Archiv für September 2018

Journal Dienstag, 11. September 2018 – Zu Ukulele mitgesungen

Mittwoch, 12. September 2018

Noch ein Sommertag, ich höre nicht auf mich darüber zu freuen.

Morgens sehr früh aufgestanden für ein Stündchen Kraftttraining vor der Arbeit. Ins Büro geradelt, damit ich nach der Arbeit ein Rad zur Verfügung hatte: Gestern Abend traf sich nämlich das Münchner Ukulele Meet-up wieder im Giesinger Bräu zum Ukulele Tuesday. Und dorthin begleitete ich den Ukulele-Spieler an meiner Seite, weil er nach dem vergangenen Mal erzählt hatte, dass man auch einfach mitsingen kann, ohne Ukulele.

Gegenüber die Giesinger Heilig-Kreuz-Kirche. Schon auf dem Giesinger Berg hatte ich eine Radlerin überholt, die auf dem Rücken nicht nur einen großen Trekkingrucksack trug, sondern auch in einer daneben verschwindend kleinen Instrumententasche eine Ukulele – sie hatte dasselbe Ziel wie ich und stellte sich als alte Ukulele-Bekannte des Herrn Kaltmamsell heraus.

Es war ein sehr fröhlicher Abend mit herrlich gemischtem Publikum. Vor den offenen Türen des Stehausschanks (so heißt der Raum neben dem eigentlichen Bräustüberl) der Spätsommer, drinnen wurden auf Bildschirme Akkorde und Liedtexte projiziert, die Ukulelespielerinnen und -spieler (begeisterte Amateure, wie Initiator Stefan Michaelis betonte – kurzes Winken zum 9.30-Uhr-Leser!) guckten sich erst mal die Akkorde an, probierten länger oder kürzer daran herum, je nach dem, wie häufig das Lied in ihrer Runde schon gespielt worden war. Und dann ging’s immer recht unvermittelt los, weil “Intros spielen wir eh nicht”.

Im weiteren Verlauf spielten und sangen kleine Gruppen und Einzelne auch Lieder vor, dies bei allem Amateurtum auf sehr hohem Niveau und ausgesprochen mitreißend.

Ich stand an einem der langen Stehtische, trank gutes Giesinger Bier, holte mir am Grillstand draußen eine Bratwurst, unterhielt mich mit Freundinnen des Herrn Kaltmamsell, die ebenfalls zum ersten Mal dabei waren (eine mit, eine ohne Ukulele) – und vor allem sang ich alles nieder, was ich kannte.

Im letzten Drittel des Abends gesellte sich eine Frau in Radlerhose zu uns, die, wie sie erzählte, beim Vorbeifahren auf die Musik aufmerksam geworden war. Sie war ganz frisch in München, eben nach Giesing gezogen, und konnte es überhaupt nicht fassen: Dass hier einfach so Leute so großartig Musik miteinander machten, die Türen offenstanden, dass jeder dazu kommen konnte und das keinen Eintritt kostete. Wie wunderbar, wenn München erst mal solch einen Eindruck macht.

Der nächste Ukulele Tuesday im Giesinger Bräu ist der 9. Oktober. Davor gibt es am 22. September das Ukulele Fest München 2018 in der Glockenbachwerkstatt – dort treten auch die Ukelites auf, die mich gestern Abend mit ihrer Einlage beeindruckten.

Nicht zu spätes (Arbeitstag!) und für meinen Geschmack zu kurzes Heimradeln durch die frische Sommernacht, vor der Wohnungstür eine Tüte selbst gemachte Äpfel von der Nachbarin.

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Katrin Scheib war in Odessa und macht die Stadt mehr als schmackhaft – in Bild und Wort (darunter jiddische Wörter):
“Odessa oder Odesa?”.

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Der cute overload des Tages ist ein Roboter mit Pflanze drauf.

Journal Montag, 10. September 2018 – Ungarische Chelsea Boots

Dienstag, 11. September 2018

Ein geschäftiger Morgen: Spülmaschine ausräumen, von Null weg bloggen (Sonntagabend war es beim Heimkommen so spät, dass ich lediglich die Fotos runtergeladen hatte).

Der Fußweg in die Arbeit war wundervoll: Der Spätsommer hält noch, ich brauchte keine Jacke.

