Archiv für Mai 2018

Journal Mittwoch, 16. Mai 2018 – Nasse Abkühlung

Donnerstag, 17. Mai 2018

Eigentlich hatte ich ab sofort zur Schonung der Wanderbeine in die Arbeit radeln wollen. Doch es regnete so ernsthaft, dass ich doch wieder zu Fuß ging, um einen Schirm nutzen zu können.

Heimwärts erwischte ich eine Regenlücke, aber es war ganz schön frisch geworden (Erinnerung an die Polenreise im Mai 2006, in dem ich froh um meinen Janker war und in Krakau einen Schal dazu kaufte).

Die letzten Meter vor der Irlandreise: Daheim die getrocknete Wäsche der letzten Maschine Weiß vor dem Urlaub gebügelt, vor dem Schlafengehen die letzte Maschine Dunkel programmiert, auf dass sie beim Aufstehen am nächsten Morgen durchgelaufen sei.

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Für den Guardian schreibt Stephen Buranyi ausführlich unf tief über natural wine
“Has wine gone bad?”

‘Natural wine’ advocates say everything about the modern industry is ethically, ecologically and aesthetically wrong – and have triggered the biggest split in the wine world for a generation.

Darin auch: Ein Abriss des Weinanbaus seit dem 2. Weltkrieg und die Rolle Frankreichs darin, die Geschichte des ökologischen Weinbaus und die Motivation einer Suche nach natural wine – hochinteressant.

At first glance, the idea that wine should be more natural seems absurd. Wine’s own iconography, right down to the labels, suggests a placid world of rolling green hills, village harvests and vintners shuffling down to the cellar to check in on the mysterious process of fermentation. The grapes arrive in your glass transformed, but relatively unmolested.

Yet, as natural wine advocates point out, the way most wine is produced today looks nothing like this picture-postcard vision. Vineyards are soaked with pesticide and fertiliser to protect the grapes, which are a notoriously fragile crop. In 2000, a French government report noted that vineyards used 3% of all agricultural land, but 20% of the total pesticides. In 2013, a study found traces of pesticides in 90% of wines available at French supermarkets.

(…)

When I spoke to Jay Rayner (no natural wine fan, to put it mildly) he drew a parallel between natural wine and the success of the organic food movement. Despite its enormous visibility, organic food still accounts for only a fraction of the total market, but its rise has provided a contrast and critique of the mainstream food world that could not be ignored. As a result, the mainstream has become a little bit more organic.

via @vinoroma

Journal Dienstag, 15. Mai 2018 – Altes Fahrrad neu

Mittwoch, 16. Mai 2018

Früh und müde aufgewacht, nachdem mich Schmerzen lange nicht hatten einschlafen lassen.

Schöner Fußweg in die Arbeit, jeden Morgen genieße ich den weiten Blick auf der Theresienwiese.

Viel Arbeit in der Arbeit (vorm Fenster am Nachmittag ein Regenschauer), gegen Ende auch ein wenig gehetzt, weil ich mit dem Radlschrauber verabredet war.

Anderer Blick auf die Bavaria.

Mein altes Fahrrad war repariert, doch wieder stapelten sich gestern Abend Kauf- und Reparaturinteressierte in dem kleinen Laden. Wir vereinbarten, meine Kaufberatung zu verschieben: Ich hatte ja eh den Neukauf eher am Ende des Sommers geplant und versicherte, dass ich zu niemand anderem gehen werde.

Zumal Herr Schrauber mein altes Fahrrad wieder superfit gemacht hatte, sogar auf meinen Wunsch nach nicht-quietschenden Bremsblöcken eingegangen war: Ich hatte seit Monaten keine Klingel mehr gebraucht, weil selbst leichtes Bremsen grell gequietscht hatte. (Sollten sie von einer Münchner Radlerin an einer roten Ampel scheinbar aggressiv angequietscht worden sein: Das war ich, und ich hab’s echt nicht so gemeint.) Als er bei der Erstbesichtigung neulich auf die abgefahrenen Bremsklötze hinwies, bat ich um möglichst quietschfreie neue. Gestern betonte er, dass er sich in einer Probefahrt dessen versichert hatte. Außerdem: Lenker ein wenig höher gestellt, Bremsen gerichtet, Gangschaltung angezogen, Felgen enteiert, Reifen knackig – beim Heimradeln wollte mir gar nicht mehr einfallen, wozu ich ein neues Fahrrad brauche. Na ja, bis mein Blick auf den völlig verrosteten Lenker fiel.

