Ausgeschlafen, auch nach neun Stunden aber nicht wirklich wach und munter gewesen.
Vormittags verabschiedete ich Herrn Kaltmamsell, der auch dieses Jahr die Allerheiligentage beim Rollenspielen verbringt und mich verwitwet. Doch auch für mich wargaming widow stellte seine Nerd-Literatur Hilfe bereit (wenn Sie in Ihrem Browser die Ansicht größer stellen, ist der Ausschnitt leichter lesbar):
(Natürlich würde mich jetzt die Fassung eines LARP-Witwers interessieren.)
Über den Südfriedhof ging ich an die Isar zu einem Lauf unter buntem Himmel.
Vor dem Eingang zum Tierpark Hellabrunn standen die Menschen (viele, viele Kinderwagen) bis kurz vor die Thalkirchner Brücke.
Auf dem Rückweg kaufte ich Semmeln. Wegen der Abwesenheit von Herrn Kaltmamsell holte ich den Ernteanteil ab, wegen Feiertag aber nicht am gewohnten Ort, sondern an einem anderen Verteilerpunkt im Westend. Noch beim Laufen hatte ich beschlossen, bereits vor Duschen und Frühstück dorthin zu radeln – die Abholzeit begann um 11 Uhr, weshalb ich unsicher war, wie früh man erwartet wurde. War ich beim letzten Ernteanteilabholdienst noch stolz gewesen, dass ich an die leere Kiste zum Zurückgeben gedacht hatte, fiel sie mir diesmal wieder erst angesichts der Kistenstapel am Verteilerpunkt ein.
Ich klemmte die Kiste schräg in meinen Fahrradkorb, so konnte ich heimradeln – auch wenn ich dabei mangels Platz auf Sattel fast stand. Daheim verräumte ich den Kisteninhalt: So sah er diesmal aus – nur dass statt des Salatkopfs ein monströser Zuckerhut dabei war, an dem selbst ich Supersalatesserin zweimal etwas haben werde.
Das Blaukraut wird zur Gänsebeilage gekocht und eingefroren, aus Sellerie und Kartoffeln plane ich eine Suppe, Radieserln und Äpfel müssen irgendwie nebenher weggehen, der Kürbis hält sich gut bis nächste Woche.
Wegen großen Hungers frühstückte ich ungeduscht. Dann ausführliches Vollbad, Zehennägel lackiert.
Nachdem mir Frau Brüllen letzthin immer wieder davon vorschwärmte, machte ich sie endlich mal wieder selbst: Earl-Grey-Quitten, allerdings nur die halbe Portion.
Nachmittags aß ich den ersten richtig reifen Granatapfel der Saison und genoss ihn so sehr, dass Granatapfel erst mal auf Platz 2 meines Lieblingsobsts nach Erdbeeren kommt. Zum Abendessen eine riesige Schüssel Zuckerhut mit Mandarinen-Tahini-Dressing (nicht süß genug, ich half mit Balsamico-Creme nach).
Den ganzen Tag war ich sehr, sehr müde, hatte immer wieder Kopfwehüberfälle, wollte aber lieber keine Tablette nehmen, weil dazu Darmkrämpfe kamen – ich hatte mal wieder der Verdacht, dass der Körper gerade von einem Infekt angegriffen wird und mit Abwehr beschäftigt ist.
Viel im Galbraith-Krimi gelesen, der mir wie der erste Teil sehr gut gefällt – weniger wegen des aufzuklärenden Mordfalls, sondern wegen der ermittelnden Hauptfiguren: Von Anfang an mochte ich die Assistentin Robin, mit der eine sehr realistische junge Frau im Berufsleben gezeichnet wird (eben hat sie sich als ausgezeichnete Autofahrerin erwiesen und ihrem Chef das Leben gerettet), im Konflikt zwischen ehrgeiziger beruflicher Leidenschaft und einem Partner, der dafür kein Verständnis hat. Und während bei Privatdetektiv Cormoran Strike von Anfang klar ist, dass er eine aufregende und bunte Vergangenheit hat (die ihn durchaus belastet), scheint immer wieder durch, dass die von Robin wahrscheinlich nicht ganz so konventionell ist, wie man erst mal annimmt.
Ich genoss es, nach Langem mal wieder so richtig in einem Buch Urlaub zu machen.
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Immer mit denen reden, um die’s geht, gell? Margarete Stokowski wird deshalb in tip Berlin vom Patriarchat interviewt, erste Frage: “Warum hassen Sie mich so?”
“Ein Jahr #Metoo-Debatte
Margarete Stokowski: ‘Das Patriarchat ist eine alte, eklige Tradition'”.
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Dann genehmige ich mir halt doch ein wenig Merkel-Wehmut. Nie vergessen ihr Anfang als Kanzlerin, ihr Wahlsieg gegen Schröder. Wie da am Wahlabend im Fernsehstudio ein selbstherrlicher Testosteronbatzen den Anschluss zur Realität verloren hatte, daneben Frau Merkel mit diesem ruhigen und leicht amüsierten Gesichtsausdruck, den ich in den Folgejahren als für sie typisch lernte. Dass sie sich nie ein Pokerface antrainierte, mochte ich ganz besonders an ihr.
Denn dass sie durchaus zu professioneller Anpassung bereit war, sah ich an ihrem Äußeren. An der jungen Angela Merkel war zu beobachten, wie egal ihr ihr Aussehen war, doch sie ließ sich zu der Uniform beraten, die wir seit fast genau 15 Jahren an ihr kennen.
Dazu kommt: Alles, was ich von persönlichem Umgang mit ihr gehört habe, bestätigte meine Sympathie. Wie schlau und schnell im Kopf, wie aufmerksam und schlagfertig sie tatsächlich ist, ließ sie wohl nur in kleinem Kreis raus – auch das wahrscheinlich kluges Verhalten. Und ich denke an ihr übermenschliches Arbeitspensum: In derselben Tagesschau tauchte sie regelmäßig zu drei verschiedenen Themen an drei sehr weit voneinander entfernten Orten auf – an allen gleich alert. (Dass die Frau praktisch keinen Schlaf brauchte, wussten Verhandlungsgegner zu fürchten.)
Die Ostdeutsche Jana Hensel zieht in der Zeit eine persönliche Bilanz:
“Mein Angela-Merkel-Gefühl”.
Plötzlich wird der Abschied von der Kanzlerin real. Für unsere Autorin ist das eine Zäsur, auch im eigenen Leben.
(Selbst habe ich sie natürlich nie gewählt – als Bayerin konnte ich das ja nicht.)