Pünktlich den Arbeitstag beendet, weil ich bei der Schusterin die zurückgelegten Chelsea Boots (die sie “Galoschen” nennt, auf Nachfrage “altdeutsche Galoschen”) nochmal mit Einlagen anprobieren wollte und im Passensfall kaufen. Es zeigte sich, dass das nochmalige Anprobieren eine gute Idee war: Am Abend sowie mit Socken und Einlagen brauchte ich eine Nummer größer als am Samstagmorgen mit den Nylonsöckchen der Schusterin. Jetzt habe ich ordentliche handgenähte Schuhe aus einer ungarischen Manufaktur, die sollten die nächsten zehn Jahre halten – mindestens. Um braune Schnürstiefel aus ihrem Laden kümmere ich mich nach meinem Wanderurlaub.

Ein paar Einkäufe beim Basitsch auf dem Heimweg. Das Nachtmahl bereitete ich mit Vorarbeit von Herrn Kaltmamsell zu: Mangoldquiche mit selbst gemachtem Quarkblätterteig aus dem Gefrierschrank, bei meiner Ankunft hatte Herr Kaltmamsell den Mangold aus Ernteanteil bereits geputzt, geschnitten, vorgebraten sowie Schnittlauch und Oregano geschnitten (Reste vom Freitag).

Journal Sonntag, 9. September – Bayrischzeller Höhenweg

Montag, 10. September 2018

Vor fast einem Jahr waren wir schon mal über Bayrischzell gewandert, in Regen und dickem Nebel. Gestern bei wunderschönem Wetter wollten wir den Bayrischzeller Höhenweg nochmal gehen, diesmal hoffentlich mit Aussichten.

Das klappte sehr gut. Nach Ausschlafen, Kaffeetrinken, Bloggen und Wohnungsaufräumen packten wir Brotzeit ein und spazierten zum Bahnhof. Hinter die Wohnungstür hatte ich den Zwetschgenkorb meiner Eltern gestellt: Sie hatten durchgegeben, dass sie von ihrem Wanderurlaub in Südtirol zurückkommen würden und und südtiroler Spezereien vorbeibringen – in unserer Abwesenheit, aber sie haben ja einen Wohnungsschlüssel.

Ich war wagemutig genug, mich in kurzen Wanderhosen auf dem Weg zu machen – und schon beim Verlassen des Hauses zeigte sich, dass die Temperaturen dem angemessen waren. Bei der Abfahrt im Starnberger Flügelbahnhof war der Zug nach Bayrischzell voll, bis Holzkirchen kamen an jedem Halt weitere Wanderer, Familien und Radlerinnen dazu. Sie stiegen allerdings in großer Mehrheit vor Bayrischzell aus.

Über unseren Startort schepperten Lautsprecheransagen: In Bayrischzell trafen sich gestern Inhaber und Inhaberinnen alter und sehr alter Autos, um ihre Gefährte vorzuführen. Dazu fuhren sie einzeln durch ein eigens dafür aufgebautes Tor, wo ein Sprecher die Autos mit blumigen Worten, technischen und historischen Details beschrieb. Seine Ansagestimme begleitete uns die erste Wanderstunde bis hinauf zur ersten Hochebene.

Im Gegensatz zum vorigen Jahr war der Weg gestern sehr belebt, uns kamen alle paar Minuten Wanderer entgegen. Man grüßte “Griaß eich” und “Servus” – in den Bergen deutlich konsequenter als im hügeligen Voralpenland, in dem wir sonst unterwegs sind (dort auch eher “Hallo” und “Grüß Gott”).

Häufigstes Blümchen am Wegesrand (auf manchen Weiden zudem viele Herbstzeitlose).

Aus der Reihe versehentliche Fotos von meinen Füßen.

Wir sahen in der Luft viele, viele Paraglider, ein paar Drachenflieger, einen Bussard und Raben – seit dem irischen Wicklow Way wissen wir ja, wie sie sich im Gegensatz zu Krähen und Dohlen anhören.

Vorteil an einem echten Bergwanderweg: Keine Radler. Die brausten erst auf dem letzten Fußwegstück im Tal mit E-Bikes an uns in einem Karacho vorbei, dass ich mich fragte, wo eigentlich verkehrsrechtlich die Abgrenzung zum Mofa liegt.

Die Almen/Hütten waren diesmal alle noch geöffnet, doch den ersten begegneten wir zu früh auf der Strecke für unsere Bedürfnisse, und dann hatten wir ja Brotzeit dabei, mit der wir Pause machten.

