Journal Samstag, 16. Februar 2019 – Fränkischer Samstag

Sonntag, 17. Februar 2019 um 10:30

Den gestrigen Samstag verbrachte ich zusammen mit Herrn Kaltmamsell im Fränkischen, nämlich bei der Familie eines Freunds aus Adelsdorf in Mittelfranken. Er wohnt ebenfalls in München und bringt jedes Jahr eine Gruppe Freunde im Haus seiner Eltern zusammen, um fränkisch zu kochen und zu essen, prakisch von früh bis spät.

Uns fuhr er auch noch selbst hin: Da wir kein Auto haben, seine fränkische Heimat aber recht weit ab von Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln liegt, holte er uns frühmorgens ab. Wieder war ich fasziniert, wie anders die Strecke München-Nürnberg von Auto/Straße aus aussieht; unter anderem blickten wir die ersten 100 Kilometer lang auf dreispurigen zäh dichten bis stehenden Verkehr in die Gegenrichtung: Die Farbe vieler Autokennzeichen deutete auf Ferienanfang in den Niederlanden.

Am Zielort lernten wir Familie kennen, bevor unser Freund sich in die Küche zurückzog, um den ersten Teil der Tageskulinarik vorzubereiten, während sein Mann uns zu Einkaufsgelegenheiten mit Fabrikverkäufen fuhr: Tee, Gewürze und das Einkaufserlebnis des Tages – Pralinen- und Schokoladenbruch kiloweise in Tüten. Während ich vergangenes Jahr bei Haribo in Bonn die Kilotüten dann doch stehen ließ, weil sie uns bei genauerer Überlegung zu viel waren, hatte ich diese Befürchtung bei Schokolade keine Sekunde lang.

Im sonnigen Wintergarten des Elternhauses fanden sich nach und nach Freunde des Gastgebers aus München und dem Fränkischen ein, es gab die erste Mahlzeit: Fränkische Bratwurst aus der Herstellung eines verwandten Metzgers, serviert als Sauere Zipfel in einem würzigen Sud und gebraten mit Sauerkraut, dazu ein helles und mit Anis gewürztes Weizenmischbrot, das “römisch” genannt wurde (“des gibt’s nur am Wochenend”) sowie ein Roggenbauernbrot aus dem Holzbackofen.

Meine ersten Sauren Zipfel, ich fand sie köstlich.

Den Kaffeeundkuchen hängten wir gleich dran, ich entdeckte Prasselkuchen (mit Mürbteig) und mochte ihn sehr.

Zum jährlichen Frankentag mit Freunden gehört, wie wir lernten, ein Besuch der Fabrikverkäufe der benachbarten Sportartikelhersteller, der gesamte Trupp fuhr in Autos nach bei Herzogenaurach. Ich lernte auch, dass Sportartikel zumindest im Fabrikverkauf höchstens noch Randprodukte dieser Hersteller sind, am ehesten im Bereich Fußball zu finden; die angebotene Kleidung war eher für den nicht-sportlichen Alltag gedacht. In einem weiteren, Hersteller-übergreifenden Fabrikverkauf fand ich aber zwei sehr günstige Schwimmanzüge, die mich zusätzlich zu meinem aktuellen, noch voll funktionsfähigen auf die nächsten 15 Jahre versorgen dürften.

Abendliche Krönung der Kulinarik: Karpfenessen. Der Gastgeber hatte einen großen Tisch für Freunde und Familie in Willersdorf reserviert, im seiner fundierten Überzeugung nach ersten Karpfenhaus der Region, nämlich im Gasthof der Brauerei Rittmayer.

Als Vorspeisen hatte der Sohn der Gegend schon vor Wochen eine Spezialität bestellt, von der ich noch nicht gehört hatte: Ingreisch, der Karpfenrogen, paniert und frittiert, serviert mit ebenso zubereiteten Flossen (auf dem Foto bereits weitgehend weggefuttert) – großartig.

Der Karpfen wurde angeboten: Müllerin Art, gebacken, blau und pfeffergebacken. Ich entschied mich für den gebackenen, um einen möglichst nahen Vergleich zu meinem Standardkarpfen in Bierteig zu haben, den ich aus Unteremmendorf im Altmühltal kenne. Abgefragt wurde beim Bestellen nicht nur die gewünschte Zubereitungsart (die es alle auch für die Servierform als Filet gab), sondern auch die gewünschte Größe des halben Karpfens (hohe Kunst des Karpfenhalbierens, damit beide Hälften auch einen halben Kopf – Backerl! – und Schwanz bekommen): Abgerechnet wurde nämlich nach Karpfengewicht. Hier die mittlere Größe, die auf zwölf Euro kam.

Er schmeckte ganz hervorragend mit seiner butterschmalzigen, kräftig gewürzten Semmelbrösel-Panade, tatsächlich noch zarter und saftiger als mein Referenzkrapfen.

Mein Nachbar hatte sich für Karpfen blau entschieden (oben Salzkartoffeln, Butter, Merrettich).

Er ließ mich probieren: Das mag tatsächlich die ideale Zubereitung sein, kam dem Charakter des Karpfenfleischs noch mehr entgegen.

Ich trank dazu alkoholfreies Weizen – da mir morgens die Migräne ob des Proseccos am Vorabend drohend den Finger gezeigt hatte (Hackebeil übers rechte Auge), ließ ich einen Test bleiben, welchen fränkischen Weißwein der gebackene Karpfen wohl am liebsten mag.

Nach einem letzten Espresso und vielen herzlichen Umarmungen zerstreute sich die Gruppe, unser Gastgeber nahm uns in zwei Stunden Autofahrt unter klarem Sternenhimmel wieder mit zurück nach München.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Samstag, 16. Februar 2019 – Fränkischer Samstag“

  1. Trulla meint:

    Hmm…was für ein schöner Tag muss das gewesen sein!
    Karpfen blau gab es zu Lebzeiten meines Vaters immer an Heiligabend, welches er, der eigentlich Küchenferne, zubereitete. Wie er es seiner Mutter abgeschaut hatte. Ganz klassisch mit zweierlei Meerettich – mit und ohne Sahne – Salzkartoffeln und Butter.
    Wir wollten die Tradition nach seinem Tode fortsetzen, aber es schmeckte ohne ihn nicht mehr wirklich, diese bestimmte Stimmung fehlte.
    Wir sind dann dazu übergegangen, Karpfen süßsauer, überbacken, beim Chinesen zu essen – köstlich! Leider gibt es inzwischen auch dieses original/originelle Kneipenrestaurant in einer Nebenstraße der Reeperbahn nicht mehr. Dort konnte man neben dem sehr guten Essen die gesamte Buntheit Hamburgs genießen, von der Hautevolee bis zum ansässigen Personal.

  2. Regina meint:

    Freut mich dass es Ihnen in Franken so gut geschmeckt hat!
    Hat ja nur noch das Schäufele gefehlt ;-)

  3. Rainer meint:

    Es war ein Genuss, euch einen Genuss zu bereiten

  4. die Kaltmamsell meint:

    Das Schäufele, Regina, gab es bereits im Dezember von genau diesem Herrn als Vorschuss.

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