Aber leider: Es wäre billig, läsen sich die meisten Einschätzungen von Online-Medien nicht heute praktisch noch genauso.

Auf der riesigen Geburtstagsfeier am Samstagaben übrigens hatte die Gastgeberin mehrere Dutzende Menschen eingeladen, mit denen sie über folgende Schnittpunkte befreundet war: Blogs, Gemeinschaftsblog, Familie, Online-Forum, Chor, Ferienhaus im Süden. Ganz offensichtlich eine Süchtige und Außenseiterin.

(Und wegen dieser Einladung musste ich das zweite #rgmuc absagen, zu dem Cucina casalinga Bloggerinnen und Twitterinnen zusammengerufen hatte.)

Journal Samstag, 24. Februar 2018 – Bonn in der Sonne und zum ersten Mal tanzen als Leader

Sonntag, 25. Februar 2018

Die Vorhersage hatte für Bonn Sonne und ein paar Plusgrade angekündigt, da es in München zweistellige Minusgrade unter Hochnebel haben sollte, freute ich mich sehr.

Nach angenehmem Ausschlafen verbloggte ich den Vortag und machte mich mit Herr Kaltmamsell an die Rheinpromenade auf (Kreuzen der Bahngleise durch eine Fußgängerunterführung einen guten Kilometer nördlich), um darauf zur Bonner Innenstadt zu gehen.

Ich hatte keine konkreten Anlaufstellen im Kopf, die Museumsmeile, in deren Nähe wir wohnten, berücksichtigte ich gleich gar nicht in meinen Plänen; ich wollte lediglich irgendwo einen guten Frühstückscafé und durch Herumschlendern einen Eindruck von Bonn gewinnen.

Das mit der Sonne klappte hervorragend, aber uns biss ein eisiger Wind.
An der Promenade sahen wir die verfließende Bonner Republik (es sind dann doch noch erstaunlich viele Bundeshauptstadtfunktionen hier angesiedelt) von hinten.

Am Marktplatz mit Markt suchten wir ein altmodisches Café auf, frühstückten passable Torte und Vollautomaten-Cappuccino. Schlendern durch Straßen und Gassen (eine Entdeckung in der Namen-Jesu-Kirche habe ich im Techniktagebuch festgehalten), Bonn machte einen sehr wohnens- und lebenswerten Eindruck und ist möglicherweise die westdeutschste Stadt, die ich je kennengelernt habe.

Gegenüber dem (wegen Renovierung geschlossenen) Münster bekamen wir auch noch einen richtig guten Cappuccino. Beim Schauen aus dem Fenster entdeckte ich einen zweigeschoßigen Haribo-Laden und wunderte mich erst – bis mir einfiel, dass das -bo für Bonn steht und hier die Gummibärchen daheim sind.

In diesem wirklich weitläufigen Haribo-Laden sahen wir uns begeistert um: Hier gab es also die legendären Kilobeutel sortenreiner Gummibärchen! Und natürlich riesige Tüten mit gemischter zweiter Wahl! Leider, leider sind wir aber erwachsen geworden: Bevor wir uns die Träume von Jahrzehnten erfüllen konnten, sahen wir ein, dass ein ganzes Kilo der Lieblingsgummibärchensorte wahrscheinlich 800 Gramm zu viel des Guten war, dass wir in Wirklichkeit die wenigsten Gummisorten genug mochten, um uns über eine wild gemischte Tüte zu freuen, dass wir nicht mit mehreren Kilo Zusatzgepäck heimreisen wollten. Wir kauften also übersichtliche Mengen ein, mit den Kindern der Familie im Hinterkopf.

Weiteres Schlendern über Plätze und Gassen (windgeschützt war es in der Sonne nicht mehr eisig), bis wir unseren Hunger stillen wollten. Fast wären es Hanns-Dieter-Hüsch-Gedächtnis-Muscheln geworden, doch wir entschieden uns dann doch für Hamburger in einer Hamburgerei mit sensationell kompetenter Restaurantleiterin.

Rückweg wieder am Rheinufer entlang, der Wind war nicht minder eisig geworden. Und der Rhein ist hier aber hallo ganz schön riesig breit – ich verlor geradezu das Fluss-Gefühl. Wir sahen sogar ein Containerschiff darauf, allerdings auch zwei Mannschaftsruderbote.

Und hier fand dann die abendliche Riesengeburtstagsfeier statt, mit so vielen herrlichen Begegnungen und Wiederbegegnungen (lauter Menschen aus dem Internet), gutem Essen und Trinken – und meiner ersten Lindy Hop-Stunde. Vernünftigerweise war nicht in Damen und Herren unterteilt, sondern in Follower und Leader, und da ich noch nie den Leader-Part getanzt hatte und es eh mehr Follower gab, stellte ich mich zu den Leadern. Nach jeder kleinen Lehreinheit, nach jedem Üben wurde Partner gewechselt. Das war eine sehr ungewohnte und schöne Erfahrung: Ich genoss, den (meist) Damen als Follower Sicherheit zu geben, wenn sie unsicher waren (konnte mir aber auch vorstellen, dass es überfordern kann, diese Sicherheit geben zu müssen), oder ihnen Raum zu geben, wenn eigentlich sie gerne die Richtung setzten. Ich hatte den Eindruck, dass ich über meine Tanzpartnerinnen und Tanzpartner in der Leader-Rolle mehr lernte denn als Follower.
Vielleicht schaffe ich es nun doch endlich, mit Herrn Kaltmamsell (der ebenfalls Leader tanzte), mal in die 500 Meter von unserer Wohnung entfernte Lindy Hop-Schule zu gehen.