Wir kehrten erst nach den fünf Stunden Wanderung ein, es gab gegrilltes Kalbsherz für den Herrn und Kalbsrahmgulasch für mich.

Der Zug zurück war ein eher später, vermutlich deshalb auch nicht überfüllt. Unterwegs sehr traurige Nachrichten.

Journal Samstag, 8. September 2018 – Schyrenbadforelle

Sonntag, 9. September 2018

Ausgeschlafen, das leichte Kopfweh verflog beim Morgenkaffee. Zwei Maschinen Wäsche gewaschen, und versorgt, Pflege aller 20 Fuß- und Zehennägel.

Plan war eine möglicherweise letzte Schwimmrunde im Schyrenbad. Das Wetter war gemischtwolkig und frisch, doch ich kannte ja die warmen Innenduschen.

Auf dem Weg zum Freibad holte ich bei der Schusterin eine reparierte Sandale ab. Sie hat auch einen kleinen Schuhhandel, und schon vergangenes Jahr hatten wir vereinbart, dass sie für mich Ausschau hält nach braunen Schnürstiefeln für den Winter ohne zusätzlichen Reißverschluss und nach schwarzen Chelsea Boots. Ersteres kündigte sie für Oktober an, zweiteres hatte sie schon im Laden (rahmengenäht, schier unverwüstliche Qualität): Passte perfekt, ich ließ mir das Paar für Montag zurücklegen.

Die Schwimmrunde war wundervollst, ich musste mir die Bahn 3.000 Meter lang mit nur ein oder zwei Schwimmerinnen teilen. Nach den ersten 1.000 Metern kam auch noch die Sonne heraus und verglitzerte den Metallboden des Beckens. Ich fühlte mich kraftvoll und elegant, schwamm dennoch brav nicht mehr als geplant und verließ das Becken grinsend vor Wohlgefühl. Mir war selig bewusst, dass am dritten Tag in Folge meine Bandscheiben kein einziges Mal das Bein hatten wegknicken lassen, ich selbstvergessen gehen und mich bewegen konnte.

Auf dem Heimweg Semmeln geholt, daheim weiter Wäsche versorgt. Es war später geworden als geplant, Frühstück gab es erst um halb drei. Weitere Pläne für den Tag waren Kuchenbacken und Bügeln, aber erst mal las ich noch gemütlich Internet – eilte ja alles nicht.

Der Kuchen wurde ein Marmor-, nachdem ich ihn in den Ofen schob, klappte ich das Bügelbrett auf und öffnete die Balkontür in den sonnigen Nachmittag. Während ich mich an den Wäscheberg von drei Wochen machte, hörte ich den neuesten Podcast von Holger Klein für die Bayern Tourismus Marketing: Er hatte mit Veronika Endlicher gesprochen, Kastellanin von Schloss Herrenchiemsee. Unerwarteterweise lernte ich eine Menge Neues über Ludwig II., über den Menschen und seine Schaffenskraft, zudem über die politischen und gesellschaftlichen Strukturen seiner Zeit (Endlicher ist Historikerin), fundiert und kundig dargelegt. Und natürlich über Geschichte und Anlage von Schloss Herrenchiemsee, mein Plan eines Besuchs wird konkreter. Große Empfehlung dieses Hörstücks.

Der Bügelberg war dann doch fast eine Stunde höher, als ich prognostiziert hatte; ich wurde gerade mal zum Abendessen damit fertig. Ich hatte noch in der großen Sommerhitze bei Petra die russische kalte Sommersuppe Okroschka entdeckt und Herrn Kaltmamsell den Link als Kochtipp geschickt; am Freitag hatte er sie zubereitet, bis gestern im Kühlschrank durchziehen lassen.

Das halbe Rezept war gerade recht für uns zwei und schmeckte sehr gut (hatte etwas von Grie Soß als Suppe – super!). Die Lyoner als Fleischeinlage kann man eigentlich weglassen – oder durch etwas Kräftigeres, Gepökeltes ersetzen (gepökelte Zunge?).

Als Abendprogramm Fernsehbildung für mich: Tele5 zeigt gerade wieder Buffy, was ich zur Erstausstrahlung mangels Fernseher und Interesse nie gesehen habe. Durchaus spannende Prämisse (die mir Herr Kaltmamsell netterweise zusammenfasste), leicht angestaubte Erzählweise, sehr, sehr frühe 90er in Ausstattung und Drumrum.

