Archiv für Juni 2018

Journal Mittwoch, 6. Juni 2018 – Regenintermezzo

Donnerstag, 7. Juni 2018

Heute nur Telegrammstil, Arbeit braucht alle meine Kraft auf (viel, durcheinander und gleichzeitig).

Nach guter Nacht früh aufgewacht.
Lust auf eine Runde Kraftttraining gehabt.
Nach Kaffee und Bloggen 30 Minuten Bauch- und Rückentraining.
ArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeit
Käsesemmel und Apfel zum Mittagessen
ArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeitArbeit
Dunkle Wolken zogen auf, die Regen brachten.

Obsteinkauf auf dem Heimweg.
Herr Kaltmamsell hing genauso in den Seilen wie ich, zum Nachtmahl gingen wir ums Eck auf Burger und Süßkartoffelfritten.

Journal Dienstag, 5. Juni 2018 – Erschlagener Sommertag

Mittwoch, 6. Juni 2018

Hello old fiend – nachts meldete sich Tante Migräne zurück. Zum Glück so früh, dass ich Zeit für Triptan und nach dem langsamen Verschwinden des Hackebeils durchs rechte Auge für ein paar Stunden Schlaf hatte; diese Woche wäre ein Krankheitstag durch und durch saublöd.

Also in die Arbeit geschleppt; die Fähigkeit, fokussiert geradeaus zu schauen, würde schon nicht gebraucht werden. Am Himmel wieder strahlende und wolkenlose Sonne.

Wie gewohnt wurde das Elend im Lauf des Tages besser. Allerdings elendig langsam, und das bei einem Arbeitstag, der sich nochmal gewaschen hatte.

Ich hatte das Fahrrad genommen, weil ich nach Feierabend noch für eine Besorgung zum Baumarkt in der Landsberger Straße wollte. Es war echte Sommerhitze, durch die ich glitt, in dichtem und damit gefährlichem Fahrradverkehr. Ich sehe keine Ansätze, dass sich die Verkehrsplanung ernsthaft auf die Verschiebung des Stadtverkehrs Richtung Fahrrad einstellt. Oder auf die zunehmende Zahl von Lasten- und Transportfahrrädern: Es gibt jetzt nicht nur SUV-Autos, die ganze Straßen einnehmen und über die man als Fußgängerin oder Radlerin genauso wenig drübersieht wie über Lkw, nicht nur SUV-Kinderwagen, die auch bequem breite Gehwege ganz einnehmen – es gibt jetzt auch SUV-Fahrräder, die mit zwei Außenrädern vorne und einer Transportkiste dazwischen selbst bequem breite Fahrradwege ganz belegen (wie vorher schon einige Typen Fahrradanhänger mit Außenrädern).

Herr Kaltmamsell hatte Zucchinisalat mit Cashew und Parmesan zum Abendbrot vorbereitet, außerdem Eiscreme zum Nachtisch besorgt; beides tat gut.

Nach der Migränenacht war ich immer noch erschlagen, ich ging noch bei Tageslicht ins Bett.

§

Apropos gar nichts: Hier ein Kosmetiktipp, den ich selbst gerne schon früher gehabt hätte. Weil meine Beine in der Sonne schon seit vielen Jahren so gut wie gar nicht bräunen, helfe ich mit Selbstbräunungscreme nach, damit der Unterschied zu Gesicht und Armen nicht zu groß wird. Und dafür ist Selbstbräunungscreme vom dm wirklich super: Sie zieht gut ein, wird auch bei sofortigem Sandalentragen nicht streifig, färbt erst am Folgetag leicht und gleichmäßig in absolut natürlichem Hautton.
Sie ist besser als alles, was ich in den Jahren davor in unterschiedlichsten Preisklassen verwendet habe. Plus: Die Tube ist zwei Jahre lang haltbar und kostet ganz wenig.

Journal Montag, 4. Juni 2018 – Zurück an die Werkbank

Dienstag, 5. Juni 2018

Und so kam der Tag, der mir immer schon den Urlaubsanfang vergällt, weil ich weiß, dass er kommen wird: Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub. Es hört halt nicht auf.
Programmgemäß deutlich vor Weckzeit erwacht, unruhig und schattig.

Dann ging ich halt früher als sonst durch den Sommermorgen in die Arbeit. Dort den ersten Dreivierteltag in Panikmodus und ohne Mittagspause durchgeackert, den Rest des Arbeitstags von Menstruationsbeschwerden gebeutelt in den Seilen gehangen.

