Journal Samstag, 3. März 2018 – Tauwetterlauf und Erinnerungsabgleich
Sonntag, 4. März 2018 um 8:01Ausschlafen dauerte leider nur bis halb sieben. Nach Bloggen an Kaffee, Einkaufsabsprachen mit Herrn Kaltmamsell und Wäschewaschen zog ich mich um für einen Isarlauf: Die böse Kälte ist vorbei, unter hellem Himmel hörte ich es sogar tautropfen.
Am Flaucherbiergarten in Isarnähe einen mir bislang unbekannten Weg entdeckt. Nachts hatte es ein wenig geschneit, das machte die vielfach vereisten Flächen wieder griffig. Ich lief so leicht wie schon lang nicht mehr, erweiterte meine Runde deshalb auf zwei Stunden, die ich nahezu schmerzfrei abschloss. Nicht mal das Dehnen verursachte Schmerzen, sondern nur angenehmes Ziehen.
Auf dem Weg an die Isar hatte ich meine uralten bräunlichen Raulederschnürstiefel doch nochmal zur Schusterin gebracht. Etwas Recherche nach Ersatz und Blicke auf die Schuhe an den Füßen anderer hatten mich mutlos gemacht: Echte Schnürstiefel ohne entstellende Einstiegshilfe per Reißverschluss scheinen zu verschwinden. Die Schusterin willigte nicht nur ein, nochmal rundum zu nähen und zu kleben, sondern berichtete auch von einem Hersteller, den sie führt und der für den nächsten Herbst echte Schnürstiefel angekündigt habe. Ich schöpfte Hoffnung.
Nachmittags war ich mit einer lang verflossenen Kollegin verabredet, die mich über Facebook schon mehrfach kontaktiert hatte, wenn sie in München war. Erinnerungsabgleich.
Auf dem Heimweg Einkäufe, leider hatte der Trachtenladen bereits geschlossen, in dem ich nun doch endlich Ersatz für meinen löchrigen Janker kaufen wollte.
Abends kochte diesmal ich: Ich versuchte die Vorspeise nachzubauen, die ich vor einer Woche beim Bonner Italiener bekommen hatte.
Kalbsleber mit Zwiebeln und Äpfeln auf Feldsalat.
Ich holte im Fernsehen die Rede der Mama Bavaria, Luise Kinseher, vom Starkbieranstich am Nochherberg nach: Wirklich sehr schön und diesmal mit viel Publikumsbeteiligung. Ich werde die Bavaria vermissen, die allein schon als Figur ein Geniestreich war.
§
Jedes Durchwiegen der Bevölkerung erzeugt ein Flut von apokalyptischer Berichterstattung über die (statistisch vermuteten) Gesundheitsgefahren von Übergewicht. Zweifelsfrei belegbar sind die Gesundheitsgefahren von Essstörungen, diese kommen aber erheblich seltener in den Medien vor. Laurie Penny schreibt zur eating disorder awareness week:
“A generation of shrinking girls
Why don’t we care more about the eating disorders epidemic?”
I think that on some level, self-starvation and preoccupation with thinness, with body image and with self-denial has been so normalised in our society for women that you can’t help picking up on the suggestion that these girls had the right idea, they just took it “too far”.
(…)
We raise our young people in a culture absolutely obsessed with controlling women’s bodies and then we wonder why they want to take back some of that control in private, violent acts of passive-aggressive defiance.
(…)
We raise girls under a hailstorm of images of unattainable perfection, we subject them to a relentless show-and-tell demonstration of exactly what they have to lose by not looking a certain way, we imply constantly that whatever else they grow up to be will be of no value if they do not also conform to an image of beauty which is literally too narrow for a human body to breathe in, we make them pay day in and day out for simply existing in a body that is female or queer – and then when they develop eating disorders we shrug and say: gee golly, these silly girls, why don’t they just eat a sandwich?
Wobei: Immer schön vorsichtig sein mit einfachen Erklärungen. Anorexie hat eine Vielzahl von Ursachen. Vieles allerdings weist darauf hin, dass die Sehnsucht nach Kontrolle einer der stärksten Antriebe ist. Bis hin zur Kontrolle übers eigene Überleben: Anorexie hat eine viel höhere und besser belegbare Sterblichkeitsrate als das stetig angeprangerte Übergewicht.
die Kaltmamsell6 Kommentare zu „Journal Samstag, 3. März 2018 – Tauwetterlauf und Erinnerungsabgleich“
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4. März 2018 um 9:30
Liebe Kaltmamsell,
ich teile Ihre Abneigung gegenüber Schnürstiefeln mit zusätzlichem Reißverschluss – was für kleine Kinder oder ältere Menschen mit gesundheitlichen Problemen (Gicht, Parkinson, Arthrose oder dergleichen) nachvollziehbar erscheint, nämlich den Vorgang des Schuhanziehens so weit wie möglich zu vereinfachen, ist meines Erachtens bei “normalen”, also insofern unbeeinträchtigten Menschen nicht nur nicht notwendig, sondern unschön.
Da der Trend seit mehreren Jahren anhält, schiebe auch ich den Kauf neuer Winterstiefel immer wieder hinaus und würde mich deshalb freuen, wenn Sie uns über zukünftige Angebote auf dem Laufenden hielten.
Vielen Dank außerdem für Ihre nahezu täglichen Einträge, die für mich stets interessant und erkenntnisreich sind! Dadurch habe ich schon viele Anregungen und Einblicke erlangt, auf die ich nicht hätte verzichten mögen.
Ich wünsche einen schönen Sonntag!
Das.Tin
4. März 2018 um 10:08
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Genau!
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4. März 2018 um 10:43
Ich habe auf Ihren Kommentar auf den Nockherberg schon vermisst.
Ich fand es dieses Jahr sehr amüsant und finde den Abschied von Mama Bavaria sehr schade. Ich bin schon gespannt, wer ihr nachfolgt.
4. März 2018 um 16:06
Das freut mich sehr, Das.Tin, danke!
4. März 2018 um 16:10
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Gerne gelesen
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4. März 2018 um 22:04
Ich kann wärmstens (höhö) Gea-Waldviertler-Schuhe empfehlen – zwei Gea-Läden gibt es auch in München. Ein gefüttertes Paar Schnürstiefel namens “Eisbär” hält seit zwei Wintern meine Füße zuverlässig warm und trocken. Die Läden besohlen und reparieren bei Bedarf die Schuhe neu.