Journal Donnerstag, 20. Dezember 2018 – Licht!
Freitag, 21. Dezember 2018Für den Dezember zu mild. Wieder.
Da schau her, jetzt geht’s:
Gestern Vormittag war ich gerade noch im schwärzesten Dezember- und Arbeitspanikmodus, als irgendwas in mir ins Licht kippte. Es lag vielleicht daran, dass ich eine besonders angstbehaftete Tätigkeit hinter mich gebracht hatte, doch schlagartig schaffte ich, mich das Ganze nichts angehen zu lassen. Gut 50 Gehirn- und Seeleknoten lösten sich.
Und das obwohl sich gestern nach schleichenden Anfängen die Schmerzen in Luftröhre, Hals und Nebenhöhlen dann doch als aufziehende Erkältung manifestierten. Hey, seit dem Komplettausfall an Ostern hatte ich ja auch keine mehr gehabt.
Auf dem Heimweg im Biosupermarkt vergeblich Roggenvollkornmehl gesucht (ich setze gerade neuen Sauerteig an, mein alter wann dann doch endgültig durchgeschimmelt), Obst gekauft. Daheim das Mitbringessen für eine Freundesfeier Freitagabend zubereitet.
Zum Nachtmahl richtete ich Feldsalat aus Ernteanteil an, Herr Kaltmamsell überbuk im Ofen Auberginenscheiben.
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Ich bin immer noch nicht über den Tatortreiniger hinweg, dessen letzte Staffel gerade läuft:
– Dass das beste, was deutsches Fernsehen in den vergangenen 20 Jahren produziert hat, enden soll.1
– Dass “Drehbuch Mizzie Meyer” dann doch kein Kollektiv ist, wie ich mir von Anfang an einredete, sondern eine einzelne, offensichtlich supergeniale Person, nämlich Ingrid Lausund, die noch dazu von derselben Geburtstadt ausgespuckt wurde wie ich.
“Diese Frau macht Schluss mit dem ‘Tatortreiniger'”.
Dass es in diesem schönen Porträt in der Welt über Ingrid Lausund heißt, sie habe die Themen der Folgen sehr genau recherchiert, wundert mich nicht: Immer wieder fragte ich mich, was bloß beim Sender schief gegangen war, dass da auf einmal der Alltag einer Rollifahrerin oder eines Jungmanagers bis ins Detail realistisch abgebildet wurde. Wo doch TV-Drehbuchführerscheine nur gegen die eidesstattliche Erklärung ausgegeben werden, dass man ausschließlich Vermutungen und Stereotype verwendet.
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Der Spiegel hat entdeckt, dass einer seiner preisgekrönten Angestellten, Claas Relotius, Teile vieler seiner Reportagen und Interviews, manche sogar ganz erfunden hat. Seither wird in meinem Internet viel über Journalismus diskutiert und über ein paar grundsätzliche Probleme darin. Thomas Knüwer fasst in seinem Blog zusammen:
“Die Causa Relotius: Der Journalismus hat ein systemisches Problem und muss es endlich angehen”.
Ich habe beruflich ja auch meine Erfahrungen mit Spiegel-Berichterstattung gemacht, die sehr weit weg vom Augstein’schen “Sagen, was ist” entfernt war. Zudem fiel mir während meiner Jahre in der Kommunikationsabteilung eines Dax-Konzerns besonders der Gegensatz zwischen Pressekonferenzen und Analystenkonferenzen auf, die zu Quartals- und Jahreszahlen kurz hintereinander abgehalten wurden: Die bei Banken und Aktionärsverbänden angestellten Analysten und Analystinnen wollten wirklich Hintergründe, Zusammenhänge, Zahlen, Daten haben (und brachten zum Teil selbst ganz erstaunliches Wissen mit, stellten Fragen zu Jahre alten Unternehmensankündigungen – “Was ist eigentlich aus dem geplanten Werk in Indien geworden?”). Die Fragen der Vertreterinnen und Vertreter der Presse dagegen ließen fast (!) immer erkennen, dass deren – möglichst zum Tage passende und möglichst verkaufbare – Geschichte längst stand, egal in welchem Verhältnis zur tatsächlichen Lage, und dass sie nur noch Zitate und Details dazu suchten. (Was mich keineswegs den Medien den Rücken hat kehren lassen, sondern gründliche und ergebnisoffene Recherche umso mehr schätzen.)
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Mein Weihnachtsspot des Jahres 2018 ist gefunden:
https://youtu.be/9N7XxUsTIaQ
- Als hätte ich auch nur die leiseste Ahnung von deutschem Fernsehen. [↩]