Am Vorabend spät im Bett gewesen (nachts einmal von brutalen Hüftschmerzen aufgewacht und die – erst dritte – Ibu des Urlaubs genommen), lange geschlafen.
Morgens für den Rückflug eingecheckt, von Null weg gebloggt (sonst schreibe ich fast immer bereits am Vorabend und baue morgens nur noch Fotos ein oder lese nochmal drüber), Tee getrunken, die Verabredung zum Mittagessen konkretisiert.
Die Verabredung zeigt uns ein wunderschönes neues Institut am College und führte uns dann zum Mittagessen in einen kleinen Chinesen auf der anderen Seite des Flusses. Wir teilten ausgezeichnete gebratene Bohnen, einen köstlich saftigen ganzen gebratenen Wolfsbarsch und in Ei frittierten Mais (sah aus wie Stückchen Käse-Erdnussflips, schmeckte erstaunlich gut). Und sprachen und sprachen, vor allem über Irland damals und heute. Dann führte uns die Verabredung in einen vorher mehrmals empfohlenen unabhängigen und auf irische Verlage spezialisierten Buchladen: Books upstairs. Hier kamen wir lange nicht heraus, Herr Kaltmamsell besitzt jetzt ein Buch über irische Geschichte 1913-1923 und zwei Anthologien mit irischen Gedichten, ich nahm die aktuelle Ausgabe des irischen Literaturmagazins The Stinging Fly mit.
Dann verhalf uns die Verabredung zu einem weiteren Geheimtipp: Zu diesem unabhängigen und gar nicht so kleinen Buchladen gehört ein Café im 1. Stock, in dem man keine Romanhandlung spielen lassen dürfte, weil jeder vor Klischeeüberdruss das Lesen einstellen würde. Wir tranken Tee, aßen Süßes und sprachen noch mehr über Irland, aber auch über Indien.
Nach vier Stunden hatte auch diese Mittagspause ein Ende (hey, in Spanien ist die mit Siesta und so immer so lange!).
Außerdem: Na gut, das waren gestern ein paar Regentropfen, gegen die allerdings nur die verweichlichtesten Touristen einen Schirm brauchten.
In der Ferienwohnung lasen und packten wir, bevor wir noch auf ein letztes Pint und einen Happen in ein Pub ums Eck gingen. (Und auch bei dieser Gelegenheit habe ich nicht herausgefunden, warum hier in allen Pubs, allen Läden, auf jeder beschallten Fläche 1980er-Pop dudelt!)
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Derzeit befasse ich mich ziemlich mit Irland, Reisen macht halt dann doch was mit einer. Zum Beispiel ging und geht mich das Referendum um den Abtreibungsparagrafen ganz anders an, weil ich im Land bin. Und führt zu Nachdenken über Voraussetzungen für eine wirklich brauchbare Abstimmung. Dazu schreibt Fintan O’Toole im Guardian:
“If only Brexit had been run like Ireland’s referendum”.
A brave experiment in trusting the people helped defeat tribalism and fake ‘facts’
(…)
Political circumstances are never quite the same twice, but some of what happened and did not happen in Ireland surely contains more general lessons.
(…)
Irish voters were subjected to the same polarising tactics that have worked so well elsewhere: shamelessly fake “facts” (the claim, for example, that abortion was to be legalised up to six months into pregnancy); the contemptuous dismissal of expertise (the leading obstetrician Peter Boylan was told in a TV debate to “go back to school”); deliberately shocking visual imagery (posters of aborted foetuses outside maternity hospitals); and a discourse of liberal elites versus the real people. But Irish democracy had an immune system that proved highly effective in resisting this virus. Its success suggests a democratic playbook with at least four good rules.
Was also war es, was allein schon mal eine Referendumsformulierung hervorbrachte, die bei einer Abstimmung tatsächlich Volkes Wille zeigen konnte?
1. Vertraue dem Volk. “Es wurde ein Bürgergremium zusammengestellt, das aus 99 zufällig ausgewählten (aber demografisch repräsentativen) Wählerinnen und Wählern bestand. Seine Aufgabe: Sich damit auseinanderzusetzen, wie man mit dem Abtreibungsverbot in der Verfassung umgehen solle; eine Aufgabe, an der Politik und Justiz 35 Jahre lang gescheitert waren. Diese sogenannten normalen Menschen – Lastwagenfahrer, Hausfrauen, Studenten und Studentinnen, Landwirte – opferten ihre Wochenenden, um 40 Expertinnen und Experten in Medizin, Recht und Ethik zuzuhören, außerdem Frauen, die von Irlands extrem restriktiver Rechtssituation betroffen waren und zudem 17 verschiedenen Lobbygruppen. Sie erarbeiteten Empfehlungen, die in Politik und Medien große Überraschung hervorriefen, weil sie viel weiter gingen als erwartet – und viel weiter, als das politische System ohne dieses Gremium gegangen wäre.
(…)
Es stellte sich heraus: Diese Stichprobe ‘des Volks’ wusste ziemlich gut, was ‘das Volk’ dachte.”
2. Sei ehrlich. Die Abschaffungsseite legte alle Karten auf den Tisch und veröffentlichte auch das geplante neue Gesetz – selbst auf die Gefahr hin, dass die Gegenseite es verzerren und zerlegen würde.
3. Rede mit jedem und jeder, vorurteilsfrei. Auch mit der betagten Kirchgängerin, die sich als eben doch kein hoffnungsloser Fall herausstellte. Es zeigte sich, dass viele konservativ denkende Menschen es satt hatte, als Zerrbilder angesehen zu werden und es honorierten, als komplexe, intelligente und mitfühlende Individuen anerkannt zu werden.
4. Nicht nur ist das Private politisch: Mach das Politische privat. Irische Frauen machten ihre eigenen Geschichten öffentlich.
via Read on my dear
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Apropos Rückflug:
“Eine Flugreise ist das größte ökologische Verbrechen”.
Die Atmosphäre gehört allen Erdenbürgern zu gleichen Teilen. Ein großer Teil der Menschheit ist noch nie geflogen. Aber die kleine Minderheit, die regelmäßig fliegt, schadet der Umwelt extrem.
(…)
Das gilt auch für all die weltläufigen Ökos, die zwar auf Plastiktüten verzichten und Biogemüse kaufen, zum Wandern aber nach Chile fliegen.
Das ist mir in den vergangenen Jahren immer bewusster geworden, und mittlweile zucke ich, wenn eine Freundin strahlend erzählt, dass sie für eine Party mal kurz für zwei Tage von München nach Barcelona fliegt. Im Moment versuche ich auf eine private Flugreise pro Jahr runterzukommen, beruflich kann ich Fliegen inzwischen komplett vermeiden, weil nicht mehr international tätig.
Doch wenn ich wie gewünscht dieses Jahr im Herbst nach Brighton möchte und nicht fliegen, muss ich wirklich umdenken, nämlich die Anreise als Teil des Urlaubs sehen und auf zwei Tage mit Zwischenstopp ausweiten (die Alternative Reisebus ist mir mit über 24 Stunden Fahrtzeit zu unbequem).