Journal Dienstag, 27. Februar 2018 – Bissiges Wetter

Mittwoch, 28. Februar 2018 um 6:49

Das Wetter in München bleibt bei kalt kalt kalt, was manchen egal ist (Bild von Eisbachsurfer), doch mittlerweile meine Geduld strapaziert, wenn ich auf meinem Heimweg fast renne, um mir das Gesicht nicht vom Frost zerbeißen zu lassen und ein wenig warm zu werden.

In Brighton war’s auch kalt und schneite, Lomokev konnte trotzdem ein Bild des Swimming Clubs aufnehmen.

Abends ein Telefonat zu meinem Blog hier – ich grüße ganz besonders die Leserinnen in der Parkstadt Schwabing!

Herr Kaltmamsell hatte sich schon wieder den halben Nachmittag in die Küche gestellt, um meinen Vorschlag “Mach doch mal wieder Linsen mit Spätzle” umzusetzen.

Eine Ladung bestellter Sonderangebots-Sommerkleidung durchprobiert: Sah bis auf ein Hemd alles furchtbar an mir aus. Zumindest kam ich so ums schlechte Gewissen über neue Kleidung, die ich wirklich nicht brauche.

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Im Bundestag wird derzeit die geradezu absurde Debatte geführt, ob eine Ärztin oder ein Arzt öffentlich darüber informieren darf, dass sie Abtreibungen vornehmen. Ein Gerichtsurteil machte nämlich kürzlich klar, dass das nach §219a StGB verboten ist, weil “Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft”. Dieser Paragraph soll nun abgeschafft werden und hat eine neue Diskussion über den rechtlichen Stand von Abtreibung in Deutschland ausgelöst. Zumindest wurden viele dadurch daran erinnert, dass es immer noch den §218 gibt, der Schwangerschaftsabbrüche verbietet (aber unter bestimmten Bedingungen straffrei lässt – ein politisches Konstrukt).

Margarete Stokowski macht in ihrer Kolumne klar, wie entlarvend schon die Wort- und Argumentationswahl in dieser Debatte ist:
“Zellen schützen, Frauen quälen”.

Zur Frage, ob eine beginnende Schwangerschaft abgebrochen werden sollte, kann man unterschiedliche Meinungen haben. Die Antwort hängt von vielem ab, unter anderem davon, wie die Befruchtung zustande gekommen ist und wie lange sie zurückliegt, wie die Lebenssituation und Gesundheit der Schwangeren ist und ab welchem Zeitpunkt man den Zellen in der Gebärmutter einen Status als Mensch zuspricht, außerdem davon, wie man generell über Sexualität denkt, ob man an Gott und/oder die Hölle glaubt, und was man glaubt, Menschen zumuten zu können.

(…)

Aber um all diese Fragen geht es in der aktuellen Debatte eigentlich nicht. Es geht nicht darum, ob Abtreibung möglich sein sollte oder nicht, sondern nur um die Frage, wie leicht eine schwangere Person Informationen bekommen sollte, um diese Entscheidung treffen zu können. Wie widersprüchlich sich Konservative und Rechte in dieser Frage verhalten, wird oft schon an den Begriffen deutlich, die sie verwenden.

Wenn sie für ein möglichst strenges Abtreibungsgesetz kämpfen, reden sie dabei oft mit großer Geste von Würde und Leben, emphatischer als bei jeder Flüchtlings- und Abschiebungsdebatte.

(…)

Oft nennen sich Abtreibungsgegner “Lebensschützer”, wobei das zu schützende Leben nie das einer schwangeren Frau ist: Deren Leben soll, wenn sie überlegt, ob sie abtreibt, möglichst erschwert werden. Einen anderen Grund, erwachsenen Frauen Informationen vorzuenthalten, kann es nicht geben, außer man geht davon aus, Schwangere seien beeinflussbar wie Kinder, die die Süßigkeiten neben der Supermarktkasse haben wollen, weil sie gerade da liegen.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Dienstag, 27. Februar 2018 – Bissiges Wetter“

  1. Hauptschulblues meint:

    In den 70er Jahren gab es eine große Initiative zum damaligen §218, angestoßen damals vom STERN. Frauen, die an sich Abtreibungen vornehmen ließen, zeigten sich an. In der Folge blieben die Frauen straffrei, die ÄrztInnen nicht.