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Mademoiselle Read on erzählt im Deutschlandfunk, wie sexuelle Aufklärung sexuelle Gewalt verhindert, wie sie das in Indien gelernt hat und wie sie das in ihrer Aufklärungsstunde für Flüchtlinge lebt:
“Sexuelle Aufklärung
‘Macht Kokosöl meinen Penis länger?'”

Journal Freitag, 23. Februar 2018 – Bahn nach Bonn

Samstag, 24. Februar 2018

Seit Tagen schon freute ich mich auf die Bahnfahrt nach Bonn – ja genau, auf die Fahrt selbst. Herr Kaltmamsell und ich hatten uns für die längere und länger dauernde Verbindung entschieden, weil sie ein Umsteigen unnötig machte. Und so freute ich mich auf sechs Stunden Müßiggang mit wechselnder Aussicht und in angenehmer Gesellschaft (aber auch Fahrten allein empfinde ich fast immer als Auszeit). Ich machte bereits kurz nach Mittag Feierabend, holte mir am Bahnhof nach Langem mal wieder eine Leberkässemmel als Mittagessen und traf mich mit meinem Reisebegleiter am Gleis.

Und tatsächlich nahm der EC die alte Strecke, die ab Mainz den Rhein entlang fährt. Es dämmerte schon sehr, doch der Ausblick aus dem Fenster bot wieder Disney-Deutschland der Romantik: Burgen, Türmchen, Städtchen, Weinberge. Vorher war kurz vor Stuttgart der Schnee verschwunden, kurz vor Mannheim riss der Himmel auf und die Sonne schien.

Ärgerlich war das praktisch nicht vorhandene Funknetz, selbst an den Bahnhöfen herrschte oft nur Edgingen. Als verschmerzbar empfand ich hingegen die abschließend 15 Minuten Verspätung, die uns ein Halt auf freier Strecke wegen Bahnübergangsstörungen verschafft hatte – schließlich hatten wir keinen Anschlusszug zu erwischen.

Das mit dem Bahnübergang hatte allerdings eine überraschende Fortsetzung: Als wir im Süden Bonns ins Hotel gehen wollten, stand zwischen der Tram-Haltestelle (Straßenbahnen fahren in Bonn gerne mal unterirdisch, wir irrten am Bahnhof eine ganze Weile umher, bis wir die vorher recherchierte Straßenbahnlinie hinter dem Hinweis “U” fanden) und dem Hotel ein beschrankter Bahnübergang. An dem bei unserer Ankunft bereits ein Grüppchen Fußgänger, Radfahrer und eine beachtliche Schlange Autos wartete. Es dauerte vier Züge, bis sich die Schranke öffnete. Der Weg zum Restaurant führte uns denselben Weg zurück, bei geöffneter Schranke. Doch um nach einem sehr wohlschmeckenden italienischen Abendessen ins Bett zu kommen, musste wir wieder mit vielen anderen an der Bahnschranke warten, diesmal fünf Züge lang. Andere, die zur selben Samstags-Veranstaltung angereist waren wie wir, kamen am späteren Abend gleich gar nicht mehr zu einem Abendessen, weil die Schranke sich auch nach zehn Zügen nicht öffnete.

Ich war reichlich verdutzt, denn beschrankte Bahnübergänge habe ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr in deutschen Städten erlebt. In Bonn aber, so ließ ich mir inzwischen von einer Bonnerin erklären, ist das ein Feature:

In Bonn heißt es “entweder et is am rääne oder de Schranke sin zo”, aber ich sage euch: Oft ist die Schranke zu und GLEICHZEITIG REGNET ES.

(John Le Carré hat laut Techniktagebuch-Chat in A Small Town in Germany exakt dieses auf Englisch festgehalten.)

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Ich bin ja so froh, wenn ich mich mal über was nicht aufrege. Anscheinend sind seit einiger Zeit nackte Knöchel modisch so angesagt, dass junge Damen und Herren auch bei den derzeitigen Minusgraden mit knöchelfreier Hose und Sneakersocken in Turnschuhen herumlaufen. Und während ich zum Beispiel lange Vollbärte scheußlich finde, mir Vollbärte ohnehin seit ca. 3 Jahren zum Hals raushängen – finde ich bloße Knöchel sehr hübsch, und kann mit ihrer Unvernunft bei winterlicher Kälte bestens leben. Das hat allerdings damit zu tun, dass meine Jugend in die Zeit der Angora- und Mohairpullis mit Fledermausärmeln und soooo tiefem Rückenausschnitt fiel, die ich wunderschön fand und auch trug (Benetton, dunkelblaues Angora, für 5 Mark auf dem Flohmarkt in der Herrenschwaige gekauft) – was die Erwachsenen ausgesprochen bescheuert fanden (O-Ton Mutter Kaltmamsell: “Oiso, entweder an warma Pulli oder an tiefen Ausschnitt!”).