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Es mehren sich die Anzeichen, dass auch in der deutschen Politik bestimmte Kräfte versuchen, eine Parallel-Wirklichkeit aufzuziehen, in der sie selbst offensichtlichste Fakten umdrehen und wegbehaupten. Zum Beispiel am Freitag Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der das Videomaterial von rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz als mögliche “gezielten Falschinformationen” bezeichnete. Wir kommen in bedrohliche Nähe zu US-amerikanischen Zuständen, in denen oberste Stellen alternative facts gegen belegte und überprüfbare Tatsachen aufstellen. Das Ziel scheint komplette Verunsicherung zu sein, fundamentale Zerstörung von Vertrauen in journalistische Berichterstattung. Das war mir erstmals angesichts der CSU-Plakate um die #ausgehetzt-Demo durch den Kopf geschossen, bestätigt durch CSU-Generalsekretär Markus Blumes wahnwitzige Aussagen: Einige Kräfte in der CDU/CSU scheinen sich die Kommunikationsstrategie der Trump-Bewegung als best practice-Vorbild genommen zu haben. (Wobei ich dahinter nicht etwa einen übergreifenden Masterplan sehe – immer die am wenigsten wahrscheinliche Erklärung -, sondern verantwortungslosen Opportunismus.)

Auch die 20-Uhr-Tagesschau am Freitag hatte Maaßen zitiert – auffallend umfangreich, ausführlich und mit vielen Hintergrundinformationen: Mir schien, dass die Redaktion einem Vorwurf vorbeugte, die Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen. In den Tagesthemen dann der Kommentar:
“Wasser auf die Mühlen der Staatsverächter”.

Doch, ich glaube schon, dass der Herr noch alle Tassen im Schrank hat, dass er solche destabilisierenden Aussagen gezielt trifft – unverantwortlicherweise.

Zusätzliches Baumaterial für eine parallele Wirklichkeit: Suchen auf YouTube zu Chemnitz-Material ergeben auffallend oft Propaganda- und Verschwörungstheorie-Filme. Die New York Times berichtet über Untersuchungsergebnisse, die kein Einzelfall sind:
“As Germans Seek News, YouTube Delivers Far-Right Tirades”.
via @Afelia

Mr. Serrato scraped YouTube databases for information on every Chemnitz-related video published this year. He found that the platform’s recommendation system consistently directed people toward extremist videos on the riots — then on to far-right videos on other subjects.

Users searching for news on Chemnitz would be sent down a rabbit hole of misinformation and hate. And as interest in Chemnitz grew, it appears, YouTube funneled many Germans to extremist pages, whose view counts skyrocketed.

Activists say this may have contributed to a flood of misinformation, helping extremists shape public perceptions even after they had been run off Chemnitz’s streets.

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Viele Menschen, die sich mit deutscher Geschichte befasst haben (und sei es nur, dass sie im Schulunterricht aufgepasst haben), fühlen sich derzeit an bestimmte Aspekte der Weimarer Republik erinnert. Ein Fachmann sieht sich das für die Zeit aus Expertensicht an, nämlich Michael Wildt, Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität zu Berlin (wir mögen Fachleute und Expertise):
“Droht Deutschland ein neues 1933?”

Interessante Schlüsse unter anderem (nach dem Caveat, dass es nie zwei identische historische Umstände gibt):

Das Beispiel Weimar zeigt eben auch, wie wichtig es ist, Rechtsstaatlichkeit in Polizei und Justiz zu gewährleisten. Verfassungsgegner können nicht Verfassungsschützer sein.

(…)

Man darf die Entschlossenheit von Verfassungsgegnern, politische Grenzen zu verschieben und den Rechtsstaat auszuhöhlen, nicht unterschätzen. Wer wie Alexander Gauland eine “friedliche Revolution” gegen das “System Merkel” fordert, setzt mit seiner Wortwahl nicht nur die gewählte Bundesregierung mit der SED-Diktatur in eins, er stellt sich trotz aller Beteuerung, dass er keinen Umsturz der grundgesetzlich garantierten Ordnung wolle, gegen die Verfassung, denn Revolution ist Verfassungsbruch. Sonst spricht man von Reform.

