Journal Mittwoch, 24. Oktober 2018 – Herbstblätterwirbel im 10. Stock

Donnerstag, 25. Oktober 2018 um 5:57

Ein richtiger Herbsttag: So stürmisch, dass die bunten Blätter bis zu den zweistelligen Stockwerkszahlen des Bürogebäudes flogen und in der Ferne schwer zu unterscheiden war, ob da ein Vogel segelte oder ein Blatt. Aus dunklen Wolken regnete es immer wieder.

Das vermieste mir die Aussicht auf einen Fußweg nach Hause, die unangenehme Wanderetappe in windigem Regen war mir noch zu nah in Erinnerung. Ich nahm eine U-Bahn zum Stachus, wo ich meine angepasste Jeans abholte.

Sportzeug hatte ich gar nicht erst mitgenommen, obwohl ich seit Wochen im Kopf hatte, dass gestern Abend der ideale Wiedereinstieg ins Hot Iron-Training sein würde. Ich freute mich zu sehr auf einen ruhigen Abend daheim mit Herrn Kaltmamsell – der zudem indische Linsen mit Kartoffelwürfeln servierte.

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In mir arbeitet immer noch eine Stelle des Gesprächs zwischen Emma Thompson und Mary Beard. Die beiden Frauen (eine kurz vor ihrem 60. Geburtstag, die andere ein paar Jahre dahinter) freuen sich darüber, dass sie sich bei sich und ihrem Frausein angekommen fühlen. Mary Beard erzählt, dass sie erst über 30 werden musste, bis sie sich eine Vorlesung halten hörte und dachte: Da spreche wirklich ich. Auch Emma Thompson erinnert sich, wie sie früher vor allem beruflich ständig in Verhältnis zu Erwartungen und Geschlechterrollen lebte – sei es ihnen folgend oder sich davon abgrenzend.

Ich fürchte, mir geht es da in vielerlei Hinsicht umgekehrt. Aus schierer Naivität und und aus Idealismus war ich beruflich sehr lange selbstvergessen und bin einfach voran marschiert. Im Studium (Referate!) und als Dozentin fühlte ich mich ausgesprochen selbst – und bin mir gleichzeitig der Gefahr bewusst, dass ich das lediglich nachträglich so hinsortiere; zum Beispiel habe ich lange erzählt, wie befreiend beim Schritt in die freie Wirtschaft die Leistungserlaubnis war: An der Uni musste ich immer vorsichtig mit dem Anbringen von Ideen und meinem impulsiven Enthusiasmus sein, in der PR-Agentur wurde genau das gefeiert, ich konnte dort das Tempo immer weiter aufdrehen (bis kurz vor der Selbstzerstörung.) Es ist erst heute, dass ich mit Abgrenzen vor Erwartungen beschäftigt bin und mich so zurückgezogen habe.

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Wenn zwei Frauen zusammen Mütter werden – ist das zumindest in meiner Welt zwar nicht Routine, aber auch nicht DIE Sensation. Anders anscheinend für die eine oder andere Hebamme. An eine davon sind Bette und ihre Frau im Geburtsvorbereitungskurs geraten:
“Rosa-Hellblau.”

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 24. Oktober 2018 – Herbstblätterwirbel im 10. Stock“

  1. Ulla meint:

    Gehöre auch zu den BH Ablegern ;-)

  2. Nina meint:

    Kinderkriegen ist wirklich die reinste Genderverstärkungsmaschine. Hab ich selbst in meinem alternativen Kreuzberger Geburtshausumfeld so erlebt. Bei Hebammen kommt wirklich nur sehr sehr langsam bzw. überhaupt nicht an, dass das zweite Elternteil nicht zwangsläufig ein Vater sein muss, auch mehr als zwei Menschen gemeinsam Eltern werden können und nicht nur Frauen Kinder kriegen. Es ist echt zum Verzweifeln. Da müsste dringend etwas in der Ausbildung passieren.

  3. Sandra meint:

    Was soll denn da in der Ausbildung dringend passieren? Es geht doch nur um Rhetorik. Praktisch gesehen macht es doch keinenUnterschied ob Mann und Frau oder Frau und Frau oder schätze ich das falsch ein? Ich glaube ehrlich gesagt, dass Hebammen andere „Probleme“ haben, als ihre Rhetorik zu gendern.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Sie können nicht nachvollziehen, Sandra, dass eine werdende Mutter verletzt ist, wenn sie als “der Papa” angesprochen wird? Sprache beeinflusst die Wahrnehmung von Wirklichkeit. Ich stimme Nina zu: In der Hebammenausbildung könnten durchaus Gender-Stereotypen, wie Bette sie in ihrem Blogpost thematisiert, angesprochen werden.

  5. Sandra meint:

    Ich glaube eben nicht, dass das ein Extra-Block in der Ausbildung sein muss. Zumal heute schon Hebammen mit dem Thema konfrontiert sind und es da wenig bringt, das in der Ausbildung zu lehren,da die Ausgelernten Hebammen ja heute schon arbeiten und ansprechen.
    Wenn Ihren Freundinnen etwas daran liegt, die Hebammen zu belehren, dann gibt es für diese bestimmt eine Fachzeitschrift, in der man für das Thema sensibilieren kann.

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