Als ich nach eher späterem Feierabend das Gebäude verließ, war draußen Hochsommer – aber mit Wind und wundervollen Blütendüften.

So intensiv habe ich auf der Theresienwiese noch nie die Kamille gerochen – deren Duft sich mit dem der Linden vermischte.

Auf dem Heimweg holte ich die diesjährigen Rosentagsrosen nach – den Rosentag selbst hatten wir auf dem Wicklow Way verbracht. Der Blumenhändler sah wieder besser aus – er war vergangenes Jahr wohl einfach krank.

Es gab Wurstsalat und Eiscreme zum Abendessen.

Am Sonntag hatte ich mich akkreditiert fürs Bachmannpreislesen Anfang Juli, Unterkunft und Fahrt sind schon länger gebucht. Den vertrauten Fahrradverleih gibt’s wohl nicht mehr, statt dessen dieses zentrale nextbike.at – weiß jemand, ob ich mich auf Verfügbarkeit eines Fahrrads bei Ankunft verlassen kann?

Den Klagenfurt-Knaller las ich allerdings erst abends: Unter den auftretenden Autorinnen und Autoren ist auch der großartige und mir in Echt bekannte Bov Bjerg! Ich habe fest vor, auch dieses Jahr die Show im ORF-Studio zu verfolgen – ob ich genug Leute für La Ola im Zuschauerraum finde?

Journal Sonntag, 3. Juni 2018 – Zurück im Münchensommer

Montag, 4. Juni 2018

Wecker auf sieben, um mich schrittweise auf den am Montag um sechs vorzubereiten. Draußen schien die Sonne für einen Sommertag, aber es war deutlich zu frisch für Morgenkaffee auf dem Balkon.

Also drinnen gebloggt, Wäsche gewaschen und aufgehängt. Es fühlte sich an, als sei ich deutlich länger als zwei Wochen weg gewesen, so sehr fremdelte ich mit dem Zuhause.

Als ich Richtung Schyrenbad aus dem Haus ging, war es schon recht warm. Ich freute mich über das Wiedersehen mit Altem Südfriedhof und Isar.

Morgens (?) um halb elf war es noch ziemlich leer, auch im Schyrenbad. Ich schwamm lange und kräftig (fast 3.500 Meter), es machte Spaß. Immer wieder zogen Wolken vor die Sonne, umso besser ließ es sich anschließend auf der Liegewiese aushalten: Sonne und Wärme tanken mit Musik auf den Ohren (Soundtrack zu Funny Bones, den muss ich dringend mal wieder sehen) / im Wolkenschatten lesen im Wechsel.

Um zwei war es dann doch ziemlich voll geworden, außerdem hatte ich Hunger.

Herr Kaltmamsell empfing mich mit Spätzle mit Soß aus Tiefkühl-Zutaten (alle selbst gemacht), köstlich.

Dann investierte ich Zeit in Körperzivilisierung: Haare aller Art, Nägel aller Art, Hautumsorgung nach viel Sonne in den vergangenen beiden Wochen, abschließend Zehennägel lackiert.

Nachtmahl wurde Käse aus Dublin, danach gab’s Erdbeeren mit Sahne.
Vorbereitung des ersten Arbeitstags nach Urlaub.

Journal Samstag, 2. Juni 2018 – Dublin-München / Was gutes Essen mit Gesellschaftsschicht zu tun hat

Sonntag, 3. Juni 2018

Die Rückreise von Dublin nach München verlief problemlos: Um 6 Uhr Aufstehen zu einem sommerlichen Tag, Rollkoffern zur Flughafenbus-Haltestelle, Kofferabgabe am Flughafen (wo ich lediglich kurz stutzte, weil die Angestellte behauptete, ich dürfe meinen Laptop nicht im Koffer aufgeben – Rückfrage bei ihrem Kollegen korrigierte das), Besichtigung des gastronomischen Angebots im Flughafen, Abflug mit unwesentlicher Verspätung.

Am Münchner Flughafen verlor ich im Terminal 2 völlig die Orientierung, als wir in einer internen Bahn zur Kofferausgabe gefahren wurden – irgendeine große Erweiterung war bislang an mir vorbei gegangen. Auch in München sonniges Wetter, zum Glück aber keine Hitze.