Nach Einkäufen im Drogeriemarkt (Reisevorbereitung) ging ich zum Abendessen mit Herrn Kaltmamsell aus: Cocktails (Auroom) und Pizza (Italian Shot).

Der Stephansplatz in wunderschönem Licht.

In der Bar eine neue Methode des Eiertrennens gesehen (der Cocktail links verlangte nach einem Eiweiß): Der Cocktailero schüttelte das Ei kräftig, schlug dann an der Spitze ein Fingerkuppen-großes Loch hinein und goß das Eiweiß aus diesem Loch in den Shaker.

Während wir noch an unserer Pizza kauten, gingen draußen Wolkenbrüche nieder. Wir warteten ein leichtes Abklingen des Regens ab und liefen schnell heim.

Telefonat mit meiner Mutter: Sie wird während unseres Irlandurlaubs wieder Wohnung hüten. (Und sich um die armen Pflanzen zweier Pflanzenignoranten kümmern.)

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So organisierter Protest gegen Rechts macht am meisten Spaß beim Lesen: Als wirkungsvoller Schabernack.
“Mit Bier und Schafkopfkarten gegen die AfD”.

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Auf einem Journalisten-Festival hielt investigative Reporterin Alena Jabarine diesen Kurzvortrag:
“Journalisten, nehmt die Masken ab!”

jede Geschichte hat auch ein Making-Of. Das bleibt allerdings meist im Verborgenen, obwohl es oft mehr aussagt als das, was der Zuschauer am Ende präsentiert bekommt.

(…)

Ich wünsche mir, dass wir viel öfter auch das Making-Of erzählen. Dass wir Journalisten zeigen, wie wir recherchieren, wie wir mit Menschen umgehen, wo wir auch mal in der Zwickmühle stecken zwischen Professionalität und Menschlichkeit.

Ich stimme Jabarine von Herzen zu – glaube auch seit einigen Jahren zu beobachten, dass Berichterstattung die Berichterstattenden mehr thematisiert und bilde mir ein, das habe aus dem Bloggen abgefärbt. Zu Transparenz gehört das “Ich” der Berichterstattenden auch explizit – das ist keineswegs Wichtigtuerei.

Denn als Reporter sind wir niemals unsichtbar. So sehr wir uns zurücknehmen, Distanz halten, wir sind da und werden somit zum Teil der Geschichte. Das sollten wir uns eingestehen. Und damit ganz offen umgehen.

Journal Montag, 14. Mai 2018 – Knatterrock

Dienstag, 15. Mai 2018

Noch hat es nicht ganz abgekühlt: Der Tag war gemischt mit Wolken (kein Regen), aber mild.

Große Freude über meinen neuen Rock: Das Knattergeräusch, das der glänzende Baumwollpopeline beim Gehen macht, weil es doch eigentlich zu einem Trenchcoat gehört und nicht zu einem Märchenrock. Das Gelb, das die ganze Umgebung beleuchtet. Und das ultimative Sieges-Feature: Nahttaschen auf beiden Seiten!

Langer Arbeitstag, ein paar Erledigungen auf dem Heimweg.
Herr Kaltmamsell servierte Hähnchenreste und ein Erbsencurry zum Nachtmahl, Butterscotch Pudding war auch noch da.

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Diese Protokolle zu 70 Jahren Staatsgründung Israels passen sehr gut zur eben nochmaligen Lektüre des großartigen Yiddish Policemen’s Union – es war ohnehin seltsam, das Buch vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Turbulenzen in Israel zu lesen.
“Israel-Protokolle’
Worauf ich stolz bin? Einen Staat zu haben'”.

Journal Sonntag, 13. Mai 2018 – Geruhsamer Sommersonntag

Montag, 14. Mai 2018

Sehr erfrischt zu einem weiteren Sommertag aufgewacht.

Nach Bloggen und Kaffeetrinken machte ich mich fertig für einen Isarlauf. Mein Fahrrad war beim Schrauber, auf dem Rad des Herrn Kaltmamsell fahre ich ausgesprochen ungern (Lenker und Sattel viel zu nah beinander, gefühlt fahre ich mit dem Kopf zwischen den Knien), also leistete ich mir Öffentlichen Transport. Vom Odeonsplatz lief ich über Hofgarten und Englischen Garten zur Isar.