  2. lihabiboun meint:

    Eigentlich hatte man doch gehofft, diese Debatte sei nun ausgestanden, aber siehe da, nein – man wähnt sich tatsächlich in dern 70ern …. Mittelalterlich und vor allem heuchlerisch! Wo bitte ist die Würde des Menschen, wenn minderjährigen Flüchtlingen verwehrt wird, dass Mutter/Vater nachziehen …..

  3. Trulla meint:

    Im Zuge der damals aufgehitzten Atmosphäre wurde einem Memminger Arzt, der Frauen in Not half, der Prozeß gemacht. Der erbittertste Ankläger, ein relativ junger Staatsanwalt, wurde durch die eigene Freundin später der übelsten Heuchelei überführt, indem sie sich selbst outete, auf seinen Druck hin eine Abtreibung – wenn ich mich recht erinnere in Holland – gehabt zu haben. Dem Arzt wurde damals übrigens die Existenz genommen.
    Heuchelei hat auf diesem Gebiet Methode, besser als Stokowski kann man es nicht ausdrücken: wer einem Keim mehr Lebenswürde zuspricht als Menschen in großer Not, ob schwangerer Frau oder Flüchtling, kann m.E. nicht wirklich ernst genommen werden.
    @Hauptschulblues
    Unter dem STERN Titel “ich habe abgetrieben” gab es auch etliche Frauen, die sich ohne selbst abgetrieben zu haben, solidarisch hinter die Bewegung stellten.
    Frauen konnten – das wurde daran sehr deutlich – nur im Miteinander Verbesserungen erreichen.

  4. Hauptschulblues meint:

    Nichts ist ausgestanden, leider. Wir befinden uns mitten in einem globalen Roll Back, egal auf welchem Gebiet.

  5. Milla meint:

    Warum werden die Linsen nicht auf einem Glasteller serviert?
    Lieben Gruß, Milla

  6. arboretum meint:

    @ Trulla: Danke für den Hinweis. Wusste ich schon gar nicht mehr, deshalb habe ich es eben nochmals in der Augsbuger Allgemeinen nachgelesen:

    ===================== schnipp ====================
    Als gegen Ende des Prozesses bekannt wird, dass einer der drei Memminger Berufsrichter Jahre zuvor, als er noch Staatsanwalt war, daran mitgewirkt hat, dass seine schwangere Freundin in Hessen einen Abbruch vornehmen ließ, haben Theissens Anwälte Oberwasser. Der betreffende Richter habe sich im Prozess dadurch hervorgetan, dass er die Zeuginnen und deren Partner „mit bohrenden Fragen nach ihren persönlichen und privaten Verhältnissen massiv bedrängte“, sagt zu dieser Zeit Theissens Verteidiger Sebastian Cobler.

    Ein Richter muss gehen, weil seine Freundin abgetrieben hat

    Dem Antrag, den Richter wegen Befangenheit abzulösen, wird stattgegeben. Der Vorsitzende Albert Barner räumt ein, „dass die intensive Art der Befragung“ durch den dann abgelehnten Richter darauf zurückzuführen sei, dass er „dem Angeklagten nicht mit der erforderlichen Distanz eines unbeteiligten Dritten gegenübersteht“.
    ===================== schnapp ====================

  7. die Kaltmamsell meint:

    Oh ja, Hauptschulblues, Trulla, wer hätte gedacht, dass wir noch so wenig weit sind. Die 70er-Aktion “Ich habe abetrieben” wird hin und wieder erwähnt, aber den Memminger Arzt hatte ich schon wieder vergessen.

  8. Brigitte Novacek meint:

    Danke an euch alle für die Infos, die “Stern”-Aktion hab ich noch im Kollektivgedächtnis, der Rest hat es offenbar nicht nach Österreich geschafft.

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