Journal Ostermontag, 2. April 2018 – Körper schlägt Schnippchen
Dienstag, 3. April 2018 um 5:33“Gnihihihi”, kicherte mein Körper, “du glaubst doch nicht, dass das schon alles war?”
Und so weckten mich in der Nacht auf Montag nach wenigen Stunden Schlaf brutale Kopfschmerzen. Ich verband sie sofort mit meinen infizierten Nebenhöhlen und wunderte mich erst mal nicht, dass die nicht von der Paracetamol-Bombe im Wick-Likör erschlagen waren. Also aufstehen, Kopfwehtablette hinterherwerfen. Erst zurück im Bett wunderte ich mich, erst nach Einsetzen der Übelkeit begriff ich: Migräne. (Es waren zum Essen nur ein Schluck Cava und nur ein halbes Glas Weißwein gewesen, und die lediglich aus Gastfreundschaft – aber die Migräne-Auslöser lassen sich bei mir ohnehin immer weniger an irgendwas festmachen.) Zum Glück steht auf meinem Nachtkästchen immer Triptan als Nasenpray, dann hieß es wimmernd warten – bitte Sterben oder Linderung.
Schon am Sonntag hatte ich die zweite österliche Familieneinladung für Montag abgesagt, ich schlief noch, als Herr Kaltmamsell zu seinen Eltern aufbrach.
Vormittags saß ich dann vor dem Internet und las auf Twitter den Ostersonntag anderer Leute nach. Draußen schien die Sonne, auf dem Balkonsims flötete sanft ein Amslerich nur für mich. Langsam fielen Brocken des Zorns über all die Pläne ab, an deren Umsetzung mich der Infekt hinderte.
Nachmittags hatte ich dann doch Lust auf Duschen und Anziehen, nach einem kleinen Frühstück (Herr Kaltmamsell hatte mir am Sonntag meinen Anteil Osterfrühstück mitgebracht) sogar auf einen Spaziergang. Nach Herrn Kaltmamsells Rückkehr schlenderte ich mit ihm über den Alten Südfriedhof.
München leuchtete, gestern mit tausenden Blausternen.
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Die deutsche Gesundheitsindustrie hat ein weiteres Opfer gefordert: Die erfahrene Notaufnahmeschwester, die immer wieder mit ihrer Energie und Liebe zum Beruf dem allgegenwärtigen Mediziner- und Medizinerinnen-Burnout gegengehalten hatte, gibt auf und orientiert sich beruflich um.
“And now her watch is ended”.
Ich will nicht mehr dabei sein, wenn sieben neue Kollegen auf einen Streich angelernt werden müssen. Ich will nicht mehr die Einzige sein, die alles Gipsen kann und gelernt hat über die Jahre, die Übersicht zu behalten.
Ich will nicht mehr die Mutti für die Ärzte sein.
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Landwirtschaft hat mich von Kindesbeinen an fasziniert (und nicht nur die aus dem Bilderbuch: als Volontärin und Urlaubsredakteurin riss ich immer die Landwirtschaftsspalte der Lokalseiten an mich, mit den Highlights Viehmarkt und EU-Antragsfristen – und ich fragte so lange nach, bis ich beides halbwegs kapierte). Gleichzeitig ist Feminismus seit Kindesbeinen eines meiner Steckenpferde – klar dass mich frauenbewegte Landwirtinnen interessieren:
“Frauen in der Landwirtschaft:
Wir auch”.
Frauen gibt es auf fast jedem Bauernhof. Doch von 276.000 landwirtschaftlichen Betriebsleitern in Deutschland waren 2016 nur neun Prozent weiblich. Die meisten Frauen sind in den Statistiken als “Ehegatte des Betriebsinhabers” verzeichnet. Auch Hanna Mink ist so in der Statistik vermerkt, geleitet wird der Hof von ihrem Mann. Wenn eines Tages die Gleichberechtigung überall erreicht ist, dann wird es vielleicht als letztes auf den Bauernhöfen geschehen sein.
die Kaltmamsell
2 Kommentare zu „Journal Ostermontag, 2. April 2018 – Körper schlägt Schnippchen“
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6. April 2018 um 11:11
Liebe Frau Kaltmamsell, Ihrem Link zu Frauen in der Landwirtschaft bin ich gerne gefolgt, Sie sind ja meine Quelle für Erkenntnisreiches aus dem Internet. Der Zeit-Beitrag hat mich nun allerdings schwer schockiert und es beschäftigt mich seither, wie es zu diesem Kommunikationsdesater kommen konnte.
Die Autorin führt die Frauen vor, als rechtlose Gefangene in einer rückständigen klaustrophobischen Welt, einer Parallelwelt, nahezu ohne Verbindungen zu der so aufgeklärten Welt der Autorin. Der Beitrag spiegelt den Blick der Autorin, die Welt der Bäuerinnen, ihrer Familien und die der bäuerlichen Familienbetriebe bleibt ihr verschlossen.
Ich bin Tochter, Enkelin und Nichte von Bäuerinnen, die einen Hof in ihre Ehen einbrachten, einige meiner Freundinnen sind Bäuerinnen und ich habe beruflich auch mit ‘Landfrauen’ zu tun, wenn es um städtebauliche Planungen in Dörfern geht. Bauernhöfe sind Wirtschaftsbetriebe, die partnerschaftlich geführt werden, zumindest die, ich erlebe. Meine Bauernhof-Kindheit hat mich jedenfalls nicht auf die Geschlechtertrennung und die Herabwürdigung von Frauen im öffentlichen Leben und der sonstigen Arbeitswelt vorbereitet.
Ich erkenne die Talking Points, mit der sich Landfrauen häufig positionieren, in dem Artikel wieder, das frisch zubereitete Essen, das Zusammenleben der Generationen, die Arbeit mit dem Lauf der Zyklen der Natur, die weit gefächerten Bildungsangebote der Landfrauenorganisation, die Anstrengungen zur Diversifizierung und Öffentlichkeitsarbeit, wie die Angebote der Schul- und Erlebnisbauernhöfe.
Es ist erstaunlich, wie die Autorin die Selbstauskünfte der Bäuerinnen framet, als Kampf gegen völlig rückständige Strukturen, ganz im Gegensatz zum Beispiel zu den Müttern, die bei ihren Zusammenkünften noch gebastelt hätten (wirklich nicht). Und den gleichberechtigten Frauen, die Fertigpizzas kaufen dürfen…
Ich bin immer noch ratlos, wie eine solch stereotypiserende, auch stigmatisierende Darstellung geschehen kann, und nicht ihrerseits einen Aufschrei nach sich zieht. Vielleicht kennen nur noch wenige Menschen wirkliche Bäuerinnen? Schade, es gäbe vieles zu entdecken, auch zu lernen…
6. April 2018 um 19:28
Tatsächlich hatte ich die Aussagen als Gegenstück zum Idyll gesehen, Eine Leserin, die BR-Sendungen wie “Landfrauenküche” zeichnen – und deshalb kamen sie mir authentisch vor.