Kurz nach zehn war noch viel Platz.

Auf dem Heimweg stieg ich eine Station früher aus der Tram und holte Semmeln.

Den Nachmittag verbracht ich mit Lesen auf Balkon (Yiddish Policemen’s Union ausgelesen, SZ vom Freitag und Wochenende), einer kurzen Siesta, der Zubereitung des Butterscotch Pudding, den ich seit Monaten als offenen Tab im Browser habe. Beim Pudding würde ich das nächste Mal die abschließende Butter weglassen, denn sie machte die mit Stärke und Ei angedickte Masse wieder flüssig, sie wurde auch im Kühlschrank nicht fest. Geschmack ganz ausgezeichnet.

Am späteren Nachmittag zog es zu, es gab Gewitter mit diesmal etwas ernsthafterem Regen – aber immer noch nicht genug.

Zum Nachmahl servierte Herr Kaltmamsell ein Brathähnchen mit Semmelbröselkruste aus dem Ofen, Beilage gebratener Mangold aus Ernteanteil.

Wochenendabschluss wie immer Aufräumen der Wohnung für den montäglichen Putzmann.

Journal Samstag, 12. Mai 2018 – #12von12 und Frau Emcke irrt

Sonntag, 13. Mai 2018

Ein freier Samstag: Ich kann am Projekt #12von12 teilnehmen.

1 – Nach Bloggen und Morgenkaffee: Ein bisschen Handspülen. Sonniges Wetter, angekündigt waren sommerliche 26 Grad Höchsttemperatur, ich hatte von der Schwimmrunde am Donnerstag keinerlei Muskelkater: Also packte ich nochmal mein Schwimmzeug.

2 – Mein neuer Schwimmbikini (Schwimmtauglichkeit durch guten Sitz und Nackenverschluss gesichert).

3 – Aufbruch zum Schwimmbad.

4 – Über den Alten Südfriedhof.

5 – Gut 3.000 Meter durchs glitzernde Becken – mit Genuss und ohne Beschwerden.

6 – Ein halbes Stündchen Aufwärmen in der Sonne.

7 – Auf dem Heimweg umduftet von Robinien.

8 – Nach Früchstück und Dusche las ich auf dem Balkon weiter in The Yiddish Policemen’s Union.

9 – Mein Bügelplatz.

10 – Unter anderem gebügelt: Der neue Rock, hier ein Detail.

11 – Deutsches Abendbrot wie Freitag, es war noch eine Menge da.

12 – Im Bett – schau an, die Arme haben dann doch einen Tick zu viel Sonne abbekommen (eingecremt waren nur Rücken und Schultern).

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Carolin Emcke schreibt für die Wochenend-SZ:
“Diesel-Skandal
Die Politik hat das Vertrauen der Bürger verspielt”.

Was das Verhalten der Automobilhersteller so fatal macht, ist die sie unterfütternde Gewissheit, damit als Branche durchkommen zu können. Was diesen Skandal zum Skandal macht, ist das Vertrauen, das die Automobilbranche in die Regierung setzen kann, die sie zu nichts drängen, von ihr nichts fordern, sie nicht haftbar machen wird. Was vielfach als Arroganz der Mächtigen gedeutet wurde, war nicht einmal Arroganz, sondern schlicht berechtigtes Vertrauen in eine Regierung, die ihren sakrosankten Status nie gefährden würde.

Zum ersten Mal bin ich überzeugt, dass Carolin Emcke irrt. Nicht etwa in ihrer Beschreibung oben: Auf diese Haltung der Automobilindustrie weise ich schon seit vielen Jahren hin. Doch sie irrt in ihrer Prämisse, dass die deutsche Politik und die deutsche Bevölkerung sich in ihrer Sicht darauf unterscheiden.