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Diese Illustratorin und Malerin kannte ich schon, als sie vor 28 Jahren noch für andere Maler Leinwände aufzog. Macht sie schon lange nicht mehr, Tina Berning illustriert untern anderem für die Zeit, den stern, die New York Times. Seit gestern hat sie einen Online-Shop, in dem man Drucke und Originale kaufen kann.

Nachtrag: Der Titel des Le Carré-Romans war zunächst falsch als angeführt worden, am 25.2. korrigiert.

Journal Donnerstag, 22. Februar 2018 – Medizinische Sounds

Freitag, 23. Februar 2018

Sehr müde und sehr früh aufgestanden. Ersteres lag daran, dass mich nachts wieder die Bandscheibe geplagt hatte, diesmal mit pieksenden Schmerzen im rechten Knie abwärts. Ich hatte Ibu geschluckt und mir wieder eine Stufenlage ins Bett gebaut: Stufenliegen, bis der Schmerz erträglich wurde, Schlaf in Seitenlage bis der Schmerz mich weckte, Stufe etc. Stehen, Gehen oder Sitzen übrigens nahezu schmerzfrei, leider schlecht vereinbar mit Schlaf.

Letzteres war einem frühen Termin bei der Zahnärztin geschuldet. Es war mal wieder Zeit für eine professionelle Zahnreinigung, und die Ärztin machte gleich mal den Jahrescheck. Diesmal nach vielen Jahren inklusive Röntgenaufnahme – und ich war völlig begeistert von dem neuen Rundumgerät: Wenn ich groß bin, will ich Sounddesignerin für Dentalröntgenapparate werden, das muss einen Heidenspaß machen. Ich glaube keine Sekunde, dass das gestern mechanische Töne waren; zum einen kenne ich Röntgengeräte und lautlose rotierende Maschinen, zum anderen klang das nach einem Mash-up von 30 Folgen Star Trek Next Generation. Wahrscheinlich gibt es sogar einen “Ton aus”-Schalter (aber nur für Privatpatienten?).

Nach der Arbeit brachte mich eine U-Bahn zum Josephsplatz, wo ich ein bestelltes Buch abholte. Im dortigen U-Bahnhof entdeckte ich einen Fotoautomaten: Endlich mal wieder mein Altern festgehalten; das letzte Bild stammte von Anfang August, kurz bevor die Automaten in der Baustelle U-Bahnhof Sendlinger Tor entfernt wurden. Daheim blätterte ich im Fotostapel nach: Ich mache das mit den regelmäßigen Automatenfotos seit 2005.

Nachtmahl aus Ernteanteil, sehr wohlschmeckend. Das im Tonbecher ist Weißwein, Rest der Flasche vom Sonntag: Aus irgendeinem Grund mag ich schlichten Wein lieber aus solchen Bechern.

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Hatte ich auf Twitter schon mal in die Runde gefragt: Wie schützen Lehrerinnen und Lehrer an ihren Schulen Schülerinnen und Schüler vor sexuellem Missbrauch durch Mitglieder des Kollegiums? Denn in den letzten Jahren dachte ich oft an die schlimmen Geschichten über übergriffige oder missbrauchende Lehrer, die ich nach meiner Schulzeit über die eigene Schule gehört hatte, und die vielen solchen Geschichten, die während #aufschrei rausgekommen waren. In fast jedem Kollegium wird über Kollegen getuschelt oder gelästert, die ihre Finger nicht von den Referendarinnen lassen können – wie verhalten die sich wohl erst gegenüber Schülerinnen?

Und so wundert es mich, dass das erst jetzt in der Zeit ausführlich thematisiert wird:
“Schulkinder ohne Schutz”.

Das Interesse von Schulleitungen, Aufsichtsbehörden und Landesregierungen ist erschreckend gering. Die Kultusministerkonferenz bleibt weit hinter ihren Versprechen zurück, sexuelle Gewalt und Missbrauch an Schulen offensiv zu bekämpfen.

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Da schau her: Es gibt doch interessante Details an den Olympischen Winterspielen!
“The Winter Olympics Feature 2,951 Of The World’s Greatest Athletes, And Also This Woman”.

That’s her gameplan: show up and stay upright.

Life goals.

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The Moscow Times porträtiert:
“Generation P
The stories of 18 teenagers who have lived a lifetime under Vladimir Putin.”

via @kscheib

Interessante Einzelgeschichten, schön illustriert mit Bildern und Filmchen aus deren Familienalbum.