Daheim Telefonat mit meiner Mutter, die während unserer Abwesenheit Wohnung gehütet und die Balkonvögel versorgt hatte: Sie berichtete begeistert von Besuchen im Bayerischen Nationalmuseum, in der Faust-Ausstellung der Hypo-Kunsthalle und der Sonderausstellung im Stadtmuseum “‘Ehem. jüdischer Besitz’ – Erwerbungen des Münchner Stadtmuseums im Nationalsozialismus”.

Herr Kaltmamsell zog los, um das Nötigste für den Abend einzukaufen, während ich Koffer auspackte. Abends servierte er Pink Gin&Tonic mit Erdbeeren sowie Spaghetti aglio e olio mit Salat.

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Warum die Diskussion um gutes Essen so belastet sein kann: Weil sie mit Klassensystem zu tun hat. Hier die Perspektive einer britischen Restaurantkritikerin:
“Grace Dent: ‘The processed food debate is delicious, MSG-sprinkled class war'”.

(Leider rutscht Grace Dent in den letzten Absätzen auf die modische und essgestörte Schiene “clean eating” / alles ausrichten auf den Erhalt eines dünnen Körpers.)

Bei uns in Deutschland halte ich die Situation für komplexer. Ja, tendenziell sind es Familien mit geringem Einkommen und niedrigem Bildungsstand, in denen weniger selbst gekocht wird – unter anderem weil die Eltern oder die alleinerziehenden Mütter zu viel Zeit in Geldverdienen und Familienmanagament investieren müssen, um Energie für Selbstkochen zu haben.

Dann aber denke ich an die Einwandererfamilien erster Generation, in denen Essenszubereitung eine große Rolle spielt und die auch aus vernünftigen Geldgründen auf Fertigmahlzeiten verzichten. Und in Flüchlingsunterkünften ist gerade der Mangel an frischen Zutaten zum Kochen eine Quelle des Unmuts.

Selbst erinnere ich mich nur zu gut an die Sensation der Eröffnung eines McDonald’s in meiner Geburtsstadt Ingolstadt im Jahr 1978, ich war fast 11: Wohnblock-Nachbarskind Iris und ich fieberten darauf hin, sparten unser Taschengeld zusammen (denn unser beider Mütter waren wütend und energisch gegen diese Neuheit eingestellt, meine Mutter konnte ausführliche Tiraden über den Untergang der Zivilisation durch diese Amerikanisierung halten – sie weigerten sich natürlich, uns dafür Geld zu geben). Ich bin ziemlich sicher, dass ich den Hamburger gleich übersprungen habe und bei diesem ersten Besuch den viel sensationelleren Bic Mac wählte – für Pommes frites reichte das Geld dann nicht mehr. Aber diese Lukullität mit zwei (!) Belegschichten war danach noch Jahre ein seltenes Fest für mich. Schon mit 20 und damit bald nach dem Auszug von daheim (nach dem ich erst mal alle Fertigpuddings und sonstige Becherware aus dem Kühlregal nachgeholt hatte) begleitete ich meinen damaligen Freund zwar zu seinen Mahlzeiten bei MacDonalds, doch das einzige, was mir dort noch Freude bereitete, waren die Milchshakes (seltener die Apfeltasche). Alles andere schmeckte doch nach nichts!

Zudem: Zwar hatte auch ich das von Grace Dent belächelte Erlebnis auf dem (schraddligen, vermüllten und dezidiert unmalerischen) italienischen Bauernhof mit der besten Pizza meines Lebens. Doch der größte Genuss für die Gymnasiastin Kaltmamsell war die mittägliche Schokokuss-Semmel vom Bäcker Sengl in der Harderstraße.

Journal Freitag, 1. Juni 2018 – Vier Stunden Lunch Date in Dublin und eine kleine Lektion in Demokratie

Samstag, 2. Juni 2018

Am Vorabend spät im Bett gewesen (nachts einmal von brutalen Hüftschmerzen aufgewacht und die – erst dritte – Ibu des Urlaubs genommen), lange geschlafen.

Morgens für den Rückflug eingecheckt, von Null weg gebloggt (sonst schreibe ich fast immer bereits am Vorabend und baue morgens nur noch Fotos ein oder lese nochmal drüber), Tee getrunken, die Verabredung zum Mittagessen konkretisiert.