Nicht nur die deutsche Politik fühlt sich deckungsgleich mit der Automobilindustrie, sondern die gesamte Bevölkerung. Deshalb ist das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler auch nicht erschüttert. Emcke gehört wie ich zu einer kleinen Minderheit, die die Rolle der Automobilindustrie skeptisch und kritisch sehen. (Tatsächlich schreibt Ehmke auch, bei ihr selbst sei das Vertrauen aufgebracht.) Die große, große Mehrheit steht völlig hinter dem Axiom, dass Autos zum Erstrebenswertesten im Leben gehören, dass ihr Besitz in unserer Gesellschaft ein Symbol des Dazugehörens ist, dass das konkrete Modell mehr über den Besitzer und die Besitzerin aussagt als Elternhaus oder Partnerwahl. Dass nur durch den absoluten Schutz der Automobilindustrie gesellschaftliche Stabilität und Wohlstand in Deutschland möglich sind. Dass deshalb selbstverständlich alle Infrastruktur- und Städteplanung das Autofahren priorisieren muss. Dass das Wohl der Automobilindustrie gleichzeitig das Wohl aller ist.

Belegt wird diese Deckungsgleichheit von Automobilindustrie, Bundesregierung und Bevölkerung meiner Meinung nach unter anderem durch zwei Erscheiungen:
– Automobilhersteller blieben auch nach Veröffentlichung ihrer Vergehen in den Top 10 der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands (Beispielrankings: Focus Award, Trendence, Glasdoor).
– Nicht mal die AfD nutzt das Thema, die sonst nach jedem Strohhalm greift, um das Vertrauen in unseren Staat zu unterminieren – diese Strohhalme notfalls selbst konstruiert.

Journal Freitag, 11. Mai 2018 – St. Brück mit Radlseminar und Deutschem Abendbrot

Samstag, 12. Mai 2018

Ein weiterer Sankt Brück! Es war schlechtes Wetter angesagt, zu meinen Wochenplänen passte ein sportfreier Tag, also hatte ich vor:
– Wäsche waschen
– Brotbacken
– Kleidung zur Reinigung bringen
– Schusterbesuch
– Radlschrauber
– Abendessen einkaufen
– Suche nach roten Sandalen und einer blauen Bikinihose
– Bügeln
– Zeitung und Leserundenbuch lesen.

(Status des gebadeten Telefons: Das Lautsprechersymbol taucht manchmal unwegschaltbar auf dem Bildschirm auf, der Lautsprecherstärke- und -ein-/-ausknopf tut auch sonst von selbst Dinge.)

Nach Bloggen und Morgenkaffee brachte ich mein Fahrrad zum Schrauber in der Hans-Sachs-Straße: Da ich weiterhin mit der Wahl eines neuen Fahrrads überfordert bin (Geld dafür hatte ich bereits vergangenes Jahr zum Geburtstag bekommen), hatte ich beschlossen, das alte nochmal für eine Saison warten und reparieren zu lassen und erst dann ein neues zu kaufen – und zwar möglichst genau das alte, bloß in Neu. Mit weniger Gängen. Und einem ca. 5cm, höheren Lenker.

Genau so sagte ich das meinem langjährigen und geschätzten Radlschrauber. Geschätzt unter anderem, weil er bei unserem ersten Kontakt meinen abfälligen Bemerkungen über mein Klapperrad fast schon verletzt widersprach: Das sei kein schlechtes Radl, a guads Radl sei das. Als mir meine Eltern vor ein paar zu Weihnachten Geld für ein neues Fahrrad schenkten, obwohl ich eigentlich nur ein Nabendynamo haben wollte, hatte ich ihn um Rat gebeten. “San’S denn mit Ihrem Radl z’friedn?” hatte er gefragt. “Eigentlich schon.” “Dann brauchen’S kein neues Radl.” Und so hatte ich mir von ihm lediglich ein neues Vorderrad mit Nabendynamo einbauen lassen.

Doch jetzt kündigte ich wirklich einen Neuradlkauf an. Herr Schrauber nahm mein altes Rad in seine Obhut, und dann fingen sein Kollege und er freundlich und langsam an, mir die Details von möglichen neuen Fahrrädern wie meinem zu erklären. Unter anderem könne er mir einfach eines nach meinen Anforderungen zusammenbauen. Na gut, wenn ich schon mal da war, befasste ich mich halt damit. Unter anderem fuhr ich zwei Modelle Probe, an denen ich sehr gut erklären konnte, warum sie ganz bestimmt nicht die richtigen für mich waren.