(…)

Mit der AfD sitzt nun zum ersten Mal eine beachtliche politische Kraft im Bundestag sowie in Landesparlamenten und Kommunen, die nicht mehr die Gesellschaft als Ganzes adressiert, sondern sie völkisch spalten will. Menschen mit anderer Hautfarbe, aus Einwanderungsfamilien und Muslime sollen nicht Deutsche sein und ausgegrenzt, sogar “in Anatolien entsorgt” werden.

Was mich immer wieder fassungslos macht: Wir alle in Deutschland haben doch Familiengeschichte, die Wunden und Narben aus den Greueln von Diktaturen des 20. Jahrhunderts trägt (in meinem Fall ist das die spanische Franco-Diktatur, die Teile meiner Familie zum Verstummen gebracht hat, und die Nazi-Diktatur, die meine polnische Großmutter als Zwangsarbeiterin verschleppt hat). Wie kann sich diese Erfahrung in ganzen Bevölkerungsgruppen so umkehren?

Journal Freitag, 7. September 2018 – Angst, selbstgemacht

Samstag, 8. September 2018

Schon um fünf aufgewacht und von Angst wachgehalten worden: Mein Stoffwechsel meinte, sich wegen zweier noch nicht geklärter Gepäcktransporte und eines noch offenen Bahntransfers auf meiner geplanten Westerwaldwanderung sorgen zu müssen. Er bereitete mir so großes Unbehagen, dass ich mich tatsächlich in der Mittagspause ans Organisieren machte. Um nach dem ersten Telefonat mal den Kalender zu öffnen und mir (sowie dem gekloppten Stoffwechsel) klar zu machen, dass ich dafür NOCH VIER WOCHEN ZEIT HABE, ZEFIX. Ich glaube wirklich, wirklich nicht, dass ein Taxiunternehmer so lange Vorlauf für den Transport eines Koffers zwischen zwei Stationen der Westerwaldwanderunterkünften braucht, Hagottsa.

Morgens unter grauem Himmel in die Arbeit aufgebrochen, in milder Luft ohne Jacke. Nach den ersten 10 Minuten begann es zu regnen, und zwar so schnell so stark, dass mein reflexhaftes “Ach das bisschen…” davonschwamm. Da ich keinen Regenschirm dabei hatte, bog ich ab zur nächst gelegenen U-Bahn-Station und ließ mich die restlichen zwei Drittel des Arbeitswegs fahren – erste Male.

In der Arbeit das zweite wichtige Gespräch nach Donnerstag: Das neue Jahr wird Neues bringen, das sich auch auf meine Erwerbstätigkeit auswirkt. Wenn ich alles geklärt habe, berichte ich hier.

Der Tag blieb grau durchmischt, mal regnete es, mal musste ich die Jalousien gegen die Sonne herablassen. Der Heimweg war grau, aber trocken. Ich ging wieder über den Bavariapark, musste aber einen ganz großen Bogen schlagen: Jetzt ist die gesamte Theresienwiese komplett gesperrt.

Am Goetheplatz Begegnung mit einer sehr langjährigen Blogleserin – wir tauschten uns statt in den Kommentaren persönlich aus.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell mit Käse überbackene Auberginenscheiben nach Rachel Roddy (Ernteanteilaubergine) und gegrilltes Onglet (Nierenzapfen) – gibt’s beim Innereienmetzger Eisenreich auf dem Viktualienmarkt auch ohne Vorbestellung. Beides war köstlich, dazu tranken wir Aperol Spritz aufs Wochenende.

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Was bedeutet eigentlich dieses “Framing”, das hin und wieder in den Medien auftaucht und auf das gerade bei politischen Themen hingewiesen wird? Hier zwar keine Definition, aber ein sehr guter Versuch, Framing vorzuführen:
“Die Klasse bin ich”.
via @SibylleBerg

Journal Donnerstag, 6. September 2018 – Soviel Spätsommergenuss wie möglich

Freitag, 7. September 2018

Der frühe Wecker riss mich aus tiefem Schlaf, ermöglichte mir aber ein Stündchen Krafttraining vor der Arbeit. Den resultierenden Muskelkater spürte ich bereits am Abend heraufziehen.

Arbeitsweg in frischer Sonne, ins Büro wehten durchs offene Fenster Herbstlaubgerüche.

Der Heimweg in warmer Sonne war wundervoll. Ich machte wieder einen Umweg, um durch den Bavariapark zu gehen, in dem ich schlendernd das Spiel des goldenen Abendlichts durch die Blätter genoss, die leichte Brise im Gesicht. Den Genuss verlängerte ich daheim auf dem Balkon.