Die Verabredung zeigt uns ein wunderschönes neues Institut am College und führte uns dann zum Mittagessen in einen kleinen Chinesen auf der anderen Seite des Flusses. Wir teilten ausgezeichnete gebratene Bohnen, einen köstlich saftigen ganzen gebratenen Wolfsbarsch und in Ei frittierten Mais (sah aus wie Stückchen Käse-Erdnussflips, schmeckte erstaunlich gut). Und sprachen und sprachen, vor allem über Irland damals und heute. Dann führte uns die Verabredung in einen vorher mehrmals empfohlenen unabhängigen und auf irische Verlage spezialisierten Buchladen: Books upstairs. Hier kamen wir lange nicht heraus, Herr Kaltmamsell besitzt jetzt ein Buch über irische Geschichte 1913-1923 und zwei Anthologien mit irischen Gedichten, ich nahm die aktuelle Ausgabe des irischen Literaturmagazins The Stinging Fly mit.

Dann verhalf uns die Verabredung zu einem weiteren Geheimtipp: Zu diesem unabhängigen und gar nicht so kleinen Buchladen gehört ein Café im 1. Stock, in dem man keine Romanhandlung spielen lassen dürfte, weil jeder vor Klischeeüberdruss das Lesen einstellen würde. Wir tranken Tee, aßen Süßes und sprachen noch mehr über Irland, aber auch über Indien.

Nach vier Stunden hatte auch diese Mittagspause ein Ende (hey, in Spanien ist die mit Siesta und so immer so lange!).

Außerdem: Na gut, das waren gestern ein paar Regentropfen, gegen die allerdings nur die verweichlichtesten Touristen einen Schirm brauchten.

In der Ferienwohnung lasen und packten wir, bevor wir noch auf ein letztes Pint und einen Happen in ein Pub ums Eck gingen. (Und auch bei dieser Gelegenheit habe ich nicht herausgefunden, warum hier in allen Pubs, allen Läden, auf jeder beschallten Fläche 1980er-Pop dudelt!)

§

Derzeit befasse ich mich ziemlich mit Irland, Reisen macht halt dann doch was mit einer. Zum Beispiel ging und geht mich das Referendum um den Abtreibungsparagrafen ganz anders an, weil ich im Land bin. Und führt zu Nachdenken über Voraussetzungen für eine wirklich brauchbare Abstimmung. Dazu schreibt Fintan O’Toole im Guardian:
“If only Brexit had been run like Ireland’s referendum”.

A brave experiment in trusting the people helped defeat tribalism and fake ‘facts’

(…)

Political circumstances are never quite the same twice, but some of what happened and did not happen in Ireland surely contains more general lessons.

(…)

Irish voters were subjected to the same polarising tactics that have worked so well elsewhere: shamelessly fake “facts” (the claim, for example, that abortion was to be legalised up to six months into pregnancy); the contemptuous dismissal of expertise (the leading obstetrician Peter Boylan was told in a TV debate to “go back to school”); deliberately shocking visual imagery (posters of aborted foetuses outside maternity hospitals); and a discourse of liberal elites versus the real people. But Irish democracy had an immune system that proved highly effective in resisting this virus. Its success suggests a democratic playbook with at least four good rules.

Was also war es, was allein schon mal eine Referendumsformulierung hervorbrachte, die bei einer Abstimmung tatsächlich Volkes Wille zeigen konnte?

1. Vertraue dem Volk. “Es wurde ein Bürgergremium zusammengestellt, das aus 99 zufällig ausgewählten (aber demografisch repräsentativen) Wählerinnen und Wählern bestand. Seine Aufgabe: Sich damit auseinanderzusetzen, wie man mit dem Abtreibungsverbot in der Verfassung umgehen solle; eine Aufgabe, an der Politik und Justiz 35 Jahre lang gescheitert waren. Diese sogenannten normalen Menschen – Lastwagenfahrer, Hausfrauen, Studenten und Studentinnen, Landwirte – opferten ihre Wochenenden, um 40 Expertinnen und Experten in Medizin, Recht und Ethik zuzuhören, außerdem Frauen, die von Irlands extrem restriktiver Rechtssituation betroffen waren und zudem 17 verschiedenen Lobbygruppen. Sie erarbeiteten Empfehlungen, die in Politik und Medien große Überraschung hervorriefen, weil sie viel weiter gingen als erwartet – und viel weiter, als das politische System ohne dieses Gremium gegangen wäre.
(…)
Es stellte sich heraus: Diese Stichprobe ‘des Volks’ wusste ziemlich gut, was ‘das Volk’ dachte.”1

2. Sei ehrlich. Die Abschaffungsseite legte alle Karten auf den Tisch und veröffentlichte auch das geplante neue Gesetz – selbst auf die Gefahr hin, dass die Gegenseite es verzerren und zerlegen würde.