Doch zu aller Überraschung drängte sich mittlerweile die Kundschaft für Reparaturen und Neuerwerb in dem winzigen (alteingesessenen und komplett unverhipsterten) Laden. Ich vereinbarte ein Wiederkommen an einem Feierabend nächster Woche (ich hatte eigentlich eh nur kurzes Abgeben meines alten Fahrrads eingeplant): Dann werde ich so viele Rahmen-Modelle wie möglich probefahren, bis ich mein ideales gefunden habe; Details wie Lenker, Gangschaltung, Sattel, Reifenbreite, Ständer, Schutzbleche bestimme ich danach.

Ich weiß: So zahle ich sicher nicht den niedrigstmöglichen Preis für mein neues Fahrrad. Aber ich zahle gerne für die Unterstützung eines Ladens, der mir schon aus mancher Patsche geholfen hat und um den ich mich bei der steigenden Anzahl von schicken und trendy “Bike-Manufakturen” im Glockenbachviertel ein bisschen sorge. (Gegenfinanzierung durch Autolosigkeit.)

Auf dem Heimweg ließ ich Schuhe zum vorsorglichen Besohlen bei der Schusterin (die Sohle der teuren Zeha-Schuhe ist anscheinend nicht zum Gehen gemacht und war an der Spitze schon nach wenigen Einsätzen weggeschubbert) und machte eine erste Runde Lebensmitteleinkäufe beim Basitsch. Das Wetter war strahlend sonnig mit wenigen Wolken geworden.

In dieses Frühsommergrün möchte ich geradezu reinbeißen. Auf der Tonspur Mauersegler.

Zu Hause machte ich Kartoffelbrot. Zwischen den Arbeitsschritten gab es zum Frühstück einen Laugenzopf und Bananenjoghurt, dazu eine große Tasse Darjeeling, Internetlesen.

Das Brot gelang sehr gut (Anschnitt natürlich erst abends nach dem Abkühlen).

In der Wohnung war mir mit nackten Füßen sehr kalt geworden, ich machte mich auf eine weitere Einkaufsrunde und ging zum Aufwärmen immer in der Sonne – funktionierte sehr gut. Die Einkaufsstraßen waren sehr voll, ich ließ mich langsam an Schuhgeschäftschaufenster und in Kleidungskaufhäuser treiben. Nein, auch dieses Jahr hat man keine roten Sandalen. In zwei Billigkleidungshäusern suchte ich nach einer blauen Bikinihose, da ich die zu meinem bisherigen Schwimmbikini verschlampt habe. Auch hier kein Glück, dafür sprang mich in einem davon ein sensationeller gelber Rock mit Kellerfalten1 an. Ich wusste ohne Anprobieren, dass er mir passen würde, Made in Turkey kann ich vertreten, für 40 Euro nahm ich ihn mit.

Als Nachtmahl war zum frischen Brot traditionelles deutsches Abendbrot geplant, Wurst und Käse dafür besorgte ich im Kaufhof. Auf dem Heimweg Stopps im Drogeriemarkt und am Erdbeerstandl.

Zu Hause las ich auf dem Balkon im Leserundenbuch: The Yiddish Policemen’s Union von Michael Chabon habe ich zwar schon vor Jahren gelesen, lese es für die Besprechung nächste Woche aber gerne wieder – es ist so dicht erfunden und geschrieben, dass Vieles für mich nochmal neu war. Bügeln verschob ich aufs Wochenende.

Als Herr Kaltmamsell von Arbeit und Musizieren mit Freunden heimkam, richtete ich Abendbrot an.

Ich hatte versucht zu rekonstruieren, was auf dem Abendbrottisch meiner Kindheit so angeboten wurde, getauscht mit und ergänzt um aktuelle Vorlieben:
– Ahle Blutwurst
– Ahle Leberwurst
– Fränkischer Roter Pressack
– Zwiebelmettwurst
– Pastrami
– Ochsenzunge
– Fleischsalat
– Camembert
– Romadour
– Tomaten
– Essiggurken
– Meerettich
– Butter
– Frischkäse
– Brot
Weggelassen hatte ich Kräuterfrischkäse, der bei uns in Form von einzeln eingepackten Portionen auftauchte und etwas besonders Feines und Teures war. Es fehlen für meine Erinnerung gekochte Eier und Radieserln, Senf hatte ich vergessen. Das Getränk, Aperol Spritz, ist natürlich ganz falsch, aber auf Bier hatte ich überhaupt keine Lust. Falsch sind auch Teller (richtig: Brotzeitbrettl) und Besteck (richtig: Brotzeitmesser). Ich fürchte, ich kann deutsches Abendbrot gar nicht richtig – wenn jetzt bloß nicht meine Einbürgerung von 1979 auf dem Spiel steht!

