Journal Dienstag, 24. April 2018 – Ereignislosigkeit ausgewalzt
Mittwoch, 25. April 2018 um 5:40Sehr gut geschlafen. Eigentlich will ich mich nicht zu sehr an die Ohrstöpsel gewöhnen, doch mit Schallschutz schlafe ich mittlerweile replizierbar besser (schon wieder das Alter?).
Das Wetter kehrte zurück zu Frühsommer.
Der Dienstag selbst war etwa so ereignislos wie der Montag, doch ich werde mich diesmal anstrengen und alles rausholen, was nur rauszuholen ist. Als da wären.
Beim Brotzeitvorbereiten1 heftig in die linke Hand geschnitten – eigentlich gestochen, und zwar mit der Spitze des großen Messers. Blutete fast nicht, doch ich brauchte Minuten, um mich zu beruhigen, war auch überrascht über den unverhältnismäßig großen Schmerz. Das Bitzeln im kleinen Finger lieferte die Erklärung: Ich hatte wohl einen Nerv erwischt.
Ich trug schwer auf dem Weg in die Arbeit, weil ich nach der Arbeit mal wieder den Topf Urlaubskleingeld einzahlen wollte und mitgeschleppt hatte. Münzen sind verdammt schwer, ich musste den ganzen Weg über den Bauch anspannen, um das Kreuz zu entlasten.
Beim Bäcker Zöttl machte ich einen Zwischenstopp, um einen Laugenzopf für die Brotzeit zu kaufen (auch wenn ich nur alle paar Wochen dort auftauche, kennt man mich inzwischen – ist es wirklich derart merkenswert, dass jemand alle paar Wochen ein Laugenzöpferl kauft? und immer mit abgezähltem Geld zahlt? hm… na ok): Die freundliche Backwarenverkäuferin wies mich darauf hin, dass Zöttl in Kürze seine Laugenzöpfe ändert – sie werden kleiner, kosten dann aber nur noch 1,10 Euro. Aberaberaber! Die Zöttl-Laugenzöpfe sind doch die allerbesten, weil sie genau so sind, wie sie sind! (Sollte ich jemals behauptet haben, ich sei offen für und neugierig auf Veränderungen, habe ich mich jetzt wahrscheinlich verraten.)
Im Büro fiel mir erst mal der Absatz vom Schuh.
Der rechte macht’s richtig.
So ist’s falsch.
Dank meinem Blog weiß ich, dass ich die Schuhe vor über zwölf Jahren gekauft habe (2006 hatte ich sie nämlich schon ein paar Jahre), vorne ist die Sohle bereits gebrochen – sie sind reif für die Mülltonne.
Auf dem Heimweg also in der Bank Münzen losgeworden, ein paar Besorgungen in der Drogerie erledigt. Daheim empfing mich Fliederduft: Herr Kaltmamsell hatte meinen (Wunderlist-)Einkaufslisteneintrag ernst genommen und umgesetzt.
Zum Nachtmahl gab es Spargel und Erdbeeren.
Der Spargel war klasse (Herr Kaltmamsell machte Hollandaise dazu), die Erdbeeren hatten leider nur Duft, keinen Geschmack.
Wir ließen den Fernseher laufen, auf dem Disney Channel kam die Verfilmung des Hitchhiker’s Guide von 2005. Besser, als ich ihn in Erinnerung hatte – und Herr Kaltmamsell stolperte über den Umstand, dass der Darsteller des Zaphod Beeblebrox genau der Sam Rockwell war, der dieses Jahr den Nebenrollen-Oscar bekommen hat. Ich erkannte ihn erst bei ganz genauem Hinschaun wieder.
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Ein Nebeneffekt meiner Gofug-Lektüre ist, dass ich mich so gut in Europas Königshäusern auskenne wie nie zuvor im Leben (vor allem in ihrer Kleidung, aber egal). Deshalb konnte ich ziemlich über die Scherze lachen, die auf Twitter über das neue Baby im englischen Königshaus gemacht wurden.
via @tknuewer
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Lena Gorelik hat für die Zeit über die Auswanderung ihrer Familie geschrieben hat – viel interessanter und berührender als in ihrem Roman Meine weißen Nächte, den ich kürzlich gelesen habe.
“Erinnerungen, die. Zuhause, das.”
Warum habe ich dir nicht öfter ein Eis gekauft?
Kindheit, verlorene, die; unwichtig: Einmal saßen mein Vater und ich im Bus und der Bus fuhr an einem Eiskiosk vorbei, und wir dachten wohl beide dasselbe, wir dachten beide daran, wie wir ganz frisch in Deutschland waren, ein paar Wochen vielleicht, ich, ein elfjähriges Mädchen mit kurzen Haaren, und er, mein Vater, ich glaube, er war schon immer alt. Wir waren ganz frisch in Deutschland, alles schien oder war bunt, und meine Augen hüpften hin und her und wussten nicht, wohin, und mein Vater hatte Angst, wahrscheinlich, ich habe ihn nie gefragt; so eine Angst vor dem Leben.
Das Eis war ebenfalls bunt, die vielen Sorten, 60 Pfennig die Kugel, das dachte ich und dass die Preise ja seitdem gestiegen sind, so etwas dachte ich, unwichtige Dinge, über die Inflation dachte ich nach, über den Wechsel von D-Mark zu Euro, da sagte mein Vater, dass er den Anblick dieses Kiosks hasst. Warum, fragte ich und schaute auf, das erste Mal seit Langem tatsächlich interessiert. Ich hätte dir hier viel öfter ein Eis kaufen sollen, sagte mein Vater. Du hast immer mit diesen wollenden Augen hingeguckt, aber nie darum gebeten, und mir kamen die 60 Pfennig so viel vor und ich hatte Angst, dass wir das Geld brauchen könnten, aber es waren ja nur 60 Pfennig, was ist das schon, du warst doch ein Kind.
Ein Kind, sagt er, und blickt zum Fenster hinaus. Jedes Mal, wenn ich hier vorbeifahre, ärgere ich mich, warum habe ich dir nicht öfter ein Eis gekauft, du wolltest so gerne eins, sagt mein Vater. Alles war neu, ich wusste nichts, und dann sagt mein Vater: Aber das soll keine Entschuldigung sein. Wir saßen im Bus, mein Vater und ich, als er mir von seinem Schmerz erzählte, und ich wusste nicht, was ich sagen könnte, ich traute mich nicht, seine Hand zu nehmen.
- Mittlerweile denke ich dabei jedesmal das Wort “Znüni” – Manfred Spitzer hat halt doch recht: Internet zerstört Hirnzellen. [↩]
4 Kommentare zu „Journal Dienstag, 24. April 2018 – Ereignislosigkeit ausgewalzt“
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25. April 2018 um 6:13
Der komplette Cast von “per Anhalter durch die Galaxis” ist sehr großartig! Martin Freeman –> Watson; Zooey Deschanel –> New Girl; Mos Def! Malkovich! Bill Nighy! Hach! An mein Herz ♥ (Und Marvin)
25. April 2018 um 11:42
” ich traute mich nicht, seine Hand zu nehmen.”
Dieser Teil macht mich besonders traurig, weil es die gleiche Sprachlosigkeit generationsübergreifend zeigt.
25. April 2018 um 12:28
Genau dieser Satz treibt mir – unerwartet – auch die Tränen in die Augen. Vielleicht auch, weil ich die Hand meines Vaters ohne weiteres nehmen würde, wenn ich es doch nur könnte.
25. April 2018 um 13:40
York Pijahn schreibt unterhaltsamer!