3. Rede mit jedem und jeder, vorurteilsfrei. Auch mit der betagten Kirchgängerin, die sich als eben doch kein hoffnungsloser Fall herausstellte. Es zeigte sich, dass viele konservativ denkende Menschen es satt hatte, als Zerrbilder angesehen zu werden und es honorierten, als komplexe, intelligente und mitfühlende Individuen anerkannt zu werden.

4. Nicht nur ist das Private politisch: Mach das Politische privat. Irische Frauen machten ihre eigenen Geschichten öffentlich.

via Read on my dear

§

Apropos Rückflug:

“Eine Flugreise ist das größte ökologische Verbrechen”.

Die Atmosphäre gehört allen Erdenbürgern zu gleichen Teilen. Ein großer Teil der Menschheit ist noch nie geflogen. Aber die kleine Minderheit, die regelmäßig fliegt, schadet der Umwelt extrem.

(…)

Das gilt auch für all die weltläufigen Ökos, die zwar auf Plastiktüten verzichten und Biogemüse kaufen, zum Wandern aber nach Chile fliegen.

Das ist mir in den vergangenen Jahren immer bewusster geworden, und mittlweile zucke ich, wenn eine Freundin strahlend erzählt, dass sie für eine Party mal kurz für zwei Tage von München nach Barcelona fliegt. Im Moment versuche ich auf eine private Flugreise pro Jahr runterzukommen, beruflich kann ich Fliegen inzwischen komplett vermeiden, weil nicht mehr international tätig.

Doch wenn ich wie gewünscht dieses Jahr im Herbst nach Brighton möchte und nicht fliegen, muss ich wirklich umdenken, nämlich die Anreise als Teil des Urlaubs sehen und auf zwei Tage mit Zwischenstopp ausweiten (die Alternative Reisebus ist mir mit über 24 Stunden Fahrtzeit zu unbequem).

  1. Meine Übersetzung; im Original: “The question of how to deal with the constitutional prohibition on abortion – a question that has bedevilled the political and judicial systems for 35 years – was put to a Citizens’ Assembly, made up of 99 randomly chosen (but demographically representative) voters. These so-called ordinary people – truck drivers, homemakers, students, farmers – gave up their weekends to listen to 40 experts in medicine, law and ethics, to women affected by Ireland’s extremely restrictive laws and to 17 different lobby groups. They came up with recommendations that confounded most political and media insiders, by being much more open than expected – and much more open than the political system would have produced on its own.
    (…)
    And it turned out that a sample of ‘the people’ actually knew pretty well what ‘the people’ were thinking.” []

Journal Donnerstag, 31. Mai 2018 – Dublin 1916 und ein Exkurs über die Dubliner/Iren

Freitag, 1. Juni 2018

Auf Empfehlung einer promovierten Spezialistin für Kolonialgeschichte in Irland hatte wir uns zur Stadtführung “1916 Rebellion” angemeldet. (Und uns dafür wieder mit Sonnencreme vorbereitet – die Einheimischen betonen, dass es seit Jahren nicht mehr so lange am Stück schönes Wetter gehabt habe.)

Die Tour startete erst am späten Vormittag im Keller der International Bar, also frühstückten wir vorher und zwar im Oriental Café, Bewley’s, das uns beim Vorbeispazieren aufgefallen war: Ein richtiges Kaffeehaus, sehr altes Wien, sehr vornehm. Ich aß gutes Porridge und bekam zumindest anständigen Cappuccino.

Im besagten Keller der International Bar führte der Begründer dieser Walking Tour, Historiker Lorcan Collins, ins Thema ein: Irische Soldaten im Ersten Weltkrieg (49.000 Gefallene), geplante Unterstützung des Aufstands 1916 durch eine Waffenlieferung aus Deutschland, die schief lief. Schon hier wie auch im weiteren Verlauf immer wieder Reflexionen über die Romantisierung der Helden und Handlungen von damals, die eigentlich doch viele brutale und unmenschliche Seiten hatten. Positiv bemerkte ich die Thematisierung der Rolle von Frauen im Aufstand von 1916 (wobei mir bereits in der “Proclamation of the Irish Republic” das Gendern “every Irishman and Irishwoman” aufgefallen war).