  1. Was man halt als Tochter einer früheren Hobbyschneiderin so mitbekommt. []

Journal Donnerstag, 10. Mai 2018 – Anschwimmen an Christi Himmelfahrt

Freitag, 11. Mai 2018

Gemischte Wolken am Himmel als Start in vier freie Tage, dennoch hielt sich meine Lust auf Schwimmen – das Schyrenbad hat ja warme Drinnenduschen. Auf dem Weg dorthin tat das langärmlige T-Shirt gut, doch dann wurde es doch wieder strahlend sonnig. Ich hatte mir von Herrn Kaltmamsell den Rücken gut sonnencremen lassen und zog über dem glitzernden Metallboden des Beckens meine Bahnen (dieses Jahr sind die Schwimmbahnen auf der Isarseite abgeteilt). Es lief super, ich legte gleich noch ein paar Zusatzbahnen auf meine 3.000 Meter. Tiefe Dankbarkeit, dass mein Körper (guter Körper! auch bei kneifenden Rockbünden!) mir dieses Vergnügen ermöglicht.

Auf den Wegen zum und vom Schwimmbad: Mauerseglerschrillen am Himmel, Drosselschnarren in den Isarauen.

Mittagessen hatte diesmal Herr Kaltmamsell rausgesucht, und ich bereitete es zu (sonst ist es ja umgekehrt). Vor der Schwimmrunde hatte ich die Reine gefüllt, beim Verlassen des Schwimmbads rief ich daheim an und bat um Einschieben in den heißen Backofen. Bei meiner Heimkehr musste ich nur noch mit Fontina überbacken.

Nigel Slater’s carrot and potato bake with Fontina: Karotten und Kartoffeln aus Ernteanteil waren noch da (ich nahm knapp die doppelte Portion des Rezepts), Fontina hatte Herr Kaltmamsell am Mittwoch besorgt, Petersilie und Selleriesalz ließ ich mangels Vorhandensein weg. Schmeckte ausgezeichnet, habe ich mir gleich mal als Beilage auch für Gäste notiert.

Nachmittags holten wir zu zweit unseren Kartoffelkombinat-Ernteanteil ab: Wegen der Feiertags-Umständlichkeiten war er an einen weiter entfernten Verteilerpunkt geliefert worden, und so lernte ich eine weitere ganz entzückende Wohngegend Münchens kennen.

Abends gab es aus der Kiste den Salatkopf.
Der Himmel verdunkelte sich mit Regenversprechen, doch auch diesmal waren es nur ein paar harmlose Duscher.

§

Kluge Gedanken über die Zukunft der Arbeit, von Sascha Lobo für Spiegel online. Er beobachtet wie auch ich in den vergangenen vielen Jahren, das nicht technischer Wandel der stärkste Einfluss ist, sondern gesellschaftlich-politischer Wandel:
“Arbeit und Digitalisierung
Das Verschwinden der Mittelklasse”.

Unter anderem deswegen greift der Lösungsvorschlag “bessere Qualifikation von allen” nicht.

Der Arbeitsmarkt funktioniert einfach anders. Er zwingt viele Menschen in Jobs, bei denen nicht die Qualifikation das ausschlaggebende Kriterium ist, sondern das Akzeptieren schlechter Bezahlung.

(…)

Die Frage der Politik zu Arbeit und Digitalisierung darf nicht heißen: Was machen wir mit denen, die durch Digitalisierung keine Arbeit mehr finden? Sondern: Wie gehen wir mit Geringverdienern um? Denn deren Zahl wird zunehmen, quer durch alle Berufe, aber besonders bei den geringer Qualifizierten.

Zum einen lassen sich halt nicht alle Menschen beliebig qualifizieren, zum anderen – und das ist jetzt tatsächlich eine Folge technischen Fortschritts (Sie kennen meine Allergie gegen die Verwendung von “Digitalisierung”?):

In der Fläche schwindet nicht die Arbeit, sondern die gut bezahlte Arbeit.