Nachtmahl waren Salat und Tomaten aus Ernteanteil, den ich zubereitete; Herr Kaltmamsell briet regulären Tofu dazu, der an Sensation allerdings nicht an den Seidentofu vom Vortag heranreichte.

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Zur Frage 243., wessen Tod mich am meisten berührt habe. Mich berührt gerade das Sterben von jemandem, den ich nie getroffen habe, von dessen Sterben ich aber schon lange weiß. Mich berührt der Schmerz, den dieses lange Verlieren für seine Gefährtin bedeuten muss. Mich macht tieftraurig, welch unfassbares Leid zu diesem Sterben geführt hat. Vergangenheit lässt verzweifelnderweise nicht ändern. Manchmal tötet sie.

Dann erreichte mich im abends Bett die Nachricht eines weiteren lang erwarteten Sterbens, auch dieses weit vor der Zeit, das so ganz anders geschieht. Aus dritter Reihe lerne ich, dass Sterben so verschieden ist, wie Menschen verschieden sind. Und ahne, dass der Schmerz der liebenden Umgebung sich dennoch ähnelt. Anders ist es wohl bei einem plötzlichen, überraschenden Tod – der in unserer Gesellschaft die Standardantwort auf die Frage nach dem eigenen Wunschtod ist: Der fügt ein Element der Brutalität und der Gewalt zum Schmerz der Hinterbliebenen (seltsames Wort) hinzu. Kein Abschied, keine Begleitung, keine Gemeinschaft, kein Zurückblicken, keine Liebe. Zurück bleibt ein Trümmerhaufen an Verpasstem. Wer sich einen plötzlichen Tod wünscht, sollte über diesen Wunsch vielleicht nochmal nachdenken.

Journal Mittwoch, 5. September 2018 – Verliebt in Keramik

Donnerstag, 6. September 2018

“Zu kurz” ist bekanntlich die kollokativ korrekte Antwort auf die Frage von Kolleginnen und Kollegen, wie’s denn im Urlaub gewesen sei (DaF-Lehrende aufgemerkt). In diesem konkreten Fall stimmte es. Berlin im Sommer wirkt auf mich berauschend charmant; dieses Jahr habe ich allerdings begriffen, dass ich das als Berlin-Bewohnerin sehr wahrscheinlich nicht so intensiv empfände und beschloss, dass Berlin dann halt meine liebste Urlaubsstadt ist.

Neu verliebt habe ich mich in Berlin in eine bestimmte Keramik. An der Torstraße lief ich an einem Laden mit Dingen im Ritz-Design von Helene Hedwig Bollhagen vorbei und musste abrupt bremsen. Meine Güte, ist das schön. Seither gucke ich auf der Website ständig nach den Vasen, den Platten und all den anderen Sachen in Schwarz-Creme. Meine Güte, ist das teuer.

Ein sonniger Tag mit reichlich Arbeit. Einkäufe auf dem Heimweg (unter anderem brauchte mein Brummsummsel zum Milchschäumen neue Batterien), hungrig nach Hause gekommen – wo Herr Kaltmamsell im Handumdrehen eine vorbereitete sensationelle Udon-Suppe servierte.

Das Gebratene ist Seidentofu – außen knusprig, innen cremig: Hammer.

Gestern ging es meinen Bandscheiben plötzlich so gut wie lange nicht. Bewusst wurde mir das, als mir in der Arbeit ein Bleistift herunterfiel und ich mich ohne zu überlegen nach ihm bückte. Die Tage zuvor hätte ich ihm erst mal ziemlich lange hinterher geschaut, wäre dann ganz langsam in die Knie gegangen, um mich mit einem Stöhnen vorsichtig zu bücken. Das ist so schön! (Wenn auch vergänglich, ich weiß.)

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Bevor er von Musik leben konnte, arbeitete Freddie Mercury am Flughafen Heathrow in der Gepäckabfertigung. Zu seinem gestrigen Geburtstag tanzten ihm die Kollegen ein Ständchen.

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https://youtu.be/mLE6-KZt42o

(Ein halberter Münchner war er ja auch, der Freddie Mercury, allerdings bereits als Musiker. Nächstes Jahr selbe Nummer vor der früheren Teddy Bar in der Pestalozzistraße?)