Dann nahm er unsere Gruppe (Menschen aus Frankreich, Nordirland, USA, wir waren die einzigen Deutschen) raus auf die Straßen. Wir spazierten von Denkmal zu Denkmal für Helden des Aufstands erst nach Nordosten, wo uns Lorcan die Reste des alten Dockviertels zeigte (einerseits vergangene Zeiten betrauernd, andererseits mit Erzählungen von Hafenarbeitern, die vom Kohleverladen schwarze Luftröhren hatten – klingt nicht nach großem Verlust), dann über die Liffey und zum O’Connell Monument (seinen eigenen Ausführungen zufolge wandelt er den Rundgang der Walking Tour jedesmal ab), weiter nach Westen zum General Post Office, dem zentralen Schlachtfeld des Easter Rising. Hier erzählte Lorcan von den Kämpfen und abschließend von den Folgen der Niederlage.

Auf dem Weg zu General Post Office hatte Lorcan wohl gesehen, wie auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwei junge dunkelhäutige Männer angepöbelt wurden, denn er unterbrach seinen Redefluss, um darauf hinzuweisen, sich zu versichern, dass nichts passierte. Als die beiden Burschen anschließend an uns vorbei gingen, sprach er sie an (“Are you ok?”) und erkundigte sich nach dem Vorfall: Ach, das sei nur ein Betrunkener gewesen, außerdem kümmere sich bereits die Polizei um den.

Was mich zu einem Exkurs über die Einheimischen bringt – ob nun seit Generationen oder seit drei Jahren einheimisch: Ich erlebe sie als unglaublich freundlich und zugewandt. Dass die Dubliner nett seien, steht in jedem Reiseführer über die Stadt, auch dass man nur ein wenig rumstehen müsse und schon angesprochen werde. Das stimmt auf eine für mich unerwartete Weise: Über die Jahre habe ich mir in UK Smalltalk-Teilnahme antrainiert und kann inzwischen problemlos minutenlang über unverfängliche Themen Belangsloses sagen, habe dadurch mit dem Gegenüber angenehmen Umgang, ohne persönlich zu werden. Doch die Iren und Irinnen meinen immer wirklich mich: Wenn jemand in Geschäften oder B&Bs ein Gespräch mit einer Frage eröffnet, interessiert er oder sie sich wirklich für mich und will nicht einfach nur die Luft menschlich zum Klingen bringen. Und so erfuhr ich vom Wochenendvergnügen des Kellners, von der Befangenheit der B&B-Wirtin im Umgang mit Gästen aus Japan, dass die Köchin niemals eine Soße aus dem Packerl servieren würde, dass die mexikanische Partnerin des Sommeliers Hitze hasst – und erzählte im Gegenzug Details von mir, die nie eine britische Alltagsbekanntschaft gehört hätte.

Beispiel: Gestern fotografierte ich einen Backsteinbau im Abendlicht, worauf ein eigentlich zielgerichtet passierender Herr anhielt und fragte, was ich da fotografierte – um mir erfreut kurz die Geschichte dieses ältesten als solchem erbauten Einkaufszentrums Europas zu erzählen. Dann erkundigte er sich noch nach meinem Woher und verabschiedete sich mit besten Wünschen. Herzerfrischend.

Für den Abend hatten wir einen Tisch im Bloom gebucht. Es hatte uns beim ersten Zufallsbesuch sehr gut gefallen (ich finde sonst nie zufällig gute Lokale), also ließen wir uns das “Chefs Suprise Menu” kochen. Es wurde als sharing menu serviert, also jeder Gang als Zweierportion in die Mitte gestellt. Wir aßen (zur Bewunderung des Kellners jeweils komplett – nu, wenn wir was können, dann essen):
– Nordirischen Schafskäse mit karamelisierten Pfirsichen und Pekannüssen auf Blattsalaten
– Marinierte und langsam gebratene Garnelen
– Pulled Duck mit Sesam und Karotten auf Blattsalaten
– Kabeljau-ähnliches (ich habe mir den Namen leider nicht gemerkt), kross gebratenes Fischfilet auf Kartoffelpüree mit Chorizo (der Ire mag Chorizo), mit Blumenkohlpüree und Kapern
– Filet vom irischen Rind, dazu Speck aus dem Elsass, Blumenkohl- und Karottenpüree
– Maracuja-Panna cotta
Dazu Weinbegleitung, aus der mir am besten der neuseeländische Pinot Noir zu Ente und der australische Süßwein zum Dessert gefielen.

Auf dem Spaziergang zurück zur Fernienwohnung verliefen wir uns ein bisschen, was aber in dieser herrlichen milden Sommernacht gar nichts machte.

Typo-Liebe:

Spaziergang zum Bloom: