Journal Mittwoch, 2. Januar 2019 – Magisches Buch, nachgeholter Neujahrslauf, endlich wieder Theater
Donnerstag, 3. Januar 2019 um 9:22Manche Geschenke überfordern mich erst mal. Als mir Herr Kaltmamsell den handgegossenen Bräter einer fränkischen Gießerei schenkte, brauchte ich ein paar Wochen, bis ich mich damit befassen konnte. Und als mir Anke Tröder ein Exemplar des Buches schenkte, das sie über viele Jahre komplett im Alleingang geschrieben und produziert hatte, von Beauftragung der Illustration und des Lektorats über Auswahl von Schrift, Material, Druckerei über Beantragung von ISBN-Nummer bis Produktionsüberwachung – da musste erst mal der Dezember vergehen, mit seiner Unruhe, seinen Ablenkungen, seiner Düsternis und seinen Störungen, bis ich mich ihm nähern konnte.
Und ich freute mich an jedem Detail: Den gereimten Beschreibungen der 13 Präsentationsanfängerinnen und ihrer gezeichneten Darstellung, an den Ausführungen übers Präsentieren und den Tipps dazu. Ich weiß schon, warum eine meiner liebsten Präsentationen dieser TED-Talk von Model Cameron Russell ist: Aufgeregt, atemlos, unperfekt – doch sie weiß, was sie erzählen will, hat sich gut überlegt, wie sie es vermitteln kann und sie erzählt es uns.
Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich ein Exemplar der 13 Near Misses besitzen darf: Es sind noch weniger Exemplare geworden, als Anke ohnehin berechnet hatte, und die sind alle weg.
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Gestern holte ich den Neujahrslauf nach. Ich war früh und frisch aufgewacht, kam also nach Bloggen und Zeitunglesen noch vor zehn los. Draußen war es kalt, schneite immer wieder, doch als ich von der U-Bahn-Station Odeonsplatz loslief, riss immer wieder der Himmel auf. Die Temperatur war fürs Laufen angenehm, aber vielleicht sollte ich mich dazu erziehen, auch mal kürzere Runden zu laufen: Die letzte halbe Stunde war schmerzhaft anstrengend.
Ich kam mit Semmeln heim.
Den Nachmittag hatte Herr Kaltmamsell sich freigehalten: Ich wollte endlich mal in die Residenz (habe ich in fast 20 Jahren Münchnerinnenschaft nie von innen gesehen). Durch Schneegestöber spazierten wir zum Haupteingang – und standen vor einer langen Schlange im Freien anstehender Menschen. Kurze Beratung: Wir verschoben das Vorhaben, anders als Touristen sind wir ja nicht auf bestimmte Tage angewiesen.
Statt dessen verbrachte ich den Nachmittag mit Häkeln und Lesen, las Wolf Haas’ Junger Mann aus (nett und wirklich anregend zu lesen, allerdings für mich mit unangenehmen Flashbacks in meine eigene Diätkindheit und -jugend mit ihrem unablässigen Kalorienzählen).
Abendprogramm war Theater: Ein freier Tag und die Aussicht auf ein nur 60 Minuten langes Stück brachten mich dazu, endlich mal wieder einen Abo-Termin wahrzunehmen. Ich sah Jedem das Seine in der Kammer 2 der Kammerspiele. Im Foyer traf ich unter den insgesamt eh höchstens 50 Zuschauerinnen und Zuschauern gleich mal zwei Bekannte – München ist halt dann doch übersichtlich.
Das Stück war ein Erlebnis. Regisseurin Marta Górnicka dirigierte aus der Mitte der Zuschauertribüne einen Sprechchor von 25 sehr unterschiedlichen Personen auf der Bühne, die Texte und Textstücke vortrugen, in Formation, in Choreografie – nur ganz vereinzelt auch dargestellt. Ungeheuer intensiv und dicht; tatsächlich dauerte die Inszenierung sogar deutlich weniger als 60 Minuten, mehr wäre auch nicht zu verarbeiten gewesen. Gestern gab es auch eine ungeplante Pause, als eine der Mitspielenden auf der Bühne umkippte. Gerade das und die besonnene Art, wie die Inspizientin (Regieassistenz?) mit der Situation umging, machten mir klar, warum ich eigentlich so gern ins Theater gehe: Da ist keine mediale Vermittlung zwischen mir und der Inszenierung, alles findet jetzt und direkt statt, es zählen nur meine Anwesenheit und mein Blick.
Doch nach einem Arbeitstag überwiegen so viele andere Faktoren und hindern mich am Theaterbesuch. Vielleicht muss ich mir die Theatertage frei nehmen, damit ich auch wirklich hingehe. Oder früher heimgehen? Meist ist es gegen 16 Uhr im Büro, wenn ein freier Abend so viel attraktiver wird als ein Theaterbesuch.
Heimweg über frostknirschende Gehwege.
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Es gab einen eindeutig rassistisch motivierten Anschlag in Deutschland, doch die meisten etablierten Medien nennen ihn “fremdenfeindlich”, “ausländerfeindlich”. (Nochmal: Das hieße, dass der Täter sich die Ausweise der Attackierten angesehen hätte. Hat er aber nicht: Er ging nur von ihrem Aussehen aus, stufte sie als minderwertig ein und wollte sie auslöschen.) Aus diesem Anlass: Bereits im Sommer schrieb Vanessa Vu für die Zeit über
“Die Erfindung des Rassismus”.
die KaltmamsellSeit jeher halten Menschen ihre eigene Gruppe für überlegen. Doch erst die Idee von unterschiedlichen Rassen ermöglichte es, dieses Gefühl zu begründen und durchzusetzen.
5 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 2. Januar 2019 – Magisches Buch, nachgeholter Neujahrslauf, endlich wieder Theater“
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3. Januar 2019 um 11:00
Das Buch schaut toll aus. Wie gern ich es lesen würde, schade, dass es schon vergriffen ist.
Frohes neues Jahr wünsche ich auch noch schnell, freue mich auf ein weiteres Jahr täglicher Einblicke.
3. Januar 2019 um 13:25
Wenn ein freier Abend attraktiver wirkt als ein Theaterbesuch, dann ist das Theater das Problem.
3. Januar 2019 um 16:20
Danke fürs Freuen. Die Mädchen und ich freuen uns sehr zurück. Alles Gute von uns.
3. Januar 2019 um 16:21
Wie schön, dass Sie nach dem gekillten Neujahrstag sich einen so schönen Tag gegönnt haben, angefüllt mit lauter Dingen, die Sie wirklich mögen! Hut ab vor Ihrem Mut, einmal die Seele richtig baumeln zu lassen, einfach so, ohne sich Erfolge abzuringen. Vielleicht werden Sie so mit der Zeit gar die leidige Migräne los? (Meine ist nach Verlassen einer sehr stressigen Arbeit spurlos verschwunden). Ein Gleiches wünsche ich Ihnen für 2019.
4. Januar 2019 um 18:31
Ich sehe das anders als Chris. Der Beruf und die Kraft, die er zehrt, ist bei mir das Problem. Das Interagieren mit vielen unterschiedlichen Menschen und die Kraft, die es kostet, diese nicht so zu behandeln, wie sie es verdient hätten, sondern so, wie man selbst behandelt werden möchte, ist enorm kraftraubend, so dass bei mir häufig abends keine Kraft für noch mehr Menschen ist und ich lieber zu Hause bleibe.